"lassen" und Argumentstrukturen

Begonnen von Homer, 2015-07-05, 01:14:27

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Homer

Du kannst natürlich gegen eingeführte grammatische Termini rebellieren, wenn Du möchtest. Aber ich kann nicht erkennen, welchen Sinn es haben soll, den klaren Unterschied zwischen Opa kocht1 (ohne planmäßige Akk.-Stelle) und Opa kocht2 (mit planmäßiger Akk.-Stelle, die aber in der Oberflächenstruktur unausgefüllt bleiben kann, wobei ein Akk.-Obj. wie "Essen" weiterhin impliziert ist, ein Akk. also tiefenstrukturell vorhanden ist) zu verwischen, indem man beides "intransitiv" nennt. Ich bin mit der üblichen Terminologie der Meinung, dass man "intransitiv" nur die Verben nennen sollte, die keine Akk.-Stelle zulassen. Im Sinne dieser Definition sind kochen1 und kochen2 dann unterschiedliche Verben.

Wortklaux

Zitat von: Homer in 2015-07-07, 09:13:03
Du kannst natürlich gegen eingeführte grammatische Termini rebellieren, wenn Du möchtest.
Wie eingeführt oder akzeptiert das ist, weiß ich nicht. Es scheint mit aber durchaus sinnvoll, zwischen Verben zu unterscheiden, die wirklich ein obligatorisches Akkusativobjekt haben (z.B. ,,verschlingen", ,,beibringen", ,,zerstören", ,,ausdrücken", wenn ich mich nicht irre) und solchen, die (nach meiner Terminologie) auch intransitiv verwendet werden können (z.B. ,,kochen", ,,bauen", ,,singen"), bei denen also zwar immer ein Objekt vorhanden sein muss, aber die Sprache nicht verlangt, dieses auszudrücken. Das Objekt ist in diesem Fall also eben nicht obligatorisch.

Natürlich verhalten sich die beiden Bedeutungen von ,,kochen" insofern unterschiedlich, als die eine ein Objekt zulässt und die andere nicht. Ob man das nun unter dem Begriff ,,intransitiv" subsumiert oder nicht, scheint mir eine letztlich müßige Frage zu sein. Aber das eine davon transitiv zu nennen, obwohl man meistens nach dem Objekt gar nicht fragt, scheint mir ebenso fragwürdig. Hier von verschiedenen Verben zu sprechen, scheint mir doch abwegig. Natürlich gibt es ähnliche Fälle, in denen die verschiedenen Bedeutungsvarianten unterschiedliche Formen bilden (brechen: Perfekt mit sein oder haben; erschrecken: stark oder schwach gebeugt) und andere Fälle, in denen auch die Grundform unterschiedlich gebildet wird (säugen / saugen), aber wenn wie im Falle von kochen alle Verbformen gleich und offensichtlich nicht nur zufällig gleich geworden sind und nur in Rektion und Bedeutung ein Unterschied besteht, weiß ich nicht, warum man von verschiedenen Verben sprechen sollte.

Homer

Zitat von: Wortklaux in 2015-07-07, 15:23:34
Wie eingeführt oder akzeptiert das ist, weiß ich nicht. Es scheint mit aber durchaus sinnvoll, zwischen Verben zu unterscheiden, die wirklich ein obligatorisches Akkusativobjekt haben (z.B. ,,verschlingen", ,,beibringen", ,,zerstören", ,,ausdrücken", wenn ich mich nicht irre) und solchen, die (nach meiner Terminologie) auch intransitiv verwendet werden können (z.B. ,,kochen", ,,bauen", ,,singen"), bei denen also zwar immer ein Objekt vorhanden sein muss, aber die Sprache nicht verlangt, dieses auszudrücken. Das Objekt ist in diesem Fall also eben nicht obligatorisch.

Terminologie ist natürlich nur eine Frage der Konvention. Also einverstanden, wenn Du zwischen "verschlingen" und "singen" terminologisch unterscheiden willst und nicht beide gleichermaßen "transitiv" nennen willst. Man sollte nur "singen" ohne (auf der Oberfläche) unausgedrücktes, aber impliziertes Objekt nicht "intransitiv" nennen. Ich bleibe dabei, dass es sinnvoll ist, diesen Begriff für Verben ohne Akk.-Planstelle zu verwenden.

