Gesellschaft zur Stärkung der Verben

Öffentliche Bretter => Sprache => Thema gestartet von: Kükenschublade in 2008-04-14, 01:40:45

Titel: Ambiguität
Beitrag von: Kükenschublade in 2008-04-14, 01:40:45
Als Neuling ironischerweise immer in der Gefahr, Altes aufzuwärmen, wage ich es einfach mal, einen neuen Faden zu knüpfen.

Das zu beschreibende Phänomen läuft bei mir und einem Schulfreund unter dem Begriff Beleke. Das hat den Grund, dass ein Junge mit Nachnamen Beleke einmal in einer gemeinsamen Freundin Poesiealbum einträgig wurde. Wir beiden lasen dies und waren begorsten:
Lieblingsfarbe: weiß nicht

Da ich das Phänomen aus seiner privaten Ecke jetzt aber in den Verbstärkungsgesellschaftlichen Offelnt tragen möchte, habe ich mir an die Nomenklatur der höchsten Stelle zu halten: Wikipedia: Narrative Ambiguität (http://de.wikipedia.org/wiki/Mehrdeutigkeit#Narrative_.28literarische.29_Ambiguit.C3.A4t)

Zur Belebung dieser trockenen Worte einige Beispiele:
aus Wikipedia selbst: Ein Junggeselle ist ein Mann, dem zum Glück noch die Frau fehlt.
aus dem GSV-Forum:
Zitat von: Günter Gans in 2006-05-12, 20:13:22
Vor einer Weile roren türkische Nationalisten in Berlin dagegen demonst, dass der Völkermord an den Armeniern von 1915 in Schulbüchern thematisoren werde. Auf einem der Transparente stand zu lesen: ,,Der Türken Hass darf nicht in die Schulbücher".
(mit dem offensichtlichen Schönheitsfehler, dass hier ein orthografisches Zünglein an der semantischen Waage leckt)

Jetzt, da die Katze ausgesäckt ist, aber auch ein paar authentische (weil selbsterlebte) Beispiele, die sich ihr sämtliches Dasein in meiner Spracherinnerungskapsel eines freundlichen Wohlwollens sicher sein konnten, und daher nicht unter Verschluß bleiben sollten. Des größeren Spaßertrages wegen ohne weitere Erklur und Dut:

Nicht so schnell, ich komme nicht mit!

Wenn Sie nach Paris kommen, kommen Sie an einem Gebäude nicht vorbei.

Und, mein Favorit:
Altenpflegerinnen werden ja jetzt gesucht wie Sand am Meer.

Ich will mehr davon! Möglichst O-tönern! Und wenn schon nicht aus eines Menschen Mund in euer Ohr, dann aber bitte höchst konstruiert.
Titel: Re: Narrative Ambiguität
Beitrag von: Agricola in 2008-04-14, 06:11:55
Man sollte solche Sätze nicht verurteilen, weil sie mehrdeutig sind.

(Dein Favorit-Beispiel verstehe ich aber gar nicht. Was soll der Satz eigentlich bedeuten, was kann er noch bedeuten? Meines Erachtens kann man Dinge höchstens finden, aber nicht suchen "wie Sand am Meer".)
Titel: Re: Narrative Ambiguität
Beitrag von: Kükenschublade in 2008-04-14, 08:28:39
Ich erkläre das Beispiel gern, aber erst später. Noch will ich den anderen die Chance lassen, selbst darauf zu kommen. Aber ich glaube, der gemeinte Doppelsinn ist auch bei dir schon angekommen, nur reibst du dich noch an der sprachlichen Holprigkeit. Dabei sei daran erinnert, dass es sich um aufgeschnappte O-Töne handelt.
Titel: Re: Narrative Ambiguität
Beitrag von: Agricola in 2008-04-14, 10:11:59
Zitat von: Kükenschublade in 2008-04-14, 08:28:39
Aber ich glaube, der gemeinte Doppelsinn ist auch bei dir schon angekommen.
Er ist bei mir schon angekommen, aber bei mir kommt sowas nicht an.
Titel: Re: Narrative Ambiguität
Beitrag von: Agricola in 2008-04-14, 12:39:21
Heute im MIAL die verlinkte Zeile:

Marathon- Knirps: Trainer von sechsjährigem Läufer erschossen

Wie hat der Sechsjährige die Waffe in die Hand bekommen, dachte ich, und klickte. Dort die Überschrift

Trainer eines sechsjährigen Läufers erschossen

und kurz später im Text:

... Nun hat ein Unbekannter den 40-Jährigen erschossen.
Titel: Re: Narrative Ambiguität
Beitrag von: Gryphius in 2008-04-14, 12:46:13
Zitat von: Agricola in 2008-04-14, 12:39:21
Heute im MIAL die verlinkte Zeile:
Marathon- Knirps: Trainer von sechsjährigem Läufer erschossen
Wie hat der Sechsjährige die Waffe in die Hand bekommen, dachte ich, und klickte. Dort die Überschrift
Trainer eines sechsjährigen Läufers erschossen
und kurz später im Text:
... Nun hat ein Unbekannter den 40-Jährigen erschossen.

