Gesellschaft zur Stärkung der Verben

Öffentliche Bretter => Sprache => Thema gestartet von: gehabt gehabt in 2004-12-29, 23:03:42

Titel: warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: gehabt gehabt in 2004-12-29, 23:03:42
Hier eine Frage, die ich nicht in Grab nehmen moechte, ohne kompetente Antwort zu wissen. Und da wir ja anscheinend Profis im Forum haben, dachte ich ...

Also: Unser heutiges Deutsch ist zwar recht komplex, war es aber anscheinend schon vor 800 Jahren und vermutlich auch vor 2000 Jahren. Oder gar komplexer als heute?? Jetzt stelle ich mir unsere Vorfahren (ich stelle sie mir ungefaehr so vor wie in den Asterixheften) vor, wie sie bei Wildschweinbraten des Konjuktivs gebrauchend parlieren und mit Futur II, und vielleicht gar einen Unterschied wissen zwischen Perfekt und Imperfekt.

Hand aufs Herz: Eigentlich ist das Futur zur Verstaendigung ueberfluessig (morgen gehe ich nicht arbeiten), der Konjunktiv I auch (ich hoffe, du kommst morgen) und die subtilen Unterscheidungen verschiedener Vergangenheitsformen* ebenso.
Eine Aesthet und Schoengeist (ich zaehle die Forumsmitglieder dazu) mag daran seine Freude finden, noetig ists aber nicht. Wieso hat sich also unsere Sprache in einer Krieger und Bauerngesellschaft zu solcher Komplexitaet entwickelt?
Kam der Anstoss zur Komplexitaet aus dem Volke, von den wenigen Schoengeistern (wie hiess noch der Barde bei Asterix??) oder war es gar eine Erfindung, die die herschende Klasse den Unterprivilegierten von oben aufoktroyiert hat (O-Ton 68er), um ihre Privilegien zu sichern? Oder sprachen unsere Vorfahren eigentlich recht simpel und der Zusammenstoss verschiedener Kulturen erzeugte Komplexitaet?

Zusatzfrage: Gibt es heutzutage eigentlich Beispiele, dass eine Sprache komplexer wird anstatt sich abzuschleifen?



* EinSpanier fragte mich, wie "Also sprach Zaratustra" denn zu uebersetzen sei: Asi habl'o Z  (dann und dann an dem und dem Ort sagte Z das und das) oder Asi hablaba Z  (was Z immer gepredigt hat)? Ich sagte, ich wisse es auch nicht, da muesse er schon Nietzsche fragen.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: caru in 2004-12-30, 13:26:33
ein paar detailantworten.


1) der barde hieß troubadix.

2) ja, ich weiß von sprachen, die gerade auf dem weg richtung komplexität sind. etwa das tibetische: dort hat die (jahrhunderte alte, aber noch immer im gebrauch befindliche) klassische schriftsprache im wesentlichen nur einsilbige wörter - wenn ein wort mehr silben hat, ist es ein kompositum, oder die zweite silbe ist ein (verzicht- und weglaßbarer) nominalbildner. ferner kann ein verb dort maximal vier verschiedene formen annehmen.
in der modernen umgangssprache hingegen hat praktisch kein wort unter zwei silben, viele sind viel länger - historisch gesehen alles komposita, aber die semantik der einzelteile kommt längst nicht mehr in betracht. den verben hängt man zur kennzeichnung von aspekt- und zeitformen nach art der agglutinierenden sprachen ganze rattenschwänze von partikeln an, und wieviel verschiedene formen dadurch entstehen, ist noch gar nicht untersucht.

3) man wird meines erachtens übersetzen müssen "así habló zaratustra" - es handelt sich ja um die formel, mit der jede einzelne rede z.s abgeschlossen wird, und bezieht sich daher jeweils auf das, was er in der betreffenden situation gerade gesagt hat.


"und der esel schrie dazu i-a."
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: gehabt gehabt in 2004-12-30, 13:56:05
Danke fuer die Teilantworten. Wie kriegst du eigentlich die Akzente auf das i und das o. ich nehme an deine Oesterreichische Tastatur (gibt´s sowas?) hat das nicht eingebaut.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: MrMagoo in 2004-12-30, 15:07:54
Zitat von: gehabt gehabt in 2004-12-29, 23:03:42
Hier eine Frage, die ich nicht in Grab nehmen moechte, ohne kompetente Antwort zu wissen. Und da wir ja anscheinend Profis im Forum haben, dachte ich ...

Also: Unser heutiges Deutsch ist zwar recht komplex, war es aber anscheinend schon vor 800 Jahren und vermutlich auch vor 2000 Jahren. Oder gar komplexer als heute?? Jetzt stelle ich mir unsere Vorfahren (ich stelle sie mir ungefaehr so vor wie in den Asterixheften) vor, wie sie bei Wildschweinbraten des Konjuktivs gebrauchend parlieren und mit Futur II, und vielleicht gar einen Unterschied wissen zwischen Perfekt und Imperfekt.

Hand aufs Herz: Eigentlich ist das Futur zur Verstaendigung ueberfluessig (morgen gehe ich nicht arbeiten), der Konjunktiv I auch (ich hoffe, du kommst morgen) und die subtilen Unterscheidungen verschiedener Vergangenheitsformen* ebenso.
Eine Aesthet und Schoengeist (ich zaehle die Forumsmitglieder dazu) mag daran seine Freude finden, noetig ists aber nicht. Wieso hat sich also unsere Sprache in einer Krieger und Bauerngesellschaft zu solcher Komplexitaet entwickelt?
Kam der Anstoss zur Komplexitaet aus dem Volke, von den wenigen Schoengeistern (wie hiess noch der Barde bei Asterix??) oder war es gar eine Erfindung, die die herschende Klasse den Unterprivilegierten von oben aufoktroyiert hat (O-Ton 68er), um ihre Privilegien zu sichern? Oder sprachen unsere Vorfahren eigentlich recht simpel und der Zusammenstoss verschiedener Kulturen erzeugte Komplexitaet?

Zusatzfrage: Gibt es heutzutage eigentlich Beispiele, dass eine Sprache komplexer wird anstatt sich abzuschleifen?



