Ich hilf Euch.

Begonnen von Berthold Janecek, 2006-08-09, 14:24:26

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Berthold Janecek

Damit ich ... hineinwirf, ...

Das sagt man bei uns wirklich so. Auch (verschruftsprachen):
Ich brich (Ii briich – nicht breech) (z.B.: (sich) erbrechen),
ich befiehl (Ii befüü – nicht beföö) – ebenso empfiehl (empfüü),
ich drisch (driisch)
ich friß (friis)  
ich iß (iis),
ich gib (giib),
ich hilf (hüüf, nicht hööf[e]),
ich nimm (niim)
ich schmilz (schmüütß - oder schmüüds) (z.B.: dahin)
ich sieh (siich oder siach, nicht sääch[e]),
ich stiehl (schdüü)
ich stich (schdiich)
ich stirb (schdiab) (z.B.: vor Lachen)
ich triff (driif)
ich verdirb (fadiab)
ich vergiß (fagiis)
und eben: ich wirf (wiaf)

Diese Formen, fußend im Dialekt und ab einem gewissen Grad an Umgangssprache aufgegeben (nicht jedes Verb gleich leicht), sind in Österreich, zumindest im Bereich mittel- und südbairischer Dialekte, recht verbritten.
Bei ,kommen' gilt in ländlichen Bereichen, wo es ,khema', ,k[c]hemen', statt wie in Wien ,khumma', heißt: ,Ich kimm' (k[c]hiim), statt ,Ich kumm' (khuum). ,Ii k[h]omm' ist gehobene Umgangssprache (auf Fronleichnamsumgängen, etc.)
,bersten', ,quellen', ,schelten' und ,sprechen' dünken mich ein wenig dialektfern. ,Ii schbriich (Ich sprich) da dees fua' ist sachler molg. Bei ,melken' kenne ich mich zu wenig aus. ,Ii müük' oder ,Ii milkch' sind mir nicht bekannt – oder – na ja... ,Ich erwerbe mir das' heißt wohl ,Ii dawiab ma dees', ,ich erschrecke' ,Ii daschrikk'.
Ich erinnere an nëman (nehmen) im Althochdeutschen. Der Kennjokus im Praesens, Indikativ geht so: nimu, nimis, nimit, nëmumēs/-amēs/-emēs//(-ēm), nëmet/nëmat, nëmant. Nicht nur das ,i' der Endsilbe bewirkt ,i', statt ,e', auch das (einfache) ,u' in der ersten Person Singular (1. Person Pl. nie ,nimuēs'). Nach dem 9. Jhdt. wird dieses ,u' zu ,o'. (Braune, W., Eggers, H. (1975: 13. Aufl.) Althochdeutsche Grammatik – Max Niemeyer Verlag Tübingen: 357 pp.)    

Berthold

#1
Zitat von: Berthold Janecek in 2006-08-09, 14:24:26
Damit ich ... hineinwirf, ...

Das sagt man bei uns wirklich so. Auch (verschruftsprachen):
Ich brich (Ii briich – nicht breech) (z.B.: (sich) erbrechen),
ich befiehl (Ii befüü – nicht beföö) – ebenso empfiehl (empfüü),
ich drisch (driisch)
ich friß (friis)  
ich iß (iis),
ich gib (giib),
ich hilf (hüüf, nicht hööf[e]),
ich nimm (niim)
ich schmilz (schmüütß - oder schmüüds) (z.B.: dahin)
ich sieh (siich oder siach, nicht sääch[e]),
ich stiehl (schdüü)
ich stich (schdiich)
ich stirb (schdiab) (z.B.: vor Lachen)
ich triff (driif)
ich verdirb (fadiab)
ich vergiß (fagiis)
und eben: ich wirf (wiaf)

