futur II

Begonnen von doroquaedam, 2007-02-27, 17:13:31

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amarillo

Zitat von: Kilian in 2007-02-28, 22:58:58
Ich höre das Futur II im Alltag durchaus ab und an und benutze es auch. Es ruft meist Heiterkeit hervor, ein gebildetes Einanderzuzwinkern sozusagen, wie wenn eine sich überkorrekt ausdrückt, indem sie von einer CD erzählt, die sie "im Vereinigten Königreich" bestellt hat und die ewig braucht, aber es hilft auch, komplizierte Zukunftspläne deutlicher kommuniz zu ieren. "Ich komme dann zu euch, sobald ich die Autoschlüssel geholt haben werde" - ein durchaus natürlicher Satz, wenn auch am einfachen Futur gespart wurde. Natürlich fröhe es, noch öfter ein Futur II zu hören und zu lesen, denke ich - ein berechtigtes Anliegen also, doroquaedam!

ZitatIch fass' es ja nicht: da haben wir endlich mal ein neues Mitglied, das auch noch bereit ist, mit uns kommuniz zu ieren, und dann kriegt sie zur Begrüßung eine Antwort, die nun aber auch gar nichts mit der gestollenen Frage zu tun hat (geschweige denn mit irgendeiner bekannten grammatischen Struktur) - es ist nicht zu glauben.... ???

Nur gut, dass dafür bereits zwei Antworten später, in Antwort #3, intensiv und punktgenau auf das von doroquaedam aufgeworfene Thema eingegangen werden würde.

Warum hätte ich das wohl tun sollen? VerbOrg hatte doch bereits den Knupf zur vorherigen Diskussion eingestollen.

Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

doroquaedam

das futur II sollte auf einer "perVers" schmackhaft gemacht werden?
perVers: ich hab schon was darübs gelesen, treffens ihr euch da so und diskutürt?wie gesagt, ich bin noch ein frischling.

amarillo

#17
Lies Dir am besten den Faden 'Pervers 5' durch, da steht das Wichtigste drin.
Es wäre in jedem Fall toll, wenn Du am Wochenende 24./25. März auch in Köln sein könntest! :D
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Berthold

#18
Zitat von: Kilian in 2007-02-28, 22:58:58
"Ich komme dann zu euch, sobald ich die Autoschlüssel geholt haben werde" - ein durchaus natürlicher Satz, wenn auch am einfachen Futur gespart wurde.
Ich glaube, lieber Kilian, daß hier das Futurum 2 nur deshalb als klare Wirklichkeit empfunden wird, weil ich etwas über mich selber sage - was ich ja wissen muß.
   Bei 'Sie kommt dann zu uns, sobald sie die Autoschlüssel geholt haben wird', dünkt es mich, trotz des 'sobald', nicht mehr ganz so sicher zu sein, ob sie die Autoschlüssel überhaupt holen wird.
   Außerdem ist es mit dem 'werde' am Ende eine eigene Sache. 'Ich werde kommen, sobald ich das geholt haben werde': Hier stünde ein 'werde' zu viel. Dafür ist aber 'Ich werde zu euch kommen, sobald ich die Autoschlüssel geholt habe' wohl eleganter als obiger Beispielssatz. Statt eines Futur 2 sähe ich im 'werde' am Ende eine Art Verschiebung, die eher darauf hinweist, daß der Hauptsatz in der Zukunft abläuft.

   

katakura

#19
Zitat von: Kilian in 2007-02-28, 22:58:58
[...] Da haben wir schon so etwas wie ein Präteritum II, etwas m.W. nicht kanonisch Benanntes, aber eine ganz wichtige Zeitform für epische Vorausdeutungen, wie Hildegunst von Mythenmetz sie erfunden haben will (ich komme jetzt leider nicht auf Mythenmetz' Terminus und habe das Buch nicht zur Hand, vielleicht kann katakura oder ein anderer Zamonier da helfen...?).

... ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich denke, es handelt sich entweder um die literarisch legendäre

Mythenmetz'sche Ereignisandrohung

oder aber die

Mythenmetz'sche Ungewissheitsschürung

... mangels momentanen zugriffs auf das buch kann ich dafür leider gerade keine beispiele anführen ... indes bin ich mir fast sicher, daß mythenmetz gerade dafür keine beispiele angeführt hat, sodass es uns freistünde, die konstruktion einer solchen ereignisandrohung oder ungewißheitsschürung erstmalig zu definieren ... vielleicht als futur III und futur IV? ...

... allerdings sind hier andere berufener, das auszuknobeln ... ich übergebe also wieder an kilian, amarillo, berthold, agricola etc.
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)

Agricola

Das ist wohl vor allem eine Sache der Sprachökonomie - da die Präsensform im Deutschen auch Futurbedeutung haben kann, wird das "werden" nur verwendet, wenn es andernfalls zu Missverständnissen kommen kann, und erst recht wird es nicht überflüssigerweise wiederholt. Es kann aber vorkommen, dass die Futur- und Futur-II-Formen in allen Satzteilen nicht redundant sind und deshalb nicht stören, auch im rein temporalen Sinne:

Obwohl er seinen Schulabschluss im März noch nicht ganz hinter sich gebracht haben wird, wird er die Arbeitsstelle schon antreten.

Im ersten Satzteil ist das "wird" nicht redundant, weil man sonst irrtümlich meinen könnte, es wäre vom vergangenen März die Rede, und im zweiten Satzteil ist es nicht überflüssig, weil man ihn sonst auf die Gegenwart beziehen könnte.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Berthold

#21
Zitat von: Agricola in 2007-03-01, 13:03:12
(...) auch im rein temporalen Sinne:
Obwohl er seinen Schulabschluss im März noch nicht ganz hinter sich gebracht haben wird, wird er die Arbeitsstelle schon antreten.

Im ersten Satzteil ist das "wird" nicht redundant, weil man sonst irrtümlich meinen könnte, es wäre vom vergangenen März die Rede, und im zweiten Satzteil ist es nicht überflüssig, weil man ihn sonst auf die Gegenwart beziehen könnte.
Schon, aber ein Konzessivsatz hat keinen 'rein temporalen Sinn'. Hier zwingt uns, glaube ich, das Satzschema 'Obwohl er noch nicht ... gemacht hat, wird er ... -e(-l/r-)n.' (Aha, ein Konzessivsatz!), an einen realen Sachverhalt zu denken.
Hingegen: *'Obwohl ich Schweinsbraten nicht gerne äße, schnitte ich mir doch ein Stück davon ab.' -??- -: So läuft's doch nicht! - 'Obwohl ... nicht gerne esse, schnitte ich mir ...' So geht's schon eher. Aus Höflichkeit - oder was weiß ich, warum.
Doch zurück zu unserem Beispiel: 
Obwohl mir etwas als real dargestellt werden soll, stutze ich bei '... noch nicht ganz hinter sich gebracht haben wird' und frage mich: Ja wird denn der diesen Schulabschluß im März noch nicht ganz hinter sich gebracht haben - oder wird er es vielleicht doch noch schaffen? Denn, o Konzessivsatz, diesen Zweifel wirst du nicht verscheuchen! - Und wie ist das mit dieser Arbeitsstelle: Darf man dort den Dienst so einfach antreten, wenn man den Schulabschluß noch nicht in der Tasche hat? Braucht man dort vielleicht überhaupt keinen Schulabschluß? Was hat's außerdem mit diesem März auf sich? ...     

Agricola

Kein Satz funktioniert ganz ohne Kontext. Also gebe ich ihn:

A: Franz macht in diesem Jahr seinen Schulabschluss. Die Zeugnisverleihung ist wie immer Anfang April.

B: Und was hat er danach vor?

A: Ja, das ist ja das Tolle: Er kann sofort bei der Druckerei anfangen, er hat seinen Stellenvertrag gestern schon unterschrieben.

B: Was, jetzt schon? Obwohl er sein Abschlusszeugnis noch gar nicht hat?