* EinSpanier fragte mich, wie "Also sprach Zaratustra" denn zu uebersetzen sei: Asi habl'o Z  (dann und dann an dem und dem Ort sagte Z das und das) oder Asi hablaba Z  (was Z immer gepredigt hat)? Ich sagte, ich wisse es auch nicht, da muesse er schon Nietzsche fragen.


Sehr komplexe Frage, sehr komplexe Sache, sehr komplexe Antwort.

Folgendes kann ich dazu beitragen:
Bezogen auf das Tempussystem greift Deine Annahme der Aufoktroyierung.
Die alten germanischen Dialekte kannten im Grunde nur zwei Zeitsysteme, nämlich die "Vergangenheit" und die "Nicht-Vergangenheit".
Ersteres ist (formal gesehen) das, was wir heute Imperfekt oder Präteritum nennen, letzteres unser "Präsens".

Alle weiteren Zeitsysteme sind (mindestens) seit althochdeutscher Zeit durch v.a. kirchliche Instanzen den deutschen Dialekten der lateinischen Sprache nach analog auferlegt worden.

Unsere beiden alten Zeitsysteme haben noch heute ihre einstigen Aufgaben beibehalten, so steht das Präteritum (auch wenn es nach und nach durch das Perfekt verdrängt wird, was aber andere Gründe hat) noch immer zur Bezeichnung von Vergangenem zur Verfügung, das Präsens bezeichnet noch immer die "Nicht-Vergangenheit" - Dabei steht es nicht nur für das, was in der Gegenwart abläuft: "Ich schreibe gerade diesen Beitrag", sondern auch für etwas zukünftig Geschehendes: "Morgen fahre ich nach Köln", etwas generell Geltendes: "Im Herbst regnet es viel", kurzum für all das, was nicht Vergangenheit ist (das Historische Präsens sei hier mal ausgenommen).

Neben dem hier angesprochenen "Indikativ" gibt es noch den "Konjunktiv", der an sich keine eigene Zeit darstellt, sondern im gewissen Sinne 'nur' ein Modus des Verbs ist, so wie auch der Indikativ ein Modus ist.
Den Konjunktiv gibt es entsprechend für
a) die Vergangenheit => Konjunktiv II (daher auch "Konjunktiv Präteritum") und
b) die Nicht-Vergangenheit => Konjunktiv I (daher auch "Konjunktiv Präsens").

Übrigens: Die Sprachen der Gallier sind/waren natürlich romanische (wie das Lateinische), keine germanischen Sprachen.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: MrMagoo in 2004-12-30, 15:20:14
Zitat von: gehabt gehabt in 2004-12-29, 23:03:42Also: Unser heutiges Deutsch ist zwar recht komplex, war es aber anscheinend schon vor 800 Jahren und vermutlich auch vor 2000 Jahren. Oder gar komplexer als heute?? Jetzt stelle ich mir unsere Vorfahren (ich stelle sie mir ungefaehr so vor wie in den Asterixheften) vor, wie sie bei Wildschweinbraten des Konjuktivs gebrauchend parlieren und mit Futur II, und vielleicht gar einen Unterschied wissen zwischen Perfekt und Imperfekt.

Komplexer bezogen auf Tempus-Systeme: Nein, es gab nur zwei (s.o.), eventuell drei: Eine zweite Vergangenheitsform, den "Aorist", den es heute in den romanischen Sprachen noch gibt, aber wohl auch für das Germanische anzunehmen ist.
Komplexer bezogen auf die Konjugationsparadigmen dieser beiden Tempora: Ja, denn die Flexionsendungen tendierten und tendieren dazu, sich weiter abzuschwächen.


Zitat
Hand aufs Herz: Eigentlich ist das Futur zur Verstaendigung ueberfluessig (morgen gehe ich nicht arbeiten), der Konjunktiv I auch (ich hoffe, du kommst morgen).
Zitat

Ja, sie sind es!
Das Futur wird ja sowieso kaum genutzt, viel weniger noch das Futur II, jedenfalls nicht in der gesprochenen Umgangssprache. Das liegt daran, daß sich die aus dem Lateinischen stammenden Tempussysteme nur schwierig durchsetzen konnten und können.
Dasselbe übrigens gilt auch für den Genitiv, den es im Germannischen so nicht gab - das Deutsche tendiert dazu, diesen aufoktroyierten Genitiv wieder durch die germanische Bildungsweise (nämlich Präposition+Dativ) zu ersetzen. Dabei ist zu beachten, daß diese Bildungsweise nie wirklich verdrängt wurde, denn in der gesprochenen Umgangssprache wird seit jeher die eigentliche Bildungsweise bevorzugt.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: MrMagoo in 2004-12-30, 15:32:31
Zitat von: MrMagoo in 2004-12-30, 15:20:14Komplexer bezogen auf die Konjugationsparadigmen dieser beiden Tempora: Ja, denn die Flexionsendungen tendierten und tendieren dazu, sich weiter abzuschwächen.

Jetzt muß ich mich mal selbst zitieren ;)

Eigentlich ist die Sprache auch hier nicht komplexer gewesen, denn der Wegfall der Flexionsendungen machte Personalpronomen nötig(er) - oder die Personalpronomen machten die Endungen unnötiger, da gibt's wohl verschiedene theoretische Ansätze.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: gehabt gehabt in 2004-12-30, 15:39:12
Ich kann mir das schwer vorstellen, wie das funktioniert haben soll, dass sich ein Bischof oder Abt im deutschen Zeiten ausgedacht hat, die es analog im Lateinischen gab und die seinen Schaefchen beibrachte.

Ich kanns mir nur so erklaeren: so wie die illustren Mitglieder dieses Forums hatten die Herren Kleriker 1. zu viel Zeit und 2. Spass an der Sprache und haben nicht wie wir Verben gestorken sondern Zeiten neu erfunden. Vielleicht haben sie dann auch so gepredigt und die Schafchen, weil noch unkritisch habens uebernommen.

Also nachgehakte Frage: haben die leute so gesprochen oder war die komplexe Grammatik des Mhd eine Sache des Klerus und des Adles?

Bitte um Aufklaerung: worum handelt es sich beim Aorist und lohnt es sich, ihn in diesem Kreise wieder aufleben zu lassen?
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: amarillo in 2004-12-30, 15:59:43
Woran mißt man eigentlich die Komplexität einer Sprache? Ist es die Vielverzweigtheit der grammatikalischen Strukturen, der Umfang der Lexik, die Vielfalt möglicher semantischer Zuordnungen? Ich weiß es nicht.

