Vernichtet!

Begonnen von MrMagoo, 2004-12-19, 22:52:04

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MrMagoo

#30
Zitat von: Kilian in 2005-01-03, 02:21:37
Du Renitenter, du! ;) Es ist und bleibt Teil meines Vorschlags:

Zitat von: Kilian in 2004-12-21, 00:42:00Vater von jm. werden: jn. vatern
Mutter von jm. werden: jn. muttern
"Wie konnte ein Mann fünf Kinder vatern, die absolut nichts mit ihm gemeinsam hatten?"
(analog zu engl. to father)

Zugegeben, to father bedeutet zeugen, aber das liegt ja in der Nähe.

Nicht, dass wir uns missverstehen, ich wäre der Letzte, der sich dagegen spörre, dass man das Akkusativ-Objekt auch weglassen kann: "Er hat schon dreimal gevatert." Aber eben auch: "Er vaterte drei Kinder."

Du bist aber nicht weniger renitent :)

Im Englischen wird ja aufgrund eines immensen Formenzusammenfalls kaum noch zwischen kausativ und nicht-kausativ unterschieden, dem zum Opfer fällt auch das Verb "to father" welches beide Bedeutungen (nämlich vatern und vätern in sich trägt).
--> Daher sind im Übrigen auch Bildungen möglich wie
"The tent sleeps four people", aber das nur nebenbei.

Im Englischen wird der Unterschied kausativ vs. nicht kausativ also viel seltener gemacht, als im Deutschen, eine einzige Verbform vertritt hier die im Deutschen notwendige Unterscheidung - daher bleibe ich bei meinem Vorschlag, vatern und vätern so zu benutzen, wie oben angeführt. :)
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

caru

nach dieser variante ist der schwager der ersten strophe aber nicht der tod, und die fahrt eine durchaus normale postkutschenfahrt. erst in der letzten strophe wird der tod als möglicher "schwager" imaginoren. gibts da andere versionen?

(sorry, verlinkte seite hat viel tippfehler, sind aber nicht meine.)
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Nijntje - de echte nederlandse konijn

MrMagoo

Zitat von: caru in 2005-01-07, 21:13:19
nach dieser variante ist der schwager der ersten strophe aber nicht der tod, und die fahrt eine durchaus normale postkutschenfahrt. erst in der letzten strophe wird der tod als möglicher "schwager" imaginoren. gibts da andere versionen?

(sorry, verlinkte seite hat viel tippfehler, sind aber nicht meine.)


Daher sagte ich ja, saß Du wahrscheinlich nur die erste Strophe berücksichtigt hattest.
In der jeweils letzten Zeile einer jeden Strophe wird angedeuten, daß die Zeit, und damit der Tod sich nicht aufhalten lassen ("aber der Wagen, der rollt), auch wenn man noch so gerne verweilen möchte um das zu sehen, was in den vorigen Zeilen beschrieben ward.
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

caru

neinnein, die letzte strophe macht zwar möglich und legt vielleicht sogar nahe, die ganze kutschfahrt als allegorie zu sehen, aber sie macht es nicht notwendig: in strophen 1-3 kann es sich einfach um einen eiligen reisenden handeln, der keine zeit zum stehenbleiben hat.

außerdem sitzt in strophe 4 das gerippe bei dem schwager und ist es nicht selber - und schwingt hippe und stundenglas statt peitsche und horn, die der postillon vorher geschwungen hatte.

aber lassen wir das lied lied sein - ich war's nicht, der davon angefangen hat, übrigens. ich habe mich nur über den schwippschwappschwuppschwager belustigt  :D
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MrMagoo

Zitat von: caru in 2005-01-07, 21:42:27
neinnein, die letzte strophe macht zwar möglich und legt vielleicht sogar nahe, die ganze kutschfahrt als allegorie zu sehen, aber sie macht es nicht notwendig: in strophen 1-3 kann es sich einfach um einen eiligen reisenden handeln, der keine zeit zum stehenbleiben hat.

Ok ok, aber Du läßt doch nicht auch üblicherweise das Ende oder die Pointe weg, wenn Du ein Gedicht oder eine Geschichte erzählst.


Zitataußerdem sitzt in strophe 4 das gerippe bei dem schwager und ist es nicht selber - und schwingt hippe und stundenglas statt peitsche und horn, die der postillon vorher geschwungen hatte.

aber lassen wir das lied lied sein - ich war's nicht, der davon angefangen hat, übrigens. ich habe mich nur über den schwippschwappschwuppschwager belustigt  :D

Jawohl, denn mit der Zeit verwest dieses "ich" natürlich, und je weiter es dem Ende zugeht, je weiter die Zeit rinnt, desto weiter wird das Ich, das Gerippe ja dem Schwager ähnlich; im Tod sind alle gleich.

