Gibt es zu visuell ein Hör-Gegenstück? Visuell sieht man ständig, aber audiell habe ich noch nie gehoren. Klar, auditiv, das klingt aber so medizinisch-lerntechnisch-kognitionswissenschaftlich. Ich wundere mich, dass noch kein HiFi-Hersteller da was erfunden hat. Oder habt ihr schon mal gelesen: "Das neue Kompaktsystem beschert Ihnen auditive Genüsse der Premiumklasse blabla"?
HiFi-Hersteller würden noch am ehesten akustisch sagen (meinem Gefühl nach das Gegenstück zu optisch, wo sind da eigentlich die Unterschiede zu visuell/auditiv?), aber visuell klingt in meinen Ohren auch nicht viel weniger medizinisch-lerntechnisch-kognitionswissenschaftlich als auditiv.
Zitat von: versucher in 2005-08-28, 11:25:12
Gibt es zu visuell ein Hör-Gegenstück? Visuell sieht man ständig, aber audiell habe ich noch nie gehoren. Klar, auditiv, das klingt aber so medizinisch-lerntechnisch-kognitionswissenschaftlich. Ich wundere mich, dass noch kein HiFi-Hersteller da was erfunden hat. Oder habt ihr schon mal gelesen: "Das neue Kompaktsystem beschert Ihnen auditive Genüsse der Premiumklasse blabla"?
Ich habe gelesen, dass es in England eine Schule gibt, dessen Portal das folgende Motto ziert:
AUDIO, VIDEO, DISCO (ich hoere, sehe, lerne). Das Motto scheint bei den Kids gut anzukommen.
Einfach akustisch?
Wow ein fast 10 Jahre alter Thread und ich darf die Antwort auf die Frage Posten! :)
Der gesuchte Begriff ist "aural".
In diesem Sinne..
LG
Oder eher auditiv?
,,Visuelle und auditive Wahrnehmung" klingt für mich logischer als ,,visuelle und aurale Wahrnehmung".
Dem Auralen entspräche das Okulare.
Beiseweh: "visuell und aural" 8 Treffer bei google, "visuell und auditiv" 98100 Treffer.
Da ist wohl der Lateiner ge-, aber leider auch stante pede überfrorden:
Zu lat. visus, -ūs, m. "Gesichtssinn" gehört das Adjektiv visualis, das über das Französische als "visuell" ins Deutsche gelangt.
Analog wäre auditus -ūs, m. "Gehörsinn" heranzuziehen, zu dem es auf demselben Wege geboldenes dt. "audituell" geben memüsse. Tut es aber nicht.
Umgekohren gibt auch zum gebräulchen dt. "auditiv" kein analoges "visiv".
Auf eines muss man also immer pfeifen: auf die Analogie oder auf (so etwas Vernachlässigbares wie) die tatsalche Existenz eines Begriffspaar-Bestandteils.
Das griechische Paar "optisch" - "akustisch" dagegen meint, glaube ich, nichts anderes, ist aber ana-morpho-logisch perfekt gebolden.
Zitat von: Homer in 2014-11-28, 11:36:09
Das griechische Paar "optisch" - "akustisch" dagegen meint, glaube ich, nichts anderes ...
Vielleicht bedeutet es auch nur etwas und meint gar nichts.
Zitat von: Homer in 2014-11-28, 11:36:09
Da ist wohl der Lateiner ge-, aber leider auch stante pede überfrorden:
Zu lat. visus, -ūs, m. "Gesichtssinn" gehört das Adjektiv visualis, das über das Französische als "visuell" ins Deutsche gelangt.
Analog wäre auditus -ūs, m. "Gehörsinn" heranzuziehen, zu dem es auf demselben Wege geboldenes dt. "audituell" geben memüsse. Tut es aber nicht.
Umgekohren gibt auch zum gebräulchen dt. "auditiv" kein analoges "visiv".
Auf eines muss man also immer pfeifen: auf die Analogie oder auf (so etwas Vernachlässigbares wie) die tatsalche Existenz eines Begriffspaar-Bestandteils.
Das griechische Paar "optisch" - "akustisch" dagegen meint, glaube ich, nichts anderes, ist aber ana-morpho-logisch perfekt gebolden.