Zitat von: Wortklaux in 2015-07-07, 15:23:34
Natürlich verhalten sich die beiden Bedeutungen von ,,kochen" insofern unterschiedlich

Da bekämst Du aber richtig Ärger mit Chomsky, der Dir zeigen würde, dass das eine Frage der Syntax ist und nicht der Semantik. :D

Zitat von: Wortklaux in 2015-07-07, 15:23:34
Ob man das nun unter dem Begriff ,,intransitiv" subsumiert oder nicht, scheint mir eine letztlich müßige Frage zu sein.

Du argumentierst immer von der Sprachoberfläche, der Erscheinungsform, aus. Ich glaube, die Linguistik tut gut daran, hier nach Tiefenstrukturen zu fragen. Wenn man den Begriff "intransitiv" nicht völlig entwerten will, indem man zwei ganz unterschiedliche Strukturen darunter subsumiert, wird man terminologisch unterscheiden müssen, was ja auch geschieht.

Zitat von: Wortklaux in 2015-07-07, 15:23:34
Hier von verschiedenen Verben zu sprechen, scheint mir doch abwegig. Natürlich gibt es ähnliche Fälle, in denen die verschiedenen Bedeutungsvarianten unterschiedliche Formen bilden (brechen: Perfekt mit sein oder haben; erschrecken: stark oder schwach gebeugt) und andere Fälle, in denen auch die Grundform unterschiedlich gebildet wird (säugen / saugen), aber wenn wie im Falle von kochen alle Verbformen gleich und offensichtlich nicht nur zufällig gleich geworden sind und nur in Rektion und Bedeutung ein Unterschied besteht, weiß ich nicht, warum man von verschiedenen Verben sprechen sollte.

Das würde Dir ein Syntaxtheoretiker wie Chomsky rundweg bestreiten: Bedeutung, Formengleichheit und Sprachgeschichte sind keine im Sinne seiner Syntaxtheorie validen Größen. Aber vielleicht gibt es ja andere Syntaxtheorien, die erfolgreich mit diesen Parametern arbeiten, das weiß ich nicht genau. Leicht haben sie es sicher nicht.

Wortklaux

Zitat von: Homer in 2015-07-07, 15:54:12
Zitat von: Wortklaux in 2015-07-07, 15:23:34
Wie eingeführt oder akzeptiert das ist, weiß ich nicht. Es scheint mit aber durchaus sinnvoll, zwischen Verben zu unterscheiden, die wirklich ein obligatorisches Akkusativobjekt haben (z.B. ,,verschlingen", ,,beibringen", ,,zerstören", ,,ausdrücken", wenn ich mich nicht irre) und solchen, die (nach meiner Terminologie) auch intransitiv verwendet werden können (z.B. ,,kochen", ,,bauen", ,,singen"), bei denen also zwar immer ein Objekt vorhanden sein muss, aber die Sprache nicht verlangt, dieses auszudrücken. Das Objekt ist in diesem Fall also eben nicht obligatorisch.

Terminologie ist natürlich nur eine Frage der Konvention. Also einverstanden, wenn Du zwischen "verschlingen" und "singen" terminologisch unterscheiden willst und nicht beide gleichermaßen "transitiv" nennen willst. Man sollte nur "singen" ohne (auf der Oberfläche) unausgedrücktes, aber impliziertes Objekt nicht "intransitiv" nennen. Ich bleibe dabei, dass es sinnvoll ist, diesen Begriff für Verben ohne Akk.-Planstelle zu verwenden.

Es ist die Frage, wie viele Begriffe man braucht und wieviel Unschärfe man einem Begriff zugestehen will.
Wenn man sich ,,bauen", ,,singen" und ,,sprechen" ansieht, sehe ich zum Beispiel drei Stufen:

1. ,,Bauen" kann man sich nicht ohne einen zu bauenden Gegenstand vorstellen. Im Fall von ,,Herr Meyer hat einen Bausparvertrag abgeschlossen und möchte so bald wie möglich bauen." ist sogar ziemlich klar, um was für einen Gegenstand es sich handelt. Wenn man im übertragenen Sinne sagt ,,darauf kann man bauen", ist dieser Gegenstand zwar nicht konkret, aber dass es sich um ein (metaphorisches) Gebäude handelt, das dort errichtet werden soll, steht außer Frage.