Bislang galt doch immer die Faustregel: jede Sprache ist komplex genug, um das auszudrücken, was sie ausdrücken muß. Das waren  vor der "Globalisierung" die Inhalte der vitalen und spirituellen Lebensbereiche der einzelnen Idiome. Heute schauen wir in die Töpfe fremder Kulture und finden dort Bezeichnungen für Dinge oder auch Phänomene, die mit unseren Sprachen nur sehr unvollkommen beschrieben werden können (hier hatte doch einmal jemand von den Inuit und ihren -zig Bezeichnungen für Schnee gesprochen). Sollten diese Begriffe wichtig werden, wird sich die Sprache schnellstens einen Weg bahnen, um den Begriff, die Struktur etc. zu entlehnen, oder zumindest eine äquivalente Form zu verschaffen.

Wie sagte es ein Amerikaner, an dessen Nemen ich mich momentan nicht erinnere: die englische Sprache bietet unendlich viele Möglichkeiten sich auszudrücjken, aber wenn wir den Worten wirkliche Tiefe verleihen wollen, können wir ja immer noch auf's Deutsche ausweichen.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: gehabt gehabt in 2004-12-30, 16:11:57
Fuer neue Woerter ist mir das klar, da Uebernimmt man Fremdwoerter. Was wuerde man aber machen, wenn es sich beispielsweise herausstellte, dass wir ein anderes "wir" brauchten, ein wir, das ausschliesslich die Sprecher einschliesst und eins das auch die Angesprochenen einschliesst:

Wir1 (=unsere Delegation) muss sich nochmal zur Beratung zurueckziehen und dann  bereden wir2 (unsere und eure Delegation) noch einmal die einzelheiten des Vertrags.

Praktisch waere so eine Form schon. Aber waere unsere durch den Duden eingefrorenen Sprache (ebenso die spanische und frz durch ihre jeweiligen Akademien) noch maechtig genug, Abhilfe zu schaffen. Kann jemand ein Szenario eintwerfen, wie solch ein Sprachwandel entstehen wuerde?


Ich will meine urspruengliche Frage nochmal stellen: Vor 1000 Jahren waren unsere Vorfahren entweder ANalphabeten oder verstaendigten sich auf Lateinisch. Dennoch bietet unsere Sprache die Moeglichkeit komplexeste Dinge zu beschreiben. Mir erscheint die Sprache ist komplexer als es zur Zeit der entstehung dieser Komplexitaet (fruehes Mittelalter?) notwendig gewesen waere.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: MrMagoo in 2004-12-30, 16:15:23
Zitat von: gehabt gehabt in 2004-12-30, 15:39:12
Ich kann mir das schwer vorstellen, wie das funktioniert haben soll, dass sich ein Bischof oder Abt im deutschen Zeiten ausgedacht hat, die es analog im Lateinischen gab und die seinen Schaefchen beibrachte.

Ich kanns mir nur so erklaeren: so wie die illustren Mitglieder dieses Forums hatten die Herren Kleriker 1. zu viel Zeit und 2. Spass an der Sprache und haben nicht wie wir Verben gestorken sondern Zeiten neu erfunden. Vielleicht haben sie dann auch so gepredigt und die Schafchen, weil noch unkritisch habens uebernommen.

Genauso schwer, wie Du es Dir vorstellst, ist es auch: Wie ich bereits erwähnte, noch heute sind diese Richtlinien normativ, sie beinhalten im Grunde nur die Aussage "So soll im deutschen Sprachgebiet gesprochen und geschrieben werden".
Derjenige Pastor/Bischof oder wer auch immer hat seinen Schäfchen "das" Deutsche auch nicht beigebracht, es gab kein einheitliches Deutsch - aber bestimmte Teile der Messe etc wurden zunehmend auf deutsch (d.h. in dem jeweiligen Dialekt) gehalten, zudem eine "deutsche" Übersetzung z.B. des Taufgelöbnisses -> Der Zweck der "deutschen" Sprache (im Gegensatz zu den Dialekten) war hier nur ein religiöser und die Bevölkerung lernte bzw. nahm teil an dieser Sprache durch Nachahmung. So wurde z.B. die Antwort auf die Fragen im Taufgelöbnis ("ih fursahu" = ich widersage) durch (chorisches) Nachsprechen gegeben, ob die Leute verstanden, was sie da sagten, war irrelevant (sie haben's ja in den auf Latein gehaltenen Messen auch nicht verstanden!).


ZitatAlso nachgehakte Frage: haben die leute so gesprochen oder war die komplexe Grammatik des Mhd eine Sache des Klerus und des Adles?

Nein, natürlich nicht! Die Leute sprachen Dialekte!! Mittelhochdeutsch oder auch Althochdeutsch im Sinne von "DAS" Alt-/Mittelhochdeutsche gab es nicht, kann es gar nicht gegeben haben - strenggenommen gibt es heutzutage noch nichteinmal "ein", nämlich "DAS" Deutsche, denn jeder spricht immer noch 'seinen' Dialekt. Diese Dialekte haben sich natürlich aufgrund der normierten Standardsprache "Deutsch" (die aber nur ein Konstrukt ist!! Man spricht Dialekt!) und dem immer stärker werdenden Austausch zwischen den Regionen durch Handel etc (weshalb eine einheitliche Sprache, zumindest zunächst auf Schriftebene, immer nötiger wurde) immer weiter angeglichen, es herrschen aber dennoch große Unterschiede zwischen den Regionen, vgl. Bayerisch, Schwäbisch, Schweizerdeutsch, Sächsisch, Westfälisch, Hessisch und und und...


ZitatBitte um Aufklaerung: worum handelt es sich beim Aorist und lohnt es sich, ihn in diesem Kreise wieder aufleben zu lassen?