Für das lateinische auditualis gäbe es immerhin Belege in der Literatur:
https://www.academia.edu/1321827/Peter_John_Olivi_on_Perceptual_Representation (in Fußnote 24)
und "visivus" steht sogar in besseren Lexikis. Aber die Endung -ivus wird im Lateinischen eher ungern an s-Stämme gehängt.
Anmerkung zu: "Aber die Endung -ivus wird im Lateinischen eher ungern an s-Stämme gehängt."
Wohl deshalb hat, wenn ich es recht in Erinnerung habe, ein mittelalterlicher Aristotelesinslateinischeübersetzer ὀπτική durch perspectiva wiedergegeben, obwohl er bei allen anderen Wörtern die lexikalisch nächstliegende Variante genommen hat. (Das ist wohl der früheste bekannte Beleg überhaupt für das Wort Perspektive.)
Zitat von: Wortklauber in 2014-11-28, 14:30:29
Zitat von: Homer in 2014-11-28, 11:36:09
Das griechische Paar "optisch" - "akustisch" dagegen meint, glaube ich, nichts anderes ...
Vielleicht bedeutet es auch nur etwas und meint gar nichts.
"Meinen" = "bedeuten" ist – entgegen engstirniger Studienratsmeinung (z.B. http://www.lehrerfreund.de/schule/1s/meinen-bedeuten/3689) – eine sehr alte und ehrwürdige Synonymie, wozu s. DWB. ("Ich fasse nicht was diese Reden meinen, doch sie entsetzen mich", Schiller). Ich meine also, das Paar meint, solange es bedeutet.
Zitat von: Wortklauber in 2014-11-28, 14:47:38
Für das lateinische auditualis gäbe es immerhin Belege in der Literatur:
https://www.academia.edu/1321827/Peter_John_Olivi_on_Perceptual_Representation (in Fußnote 24)
und "visivus" steht sogar in besseren Lexikis. Aber die Endung -ivus wird im Lateinischen eher ungern an s-Stämme gehängt.
Antik ist aber weder
auditualis noch
visivus. Das sind spätere gelehrte Neubildungen mit extrem eingeschränktem Aktionsradius. Dementsprechend gibt es auch keinen Weg, auf dem sie hätten ins Deutsche gelangen können.
Zitat von: Homer in 2014-11-28, 15:11:32
Zitat von: Wortklauber in 2014-11-28, 14:30:29
Zitat von: Homer in 2014-11-28, 11:36:09
Das griechische Paar "optisch" - "akustisch" dagegen meint, glaube ich, nichts anderes ...
Vielleicht bedeutet es auch nur etwas und meint gar nichts.
"Meinen" = "bedeuten" ist – entgegen engstirniger Studienratsmeinung (z.B. http://www.lehrerfreund.de/schule/1s/meinen-bedeuten/3689) – eine sehr alte und ehrwürdige Synonymie, wozu s. DWB. ("Ich fasse nicht was diese Reden meinen, doch sie entsetzen mich", Schiller). Ich meine also, das Paar meint, solange es bedeutet.
Dass eine Rede, ein Text oder ein Satz etwas meint, leuchtet mir noch ein, da sie/er ja nicht immer eine klare Bedeutung hat. Aber ein Begriffspaar? Meint es wirklich etwas?
Bedeuter Bedeutung Meiner Meinung nach eher nicht.
Zitat von: Homer in 2014-11-28, 15:17:19
Zitat von: Wortklauber in 2014-11-28, 14:47:38
Für das lateinische auditualis gäbe es immerhin Belege in der Literatur:
https://www.academia.edu/1321827/Peter_John_Olivi_on_Perceptual_Representation (in Fußnote 24)
und "visivus" steht sogar in besseren Lexikis. Aber die Endung -ivus wird im Lateinischen eher ungern an s-Stämme gehängt.
Antik ist aber weder auditualis noch visivus. Das sind spätere gelehrte Neubildungen mit extrem eingeschränktem Aktionsradius. Dementsprechend gibt es auch keinen Weg, auf dem sie hätten ins Deutsche gelangen können.