2. Im Fall von ,,singen" gibt es zwar oft einen Gegenstand — ein Lied, eine Arie, ein Chorwerk —, der gesungen wird, aber wenn wir sagen, dass die Kinder beim Spielen singen, ist es keineswegs sicher, dass sie ein Lied oder etwas ähnliches als Gegenstand Bezeichenbares singen. Vielleicht improvisieren sie ja nur mit ihren Stimmen. Sich auf ,,sie singen aber Töne oder Melodien" zurückzuziehen, läge auf der gleichen Ebene wie wenn wir sagen, dass jeder Mensch, der geht, Schritte oder Wege gehen muss. In einem Satz wie ,,Ich finde, Maria singt schöner als Klara." lässt sich das Akkusativobjekt ebenfalls nicht einmal mit Mühe ergänzen, ohne die Satzaussage zu verändern.

3. Das Verb sprechen wird wohl in der Regel eher als intransitiv empfunden werden, weil es in den allermeisten Fällen kein Akkusativobjekt hat, aber man kann eben auch sagen ,,Der Pfarrer spricht den Segen." oder ,,Ich möchte den Abteilungsleiter sprechen." Aber ist ,,singen" und ,,sprechen" nicht in dieser Hinsicht wieder sehr vergleichbar, nur dass eben bei ,,sprechen" die Fälle des Gebrauchs ohne Akkusativobjekt häufiger vorkommen? Man kann ebenso einen Vers sprechen wie man ein Lied singen kann.

Bei ,,bauen" würde ich am ehesten noch zugestehen, dass es sich um ein transitives Verb mit in der Regel obligatorischem Akkusativobjekt handelt, das nur ausnahmsweise einen absoluten Gebrauch gestattet.

Bei sprechen würdest wahrscheinlich nicht einmal du behaupten, dass es ein transitives Verb sei, das man auch absolut verwenden kann. Sich auf die Aussage zurückzuziehen, dass ,,mit jemandem sprechen", ,,einen Text sprechen" und ,,jemanden sprechen" drei veschiedene Verben seien, kommt mir nach einer Flucht vor der Realität zur Rettung einer Theorie vor. Natürlich handelt es sich um dasselbe Verb, das nur in unterschiedlicher Weise verwendet werden kann.

Und singen liegt halt sehr schön in der Mitte zwischen bauen und sprechen.

Homer

Jede Einteilung und Terminologie, die die Phänomene vollständig und trennscharf beschreibt, ist natürlich willkommen. Aber die syntaktischen Eigenschaften wollen bei der Frage, ob man es mit einem Verb oder mit zwei verschiedenen zu tun hat, mitbedacht werden. Denn "transitiv" und "intransitiv" sind ihrem Anspruch nach Termini der Syntaxanalyse, und die kann man nicht auf semantischer Basis durchführen.

Ich bin mit der Idee, dass es sich bei intransitivem kochen1 und "krypto-transitivem" kochen2 – na, wie findest Du meinen Ad-hoc-Terminologie-Vorschlag? – um zwei verschiedene Wörter handelt, auch nicht rundum glücklich. Aber das ist weniger radikal, als das, was üblich ist, wenn man dem Wikipedia-Artikel "Transitivität" glaubt, wo es um transitives vs. "krypto-transitives" lesen geht:

(14) a.    Der Mann liest das Buch
       b.    #    Der Mann liest

Liegt das Hauptaugenmerk des ersten Satzes darauf, dass der Mann das Buch liest, und nicht etwa eine Zeitung, steht im zweiten Satz nur die Tatsache im Vordergrund, dass der Mann überhaupt liest. Syntaktisch wie semantisch betrachtet geht man meist davon aus, dass es sich beim ersten lesen um ein anderes Wort handelt als das lesen im zweiten Satz.


Wie gesagt, intuitiv nicht mein Ansatz. Ich denke nach wie vor, dass man b. als Variante von a. analysieren sollte. Aber vielleicht wird man von strengen und umfassenden Analysekriterien zu der Schlussfolgerung gezwungen, dass das zwei verschiedene Wörter sind.