Der Aorist ist eine weitere, synthetische (d.h. aus einer Verbform bestehende) Vergangenheitszeitform, also eine weitere Form neben dem Präteritum. Die meisten romanischen Sprachen verfügen, neben dem "Imperfekt" (welches der Form nach unser Präteritum ist) noch über diesen Aorist, Beispiele:
Im Französisch: Imparfait (= Präteritum), Passé Simple (=Aorist)
Im Italienischen: Imperfetto (=Präteritum), Passato Remoto (=Aorist)
Im Spanischen: Imperfecto (=Präteritum), Pretérito Perfecto (=Aorist)

Der Aorist bezeichnet in diesen Sprachen normalerweise die "Erzählvergangenheit" (das Deutsche benutzt hier (nach der Norm!) das Präteritum).
Das Imperfekt in den romanischen Sprachen bezeichnet Hintergrundhandlungen, in etwa wie die Verlaufsform Past Progressive im Englischen (auch hier benutzt das Deutsche (der Norm nach!) das Präteritum).
-> Im Deutschen werden also diese beiden Aspekte, die in den romanischen Sprachen durch zwei unterschiedliche Zeitformen ausgedrückt werden, nur durch eine, nämlich das Präteritum, ausgedrückt.

Ich hoffe, das ist jetzt nicht allzu verwirrend ;)
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: MrMagoo in 2004-12-30, 16:19:32
Zitat von: gehabt gehabt in 2004-12-30, 16:11:57Ich will meine urspruengliche Frage nochmal stellen: Vor 1000 Jahren waren unsere Vorfahren entweder ANalphabeten oder verstaendigten sich auf Lateinisch. Dennoch bietet unsere Sprache die Moeglichkeit komplexeste Dinge zu beschreiben. Mir erscheint die Sprache ist komplexer als es zur Zeit der entstehung dieser Komplexitaet (fruehes Mittelalter?) notwendig gewesen waere.


Um Gottes Willen, nein!!
Es wurden germanische Dialekte gesprochen, kein Latein!! Latein war ausschließlich Kirchensprache!

"Analphabeten" im Sinne von "des Schreibens nicht mächtig" sicher, aber sie konnten wohl sprechen --> aber kein Latein, sondern ihren jeweiligen Dialekt!
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: caru in 2004-12-30, 16:58:58
@gehabt, noch ne teilantwort: meine tastatur ist, sagen wir mal, deutsch (qwertzuiopü) - und ich tippe einfach ´i, das wird dann í. geht für áéíóúý, leider nicht für ´ä´ö´ü. hab in gleicher weise auch à und â zûr vêrfügung.


und klar rutschen sprachstrukturen via übersetzungen in die zielsprache - nicht nur aus den bibel- und liturgieübersetzungen sowie nachahmungen französischer, provenzalischer etc. dichtung in ältere formen des deutschen, sondern auch etwa durch übertragungen altgriechischer texte ins neuhochdeutsche.
all das ist geschriebene sprache. geschriebene sprache = sprache der gebildeten, zumindest war das noch vor 100-150 jahren so, noch früher in gesteigertem maß. und wer sich gebildet dünkt und lesen kann, benutzt eben auch die schriftsprachlichen strukturen, selbst wenn und gerade weil sie in seinem heimischen dialekt nicht üblich sind. und je größer die schicht der alphabetisierten, je schneller verbreitet sich schriftsprachliches ins allgemeine sprecherbewußtsein.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: amarillo in 2004-12-30, 17:15:17
Zitat von: MrMagoo in 2004-12-30, 16:15:23
Im Spanischen: Imperfecto (=Präteritum), Pretérito Perfecto (=Aorist)

nicht: pretérito indefinido (=Aorist)?
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: Kilian in 2004-12-30, 21:18:30
Zitat von: gehabt gehabt in 2004-12-30, 13:56:05Wie kriegst du eigentlich die Akzente auf das i und das o. ich nehme an deine Oesterreichische Tastatur (gibt´s sowas?) hat das nicht eingebaut.

Der/die kompromisslose Schreiber/in im Ausland lernt ohnehin die für ihn/sie wichtigen Teile der erweiterten ASCII-Tabelle (zu finden unten auf http://www.asciitable.com (http://www.asciitable.com)) auswendig und schreibt dann zum Beispiel das ö, indem er/sie die Alt-Taste gedrückt hält und währenddessen rechts im Zahlenblock 148 eintippt. So habe ich's grundsätzlich gemacht, als ich mal länger in England war. Und ich würde es wieder tun. ;D
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: MrMagoo in 2004-12-30, 21:32:26
Zitat von: amarillo in 2004-12-30, 17:15:17
Zitat von: MrMagoo in 2004-12-30, 16:15:23
Im Spanischen: Imperfecto (=Präteritum), Pretérito Perfecto (=Aorist)

nicht: pretérito indefinido (=Aorist)?

Ja, das ist wohl dasselbe nur unter einem anderen Namen.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: amarillo in 2004-12-30, 22:43:08
"He hecho" y "hice" son dos formas muy distintas

wir sagen doch auch nicht MrMagoo und amarillo sind dasselbe, nur unter anderem Namen
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: MrMagoo in 2004-12-30, 23:12:49
Zitat von: amarillo in 2004-12-30, 22:43:08
"He hecho" y "hice" son dos formas muy distintas

wir sagen doch auch nicht MrMagoo und amarillo sind dasselbe, nur unter anderem Namen

Moment - ist das "he" im ersten Beispiel ein Hifsverb? "Haben" zum Beispiel?
- Dann ist das Indefinido NICHT der Aorist im Spanischen, sondern das Preterito Perfecto Simple.

Es kommt hier nur auf die synthetischen Formen an (also die, die aus nur einer einzigen Verbform bestehen).
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: amarillo in 2004-12-30, 23:30:14
genau das habe ich doch gesagt:
he (Hilfsverb) hecho = pretérito perfecto
hice (eine Form) = pretérito indefinido = Aorist

analog zum Französischen:

passé composé = j'ai fait (mit Hilfsverb "avoir")
passé simple = je fis (reine Form) = Aorist
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: MrMagoo in 2004-12-31, 00:32:15
Zitat von: amarillo in 2004-12-30, 23:30:14
genau das habe ich doch gesagt:
he (Hilfsverb) hecho = pretérito perfecto
hice (eine Form) = pretérito indefinido = Aorist

analog zum Französischen:

passé composé = j'ai fait (mit Hilfsverb "avoir")
passé simple = je fis (reine Form) = Aorist


