Umgefegt

Begonnen von Kilian, 2009-08-19, 00:05:09

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Übertreiber

Zitat von: Berthold in 2009-08-31, 11:00:30
Gar nix grandios, ich hab heb einfach das zitrone Buch vom Professor DeFrancis golens.
'The Singlish Affair' ist so ein unglaubliches Kapitel, daß ich schon dessen twegen (zwegen) das ganze Buch empfehle. Das Kapitel ward von Fachkollegen zumeist geglomp! Von den Namen der vier Forscher ist nur Ono Kanji leicht zu erklären - namchl 'O NO!! - KANJI!!'
Im Gegensatz zu den Herren Heisig, Richardson & Rauter (und, mit Riesenabstand, Janeček) hielt DeFrancis Hanzi oder Kanji für nachteilig, obwohl er zweifellos tausende bombensicher kekunn.

Dass du's gelesen hast, beweiß ich durchaus, denn anders diesen Ausschnitt zu finden stelle ich mir geziemlich schwierig vor. Was indes Herr DeFrancis an Kanji nachteilig findt, kann ich (zumindest nach einem kurzen Wikipädie-Überflug) gut nachvollziehen: verschiedene Lesarten, die man dazu nicht ableiten kann -- wenn man auf etwas wie superkalifragilistigexpialligetisch stößt, weiß man es zumindest auszusprechen, auch wenn das wenig hilft -- , und dazu noch die schiere Unmenge ihrer. Ich tarr es direkt für gewöhn'che Sprachökonomie halten; so, wie in Deutschland halt ganze Wörter aussterben oder starke Verben verschwachen.

PS: Ich habe noch eine gesoochene Gemeinde gefunden. In Wörterwechselstett sagt man statt "fliegen" "fliehen", mit wenig verwirrenden Resultaten:

Na, ist deine gute Stimmung schon verflohen?
Meine Eltern sind letztes Jahr zum Urlaub in die USA geflohen.
Die gemeine Fliehe ist nicht mit dem Floh zu verwechseln. Dieser springt, jene flieht.
Kampf dem Schicksal!

Berthold

#16
Zitat von: Übertreiber in 2009-09-01, 01:46:42
(...) Was indes Herr DeFrancis an Kanji nachteilig findt, kann ich (zumindest nach einem kurzen Wikipädie-Überflug) gut nachvollziehen: verschiedene Lesarten, die man dazu nicht ableiten kann -- wenn man auf etwas wie superkalifragilistigexpialligetisch stößt, weiß man es zumindest auszusprechen, auch wenn das wenig hilft -- , und dazu noch die schiere Unmenge ihrer.
(...)

Hanzi plus Haiku

Das mit den verschiedenen Lesarten gilt eher fürs Japanische, für sehr viele Kanji).
Etwa 80% der chinesischen Zeichen (Hanzi) hingegen haben einen Teil, der zumindest einen Hinweis auf die Bedeutung gibt, während die andere Hälfte auf die Aussprache der Silbe hinweist (oder doch früher hinwies).

'Palimpsest' kann man zwar irgendwie aussprechen. Was es ist jedoch, weiß man, oder weiß man nicht.
Liest dagegen eine Chinesin (ein simples Beispiel, das eh jeder schriftkundige Chinese, ohne erst nachzudenken, kennt), dann weiß sie an den zwei Mündern oben, daß da irgendwie galarmp oder gustrindt wird. Am Pferd unten erkennt sie, daß das Zeichen ähnlich wie Pferd (ma3) ausgespronch wird.
Nun, das Zeichen bedeutet 'accuse, blame, curse, scold'.

Beim Lernen nach der Heisigschen Methode wird man sich etwa, ein paar Minuten lang, zwei Kutscher (oder, für mich: Wiener Fiaker) vorstellen, die hinter einem Pferdegespann stehen und miteinander, mit groben Wörtern, streiten. Der Herr Heisig hätte hinzugefonck, daß man das friedlich dastehende Pferd sehen, vielleicht sogar riechen oder auch bemitleiden sesülle, während einem die groben Worte - erst A, dann B, dann wieder A ..., in den Ohren zu gellen haben und selber wütend machen sollen. - Dann läßt sich dieses Zeichen kaum mehr vergessen.

Ich glaube, daß sehr schriftkundige Chinesen (inhaltlich) schneller lesen können als unsereins.
Die Menge an Reimen und passenden Bildern macht ein klassisches chinesisches Gedicht (etwa von Mao Zedong) zu einer besonders gefühlsträchtigen Sache, während sich selbst ein Meister-Haiku (das folgende Beispiel stammt vom großen Bashô) halt 'nur' so liest:

'Furu ike ya   
Kawazu tobikomu   
Mizu no oto'

Das ist bestimmt ursuper plus eine tiefe Zen-Erfuhr, - aber sagen muß dir das wohl irgendwann irgendwer.  
Den meisten Japanern hinwiederum wird Goethes 'Über allen Gipfeln ist Ruh'' besser gefallen als sämtliche seiner längeren Gedichte.
   



Übertreiber

Richtig, ich hatte mich, bevor ich ſchrieb, insbeſondere des Japoneſiſchen informoren, da ich dieses geringfügig beſſer als das Chineſiſche beherrſche -- beide im Übrigen noch beſſer als Suaheli, obgleich deſſen Verbrittgebiet doch ſo näher als das jener Sprachen iſt.

Was du beſchreibſt klingt mir arg darnach, wie Kanji- und Hanzinutzer ihre Schrift verſtehen. Und abgeſehen davon, daß wir die lateiniſchen Lettern an Piktogrammen ſtatt benutzen, läuft es im Deutſchen doch recht ahln ab.

Man lieſt "beſchuldigen" und trennt es ſelbſtändig auf: be-ſchuldig-en. "Be" erkennt man als Präfix, das einen Hintransport, ein Geben bedüt, während man fast gleichzeitiglich "ſchuldig" auf "Schuld" zurücke führt und damit die Gesamtbedüt erfährt: jemanden ſchuldig machen, ihm Schuld zuweisen.

Die Chinesen ſehen alſo das Bild, das ſie als ſtreitende Menſchen erkennen, während der Deutſche das Wort "Schuld" lieſt, deſſen Bedüt er kennt.

Nur die Haikü betreffend verliese ich irgendwie deine Spur, der Geſamtſinn deiner Ausführe enerſchleußt ſich mir. Was muſs mir irgendwer irgendwann ſagen? Daſs Haikü eine Zen-Erfuhr ſind? Ich fircht, daß du mir dies noch mal erklären müſſen wirſt.
Kampf dem Schicksal!