Wortklaux

Zitat von: Homer in 2015-07-07, 20:32:33
Wie gesagt, intuitiv nicht mein Ansatz. Ich denke nach wie vor, dass man b. als Variante von a. analysieren sollte. Aber vielleicht wird man von strengen und umfassenden Analysekriterien zu der Schlussfolgerung gezwungen, dass das zwei verschiedene Wörter sind.
Um dazu gezwungen zu werden, bräuchte man eine Definition, was ,,ein Wort" ist. Gibt es eine allgemein akzeptorene Definition, oder vielleicht abhängig von der Wissenschaftssparte, mit der man sich gerade beschäftigt, verschiedene, aber jeweils in diesem Bereich allgemein anerkannte Definitionen? Mir kommt es eher so vor, als müsse man sich auch hier mit verschiedenen Definitionen innerhalb derselben Fachgebiete herumschlagen, und dann könnte man die obige Frage nur für jeweils einen spezifischen Wortbegriff entscheiden.

Mir kommt es so vor, als bräuchte man für die sprachwissenschaftliche Definition des Wortbegriffs ein dem biologischen Kriterium vergleichbares Merkmal, ob die Individuen verschiedener Varianten sich paaren und zeugungsfähigen Nachwuchs erzeugen können.

Bei dem Verb ,,lesen" kommt mir die Unterscheidung zweier verschiedener Wörter weltfremd vor, weil ein normaler Sprecher (möchte ich einmal behaupten) in der Satzfolge ,,Morgens sieht man viele lesende Leute in der U-Bahn, aber die meisten von ihnen lesen keine gedruckten Texte, sondern lesen auf ihrem Smartphone" keinen Verbwechsel empfindet. Anders scheint es mir zu sein, wenn man sagt ,,Meine Mutter geht jetzt erstmal, weil der Kuchenteig erst gehen muss, ehe sie ihn weiter verarbeiten kann.", denn entweder bemerkt man gar nicht, dass die Verben im ersten und zweiten Satz gleich lauten, oder man stutzt einen Augenblick. In der letzten Instanz müsste eine Definition des Wortbegriffs auf solche Wahrnehmungen rekurrieren, denke ich, und die formalen Analysen können dabei höchstens Hilfsmittel sein.

Homer

Du hast Recht: "Wort" ist kein anerkannter, präziser Terminus der Sprachwissenschaft. Er reicht aber für viele Zwecke zur Verständigung vollkommen aus. In dem Beispiel aus dem Wikipedia-Artikel wird eingeschränkt, dass es sich bei den Fällen von lesen "syntaktisch wie semantisch" um verschiedene Wörter handeln soll. Damit ist ein Bereich abgesteckt, in dem analysiert werden kann. Bei der Analyse auf "Wahrnehmungen" statt auf formale Analysen zu rekurrieren, wäre dabei allerdings völlig falsch. Ich denke, nicht einmal Kilian wäre der Meinung, dass man syntaktische oder semantische Analysen mit Hilfe von empirischen psycholinguistischen Studien durchführen sollte. :D

Wortklaux

Zitat von: Homer in 2015-07-07, 23:06:22
Ich denke, nicht einmal Kilian wäre der Meinung, dass man syntaktische oder semantische Analysen mit Hilfe von empirischen psycholinguistischen Studien durchführen sollte. :D
Das wäre ja auch vollkommen abwegig, und ich bin auch nicht einmal ansatzweise dieser Meinung. Ganz im Gegenteil meine ich, dass man die psycholinguistischen Studien (die nicht unbedingt empirisch sein müssen) mit Hilfe von syntaktischen oder semantischen Analysen durchführen sollte. Schließlich sind die syntaktischen und semantischen Strukturen das Ergebnis psycholinguistischer Vorgänge und nicht umgekehrt. :D

Wortklaux

Wenn es sich bei den beiden lesen-Varianten syntaktisch und semantisch um verschiedene Vokabeln handelte, müsste man über einen Satz wie

Hans liest viel, und zwar am liebsten Romane.

eigentlich stolpern, ähnlich wie man tatsächlich wohl über die Sätze

Mutter und der Kuchen gehen jetzt erst einmal. (semantische Dissonanz)

oder

In der Geisterbahn erschrecken die Mitarbeiter nicht selbst, aber ihre Kunden. (syntaktische Dissonanz)

stolpern würde.

