Partizip Perfekt oder Partizip Präteritum???

Begonnen von Tschabrendeki, 2010-05-26, 20:22:32

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Tschabrendeki

Hallo,

ich war ja lange nicht unter Euch, doch ich weiß nicht, wo ich meine Frage besser unterbrigen kekünne, als hier:

wie muss es eingentlich heißen:
die Grammatiker nennen es "Partizip Perfekt", da es nach seiner Bedeutung hin perfektiv ist;
die Sprachhistoriker "Partizip Präteritum", da das Deutsche nur zwei synthetische Verbformen: nämlich Präsens und Präteritum kennt...
???


Schlage Partizip Präteritum Perfektivum vor...  :o  8)

LG
Tamás, der Neutschlehrer aus Hungarn

Kilian

Hallo Tschabrendeki, schön, dich mal wieder hier zu sehen! Eben aus der Uneindeutigkeit heraus, die du nennst, hat sich, denke ich, die sterile Bezeichnung Partizip II eingebürgert, die auch ich bevorzuge. Partizip Perfekt wird vielleicht auch deshalb oft gesagt, weil es im Deutschen zur Bildung auch der finiten Perfektformen verwandt wird. Finde ich aber irreführend.

Tschabrendeki

Hallo Kilian,

Ja: das Verweis auf Perfekt ist vor allem für die irreführend, die das Deutsche erlernen möchten - sie werden sofort desperat, wenn das passiv ins Blickfeld kommt (auch dass diese Verbform eine perfektive bedeutung hätte lässt einige Fragen offen, wie sie dann zum Vorgangspassiv verwendet werden könne...

Partizip II finde ich dann - zwar eine Lösung - doch nicht sehr hilfreich: die angehängte Nummer bietet nämlich für das gedächtnich kaum eine Stütze und die Kinder/Lehrlinge verwechseln immer die beiden Partizipien miteinander (als sie dann adjektivisch benutzt werden müssten).

Wieso kann sich die Bezeichnung Partizip Präteritum nicht durchsetzen?

Wortklauber

Die Bezeichnung "Partizip Praeteritum" macht es doch nicht besser oder? Wenn ich sage "das Haus wird renoviert", ist nichts Praeteritum-mäßiges dabei. Als "Perfekt", also "vollendet", könnte man die Form schon eher erklären: "renoviert" bezeichnet den vollendeten Zustand, und "wird" den Vorgang, den das Haus vom unvollendeten in den vollendeten Zustand überführt. Ebenso wie "er ist drei Jahre alt" - also er hat drei Jahre seines Lebens vollendet - und "er wird drei Jahre alt" - also er tritt von den unvollendeten drei Jahren in die vollendeten über.

Tschabrendeki

#4
"Präteritum-mäßig" ist es insoweit, dass man so beiden synthetischen Formen der dt. Sprache ein Partizip zuordnen kann, die Stammform von Part. II. kommt ja auch vom präteritalen Flexion nur mit der Vorsilbe ge- perfektiv gemacht. Also vom Struktur, von der Sprachlogik her ist - für mich - die Benennung Partizip Präteritum treffender: auch tabellarisch einfacher darzustellen...  ::)


(Im mhd. und im ahd war die Vorsilbe ge- noch nicht so verbreitet, wie heute, und es gab sogar auch andere Vorsilben z.B. Part. II. mit er-... (heben, huop, erhaben) wäre das nich was für das Neutsche?  ;D

Tschabrendeki

Zitat von: Tschabrendeki in 2010-05-27, 19:33:50
"Präteritum-mäßig" ist es insoweit, dass man so beiden synthetischen Formen der dt. Sprache ein Partizip zuordnen kann, die Stammform von Part. II. kommt ja auch vom präteritalen Flexion nur mit der Vorsilbe ge- perfektiv gemacht. Also vom Struktur, von der Sprachlogik her ist - für mich - die Benennung Partizip Präteritum treffender: auch tabellarisch einfacher darzustellen...  ::)

(grade fand ich eine andere Bezeichnung dafür: passives Präteritalpartizip  :o)

(Im mhd. und im ahd war die Vorsilbe ge- noch nicht so verbreitet, wie heute, und es gab sogar auch andere Vorsilben z.B. Part. II. mit er-... (heben, huop, erhaben) wäre das nich was für das Neutsche?  ;D

Kilian

#6
Zitat von: Tschabrendeki in 2010-05-27, 19:33:50"Präteritum-mäßig" ist es insoweit, dass man so beiden synthetischen Formen der dt. Sprache ein Partizip zuordnen kann, die Stammform von Part. II. kommt ja auch vom präteritalen Flexion nur mit der Vorsilbe ge- perfektiv gemacht. Also vom Struktur, von der Sprachlogik her ist - für mich - die Benennung Partizip Präteritum treffender: auch tabellarisch einfacher darzustellen...  ::)

Das Partizip I gehört sprachhistorisch mit dem Präsens zusammen und das Partizip II mit dem Präteritum, einverstanden. Aber macht das für Lerner des Neuchochdeutschen die Begriffe "Partizip Präsens" und "Partizip Präteritum" einsichtiger oder leichter zu merken? Ich bezweifle es. Für sich genommen geben die Formen kaum Aufschluss über das Tempus eines Satzes, in dem sie verwendet werden. Z.B. "Er brachte der leidenden Gräfin Wasser" (Partizip I, aber Präteritum) oder "Du wirst jetzt geweckt!" (Partizip II, aber Präsens).