Genau über diese doppeldeutige Überschrift bin auch ich heute früh gestorlpen und habe ich ebenfalls zunächst den falschen Schluss daraus gezogen; nur warst Du, verohrener Agricola, schneller als ich beim Eintragen hier. In der Tat ein hübsches Beispiel.
Titel: Re: Ambiguität
Beitrag von: Agricola in 2008-04-14, 12:55:30
Leider wurde der Fehler in der Zwischenzeit korrigoren.
Titel: Re: Ambiguität
Beitrag von: Kilian in 2008-04-14, 12:58:22
Wenn ich die Wikipädie da recht verstehe, dann sagt sie plausiblerweise, dass das Thema dieses Fadens gerade nicht unter narrative, sondern unter sprachliche Ambiguität fällt. Ich habe mir daher erlaubt, den Titel zu ändern. Prachtvoll gekniupfen, der Faden!

Altenpflegerinnen werden ja jetzt gesucht wie Sand am Meer - wie kann man das verstehen?
1. Sie werden überhaupt nicht gesucht, weil man Sand am Meer nicht suchen muss.
2. Es wird eine große Menge von Altenpflegerinnen gesucht.
3. Sie werden besonders aufwändig, so wie man ein bestimmtes Sandkorn am Meer suchen müsste.
...

Ist das Gemienene dabei?
Titel: Re: Ambiguität
Beitrag von: Kükenschublade in 2008-04-14, 14:16:49
Ja, die ersten beiden Sinne hatte ich auch im zitierten Satz ertrüffelt.

Die dritte Auslegung teile ich so nicht. Da von Sand die Rede ist, also einer unbestimmten Menge, und genauso von der Gemeinheit der Altenpflegerinnen, finde ich nicht, dass dort das Suchen nach bestimmten Leuten mit dem Suchen nach bestimmten Sandkörnern verglichen wird.

Und schließlich hast du, Kilian, natürlich Recht, mit dem Einwand und dem Korrekt des Titels. Ich weiss auch nicht, ich muss gestern abend schon etwas müdiglich gewesen sein.
Titel: Re: Ambiguität
Beitrag von: amarillo in 2008-04-15, 08:30:32
Die Mutter wurde von einer resoluten Hebamme entbunden. (Das mag man sich ja kaum vorstellen) :D
Titel: Re: Ambiguität
Beitrag von: Stollentroll in 2008-04-15, 10:09:19
Schlagzeile zum Abstiegskampf in der Fussballbundesliga :

Die Spannung ist im Keller
Titel: Re: Ambiguität
Beitrag von: Kükenschublade in 2008-04-15, 17:25:54
Da habe ich auch noch ein Beispiel aus der Sparte Schlagzeilen:

Eichel bohrt in offener Wunde
Titel: Re: Ambiguität
Beitrag von: Agricola in 2008-04-15, 20:55:20
MIAL:

Zypries und Schäuble einigen sich bei Online- Durchsuchung

Ob die sich da zufällig begegnet sind?
Titel: Re: Ambiguität
Beitrag von: amarillo in 2008-04-15, 21:52:46
Tür-Aufschrift:

Achtung reizende Stoffe
Titel: Re: Ambiguität
Beitrag von: Kükenschublade in 2008-04-15, 22:55:11
Mir ist jetzt schmerzlich aufgegangen, dass ich mein Fadenthema unzureichend eingelitten habe. Das ist vermutlich auch meiner Müdigkeit beim Verfies (verlassen - Verlies, verfassen, Verfies) dessen zu schulden.

Beim Nachdenken, wie ich das Gemienene zu fassen kriege, bin ich auf eine schöne Definitur gekommen, auf die natürlich nicht alle gegebenen Beispiele (auch nicht meine eigenen!) passen. Weil der Titel und einige Beiträge jetzt aber nicht mehr zum intendierten Faden passen, lasse ich diesen hier lustig weiterlaufen (von den Schlagzeilen etc. bitte mehr!) und eröffne gleich einen neuen, in dem ich dann mit einem messerscharfen Definit beginne.

Hier (http://verben.texttheater.de/forum/index.php?topic=2377.0) der neue Faden.
Titel: Re: Ambiguität
Beitrag von: Agricola in 2008-04-16, 06:19:35
MIAL:

Forscher führen "Titanic"- Untergang auf schwache Nieten zurück

Die waren da wahrscheinlich als Schiffspersonal angestollen.

Mit "zurückführen" ließe sich natürlich auch etwas machen:

Der große Besucherstrom wird auf die schöne Aussichtsplattform zurückgeführt.