Kilian

Mit so einem Ellipsentest lässt sich auch schön zeigen, dass Homer Recht hat und transitives und "krypo-transitives" kochen enger zusammengehören als jeweils mit dem intransitiven kochen:

Opa kocht gerne, heute zum Beispiel Suppe.
*Gestern hat Opa noch für uns gekocht, heute im Kessel der Kannibalen.
*Gestern hat Opa noch Suppe gekocht, heute im Kessel der Kannibalen.

Kilian

Zitat von: Wortklaux in 2015-07-07, 15:23:34Es scheint mit aber durchaus sinnvoll, zwischen Verben zu unterscheiden, die wirklich ein obligatorisches Akkusativobjekt haben (z.B. ,,verschlingen", ,,beibringen", ,,zerstören", ,,ausdrücken", wenn ich mich nicht irre) und solchen, die (nach meiner Terminologie) auch intransitiv verwendet werden können (z.B. ,,kochen", ,,bauen", ,,singen"), bei denen also zwar immer ein Objekt vorhanden sein muss, aber die Sprache nicht verlangt, dieses auszudrücken. Das Objekt ist in diesem Fall also eben nicht obligatorisch.

Hier wittere ich eine mögliche Generalisierung: verschlingen, beibringen, zerstören und ausdrücken haben auch wieder perfektive Bedeutung, sie bezeichnen immer einen abgeschlossenen Vorgang mit einem bestimmten Objekt und können keine andauernde oder wiederholte Handlung mit möglicherweise verschiedenen Objekten ausdrücken wie kochen, bauen oder singen. Wahrscheinlich liegt es daran, dass das Objekt hier wirklich obligatorisch realisiert werden muss und nicht wie bei anderen transitiven Verben weggelassen werden kann.

Auch das stützt Homers Standpunkt, dass transitives und "krypto-transitives" kochen dasselbe Verblexem sind, denn wenn eine semantische Regel erklärt, warum bei manchen Verben das Objekt weggelassen werden kann und bei manchen nicht, muss man umso weniger annehmen, dass das Lexikon das spezifiziere.

Wortklaux

Zitat von: Kilian in 2015-07-08, 04:21:49
Zitat von: Wortklaux in 2015-07-07, 15:23:34Es scheint mit aber durchaus sinnvoll, zwischen Verben zu unterscheiden, die wirklich ein obligatorisches Akkusativobjekt haben (z.B. ,,verschlingen", ,,beibringen", ,,zerstören", ,,ausdrücken", wenn ich mich nicht irre) und solchen, die (nach meiner Terminologie) auch intransitiv verwendet werden können (z.B. ,,kochen", ,,bauen", ,,singen"), bei denen also zwar immer ein Objekt vorhanden sein muss, aber die Sprache nicht verlangt, dieses auszudrücken. Das Objekt ist in diesem Fall also eben nicht obligatorisch.

Hier wittere ich eine mögliche Generalisierung: verschlingen, beibringen, zerstören und ausdrücken haben auch wieder perfektive Bedeutung, sie bezeichnen immer einen abgeschlossenen Vorgang mit einem bestimmten Objekt und können keine andauernde oder wiederholte Handlung mit möglicherweise verschiedenen Objekten ausdrücken wie kochen, bauen oder singen. Wahrscheinlich liegt es daran, dass das Objekt hier wirklich obligatorisch realisiert werden muss und nicht wie bei anderen transitiven Verben weggelassen werden kann.

Der Unterschied leuchtet mir nicht vollkommen ein. ,,In der Rechenstunde bringt der Lehrer den Schülern in diesem Halbjahr das Rechnen mit Zahlen bis 100 bei." drückt ebensowenig einen abgeschlossenen Vorgang aus wie ,,Montags kocht Opa immer Spaghetti.", und der Beibringvorgang lässt sich ebenso mit verschiedenen Objekten wiederholen.

ZitatAuch das stützt Homers Standpunkt, dass transitives und "krypto-transitives" kochen dasselbe Verblexem sind, denn wenn eine semantische Regel erklärt, warum bei manchen Verben das Objekt weggelassen werden kann und bei manchen nicht, muss man umso weniger annehmen, dass das Lexikon das spezifiziere.