Zitat(Im mhd. und im ahd war die Vorsilbe ge- noch nicht so verbreitet, wie heute, und es gab sogar auch andere Vorsilben z.B. Part. II. mit ver-... wäre das nich was für das Neutsche?  ;D

Auch im heutigen Deutsch tritt das ge- im Partizip II nicht hinzu, wenn das Verb schon ein Präfix hat (also be-, ge- selbst, ent-, er-, hinter-, über- [unbetont], unter- [unbetont], ver-, wider- oder zer-; nicht zu verwechseln mit Partikeln). Partzipien II mit anderen Präfixen als ge- zu bilden trifft auf die Schwierigkeit, dass sich ein solches Partizip mit bloßem Auge nicht von dem des Verbs unterscheiden ließe, das dieses Präfix eh schon auch in den anderen Stammformen hat - und das gibt es fast immer oder lässt sich bilden und hat dann eine leicht andere Bedeutung. So man dies verfolgen will, ist also die Herausforderung, präfixlose Verben zu suchen und deren Partizip II mit einer Vorsilbe zu versehen, die vom Sinn her zum Verb passt und möglichst nicht mit einem bestehenden Partizip II kollidiert. Ich führ' kurz vor, wie ich's mir vorstelle:

Das Verb hüten bildet sein Partizip II mit ge-: gehütet. Langweilig, so eine Allerweltsvorsilbe! Viel zu regelmäßig! Auftritt die GSV und verpasst ihm eine andere, auf dass das Neutsche noch einmal komplizorener werde. Welche nehmen wir? Die Verben behüten und verhüten gibt's schon. enthütet fœge eine unpassende Bedeutungskomponente hinzu, da wird irgendein Zustand aufgelöst, wo es doch beim Hüten gerade um das Bewahren eines Zustands geht. Ähnlich bei zerhütet: Jemanden zu zerhüten, das geht zwar, ist aber nicht immer das, was man mit hüten sagen will. widerhütet klingt auch erst etwas, nun ja, widersinnig, aber wenn man etwas behütet, dann ja immer vor etwas, oder: wider etwas. überhütet ginge auch, denn unter einem Hüter stellt man sich doch jemanden vor, der über dem zu Behütenden einen Schutzschirm errichtet. unterhütet aber auch, denn mitunter kommt das Böse auch von unten, und das zu Behütende ist wie in zwei zum Nest geformten Händen von unten zu hüten. Oder man entscheidet sich gar analog für hinterhütet. Will man sich, was die Richtung angeht, nicht festlegen, bleibt erhütet: er- ist das vielleicht rätselhafteste und neben ge- bedeutungsneutralste Präfix.

Bei anderen Verben sind andere Präfixe passend: Statt dass ein Fußballer einen Ball geschossen habe, süge man fürderhin, er habe ihn entschossen, denn damit geht eine Trennung des Fußes vom Ball einher. Und so weiter.

Jo, gute Idee, Tschabrendeki! Voll neutschbar, das!

EDIT: hinter- und wider- hinzugefogen.

Neutscher

Zitat von: Kilian in 2010-05-27, 20:08:20
Voll neutschbar, das!

Nun, so etwas neutschbar ist, sesüllen wir doch auch elnd die dafür unabdingbaren Verben

neutschen / einneutschen / verneutschen

schaffen, derer es der GSV bislang gar schmerlz gebricht. Natulr klusive der passenden Storke in, deren Aufnahme in die betreffende Liste ich hiermit antberage:

verneutschen - itscht vern -  iatsch vern - iätsche vern - itsch vern - verngeiutschen

einneutschen - / - niatsch ein - niätsche ein - / - eingeniutschen

neutschen - / - nautsch - nöutsche - niutsch - genuetschen

Gff. notwendige Verborße / Arnde an den vorgeschlagenen Formen nähme ich mit Gleichmut hin. :D

Kilian

Sehr gut, sehr gut! Die Große Liste ist indes den gestorkenen deutschen Verben vorbehalten; die erste Anlaufstelle neue neutsche Wörter - gestorken oder ungestorken - ist einstweilen der Wörterfaden.

Neutscher

Zitat von: Kilian in 2010-05-28, 12:56:53
Sehr gut, sehr gut! Die Große Liste ist indes den gestorkenen deutschen Verben vorbehalten; die erste Anlaufstelle neue neutsche Wörter - gestorken oder ungestorken - ist einstweilen der Wörterfaden.

Es gibt tatsalch noch keine Liste gestorkener neutscher Verben? :o Sesüllen wir da nicht schleunigst eine anlegen?