Blickpunkt.

Begonnen von Klaus Scholl, 2007-11-11, 11:04:31

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Klaus Scholl

Hallo Sprachfreaks, gibt es ein Wort "Blickpunkt" und was bedeutet es? Mir schwirrt der Kopf,
ist es ein anderes Wort für Fokus (eigentlich "Brennpunkt"), ein anderes Wort für Zentrum (eigentlich "Mittelpunkt"), oder gar ein anderes Wort für Aspekt (u.a. "Blickwinkel"). Oder ist es eine Kontamination aus Mittelpunkt, Brennpunkt und Blickwinkel? Ich denke jetzt könnt ihr nachvollziehen warum mir der Kopf brummt ... Gruß, Klaus

VerbOrg

Den Blickpunkt gibt's, und zwar mit verschiedenen Bedeutungen.

1) ist es der Mittelpunkt eines Sehfeldes, also nichts weiter als der Fokus, auch der Mittelpunkt des allgemeinen Interesses

2) aber auch der Punkt, auf den alle schauen, also eher das, was ich als Blickfang bezeichnen würde.
(Als Beispiel wird im Wörterbuch der Deutschen Sprache der Satz aufgeführt: "der weiße Kragen ist der modische B. des Kleides")

3) kann es auch der Punkt sein, von dem aus geblickt wird, der also den Blickwinkel, die Perspektive bestimmt. Ist mein Blickpunkt unter der Sache, die ich erblicke, so resultiert daraus bleistiftsweise, dass ich aus der Froschperspektive schaue. (Wenn ich ehrlich bin, käme ich nicht auf die Idee, das Wort Blickpunkt in dieser Bedeutung zu verwenden.)

Klaus Scholl

Klasse, daß ich so schnell eine Antwort bekomme, und eine fundierte noch dazu. So wie Sie es erläütert haben deckt es sich mit meinen Vermutungen. Ich erwug es als Übersetzung für "obiecta", es geht konkret um diesen Satz: "sensûs enim (aetatulae primae duces potissimi, quippe ubi mens ad abstractam rerum contemplationem nondum se elevat) objecta sua semper quaerunt". Eine Übersetzung wie "Die Sinne suchen stets ihre Objekte" klingt mir genauso hölzern wie "... suchen ihre Gegenstände". Daher muß ein anderes Wort her, entweder Blickpunkt, oder Motiv, oder Fokus, ich dachte auch an "Blickziel", wobei mir jetzt Blickpunkt doch geeignet erscheint! Es grüßt, Klaus

Agricola

"Blickpunkt" wäre mir hier einerseits zu spezifisch (da es ja um die fünf Sinne geht, und wie soll das Gehör, der Riechsinn, der Geschmack, das Gefühl einen Blickpunkt finden?) und andererseits zu wenig konkret, denn die "obiecta" sind ja als Neutrum Plural Dinge, die den Sinnen entgegengehalten sind bzw. sich ihnen entgegenstellen. Ich wäre mit "suchen ihre Gegenstände" schon zufrieden, aber vielleicht tut es ein kleiner Nebensatz: die Sinne suchen immer etwas, was sie fassen können - das ist zwar nicht wörtlich übersetzt, aber zweifellos von dem Text so gemeint.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Klaus Scholl

Agricola, das stimmt, ich habe mich zu sehr auf Auge und Blick fixiert, und habe andere Sinne außer acht gelassen. "Objekt" ist wohl, weil ein so grundlegender fast schon axiomatischer Begriff, wirklich nicht einfach zu ersetzen oder zu definieren. Wir richten unsere Sinnen,
Gedanken, Handlungen oder Verben (vgl. "Objekt" in der Grammatik) auf Dinge, wobei man nun diese Dinge (diese Objekte) einserseits als Ziel (Target, Zielscheibe) ansehen, andererseits als auch als Quell (sozusagen das was uns erfaßbaren Stoff liefert, entgegenschickt). Wo ich zuerst mit "*Sinnziel" verdeutschen wollte, bin ich nun eher bei "*Sinnquell" angelangt. Wenn wir etwas bspw. mit dem Ohr erfassen wollen und unser Ohr auf etwas richten (zielen), dann sendet uns die Sinnquelle Schallwellen entgegen, es ist also eher Quelle als Ziel, denn man kann auch ins Nichts zielen, und nichts kommt zurück. Ich hoffe jetzt nicht zu phlosophisch zu werden ... Besonders irritiert mich das engl. "objective" was ja "Ziel, Zielsetzung" bedeutet. Hier scheint mir, daß die Angelsachsen die eigentliche Bedeutung von lat. obiectum mißverstanden haben.