Ja, aber neben dem Aorist gibt es noch das Imparfait, das auch eine synthetische Vergangenheitsform ist - und auf diese beiden Formen kommt es mir an, nicht auf die mit einem Hilfsverb zusammengesetzten! Neben dem Indefinido muß es im Spanischen eine weitere synthetische Form geben, das Preterito Perfecto Simple (~Präteritum), demnach ist das Indefinido mit dem was ich als Preterito Perfecto Simple bezeichnete, gleichzusetzen, welches demnach wohl der Aorist ist.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: MrMagoo in 2004-12-31, 00:40:28
Zitat von: MrMagoo in 2004-12-31, 00:32:15
Zitat von: amarillo in 2004-12-30, 23:30:14
genau das habe ich doch gesagt:
he (Hilfsverb) hecho = pretérito perfecto
hice (eine Form) = pretérito indefinido = Aorist

analog zum Französischen:

passé composé = j'ai fait (mit Hilfsverb "avoir")
passé simple = je fis (reine Form) = Aorist


Ja, aber neben dem Aorist gibt es noch das Imparfait, das auch eine synthetische Vergangenheitsform ist - und auf diese beiden Formen kommt es mir an, nicht auf die mit einem Hilfsverb zusammengesetzten! Neben dem Indefinido muß es im Spanischen eine weitere synthetische Form geben, das Preterito Perfecto Simple (~Präteritum), demnach ist das Indefinido mit dem was ich als Preterito Perfecto Simple bezeichnete, gleichzusetzen, welches demnach wohl der Aorist ist.

Analog im Französischen:

Passé Simple (=Aorist): Je fis
Imparfait (=Imperfekt): Je faisais

[Passé Composé: J'ai fait]
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: gehabt gehabt in 2004-12-31, 08:42:38
Danke Caru,

deine Antwort ist plausibel. Das Volk spricht wie es will, kann aber nicht schreiben und nimmt deshalb zunaechst nicht die Sprachverfeinerungen der Gebildeten wahr. Wenn sie lesen lernen, und ein Standarddeutsch, finden sie eine verfeinerte Schriftsprache vor, die sie dann fuer gegeben uebernehmen.

Heute wuerde so etwas nicht mehr funktionieren, weil jetzt fast alle lesen koennen u durch die Schrift unsere Sprache festgeschrieben ist.

Es waere interessant, solch ein Scenario auch an anderen Sprachen zu verifizieren.

Von daher ist es auch plausibel, dass uns Luther noch verstaendlich ist, aber das mhd von vor 800 Jahren nicht mehr so ohne weiteres.

Da tut sich bei mir eine Frage auf, die vielleichtAmillo beantworten kann: Im ggs zum Deutschen scheint sich das Spanische weniger veraendert zu haben, den Cid kann man noch einigermassen im Original lesen. Wieso?
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: amarillo in 2004-12-31, 09:44:41
Ich bin weit davon entfernt zu behaupten, daß ich es weiß. Allerdings erinnere ich mich dunkel, daß (so die Meinung meines Literaturprofessors) während der Conquista in Spanien ein leicht hysterischer Sprachkonservatismus geherrscht haben soll, der eine   nennenswert Umformung der Sprache unterdrückt haben mag. Alles aus Angst vor Beeinflussung durch die "moros". In der Tat ist der Einfluß des Arabischen auf das Spanische sichtbar, aber nicht prägend (in Andalusien mehr, als im Norden).

Andererseits haben wir im Französischen ja auch nicht die allergrößten Schwierigkeiten ein Original-Lai der Marie de France zu verstehen. Vielleicht liegt es daran, daß in der Romania keine Konfrontation mit dem Lateinischen stattfand - anders als im germanischen Sprachraum?

caru, übernehmen Sie?
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: caru in 2004-12-31, 16:12:31
keine ahnung, leute.

bin zwar ein großer fan romanischer sprachen und ihrer literaturen, habe aber absolut keine theoretischen kenntnisse über sie; weder grammatische, noch sprachgeschichtliche.

richtig ist auf jeden fall, daß der konflikt zwischen latein und seinen nachfolgesprachen naturgemäß geringer sein mußte und muß, als zwischen latein und germanisch (heute noch, man lese bloß mal "il nome della rosa" im original und achte darauf, wie selbstverständlich die lateinischen einsprengsel mit dem italienischen verschmelzen - besonders wenn man sich die in italien übliche latein-aussprache dazudenkt).

die angst vor den moros allein kann es wohl nicht gewesen sein: wie amarillo schon bemork, liegen die dinge in frankreich kaum anders (man vergleiche "altfranzösisch" mit "althochdeutsch" bezüglich des unterschieds zur jeweiligen gegenwartssprache, dabei hätte es durchaus die "konkurrenz" des keltischen zu fürchten gegeben!), und auch ein italiener kann das italienisch eines francesco d'assisi heute noch ganz gut verstehen (zu schweigen vom viel späteren dante). provenzalisch sieht für einen, der es nur lesen kann, sowieso über die zeitalter hinweg immer gleich aus.
rumänisch, andererseits, unterscheidet sich grammatisch stark vom übrigen romanisch und strotzt von deutschen, slawischen wie ungarischen einsprengseln. aber wer weiß, wie rumänisch vor ein paar jahrhunderten aussah? ich nicht.

Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: gehabt gehabt in 2004-12-31, 23:17:58
Tatsache scheint zu sein, dass sich das Deutsche mehr veraendert hat als das Spanische oder Franzoesische. Vielleicht liegt es am Fehlen ausgepraegter Dialekte. In Deutschland kann man einen Ostfiesen oder Pfaelzer oder Schwarzwaelder nicht verstehen wenn man nicht aus der Gegend ist. Andererseits habe ich wenig Schwierigkeit, einen Andalusischen Bauern aus der Alpujarra zu verstehen (nach einiger Eingewoehnung) und das ist vielleicht der Extremfall in Spanien (wenn man von den eigenstaendigen Sprachen Katalanisch, Gallego und Baskisch absieht). Der erwaehnte Bauer spricht ungefaehr entsprechend wie wenn sich ein Pfaelzer Bauer bemueht, Hochdeutsch zu pimpfeln. Vielleicht kam im Deutschen das Potenzial zur Veraenderung auch aus den Dialekten, die es im Kastilischen anscheinend kaum gibt. Zudem gab es im Deutschen wenn ich mich nicht irre, nach Walter von der Vogelweide und bis ungefaehr 1700 noch was keine nennenswerte Literatur im Gegensatz zum Spanischen. So hat es vielleicht laenger gedaurt bis unsere Sprache festgeschrieben wurde. Zudem gab es in Deutschland immer wechselnde Machtzentren und vermutlich sind die eigentuemlichkeiten der Sprache aus diesen Machtzentren in den allgemeinen deutschen Wortschatz eingeflossen.