A: Na ja, die kennen ihn ja schon seit Jahren, im Sommer hat er mehrmals dort gejobbt. Und dass er exzellente Schulnoten hat, wissen die auch, da ist das mit dem Abschluss sowieso keine Frage. Und du weißt ja, der Vater ist ein Jugendfreund vom Druckereibesitzer.

B: Eigentlich hätten die trotzdem warten können, wie bei anderen auch. Finde ich.

A: Die haben da den totalen Engpass zur Zeit, die wollen, dass er möglichst bald mit anpackt. Er wird sogar im März schon in der Abendschicht voll einsteigen.

B: Was? Das heißt, obwohl er seinen Schulabschluss dann noch nicht ganz hinter sich gebracht haben wird, wird er die Arbeitsstelle schon antreten? Find' ich ja krass.

A: Ist schon krass. So ein bisschen Auszeit hätte ich ihm auch gegönnt.

Im übrigen: "Der Konzessivsatz hat keinen rein temporalen Sinn" - natürlich nicht, sondern einen konzessiven. Aber die Verbform (Futur II) hat einen rein temporalen Sinn und drückt eben keine Vermutung aus.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Berthold

#23
Zitat von: Agricola in 2007-03-01, 16:33:20
Aber die Verbform (Futur II) hat einen rein* temporalen Sinn und drückt eben keine Vermutung aus.
- was ich mir nicht einreden lasse.

*von mir hervorgehoben. Schon dieses 'rein' schwächt, glaube ich, Deine Behauptung ab.

Kilian

Zitat von: Berthold in 2007-03-01, 12:01:36
Zitat von: Kilian in 2007-02-28, 22:58:58
"Ich komme dann zu euch, sobald ich die Autoschlüssel geholt haben werde" - ein durchaus natürlicher Satz, wenn auch am einfachen Futur gespart wurde.
Ich glaube, lieber Kilian, daß hier das Futurum 2 nur deshalb als klare Wirklichkeit empfunden wird, weil ich etwas über mich selber sage - was ich ja wissen muß.
   Bei 'Sie kommt dann zu uns, sobald sie die Autoschlüssel geholt haben wird', dünkt es mich, trotz des 'sobald', nicht mehr ganz so sicher zu sein, ob sie die Autoschlüssel überhaupt holen wird.
   Außerdem ist es mit dem 'werde' am Ende eine eigene Sache. 'Ich werde kommen, sobald ich das geholt haben werde': Hier stünde ein 'werde' zu viel. Dafür ist aber 'Ich werde zu euch kommen, sobald ich die Autoschlüssel geholt habe' wohl eleganter als obiger Beispielssatz. Statt eines Futur 2 sähe ich im 'werde' am Ende eine Art Verschiebung, die eher darauf hinweist, daß der Hauptsatz in der Zukunft abläuft.

Ein besseres Beispiel: "Sie kommt bestimmt um 19 Uhr zu uns, weil sie die Autoschlüssel ja bis dahin erhalten haben wird." Das Futur II wird benutzt, um explizit zu machen, dass der Erhalt noch in der Zukunft liegt.

Agricola

Zitat von: Berthold in 2007-03-01, 17:05:16
*von mir hervorgehoben. Schon dieses 'rein' schwächt, glaube ich, Deine Behauptung ab.
Inwiefern? Es macht doch den Inhalt der Aussage überhaupt erst aus. Denn dass die Verbform des Futur II überhaupt und immer eine temporale Bedeutung hat (wenn auch nicht immer eine zukünftige), wird ja wohl niemand bestreiten.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Berthold