Diese Formen, fußend im Dialekt und ab einem gewissen Grad an Umgangssprache aufgegeben (nicht jedes Verb gleich leicht), sind in Österreich, zumindest im Bereich mittel- und südbairischer Dialekte, recht verbritten.
Bei ,kommen' gilt in ländlichen Bereichen, wo es ,khema', ,k[c]hemen', statt wie in Wien ,khumma', heißt: ,Ich kimm' (k[c]hiim), statt ,Ich kumm' (khuum). ,Ii k[h]omm' ist gehobene Umgangssprache (auf Fronleichnamsumgängen, etc.)
,bersten', ,quellen', ,schelten' und ,sprechen' dünken mich ein wenig dialektfern. ,Ii schbriich (Ich sprich) da dees fua' ist sachler molg. Bei ,melken' kenne ich mich zu wenig aus. ,Ii müük' oder ,Ii milkch' sind mir nicht bekannt – oder – na ja... ,Ich erwerbe mir das' heißt wohl ,Ii dawiab ma dees', ,ich erschrecke' ,Ii daschrikk'.
Ich erinnere an nëman (nehmen) im Althochdeutschen. Der Kennjokus im Praesens, Indikativ geht so: nimu, nimis, nimit, nëmumēs/-amēs/-emēs//(-ēm), nëmet/nëmat, nëmant. Nicht nur das ,i' der Endsilbe bewirkt ,i', statt ,e', auch das (einfache) ,u' in der ersten Person Singular (1. Person Pl. nie ,nimuēs'). Nach dem 9. Jhdt. wird dieses ,u' zu ,o'. (Braune, W., Eggers, H. (1975: 13. Aufl.) Althochdeutsche Grammatik – Max Niemeyer Verlag Tübingen: 357 pp.)    
Verzeiht, aber hin & wieder rutsche ich in den Gästestand zurück. Vielleicht geht's halt Leuten so, die fran einmal abgeschmock'ner Pornographie zieh. ALS WÄRN! - Diesmal allerdings wußte sich 'Häcker-Bertl' - ein Spitzname, passend wie eine Plutoniums-Aufberoyts(Justament mit 's'!)-Anlage zu einem Naturschutzgebiet - zu helfen. Ausnahmsweise.
Das wächgtste Wort vergaß ich gestern: 'werden';
'Ich wir' ('Ii wia'; nicht 'wea', 'wead' oder 'werd[e]').
 

Berthold

#2
Verben, bei denen ein auf das 'e' folgendes 'r' die 'Hob' zu 'i' bewirkt, haben auch im Infinitiv und im Praesens Plural Indikativ 'i'.
'Spir[r]en' (schbia-n) auch in Wien, statt 'sperren': Ich (Ii) spir, du spirst, er spirt, mir spirn, ees spirts, se spirn.
'Mehr auf dem Land' gilt das auch für 'mirkng', statt 'merken' oder 'stirkng', statt 'stärken', öfters auch bei 'lirna', statt 'lernen'.
Zurück zu 'spir[r]en'. Man kekünne vermuten, das schlüge sich mit Formen von 'spüren'. Dies heißt aber eher 'gespüren' (gschbia-n).

MrMagoo

Ich hatte vermutet, daß dieser alte Umlaut sich zumindest in einigen sehr südlichen Dialekten des Deutschen noch hält; danke für die Bestätigung.

Interessant ist allerdings, daß das Endungs "-e" abgeworfen wird; ist das bei den übrigen Verben (also jenen, die nicht dieser Gruppe angehören) auch so?

Gruß
-MrMagoo
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

Berthold

Zitat von: MrMagoo in 2006-08-25, 22:11:54
Ich hatte vermutet, daß dieser alte Umlaut sich zumindest in einigen sehr südlichen Dialekten des Deutschen noch hält; danke für die Bestätigung.

Interessant ist allerdings, daß das Endungs "-e" abgeworfen wird; ist das bei den übrigen Verben (also jenen, die nicht dieser Gruppe angehören) auch so?

Gruß
-MrMagoo
Ich süge/schriebe jetzt - ohne längeres Nachdenken: In meinem Dialekt entfällt bei 'ich x-e' stets das Endungs-'e':
Ii mooch, ii dring, ii saof, ii dua, ii ghumm, ii schloof, ii wooch aof, ii oawaet, ii fadisía mi, ii gfrae mi...
Herzlichst!
Der Berthold


MrMagoo

#5
Zitat von: Berthold in 2006-08-25, 22:23:00
Zitat von: MrMagoo in 2006-08-25, 22:11:54
Ich hatte vermutet, daß dieser alte Umlaut sich zumindest in einigen sehr südlichen Dialekten des Deutschen noch hält; danke für die Bestätigung.

Interessant ist allerdings, daß das Endungs "-e" abgeworfen wird; ist das bei den übrigen Verben (also jenen, die nicht dieser Gruppe angehören) auch so?

