M oder N?

Begonnen von Roberto Lorenz, Dresden, 2007-11-13, 18:43:29

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Berthold

Zitat von: Agricola in 2007-11-14, 15:09:45
Wäre mir neu, dass Homer vorbildliches Thoytsch geschrieben hätte. Warum soll nicht gelegentlich eine Reihung von Adjektiven guter Stil sein? Wozu, wenn es denn gelänge, der Römer süge: QBFFFQS (quod bonum, faustum, felix, fortunatumque sit!)

Ergo bonae, faustae, felici, fortunataeque rei studeamus!
(Gutem, glücklichem/n, erfolgreichem/n und gesegnetem/n Dinge lasst uns also nacheifern!)

Falls Du das lateinische Beispiel und Deinen Merkspruch für wunders wie schöne & aussagekräftige Sätze hältst, soll's mir auch recht sein. 'Leicht ist's folgen dem Wagen, den Fortuna führt, /wie der gemächliche Troß /auf gebesserten Wegen /hinter des Fürsten Einzug.' - gäbe da Goethe zu bedenken.
Sparsam mit den Adjektiven umzugehen, ist zumindest eine schurnalistische Empfahl.

Jetzt richte ich mich aber noch an den Kilian - weil's mir eben auffiel:
Was ist oygelnt aus meinem Bildlein (der 'Fadenwurm-Fee auf der Goldkugel') geworden? Erst wird's von seltsamen Hin- und Herschiebedingsbums verunstnalt, dann verschwindet's überhaupt, beides ganz ohne mein Zutun. - Sollt's Euch einfach nicht mehr gafnall haben, dann werd ich schon was anderes aussuchen, aber so...? Oder ist's bloß ein winzig Zeichen davon, daß hier manches den Bach hinuntergeht und nicht mehr goschnech wird?
 

Agricola

Zitat von: Berthold in 2007-11-15, 12:25:56
Sparsam mit den Adjektiven umzugehen, ist zumindest eine schurnalistische Empfahl.
Und die schurnalistische Sprache will ausgeronchen der Bertl jetzt den Dichtern zum Vorbild setzen?

Darob man nicht weine: Im Stile, ich meine,
dass jedem erscheine am besten das Seine;
betrachten wir Heine: Der liebte alleine
die Kleine, die Feine, die Reine, die Eine!
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Berthold

#17
Zitat von: Agricola in 2007-11-15, 14:11:23
Und die schurnalistische Sprache will ausgeronchen der Bertl jetzt den Dichtern zum Vorbild setzen?

(...
...
...
...)

Jedenfalls hat mich die folgende Annekdote beiendronck:
Georges Clemenceau, der große französische Staatsmann vor und während des Ersten Weltkrieges, sug einmal einem neuen Sekretär: "Einige Briefe werden Sie selber schreiben können. Wenn Sie ein Adjektiv verwenden wollen, fragen Sie mich vorher."

Glaubst du warchlk, ich wolle so wagn dazulernen, daß mir 'im Stile erscheine am besten' der meine? Was hab ich heute & hier Überraschendes dazugnelorn? - Nun, etwa die lateinische Glückwunsch-Formel 'QBFFFQS'.

Agricola

Das ist eine nette Anekdote. Aber wohl eher symbolisch gemeint: Substantive enthalten die Fakten, Adjektive die persönlichen Bewertungen. Beim Homer ist es aber ganz anders. Und bei Lyrikern ohnehin.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Agricola

Zitat von: Berthold in 2007-11-15, 17:12:11
Glaubst du warchlk, ich wolle so wagn dazulernen, daß mir 'im Stile erscheine am besten' der meine?
War gar nicht so gemienen. Ich hatte nur größte Probleme, die Reime so hinzukriegen, wie ich wollte, und da hat sich der Inhalt mir aufgezwängt.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Agricola

#20
Zitat von: Berthold in 2007-11-15, 17:12:11
Nun, etwa die lateinische Glückwunsch-Formel 'QBFFFQS'.
Das war übrigens ursprünglich eine Formel für römische Senatsbeschlüsse, mit der man ausdrückte, dass man hoffte, das Richtige beschlossen zu haben. Auf meiner Promotionsurkunde steht die Formel übrigens, wenn ich mich recht entsinne, verkrüppelt:

Quod faustum felix fortunatumque sit

Verkrüppelt deshalb, weil ich mir die Fortlassung des Wortes "bonum" nur dadurch erklären kann, dass es einst in einem daktylischen Versmaß gestanden hat - was typisch für humanistische Glückwunschlyrik wäre -, und das Wort "bonum" geht da nun mal nicht rein. Aber aus dem Vers hat man das Zitat dann wieder herausgerissen, ohne das Original wiederherzustellen; denn auf meiner Promotionsurkunde fehlt das letzte Wort, das den Hexameter voll gemacht hätte, so etwa:

Quod faustum felix fortunatumque sit ergo!

The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Kilian

Zitat von: Berthold in 2007-11-15, 12:25:56Jetzt richte ich mich aber noch an den Kilian - weil's mir eben auffiel:
Was ist oygelnt aus meinem Bildlein (der 'Fadenwurm-Fee auf der Goldkugel') geworden? Erst wird's von seltsamen Hin- und Herschiebedingsbums verunstnalt, dann verschwindet's überhaupt, beides ganz ohne mein Zutun. - Sollt's Euch einfach nicht mehr gafnall haben, dann werd ich schon was anderes aussuchen, aber so...? Oder ist's bloß ein winzig Zeichen davon, daß hier manches den Bach hinuntergeht und nicht mehr goschnech wird?

Den Bach runtergegangen ist es mit http://www.labouche.net, darob das Bildlein lag. Hast du's noch in digitaler Form? Ättättsch's mir, und ich lad's ins Texttheater hoch.

Kilian

Zitat von: Kilian in 2007-11-13, 19:47:21Die Dativendung -m (für Dativ Singular Maskulinum und Neutrum der Adjektive in der starken Deklination) hat die Besonderheit, dass Adjektive sie nur erhalten, wenn davor kein anderes Adjektiv oder ein deklinierter Determinator (also Artikel, Demonstrativpronomen, Possessivpronomen usw.) steht.

Ich muss mich korrigieren. Dass hier die schwache Deklination einspringt, ist keine Besonderheit des Dativs Mask./Neut. Singular, sondern nach flektiertem Determinator (fast) immer der Fall, auch z.B. bei

(7) manch schöner Jüngling vs. mancher schöne Jüngling (manch unflektiert, mancher flektiert!)
(8) guter Weine genießen vs. aller guten Weine genießen
(9) von zerbrochener Liebe vs. von mancher zerbrochenen Liebe
(10) auf gute Plätze vs. auf irgendwelche guten Plätze, dialektal wohl aber auch auf irgendwelche gute Plätze


Ich fand das Thema so faszinant, dass ich den Abend der Anfargt einer Übersicht über die Deklination der deutschen Adjektive wamd. Prosit ea!

Kilian


Zitat von: Kilian in 2007-11-13, 19:47:21Die Dativendung -m (für Dativ Singular Maskulinum und Neutrum der Adjektive in der starken Deklination) hat die Besonderheit, dass Adjektive sie nur erhalten, wenn davor kein anderes Adjektiv oder ein deklinierter Determinator (also Artikel, Demonstrativpronomen, Possessivpronomen usw.) steht.

Nachgeschocken: Die Besonderheit ist, dass im Dativ Mask./Neut. nur das erste Adjektiv stark deklinoren werden kann. Deklinierte Determinatoren erzwingen soviseau die schwache Form:

(7) manch schöner Jüngling vs. mancher schöne Jüngling (manch unflektiert, mancher flektiert!)
(8) guter Weine genießen vs. aller guten Weine genießen
(9) von zerbrochener Liebe vs. von mancher zerbrochenen Liebe
(10) auf gute Plätze vs. auf irgendwelche guten Plätze, dialektal wohl aber auch auf irgendwelche gute Plätze


Ich fand das Thema so faszinant, dass ich den Abend der Anfargt einer Übersicht über die Deklination der deutschen Adjektive wamd. Prosit ea!