Es ist interessant, dass auch das Suedamerikanische kaum vom Spanischen divergiert.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: caru in 2005-01-01, 11:38:51
lustig ist dabei, daß die spanier ihre gar nicht so unterschiedlichen dialekte anscheinend als eigene sprachen empfinden bzw. bezeichnen.
wenn einer in madrid aufgewachsen ist, seine mutter aus andalusien stammt und sein vater von mallorca, erzählt er einem, er spräche von kind auf drei sprachen: andalúz, mallorquin und castellano.
katalanisch habe ich nie gehört, aber vom schriftbild her erscheint es mir auch nur als eine art spanisch. bei gallego weiß ich nicht, und baskisch hat mit spanisch außer ein paar lehnwörtern natürlich überhaupt nichts gemeinsam.

dagegen sind menschen zwischen schleswig-holstein und südtirol, von der schweiz bis nach brandenburg alle überzeugt, sie sprächen deutsch. gerade mal friesisch hat seit einiger zeit den status einer einzelsprache, aber das hat mehr mit identitätswahrung innerhalb der niederlande zu tun (nebenbei sind die unterschiede zwischen niederländisch, friesisch und verschiedenen plattdeutschvarietäten gering und fließend).
viele dieser "deutsch"-sprecher sind noch dazu überzeugt, sie sprächen das einzig richtige deutsch, und wenn jemand deutlich anders spricht, sei das dialekt! diese einstellung zeigen nahezu alle deutschen gegenüber österreichern.
hierher gehört auch das sächsische ehepaar, das, von einem bayrischen theaterstück erheitert, betrübt feststellte: "eeschendlisch schoode, deß mir geen dialeggd haam!"
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: amarillo in 2005-01-01, 13:15:57
Zitat von: caru in 2005-01-01, 11:38:51
katalanisch habe ich nie gehört, aber vom schriftbild her erscheint es mir auch nur als eine art spanisch. bei gallego weiß ich nicht, und baskisch hat mit spanisch außer ein paar lehnwörtern natürlich überhaupt nichts gemeinsam.

Das Katalanische bildet sich viel auf seine gothischen Einflüsse ein, wo die sich verbergen, ist mir stets ein Rätsel geblieben.
Ich bin in Katalonien aufgewachsen, habe die Sprach aber nie gelernt, weil sie unter dem Regime Frankos stark unterdrocken wurde. Aus Angst vor Repressalien hat man mit uns immer nur Castellano gesprochen, man konnte ja nie wissen, ob den Deutschen zu trauen war.
In der Schule wurde nur Castellano gesprochen; gedrucktes Katalanisch gab es nicht. Nach dem Sturz Frankos wurde catalá als eigenständige Sprache erst anerkannt. Jetzt schwingt das Pendel in die andere Richtung, Schulen und Universtäten sind bemüht dem eigenen Idiom Ausschließlichkeit einzuräumen.
Tatsache ist, daß man Katalanisch recht gut lesen und verstehen kann, wenn man des Spanischen mächtig ist. Wie caru schon andot ist catalá auch nur eine weitere romanische Mundart.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: gehabt gehabt in 2005-01-02, 08:36:50
Das Gallego kommt mir eher als portugiesischer Dialekt vor. Portugiesisch verhaelt sich zum Deutschen wie Niederlaendisch und Deutsch: Mit ein paar Lautverschiebungsmustern im Kopf kann man problemlos 80-90% verstehen, wenn man des Kastilischen maechtig ist.

Als wir mal in Portugal Urlaub machten,  und jemanden fragten ob er Spanisch verstehe, verneinte der das zunaechst. Als er dann aber merkte, dass wir keine Spanier sondern Deutsche waren, verstand er uns auf das Praechtigste.

Baskisch ist angeblich die/eine Ursprache in Europa, die durch das Indogermanische verdraengt wurde. Wortstaemmer mit Is* bedeuten habe ich gelesen Fluss und kommen angebeblich aus dem Baskischen und in vielen EUropaischen Orts und Flussnamen vor  (Isar, Isere...)
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: gehabt gehabt in 2005-01-02, 08:41:19
Es kaempftjetztsogar das Valenzianische um Anerkennung als eigenstaendige Sprache, obwohl dieses wohl wirklich nur ein Dialekt des Katalanischen ist.

Ich verstehe nicht, warum die Katalanen so besessen sind ihre Sprache nicht nur zu sprechen sondern auch in der Uni zur Hauptsprache zu machen. Ueberall geht der Trend in die andere Richtung (in Deutschland werden viele Vorlesungen nun auf Englisch gehalten). Irgendwann werden die Katalanen in ihrem eigenen Saft kochen, weil alle Lehrer aus der Region sein muessen.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: amarillo in 2005-01-02, 10:02:58
Das hat alles etwas von einem kaputten Reißverschluß; während die einen nach ober zuziehen und glauben, nun sei alles vereint, haben sie nicht bemerkt, daß unten schon wieder alles auseinander geht.
Die "großen Denker und Lenker" feiern vereintes Europa, während einzelne Regionen oder sogar Gemeinden der Idee längst den Abschiedskuss verpaßt haben und lieber ihr eigenes Süppchen kochen. Mir soll es recht sein; es lebe die Vielfalt (sprachlich)!