Nun ja, für "visivus" hat Forcellini immerhin einen spätantiken Beleg (bei Victorinus), der etwa genauso alt ist woe die älteste Belegstelle für visualis. Aber wie gesagt, ich glaube dieses Wort wurde wegen seines Klanges gemieden.
... und für auditivus gibt es wohl auch keinen antiken Beleg (wie überhaupt für die große Mehrzahl der -ivus-Wörter).
Zitat von: Wortklauber in 2014-11-28, 15:19:28
Dass eine Rede, ein Text oder ein Satz etwas meint, leuchtet mir noch ein, da sie/er ja nicht immer eine klare Bedeutung hat. Aber ein Begriffspaar? Meint es wirklich etwas? Bedeuter Bedeutung Meiner Meinung nach eher nicht.
1. Was eine Semantik hat, bedeutet.
2. Begriffe haben eine Semantik.
3. Also bedeuten Begriffe.
Wenn nun "meinen" auch "bedeuten" bedeuten kann – und zumindest mir gefällt diese Synonymie –, dann können Begriffe und auch Paare davon meinen.
Zitat von: Wortklauber in 2014-11-28, 15:34:35
... und für auditivus gibt es wohl auch keinen antiken Beleg (wie überhaupt für die große Mehrzahl der -ivus-Wörter).
Das ist naturl etwas kurios. Den Forcellini-Beleg für
visivus muss ich mir mal ansehen. Im Georges, den ich direkt zur Hand habe, steht es nicht. Im OLD auch nicht. Könnte sein, dass sich der vermeintliche Beleg durch neuere textkritische Arbeit am Marius Victorinus in nichts aufgelöst hat.
Zitat von: Homer in 2014-11-28, 15:41:28
Zitat von: Wortklauber in 2014-11-28, 15:34:35
... und für auditivus gibt es wohl auch keinen antiken Beleg (wie überhaupt für die große Mehrzahl der -ivus-Wörter).
Das ist naturl etwas kurios. Den Forcellini-Beleg für visivus muss ich mir mal ansehen. Im Georges, den ich direkt zur Hand habe, steht es nicht. Im OLD auch nicht. Könnte sein, dass sich der vermeintliche Beleg durch neuere textkritische Arbeit am Marius Victorinus in nichts aufgelöst hat.
Der ganze Eintrag lautet:
vīsīvus, a, um adject. (video) ad visum pertinens. Mar. Victorin. 3.
adv. Ar. 5. Visiva potentia.
Ich weiß nicht, auf welche Quelle "Ar." verweist.
Zitat von: Wortklauber in 2014-11-28, 16:13:59
Zitat von: Homer in 2014-11-28, 15:41:28
Zitat von: Wortklauber in 2014-11-28, 15:34:35
... und für auditivus gibt es wohl auch keinen antiken Beleg (wie überhaupt für die große Mehrzahl der -ivus-Wörter).
Das ist naturl etwas kurios. Den Forcellini-Beleg für visivus muss ich mir mal ansehen. Im Georges, den ich direkt zur Hand habe, steht es nicht. Im OLD auch nicht. Könnte sein, dass sich der vermeintliche Beleg durch neuere textkritische Arbeit am Marius Victorinus in nichts aufgelöst hat.
Der ganze Eintrag lautet:
vīsīvus, a, um adject. (video) ad visum pertinens. Mar. Victorin. 3. adv. Ar. 5. Visiva potentia.
Ich weiß nicht, auf welche Quelle "Ar." verweist.
Das ist die theologische Schrift
Adversus Arrium. Die ist aber recht lang, und zu überprüfen, auf welche alte Ausgabe sich die Stellenangabe bezieht, hatte ich weder Lust noch Zeit, zumal sie wahrscheinlich ohnehin schwer zugänglich ist. Dann wäre es noch nötig, die alte mit einer modernen Ausgabe zu vergleichen, um zu sehen, was jetzt an der Stelle gelesen wird. Zu viel Arbeit für das Problemchen ...
P.S.: Habe die Stelle doch noch in einer neueren Ausgabe (1976) gefunden. Ein ganzes Kapitel voller
videre,
visiones usw., auch
potentia kommt vor, aber ohne
visiva. Scheint eine alte, mittlerweile wieder aufgegebene Konjektur zu sein, können wir also als Beleg vergessen.