Agricola

Die Übersicht ist noch nicht ganz vollständig: Es gibt auch den Fall, dass das Genitiv-s vom Adjektiv übernommen wird, wenn es weder beim Denominator noch beim Substantiv auftritt. Somit hängt die Form des Adjektivs nicht nur von der Flexion des Denominatoren, sondern auch von derjenigen des Substantivs ab. Beispiel:

Manches schwachen Menschen Taten    Manch schwaches Menschen Taten
Manches schwachen Mannes Taten    Manch schwachen Mannes Taten

Na ja, solche Beispiele sind ziemlich selten, aber deutlicher sieht man es bei den Denominatoren, die selbst wie Adjektive dekliniert werden:

Das Alter jedes Menschen vs. Menschen jeden Alters

Somit gilt für männliche und sächliche Wörter:
Flektiertes Determinatoren ledigen Substantivs Endung verhält sich im Genitiv komplementär zur Endung des Adjektivs.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

VerbOrg

Zitat von: Agricola in 2007-11-16, 03:13:20
Manch schwaches Menschen Taten
Das klingt ja grauselig. Wer hat das verbrochen?
Das vorherene pronominale oder artikulorene Genitiv-s zu klauen und dem armen Adjektiv aufzudrängen, klingt nicht gerade wie "schöner Deutsch", wiewohl es richtig ist.

Berthold

#26
Weil ich an das Schubert-Lied denke, schreib ich Euch den Schluß des Gedichtes 'Der Tod und das Mädchen' von Matthias Claudius her:

Sei gutes Muts! ich bin nicht wild, / Sollst sanft in meinen Armen schlafen!

Vielleicht beohren auch nicht all jene Endungsabfolgen der Kilian-Liste zur gleichen Zeit das Neuhochdeutsche.

Agricola

Wer schönes Deutschen mächtig,
und richtiges obdrein, (oder richtigen? was ist denn nun richtiger?)
der schreibe Sätze prächtig,
und bild' sich was drauf ein!
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Kilian

#28
Zitat von: Agricola in 2007-11-16, 03:13:20
Die Übersicht ist noch nicht ganz vollständig: Es gibt auch den Fall, dass das Genitiv-s vom Adjektiv übernommen wird, wenn es weder beim Denominator noch beim Substantiv auftritt. Somit hängt die Form des Adjektivs nicht nur von der Flexion des Denominatoren, sondern auch von derjenigen des Substantivs ab. Beispiel:

Manches schwachen Menschen Taten    Manch schwaches Menschen Taten
Manches schwachen Mannes Taten    Manch schwachen Mannes Taten

Dä, tatsächlich! Ich habe die Übersicht aktualisoren. Danke.

Fällt jemandem ein unzählbares schwach flektorenes maskulines (schwach flektorene oder sonstwie des Gentiv-s's ledige Neutra gips nich, oder?) Substantiv ein, damit ich dieses manch im Beispiel loswerden kann?

ZitatNa ja, solche Beispiele sind ziemlich selten, aber deutlicher sieht man es bei den Denominatoren, die selbst wie Adjektive dekliniert werden:

Das Alter jedes Menschen vs. Menschen jeden Alters

M.E. wird das Pronomen jede/r/s nicht wie ein Adjektiv, sondern wie ein Pronomen deklinoren, also memüsse es - auch meinem Empfinden nach - in beiden Sätzen jedes heißen. Es ist ja ein beliebtes Sprachkolumnenthema, dass nicht im März diesen Jahres, sondern im Märzen dieses Jahres heißt.

Vielleicht gibt es die Tendenz, in solchen Determinatoren-Adjektiv-Substantiv-Ketten im Genitiv Maskulinum und Neutrum Singular genau eine -s-Endung haben zu wollen, weswegen aus dieses Jahres gemeinhin eins getulgen und in manch schwachen Menschen eins eingefügt wird. Ersteres ist schon so verbritten, dass es wohl bald den Widerstand der Schulgrammatiken und meines Sprachempfindens brechen wird; Letzteres wird wahrscheinlich von Schulgrammatiken zur Vermeidung empfohlen, was auch nicht schwierig ist und daher anscheinend gemeinhin beharzogen wird.