Katalanisch hört sich an, als habe man dem Hochspanischen 40% seiner Vokale gestrichen. Das müßte mal einer in Barcelona laut sagen. Teeren und Federn wären noch die geringsten Übel.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: caru in 2005-01-02, 13:07:31
richtig: ganz europa verein(heitlich)en, aber gleichzeitig keine person oder gruppe in ihrer individualität benachteiligen - das geht nicht.

und wenn das vereinte europa möglichst englisch oder höchstens noch französisch sprechen und außerdem katholischen oder zumindest christlichen glaubens sein soll, dann geht das auch nicht.

die sprachvielfalt kämpft eigentlich gar nicht mehr ums überleben, die setzt sich ganz gut durch: siehe walisisch, bretonisch, manx, baskisch... und die religions- und kulturvielfalt faßt auch ganz ordentlich fuß, zumindest in den städten. in wien sind inzwischen so viele sprachen und weltanschauungen ganz selbstverständlich zu hause, nebeneinander und durcheinander, daß mir das einheits-getue gewisser politiker nur noch lächerlich vorkommt. nämlich, man muß nichts vereinheitlichen - man kann die vielheit so belassen, wie sie ist, und sie funktioniert!
gewisse rechtslastige gesellen sind wohl noch nie über einen wiener markt gegangen.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: amarillo in 2005-01-02, 14:47:10
Das Problem ist nur, daß - und hierüber wissen leider alle Staatslenker bestens bescheid - sich eine uniforme (das Wort "gleichgeschaltete" drängt sich mir auf, aber ich vermeide es) Gesellschaft viel leichter überschauen und dirigieren läßt.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: caru in 2005-01-02, 19:42:40
also, dann gründen wir eine platonische gelehrtenrepublik, in der nur starkverbendeutsch gesprochen werden darf. und außerdem soll jeder wiener gemeindebezirk bei der UNO um anerkennung seiner staatlichen souveränität ansuchen - sprachlich unterscheiden sie sich so schon genug.

irgendwo muß man ja anfangen.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: amarillo in 2005-01-03, 11:30:37
Recht so, mein trefflicher caru: Freiheit auch für Kleinhückeswagen, Hagen, Kappeshamm und Wermelskirchen!
Es wird ohnehin Zeit, daß die UNO sich um die wirklich wichtigen Dinge des Lebens kümmert.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: gehabt gehabt in 2005-01-03, 14:57:29
Der Vorteil der Staerkung der Dialekte, waere auch, dass ein biometrischer Reisepass nicht mehr notwendig waere. Vielleicht war das sogar der urspruengliche "Sinn" dass sich  so viele Dialekte und Sprachen herausbildeten: Ein Koelner bleibt im als solcher erkennbar, selbst wenn er nach seiner Kindheit lange in Duesseldorf gewohnt hat und sich bemueht, den Dialekt nachzumachen. Sprach und heimatforscher koennen vermutlich in Deutschland jemanden aufgrund seines Dialekts nicht nur einer Region sondern einem Dorf oder Stadtteil zuordnen. Zu einer Zeit als es noch keine Fotos gab und nur wenige schreiben konnten, war das ein sicheres Merkmal, Auswaertige zu erkennen, mit allen vor- und Nachteilen, die auch ein Reisepass mit sich bringt. In unruhigen Zeiten kann der Dialekt ein Merkmal sein, um beispielsweise Spione zu erkennen. Die Kehrseite der Medaille ist natuerlich auch, wie die Hautfarbe auch, dass Sprache ein Mittel sein kann um Fremde zu diskriminieren.

Einer meiner Vorposter schrieb sinngemaess, dass mangelnde Sprachvielfalt auch ein autoritaeres Regime hinweisen kann. So einfach ist es glaube ich nicht. Das Spanische wird in ganz Suedamerika gepflegt und ziemlich einheitlich gesprochen und divergiert wenig vom kastilischen, obwohl niemand mit der Peitsche dahinter steht. Es hat immense Vorteile, wenn man sich in seiner Muttersprache auf einem ganzen Kontinent verstaendigen kann.

Es ist eine Sache, ob man es der Bevoelkerung erlaubt und sie ermuntert Katalanisch oder Baskisch oder Quetchua zu sprechen, oder ob man die Sprachpolitik benutzt, um sein Lokalpolitischen Sueppchen zu kochen. Merkwuerdigerweise nennen sich die Regionalisten in Katalonien und im Baskenland Nationalisten, und ich kann nicht ander, ich hab was gegen Nationalisten.

Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: Ly in 2005-02-11, 14:02:47
Zitat von: MrMagoo in 2004-12-30, 15:07:54
Übrigens: Die Sprachen der Gallier sind/waren natürlich romanische (wie das Lateinische), keine germanischen Sprachen.

Nein, die Gallier sprachen zuerst einmal keltisch und erst später einen romanischen Dialekt, der dan zu Französisch wurde.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: Arnymenos in 2005-02-11, 15:21:45
Mal ein paar Ausfuehrungen von einem angehenden Linguisten. Ich habe nur die erste Seite durchgelesen und will auch gar nicht mit vielen Beispielen kommen.

Was die Zeiten angeht, habe ich mal einen Artikel gesehen, der zeigte, wie sich auch eine Sprache mit 10 Zeitstufen in eine mit 2 uebersetzen laesst, ohne dass man an Ausdrucksgenauigkeit verliert. Im Deutschen koennen wir ja auch sagen "ich gehe heute", "ich gehe morgen", notfalls auch "gestern gehe ich also wie gewohnt um neun zur Uni...". Tempora sind sind das einzige, um Zeitverhaeltnissen Ausdruck zu verschaffen.

Und auch fuer alle anderen "gedanklichen Konzepte" oder wie auch immer titulorene Dinge, die wir sprachlich ausdruecken wollen, gilt: Jede Sprache kann alles ausdruecken. Im Einzelnen:

Lexik: Benjamin Lee Whorf hat mal gesagt, dass man das, was man nicht in Sprache fassen kann, auch nicht denken kann. Dafuer gibt es nun haufenweise Gegenbeispiele, manch einer findet aber auch gute Gruende, eine enge Verbindung zwischen Sprache und Gedanken anzunehmen. Whorf sagte sogar, dass man nicht denken kann, wofuer man kein Wort hat. So zum Beispiel haben die Angelsachsen kein Wort fuer Schadenfreude. Nichtsdestowenigertrotz koennen sie das Konzept mit mehreren Woertern ("being happy on somebody other's bad luck") umschreiben oder sich unser Wort entlehnen.
Es stimmt, dass mit der kulturellen Entwicklung das Lexikon unheimlich angeschwollen ist. Taeglich braucht man etwa 10.000 verschiedene Woerter, das war vor 2000 Jahren vielleicht noch etwas gemaessigter, sagen wir, 5.000. Und das damals aus einem Gesamtwortschatz von etwa 50.000. Heute aber kennt ein gebildeter Erwachsener 250.000 bis 300.000 Woerter seiner Muttersprache (von denen er aber laengst nicht alle benutzt). Gerade in diesem passiven, nicht-alltaeglichen Teil ist das Lexikon gewaltig gewachsen. Jede Wissenschaft hat ihre Fachsprache, niemand kann all diese Woerter kennen.

