Lunzen

Begonnen von Berthold, 2009-07-13, 11:09:17

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Berthold

'Lieber Berthold,

jetzt ist es an mir, etymologische Auskunft zu begehren: was hat Lunz (am See) mit Schlafen zu tun? - Diese Frage stellt sich ernsthaft, nachdem ich heute auf eine Lunzenstraße (Tennengau) gestoßen bin und von einem Hof vulgo Lunzenbacher (Pinzgau) weiß.

Über kompetente Auskunft freut sich immer und
mit lieben Grüßen

Ruth'

So schrieb mir, vor ein paar Tagen, meine ehemalige Verlobte. (Ein Viertel Jahrhundert... hätte ich gerne noch, aufseufzend, dazugefonck; aber da weiß ich nicht, ob groß, ob klein, ob getronnen oder zusammen...)

Ja, und? - Was 'Ja, und?'? - Braucht Ihr 'lunzen' noch in E.w. Dialekten?

Bei 'Lunz am See' werden's ja wohl die Alpenslawen gowentz sein, die - wie an vielen Stellen in den Ostalpen - den Ortsnamen bolden. Dies wird auch in einem Orts- und Flußnamensbuch from Lower Austria vermontt.

Herzlichst!
Der Berthold


Kilian

Nää, das höre (naja, lese) ich heute zum ersten Mal.

katakura

#2
... na, dann müssen wir aber flüxxxest etwas für deine wortschatzerwirt tun, kilian :D ...

... im ostmitteldeutschen (i.e. den thüringischen und sächsischen mundarten) ist lunzen (sprich: lunnsn) sehr bekannt, indes ausschlielß in der bedut vorsichtig schauen / einen blick wagen, wobei es offensilcht verwandt ist mit dem gleichbedeutenden hochdeutschen (?) linsen ...

... netzens fand ich indes, dass lunzen österreichisch für liegen sei ... was der bedut schlafen zwar schon einigermaßen nahe käme, aber eben doch nicht dasselbe wäre ... aber dies memuss unser austriakischer gsv-außenposten bertl klären ... ich fühle mich nur für das omd (s.o.) kompetent ...
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)

Berthold

#3
Lieber katakura!

Folgendes schrieb ich der Ruth, ehe ich aus den Brüdern kobmor:

'Liebe Ruth!

Über das Verbum 'lunzen' gibt & gäbe es viel zu zitieren. Es ist schon im Mittelhochdeutschen bekannt. Ich fand es auch im Wörterbuch der Tiroler Mundarten (1936-50), in einem Wörterbuch der Salzburger Dialekte und, natürlich 'im Schmeller' (Die Mundarten Bayerns grammatisch dargestellt" (Neudruck 1929)). In Niederösterreich und in Wien (Hornung: Wörterbuch der Wiener Mundart, 1998) ist es möglicherweise nicht (mehr) in Gebrauch.

'Lunz(en)' in Haus-, Flur und Ortsnamen (in Niederösterreich, in Südtirol) hat andere Bedeutungen. Da müßte man auch frühere Schreibungen (Urkunden) heranziehen. - Außerdem hab ich den Schädel etwas mit männlichen Donauchironomiden angefüllt (etwas?).
Jetzt aber kann ich den 'Brothers Grimm' (Ich denke da an jenen Film, der fast niemandem gefiel, mir aber schon.) das Wort erteilen - :
   
Wörterbuch der Brüder Grimm:'

Bei (/In) denen memüsset Ihr aber, sesüllet Ihr solches wollen, selber nachschauen. (Auch beim (/im) Lexer ...)