;D ;D ;D ::) ::) ::) ;D ;D ;D
Renate Lohses Schwester zu ihrem Neffen:
"Ich bin Deine Tante, weil ich die Schwester Deiner Mutter bin!"
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

caru

klar verwest das ich. aber seit wann kriegt man beim verwesen stundenglas und sense in die hände gedrückt? das sind nicht attribute toter personen, sondern des personifizierten todes. und zu dem kann das ich nicht gut werden. (außerdem verwest man, nachdem man gestorben ist. ist denn das ich von anfang an tot? oder an welcher stelle des gedichts stirbt es?)

hingegen kann ihm bei einer eiligen kutschfahrt in den sinn kommen: "früher oder später wird sich mal der tod auf den kutschbock setzen und die führung übernehmen - dann werde ich mich noch mehr danach sehnen, anzuhalten und pause zu machen, aber DER kutscher wird dann noch viel weniger daran denken." genau das ist in der 4. strophe passiert.

ein wenig handelt es sich dabei wohl um das, was ich die "eschatologische notbremse" nenne: wenn man mit dem dichten oder sonstigen textfabrizieren ein ende machen muß, aber keinen guten grund dazu findet, bemüht man als thema des schlußsatzes die letzten dinge. nach denen kommt nun mal nichts mehr.
so wie in strophe 2 und 3 hätte man ja noch stundenlang fortdichten können, aber das hielte ja doch niemand aus, das lied muß ein ende finden. und zack, das gerippe auf den kutschbock.

sicher läßt man beim geschichtenerzählen nicht gern die pointe weg - wenn man sie kennt. aber dieses schöne lied ist nun mal in zahllosen liederbüchern so abgedruckt, als gäbe es die 4. strophe gar nicht (ich kenne die ersten drei seit dem kindergarten, die 4. habe ich heut zum ersten mal gesehen!) - und die pointe fehlt niemandem! alle singen die drei strophen als schönes, leicht schwermütiges wander- oder reiselied; kann sein, sie sinnen dabei nach, wie die zeit vergeht, aber kein mensch (und wenn er seinen schwager noch so haßt) kommt auf die idee, der schwager könnte der tod sein.

"schwager" als anrede für den postillon ist gut belegt.
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MrMagoo

#36
Zitat von: caru in 2005-01-07, 23:44:08
klar verwest das ich. aber seit wann kriegt man beim verwesen stundenglas und sense in die hände gedrückt? das sind nicht attribute toter personen, sondern des personifizierten todes. und zu dem kann das ich nicht gut werden. (außerdem verwest man, nachdem man gestorben ist. ist denn das ich von anfang an tot? oder an welcher stelle des gedichts stirbt es?)

Doch, das verwesende Ich kann zum Tod werden; daß der "Tod" als eine Gestalt interpretiert wird, die kommt, um jemanden in Person abzuholen, ist relativ neu - nach älterer Interpretation ist "der Tod" nicht eine außenstehende Gestalt, sondern "lebt" bereits in jedem Menschen, von Geburt an. Davon zeugen noch ältere Redewendungen wie "Ihm schaut der Tod aus den Augen" gegenüber dem neueren "Er sieht dem Tod ins Gesicht".



Zitatein wenig handelt es sich dabei wohl um das, was ich die "eschatologische notbremse" nenne: wenn man mit dem dichten oder sonstigen textfabrizieren ein ende machen muß, aber keinen guten grund dazu findet, bemüht man als thema des schlußsatzes die letzten dinge. nach denen kommt nun mal nichts mehr.
so wie in strophe 2 und 3 hätte man ja noch stundenlang fortdichten können, aber das hielte ja doch niemand aus, das lied muß ein ende finden. und zack, das gerippe auf den kutschbock.

Das kann schon sein... hab ich auch gar nicht bestritten; natürlich hätte man das Lied auch nach der 3. Strophe enden lassen können oder noch zig weitere dazudichten, doch die 4. Strophe ist nunmal da und geht daher (WENN sie denn mitaufgeführt wird) in das Verständnis des gesamten Liedes mit ein.



Zitatsicher läßt man beim geschichtenerzählen nicht gern die pointe weg - wenn man sie kennt. aber dieses schöne lied ist nun mal in zahllosen liederbüchern so abgedruckt, als gäbe es die 4. strophe gar nicht (ich kenne die ersten drei seit dem kindergarten, die 4. habe ich heut zum ersten mal gesehen!) - und die pointe fehlt niemandem! alle singen die drei strophen als schönes, leicht schwermütiges wander- oder reiselied; kann sein, sie sinnen dabei nach, wie die zeit vergeht, aber kein mensch (und wenn er seinen schwager noch so haßt) kommt auf die idee, der schwager könnte der tod sein.

"schwager" als anrede für den postillon ist gut belegt.


Ok, überzeugt: Falls man die letzte Strophe nicht kennt, ergibt dieses Lied natürlich einen anderen Sinn; naja, wer singt denn auch schon gern vom Tod während er gerade reist oder wandert?! :)
Im Übrigen kennen viele auch nicht die beiden anderen Strophen der deutschen Nationalhymne oder ihre Entstehungsgeschichte, was natürlich auch ein ganz anderes Licht auf dieses Lied wirft...

so, aber jetzt genug davon ;)
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(Gottfried von Straßburg)

amarillo

#37
Zitat von: MrMagoo in 2005-01-09, 00:37:10

Doch, das verwesende Ich kann zum Tod werden

Das verwesende Ich kann zum Tod werden...???