Dass es sich um dasselbe Verblexem handelt, ist ja auch mein Standpunkt. Ich denke eben nur, dass die Verben ,,singen" und ,,sprechen" zeigen, dass die Grenzen zwischen ein Akkusativobjekt in der Regel fordernden und normalerweise ohne das auskommenden Verben fließend sind. Ich würde es daher bei diesen Verben vorziehen, von ,,transitivem Gebrauch" zu sprechen, anstatt die Verben als ,,transitive Verben" zu bezeichnen, welchletzteres meines Erachtens implizöre, dass bei absolutem Gebrauch eine semantische Leerstelle entsteht.

Wortklaux

P.S.

Ist ,,Verblexem" ein Synonym für ,,Tuwort", oder handelt es sich im Gegensatz zu ,,Wort" um einen wissenschaftlich exakt definierten oder definierbaren Begriff?

,,Lexem" gehört nicht zu meinem aktiven Wortschatz, und ich denke dabei immer an Ekzem. :-\

Homer

Zitat von: Kilian in 2015-07-08, 04:21:49

Hier wittere ich eine mögliche Generalisierung: verschlingen, beibringen, zerstören und ausdrücken haben auch wieder perfektive Bedeutung, sie bezeichnen immer einen abgeschlossenen Vorgang mit einem bestimmten Objekt und können keine andauernde oder wiederholte Handlung mit möglicherweise verschiedenen Objekten ausdrücken wie kochen, bauen oder singen. Wahrscheinlich liegt es daran, dass das Objekt hier wirklich obligatorisch realisiert werden muss und nicht wie bei anderen transitiven Verben weggelassen werden kann.

Auch das stützt Homers Standpunkt, dass transitives und "krypto-transitives" kochen dasselbe Verblexem sind, denn wenn eine semantische Regel erklärt, warum bei manchen Verben das Objekt weggelassen werden kann und bei manchen nicht, muss man umso weniger annehmen, dass das Lexikon das spezifiziere.

Also der Verbalaspekt als mitbestimmender Faktor – das überzeugt mich sehr.

Kilian

Zitat von: Wortklaux in 2015-07-08, 05:30:31
Zitat von: Kilian in 2015-07-08, 04:21:49
Zitat von: Wortklaux in 2015-07-07, 15:23:34Es scheint mit aber durchaus sinnvoll, zwischen Verben zu unterscheiden, die wirklich ein obligatorisches Akkusativobjekt haben (z.B. ,,verschlingen", ,,beibringen", ,,zerstören", ,,ausdrücken", wenn ich mich nicht irre) und solchen, die (nach meiner Terminologie) auch intransitiv verwendet werden können (z.B. ,,kochen", ,,bauen", ,,singen"), bei denen also zwar immer ein Objekt vorhanden sein muss, aber die Sprache nicht verlangt, dieses auszudrücken. Das Objekt ist in diesem Fall also eben nicht obligatorisch.

Hier wittere ich eine mögliche Generalisierung: verschlingen, beibringen, zerstören und ausdrücken haben auch wieder perfektive Bedeutung, sie bezeichnen immer einen abgeschlossenen Vorgang mit einem bestimmten Objekt und können keine andauernde oder wiederholte Handlung mit möglicherweise verschiedenen Objekten ausdrücken wie kochen, bauen oder singen. Wahrscheinlich liegt es daran, dass das Objekt hier wirklich obligatorisch realisiert werden muss und nicht wie bei anderen transitiven Verben weggelassen werden kann.

Der Unterschied leuchtet mir nicht vollkommen ein. ,,In der Rechenstunde bringt der Lehrer den Schülern in diesem Halbjahr das Rechnen mit Zahlen bis 100 bei." drückt ebensowenig einen abgeschlossenen Vorgang aus wie ,,Montags kocht Opa immer Spaghetti.", und der Beibringvorgang lässt sich ebenso mit verschiedenen Objekten wiederholen.

Hm, stimmt, so richtig Sinn macht das Konzept "perfektives Verb" bei längerem Nachdenken auch nicht. Eher ist eine bestimmte Verwendung perfektiv oder nicht.

Scheint also, als wären echt alle Übergänge fließend. Panta rhei. :D