Gruß
-MrMagoo
Ich süge/schriebe jetzt - ohne längeres Nachdenken: In meinem Dialekt entfällt bei 'ich x-e' stets das Endungs-'e':
Ii mooch, ii dring, ii saof, ii dua, ii ghumm, ii schloof, ii wooch aof, ii oawaet, ii fadisía mi, ii gfrae mi...
Herzlichst!
Der Berthold




An und Pfirsich schade, denn dann ist dies wohl eine "normale" Entwicklung - eine jene, die in den süddeutschen Dialekten sich wohl etwas schneller abspielt als in den nördlichen (doch merkt man auch hier  bereits deutlich, daß dieses "-e" immer stärker schwindet...)

Bedankt! :)
-MrMagoo
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

AmelieZapf

#6
Hallo Berthold,

Zitat von: Berthold in 2006-08-25, 22:23:00
Zitat von: MrMagoo in 2006-08-25, 22:11:54
Ich hatte vermutet, daß dieser alte Umlaut sich zumindest in einigen sehr südlichen Dialekten des Deutschen noch hält; danke für die Bestätigung.

Interessant ist allerdings, daß das Endungs "-e" abgeworfen wird; ist das bei den übrigen Verben (also jenen, die nicht dieser Gruppe angehören) auch so?

Gruß
-MrMagoo
Ich süge/schriebe jetzt - ohne längeres Nachdenken: In meinem Dialekt entfällt bei 'ich x-e' stets das Endungs-'e':
Ii mooch, ii dring, ii saof, ii dua, ii ghumm, ii schloof, ii wooch aof, ii oawaet, ii fadisía mi, ii gfrae mi...

Am nördlichsten Ende des bairischen Dialektraums im übrigen auch noch:

Iich måch, iich drink, iich saaf, iich dou, iich ghumm, iich schlouf, iich wåch aaf, iich aawat, [hier täte passive Konstruktion not: mia is faad], iich frei me... (aa ist sehr offenes a, wie in "Waatschn" für Ohrfeige)

Im übrigen auch starke 1. Person Präsens: iich hü(l)f enk...

Grüße,

Amy
Religion heute:
Ex oriente deus,
ex machina lux.

MrMagoo

Zitat von: AmelieZapf in 2006-08-26, 17:48:22
Im übrigen auch starke 1. Person Präsens: iich hü(l)f enk...

Grüße,

Amy

Dann scheint sich der Umlaut in der 1. Person doch als sehr beständig zu erweisen! :)

Danke für den Hinweis...

Gruß
-MrMagoo
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

AmelieZapf

#8
Hallo MrMagoo, Berthold,

Zitat von: MrMagoo in 2006-08-26, 22:12:38
Dann scheint sich der Umlaut in der 1. Person doch als sehr beständig zu erweisen! :)

Das ist er durchaus. Was mir jetzt gerade auffällt, ist der Ausfall des mittelbair. g'- in nordbair. Dialekten:

mbair. ii g'schpüa <-> nbair. iich schpüa
mbair. ii g'frei mi <-> nbair. iich frei me

Auch ist nbair. das ch von iich erhalten, wird aber in Zusammenziehungen auch weggelassen, wobei sich das "i" zu "e" senkt:

"hab ich" -> "howe", "mach ich" -> "mache", "glaub ich" -> "glaawe" etc.

Auch der Kennjokus von "sein" im Präsens differiert im Plural, das offene a wird noch weiter geöffnet zu offenem e, fast ä:

nbair: bii - bist - is - sen - setts - sen, Imp. bii
mbair: bin/bii - bist - is - san/han - sats - san(t)/han(t), Imp. bii (Berthold, ist das korrekt? Bin mir unsicher bei 2. Pers. Plural und Imperativ)

Die skurrile "han"-Form ist in Niederbayern und der südl. Oberpfalz verbritten.

Grüße,

Amy
Religion heute:
Ex oriente deus,
ex machina lux.

MrMagoo

Zitat von: AmelieZapf in 2006-08-27, 09:31:11

Auch ist nbair. das ch von iich erhalten, wird aber in Zusammenziehungen auch weggelassen, wobei sich das "i" zu "e" senkt:

"hab ich" -> "howe", "mach ich" -> "mache", "glaub ich" -> "glaawe" etc.

Dies ist wahrscheinlich eine regel(ge)rechte Abschwächung, da bei der Enklise das Personalpronomen ja in den Tonschatten abgeschoben wird.