Das kann ich mir noch so oft auf der Zunge zergehen lassen, einen Sinn erkenne ich nicht.

"Ihm schaut der Tod aus den Augen" ist älter als "Er sieht dem Tod ins Gesicht"? Woher hast Du diese Gewissheit?

"Aussicht und Einsicht in der Todesmythologie": Benjamin Jakub Freyer; Leuwen, 1901 ?  ;)
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

caru

nein, ich kapiere das auch nicht.

wie alt das bild vom tod als gerippe mit sense und sanduhr ist, kann ich aus dem stegreif nicht sagen. aber: der personifizierte tod ist uralt - thanatos (tod) und sein bruder hypnos (schlaf) treten schon bei homer auf, und von dort ausgehend quer durch antike, mittelalter, humanismus. daß (ein wie immer gearteter) jemand kommt, um den sterbenden abzuholen, ebenso: bei den griechen war's hermes (psychopómpos, der seelengeleiter), bei den indern der herrscher des totenreichs, yama, oder ein abgesandter von ihm - auch diese idee findet sich schon im mahabharata.

wie alt ist die personifizierung des todes als "freund hein" bei uns zulande? doch sicher weit älter als das lied. und das volksmärchen vom gevatter tod muß doch vor seiner aufzeichnung durch die grimms schon einige zeit kursiert haben, um ein volksmärchen zu sein? (dort wird zwar der tod seinem äußeren nach nicht beschrieben, immerhin heißt er aber "dürrbeinig".)

nun aber wirklich genug dieser diskussion! ist ja morbide.
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Kilian

Zitat von: MrMagoo in 2005-01-07, 21:10:48daher bleibe ich bei meinem Vorschlag, vatern und vätern so zu benutzen, wie oben angeführt.

So weit ich sehe, unterscheidet sich mein Vorschlag von deinem nur darin, dass ich für vatern noch ein Akkusativ-Objekt zulassen will, das angibt, wessen Vater man wird. Ist es das, was du nicht willst, oder reden wir aneinander vorbei?

MrMagoo

Zitat von: Kilian in 2005-01-09, 16:17:55
Zitat von: MrMagoo in 2005-01-07, 21:10:48daher bleibe ich bei meinem Vorschlag, vatern und vätern so zu benutzen, wie oben angeführt.

So weit ich sehe, unterscheidet sich mein Vorschlag von deinem nur darin, dass ich für vatern noch ein Akkusativ-Objekt zulassen will, das angibt, wessen Vater man wird. Ist es das, was du nicht willst, oder reden wir aneinander vorbei?


Oh, hatte diesen Thread schon fast vergessen... sorry ;)

Nein, das Akkusativobjekt ist nicht schuld, sondern die Bedeutung. Ich will's mal anders deutlich machen:

Vergleiche beispielsweise wieder mit trinken/tränken:
ich trinke (selbst)
ich tränke ihn (=mache ihn trinken)
ich tränke zwei Pferde (=mache sie trinken)

ich vatere (=werde selber Vater)
ich vätere ihn (=mache ihn vatern, lasse ihn Vater werden)

ich vätere drei Kinder würde demnach logischerweise bedeuten, daß ich nicht mich selbst zum Vater dreier Kinder mache, sondern eher diese drei Kinder zu Vätern. Ich mache die Kinder vatern (=lasse sie Väter werden).
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

Kilian

Eben! Deswegen spreche ich ja schon die ganze Zeit davon, Kinder zu vatern und eben nicht zu vätern. Meine Kinder vätern mich!

MrMagoo

Zitat von: Kilian in 2005-01-22, 12:30:01
Eben! Deswegen spreche ich ja schon die ganze Zeit davon, Kinder zu vatern und eben nicht zu vätern. Meine Kinder vätern mich!

Das wäre ja dasselbe, als wenn ich sagte "Ich trinke meine Pferde", oder nicht? Hmmm... Moment mal - ich glaube jetzt weiß ich vielleicht was Du meinst, ich schätze ich hake zu sehr am Kausativum... ich werd nachher mal mein kleines Grammatikbüchlein bemühen, im Moment kann ich keinen klaren Gedanken fassen. ::)
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

gehabt gehabt

Zitat von: Kilian in 2005-01-22, 12:30:01
Eben! Deswegen spreche ich ja schon die ganze Zeit davon, Kinder zu vatern und eben nicht zu vätern. Meine Kinder vätern mich!

Un wer sagt, dass v"atern mit Akkusativ  kommt, und nicht mit Genitiv?:
sie vaetern meiner

Kilian

Mitnichten. Es ist vielmehr so, als wenn du sagtest "Die Pferde trinken das Wasser." Und "Mein Kind vätert mich" ist dann wie "Das Wasser tränkt die Pferde" (macht ja auch Sinn).



Die ausgedrückte Beziehung ist also wechselseitig.