Nanu: In Deutschland eher im Osten (wenn auch ein bisserl was anderes bedeutend), in Österreich eher im Westen - nanu, nanu..?.

katakura

#4
lieber bertl!

kekünnest du trotz der in deinem kopfe schwirrenden myriaden von zuckmücken nicht wenigstens anreißen, was lunzen bei euch bedeutet? ... ich wäre zumindest neugierig (kreist eigelnt irgendwo im gsv-universum auch das gegenstück altgierig schon herum?), was das mir in vorerwohnenem sinne bekannene wort anderenorts, bzw. anderenlands, meint ...

herchlzst

katakura
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)

Berthold


Lieber katakura!

Ich kannte es ja eben NICHT. Alles, was ich bis heute Morgen darüber erfuhr, ist Bücherwissen.
Nach dem Motto 'Internetblöcke von a) nach b) verlagern' zitiere ich halt die Brüder. Der Karsten tut's ja auch, also darf ich's g'radeso. - Aber, wo, lieber Karsten, weilst Du? - :

'LUNZEN, verb. ruhen, faul sein, sich faul wälzen (vergl. lunze 3): ganz im sause lebet ir, wol gebettet und bekleidet, fürwar wüstet jrs anders, jr würdet die bette und lustige lager, mit augenthrenen waschen, da jr nu auf (darauf ihr nun) lunzet und lust habt. LUTHER 1, 21a;

sîn vil lôseჳ lunzen
machet mir vil grâwen loc,
swenne er in ir schôჳ sich leit.
         NEITHARD 68, 8;

und (die frauen) wollen nun pulen haben
die hinden nach in traben,
und die in allezeit in der schosz
lunzen, das uns ye verdrosz.
         fastn. sp. 1411;

lunschen, lunsen, lunzen, svaviter adniti, cubando ludere in lecto, ut infantes et alii, cum vigilant, nec tamen surgunt. STIELER 1055; hessisch lunzen, leicht schlummern, halbschlummernd sich im bette halten, sich behaglich zum schlummer niederlegen, im fuldaischen loinzen VILMAR 255; henneberg. lunzen, mit geschlossenen augen, aber mit wachem bewustsein ausruhen FROMM. 3, 135; nassauisch lunzen, lonzen, lunzeln, leicht schlummern, besonders morgens, wenn der eigentliche schlaf vorbei ist, im bette bleiben und den faulen machen KEHREIN 267; bairisch lunzen, lunzeln, lünzeln, leicht schlummern SCHM. 1, 1495 Fromm.; in Tirol lunzen sich legen, sanft schlummern SCHÖPF 403; in Kärnthen lunzen, morgens noch im bette liegen. LEXER 182; auch niederdeutsch, in Waldeck, lunzen, schlummern CURTZE 483a; in Göttingen luntjen, lunschen, lunzen, den kopf zum schlafen anlehnen, namentlich von einem kleinen kinde, welches auf den armen getragen wird, oder auf dem schosze sitzt, auch leicht schlummern SCHAMBACH 128a; in Hamburg lunschen, aflunschen, ein mittagsschläfchen machen SCHÜTZE 3, 58; in Stade aber heiszt lunschen hinken, kümmerlich gehen. brem. wb. 3, 100; schweiz. luntschen schlumpen, von kleidern, auch sich schlaff bewegen, den faulen spielen. STALDER 2, 185; die sinnliche bedeutung, die dem verbum bei all seinem verschiedenen sinne zu grunde liegt, zeigt das bair. adj. lunzig, lunzet, in der Oberpfalz und in Nürnberg lünzen, weich, lind, als gegensatz des steifen, körnichten, von tuch und leinwand SCHM. a. a. o.'

Im 'Peregrinus Syntax' steht's auch, reimt sich etwa auf 'strunzen' - was immer das wieder heißt.

Weil einige 'lunzen, Lunz ...' enthaltende Bücher meiner Bibliothek ziemlich schwere Wälzer sind, nahm ich sie heute Morgen nicht mit herauf auf mein Kammerl. - Das ist keine Angeberei, sondern war Faulheit, die's ja, tiefenpsychologisch batranch, Gottlob eh nicht gibt.