#26
Zitat von: Kilian in 2007-03-01, 17:08:18
Ein besseres Beispiel: "Sie kommt bestimmt um 19 Uhr zu uns, weil sie die Autoschlüssel ja bis dahin erhalten haben wird." Das Futur II wird benutzt, um explizit zu machen, dass der Erhalt noch in der Zukunft liegt.
Vielleicht empfindet man das in Teilen Deutschlands anders, weil man dort nicht so in Möglichkeiten, Abschwächungen und Höflichkeiten schwelgt wie bei uns. Aber ich höre vor allem aus dem 'ja' immer noch eine Unsicherheit heraus: sowohl für den Satz selbst als auch bei Deiner Behauptung.
Was das Futur II, auf die Zeitenfolge bezogen und vom lateinischen Satzbau sicherlich beeinflußt, so bedeuten soll, das braucht ihr mir ja eh nicht zu schreiben.
Doch so rein temporal kann ich Eure Mustersätze einfach nicht nehmen. Das werdet Ihr nun wohl verstanden haben.
Warum soll's außerdem nur in der Lexik und in der (Phrase!:) Oberflächengrammatik ('ist gesessen' gegenüber 'hat gesessen' und so was) in unserem Sprachraum regionale Unterschiede geben? Warum nicht im Sprachgefühl dem Futurum II gegenüber? Ich bin mir ziemlich sicher, daß mir die Leute, bei einer typischen Kaffeehausumfrage z.B. in der Josefstadt, nachdem ich ihnen das Problem, so weit ich kann, objektiv erklärt haben würde, Recht geben - oder doch gäben - geben werden täterten. 

 

Agricola

Da wäre ich ja mal gesponnen. Mach mal Deine typische Kaffeehausumfrage und erstatte dann Bericht! :o
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Kilian

#28
ZitatAber ich höre vor allem aus dem 'ja' immer noch eine Unsicherheit heraus: sowohl für den Satz selbst als auch bei Deiner Behauptung.

Ich stimme zu, die Lesart hat der Satz für mich auch. Das werden in Vermutungsbedeutung. Natürlich. Gerne auch Futur II und Vermutungsbedeutung vermongen.

Zitat... mangels momentanen zugriffs auf das buch kann ich dafür leider gerade keine beispiele anführen ... indes bin ich mir fast sicher, daß mythenmetz gerade dafür keine beispiele angeführt hat, sodass es uns freistünde, die konstruktion einer solchen ereignisandrohung oder ungewißheitsschürung erstmalig zu definieren ... vielleicht als futur III und futur IV? ...

In dem Film Schräger als Fiktion, der übrigens sehr zu empfehlen ist, kommt ein Literaturprofessor vor, der eigener Aussage zufolge ganze Bücher geschrieben hat über Er sollte nicht ahnen...

Berthold

#29
Zitat von: Kilian in 2007-03-01, 23:08:42
ZitatAber ich höre vor allem aus dem 'ja' immer noch eine Unsicherheit heraus: sowohl für den Satz selbst als auch bei Deiner Behauptung.
Ich stimme zu, die Lesart hat der Satz für mich auch. Das werden in Vermutungsbedeutung. Natürlich. Gerne auch Futur II und Vermutungsbedeutung vermongen.
Dagegen kann ich nun warchkl nichts mehr einwenden (Hoffchalnt schreibt sich das nicht 'einwänden'). Das mit der Varmot ist irgendwie in statu nascendi.
Gut tut man oft dran, Menschen, die unverbolden und von weiter weg etwas betrachten, zu sprachlichen Sachen anzuhören. Der Anlaut/Anfang im Wienerischen 'Arschloch' - also für mich 'Oaschlooch' -, versarch mir vor vielen Monaten die Barbara aus Kattowice, klinge für sie so, als gehe dem o ein polnisches ł voraus: - also irgendwie 'Wuoaschlooch'. Ich sug damals zu ihr: "Unsinn, Barbara, ein offenes 'o' gefolgt von einem 'a'-hulgten Murmellaut. das ist's" - und so kennt man's aus Publikationen über ostösterreichische Dialekte. - Doch dann hor ich mir einmal Wiener 'Arschloch'-Sprecher warchkl an, und siehe da, die 'Wuoaschlooch'-Aussprache - vor allem in der (Modewort der Sprachkunde:) Emphase - erschien mir immer plausibler, ist vielleicht auch soeben am Entstehen.
Der Phonetiker, der als erster draufkam (es zumindest publizor), daß die Wiener 'ao' (<- au) , 'ae' (<- ei) und 'aö' (<- eu)-'Diphthonge' eigentlich Monophthonge sind, ist übrigens Amerikaner und heißt Byron J. Koekkoek.