ZitatAuch der Kennjokus von "sein" im Präsens differiert im Plural, das offene a wird noch weiter geöffnet zu offenem e, fast ä:

nbair: bii - bist - is - sen - setts - sen, Imp. bii
mbair: bin/bii - bist - is - san/han - sats - san(t)/han(t), Imp. bii (Berthold, ist das korrekt? Bin mir unsicher bei 2. Pers. Plural und Imperativ)

Das "t" der 3. Ps. Pl. ist nicht in die 1. Ps. Pl. eingedrungen, wie es im Standarddeutschen der Fall ist. Sowieso eine merkwürdige Bildung, die sich da hat durchsetzen können.


ZitatDie skurrile "han"-Form ist in Niederbayern und der südl. Oberpfalz verbritten.

Dieses Phänomen deckt sich zum Teil mit dem engl. "ain't", in dem man eine Form von have vermutet, und die sowohl für be als auch für have mehrere Personen vertreten kann.

Danke für das Konjugationsparadigma! :)
Gruß
-MrMagoo
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

Berthold

#10
Das 'han' für 'wir, sie sind' gibt es auch im walsten Oberösterreich, z.B. im Innviertel. In Wien wird das nicht gesprochen - und würde wohl mit 'haben' verwolchsen werden.
Mir fiele noch auf, daß die Vorsilbe ge- 'bei uns' vor Verschlußlauten verschwindet: bumpt, drungng, gaonga (das zum Schluß ist sowas wie ein a-halgter Schwalaut. Solch ein Laut steht in Niederösterreich am Land auch bei Infinitiven auf Guttural (gg-, ch-) und Labiodental (f-): mochcha, höffa, brogga (=pflücken von, z.B., Beeren), dreffa. In Wien heißt es mochch-ng, höff-m, wobei in der Gegenwart die Ensilbe wohl an Ton gewinnt - fast höff-ma, mochch-ma. Doch heißt es auf jeden Fall singa. Nun aber zurück zum Thema:)
Vor Vokalen, Reibelauten und h steht g- : gaondwuat (das klingt für mich jetzt froychl ein wagn seltsam - stimmt aber wohl) gessn, goawa(e)t, gaefad (vielleicht ein wagn g'aefad), gaoggld, gfööd, gsess-n, gschnii-m (geschneit) und ghoiff-m (ghuüff-m: Wiener Neustadt).
Im Südbairischen ist das ge- besser erhalten.
Weissensee (Oberkärnten): 'Wo pischte gewees-n?' (molgw. sogar geweez-n, mit stimmhaftem s.). 'Wer hot dar geholf-n?' 'Woos hoschte in[n] Khoscht-n aih-ngetoon?' Einmal schrieb ich schon über die seltsame Form für (z.B.) geronnen: khruun - mit retroflexem r. Da gibt's einen alten Salzburger Einfluß (Erzbistum Salzburg) bis ins Mölltal und Obere Drautal Kärntens und in Teile Osttirols, nämlich in Wörtern, die mit r beginnen, hr zu sagen: hroat für rot oder eben hrinnen/hrinnan für rinnen. Gehronnen wird am Weissensee nicht zu g[e]hronnen, sondern zu Ugbem, wobei es eine Verhart des g und einen Schwund des -nen zu -n gegeben hat.
Kritische Nachbemork: Allerdings leben am Weissensee, nicht unbedagn wohlwollend und objektiv betrachten und behalnden, immer noch oygne Slowenen (Zitat eines alten 'Paawan': 'Dar Khennar hot se gglai!'). Die Flurnamen sind dort sogar überwiegend slowenisch. An zweisprachige Ortsschilder ('Belo Jezero'...) denkt der Gemeinderat aber nicht. In einer Fremdenverkehrsgemeinde mit soo vielen Deutschen, 'doo praah ma khaa(n) Wi(i)ndisch!' Der Altbürgermeister mien bei jedem Seefest lauthals: 'Kearntn frai und ungetailt!' (wie erwohnen: retroflexe r-s)
Ernsthafte Dialektforscher - keine Leute, denen solches bald zum Spiel & Schubladenwissen wird, wie mir - müßten dort jedenfalls Slowenisch können. Gut können. Ich kann's leider gar nicht. Warum die Wiese vor 'unserem Bauern', 'unserer Pension', 'Pegriißa' heißt und das Bründl nahe dem See 'Taltsch', keine Ohn.