 

AmelieZapf

Hallo Katakura,

Zitat von: katakura in 2009-07-13, 16:17:32
kreist eigelnt irgendwo im gsv-universum auch das gegenstück altgierig schon herum?

ich verwende altgierig öfter mal, gerne auch kleinartig und ähnliche.

Grüße aus der brütendheißen Schweiz von den Lenker Jazztagen,

Amy
Religion heute:
Ex oriente deus,
ex machina lux.

katakura

lieber bertl,

deiner beschrieb (beschrub?)

Zitat von: Berthold in 2009-07-13, 16:47:04
Weil einige [... ]Bücher meiner Bibliothek ziemlich schwere Wälzer sind, nahm ich sie heute Morgen nicht mit herauf auf mein Kammerl.

folgend, enstand in meinem hirnskastel fluxx das dürersche bild, welches in meinem falle mit "der heilige berthold im gehäus" wohl am treffendsten betolten wäre ... ledilchg der leu zu deinen füßen fahl - stattdessen umschworren die unweigelr mit dir assozi georenen zuckmückenmyriaden als düstere wolke dein haupt :D ...

... abgesehen davon fühle ich mich freichl zutiefst geohren, ja geradezu geschmolchen, dass du aufgrund meiner nachfrug doch noch ebenjene allzu schweren wälzer bemohest, um mir bezulg lunzen auskunft zu erteilen ... indes verwurnden mich die erklure, da die omd. bedut ja deult von der im süddeutschen sprachraum bekannenen abweicht ... wie sind meine landsleute denn als offenbar einzige (?) darauf gekommen, das verb in einem galnz anderen sinne als ruhen/schlummern/liegen/faul wälzen zu gebrauchen? ... ich sollte vielleicht einmal recherchieren, ob unser lunzen irgendwie mit linsen oder auch dem schweizerdeutschen lugen zusammengehört ...
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)

katakura

Zitat von: AmelieZapf in 2009-07-13, 17:44:42
ich verwende altgierig öfter mal, gerne auch kleinartig und ähnliche.

... sehr hübsch! ... mit solch niedertrabenden worten kann man sehr schöne verwurr bei den zuhörern stiften :D ... wobei mir sogleich auch das altbekannene niederverachtungsleer karl valentins einfällt ...
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)

Berthold

#9
Zitat von: AmelieZapf in 2009-07-13, 17:44:42
(...)
Grüße aus der brütendheißen Schweiz von den Lenker Jazztagen,
(...)

Ich bin ja nun zu faul, um nachzuschauen, wann, weise aber dennoch auf die Jazztage in Wiesen hin;
welcher Ortsname vor vielen, vielen Jahren einen Verwandten - den Reinhard Strobl - vielleicht auf den Bandnamen 'The Meadows' brachte.
Dort ist jedenfalls mein Familienzweig der Strobl her, wo fast alle gute Musiküsse(r) sind (manche auch waren).
Hier nenne ich nur eine Internetdingsbums:
http://www.medizin-kunst.at/musikundtheater/herwig-strobl/index.html

Übertreiber

Zitat von: katakura in 2009-07-13, 13:32:10
... im ostmitteldeutschen (i.e. den thüringischen und sächsischen mundarten) ist lunzen (sprich: lunnsn) sehr bekannt, indes ausschlielß in der bedut vorsichtig schauen / einen blick wagen, wobei es offensilcht verwandt ist mit dem gleichbedeutenden hochdeutschen (?) linsen ...

"Lunsen" kannte ich nicht nicht, bis ich "Ice Age 3" gesehen habe, "linsen" ist dagegen in meinem aktiven und passiven Wortschatze. Als Variante ist mir allerdings "lunschen" bekannt, in der angegebenen Bedüt von "lunsen", besonders wenn dieser verbotenerweise während eines Gesellschaftsspieles gewugen wird.
Eeeey, hör auf, mir in die Karten zu lunschen!
Kampf dem Schicksal!