Von den wenigen zehntausend Woertern, die wir nach Abschluss unseres Mutterspracherwerbs (bevor wir Fachterminologie und Fremdwoerter lernen), wird angenommen, dass es darunter keine echten Synonyme gibt. Um das Gegenteil zu zeigen, muesste man zwei in jedem Kontext frei austauschbare Woerter finden. Und ich nehme euch jedes solche Beispiel auseinander! Denn ich finde die Idee, dass das Erlernen des Lexikons von der Vermeidung von Synonymen bestimmt wird, sehr ueberzeugend.

Grammatik etc.: Abgesehen von verstuemmelten Pidgin-Sprachen (Mischsprachen, die aber in der naechsten Generation als "Kreol"-sprachen schon wieder den Status einer natuerlichen Sprache haben) sind alle Sprachen gleich komplex. Im Sinne einer formalen Grammatik sind natuerliche Sprachen "kontext-frei" (man informiere sich ueber die Chomsky-Hierarchie oder frage mich; das ist ein sehr trockenes hochtheoretisches Thema). Einfacher/beschraenkter sind sie garantiert nicht, das ist einfach zu beweisen. Hin und wieder gibt es Beispiele, dass sie ein kleines bisschen maechtiger als kontext-frei sind. Da bastelt man dann lange dran rum, denn niemand will, dass Sprachen nur wegen dieser winzigen Beinhae-Ausnahmen eine ganze Stufe hoeher in der Chomsky-Hierarchie angesiedelt werden muessen.

Aber im Wesentlichen sind alle Sprachen von ihrer Syntax her gleich komplex.

Phonetik: Manche Sprachen unterscheiden 3 Vokale, andere 25. Manche 6 Konsonanten, andere 100. Ich sage "unterscheiden", denn wo wenige Elemente sind, da variieren diese viel staerker. Auf den ersten Blick ist eine Sprache mit nur 10 Lauten leicht zu lernen, aber wenn man dann die hundert Regeln zur korrekten Aussprache in bestimmten Umgebungen lernen will... gute Nacht. Was man sich auf der einen Seite spart, kriegt man postwendend zurueck.

Jeder Mensch hat den gleichen Sprachapparat. Nach meiner Lieblingstheorie, der Optimalitaetstheorie, kann man auch gar nicht sinnvoll aussagen, dass eine Sprache "phonetisch komplizierter" sei als eine andere.


Sprachen aendern sich, aber in den letzten zweitausend Jahren hat sich an ihrer Komplexitaet nichts getan, behaupte ich. Diese leitet sich direkt ab aus der Kommunikationsfaehigkeit des Menschen. Ist die Sprache, die er von seinen Eltern lernt, unzulaenglich, erweitert er sie. Ist sie zu schwierig, lernt er diese Teile nicht. Dadurch, dass sich eine Sprache alle 20-30 Jahre erneut den Anforderungen von Neulernern stellen muss, erhaelt sie ihre Komplexitaet ueber alle Veraenderungen hinweg. Schwankungen moegen auftreten, gleichen sich aber aus.

Wie viele Menschen kennt ihr, die ihre Muttersprache freiwillig aufgegeben haben, weil sie gemerkt haben, dass sie sich in einer anderen Sprache deutlich besser ausdruecken koennen?
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: amarillo in 2005-02-11, 17:45:01
Zitat von: Arnymenos in 2005-02-11, 15:21:45
Von den wenigen zehntausend Woertern, die wir nach Abschluss unseres Mutterspracherwerbs (bevor wir Fachterminologie und Fremdwoerter lernen), wird angenommen, dass es darunter keine echten Synonyme gibt. Um das Gegenteil zu zeigen, muesste man zwei in jedem Kontext frei austauschbare Woerter finden. Und ich nehme euch jedes solche Beispiel auseinander! Denn ich finde die Idee, dass das Erlernen des Lexikons von der Vermeidung von Synonymen bestimmt wird, sehr ueberzeugend.

Es wäre ganz nett, wenn Du die Kriterien nach denen Du auseinander nimmst etwas zeitiger nennen könntest, dann hätte man vielleicht eine Chance, direkt gezielt zu überlegen.

Ich behaupte, daß "Wauwau" und "Hund" echte Synonyme sind, bin aber überzeugt, daß
aus irgend einem kühlen Grund jetzt dieses Beispiel nicht die notwendigen Voraussetzungen (welche?) erfüllt.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: caru in 2005-02-11, 17:52:16
sehr klar: "hund" ist der allgemeine ausdruck, der in jedem kontext funktioniert.
"wauwau" ist ausschließlich kindersprache: kein biologieprofessor, hundezüchter etc. wird je von einem wauwau reden, es sei denn in bestimmten situationen zu einem kleinen kind, von dem er annimmt, es könnte "hund" nicht verstehen.

"wauwau" und "hund" sind also nur in einem speziellen kontext austauschbar.

klar, sie bezeichnen dasselbe tier. aber das tut z.b. "köter" auch.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: amarillo in 2005-02-11, 18:12:01
Ich hatte eigentlich gehofft, daß unser Freund Arnymenos mir die Kriterien etwas allgemeiner darstellt. Daß "Wauwau" ein der Kindersprache entnommener Begriff ist, hatte ich schon seit einiger Zeit vermutet
;D
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: Arnymenos in 2005-02-11, 18:58:47
Mach' ich doch gerne.

Nimm zwei Woerter, A und B. Sie sind dann Synonyme, wenn man in jedem Satz mit A an dieser Stelle auch B sagen kann, ohne die Bedeutung zu veraendern. Dabei geht es mir auch um Konnotationen (zum Beispiel ist Koeter abwertend und Wauwau Kindersprache). Dies fliesst in die Pragmatik ein. Die Pragmatik erklaert, wann ein Satz "angemessen" ist, geht also ueber die Semantik hinaus.

Syntax: "Der Stein schlaeft." ist richtig.

Semantik: Das ist doch Unsinn! Steine koennen nicht schlafen.

Pragmatik: Wie? "Der Stein"? Welcher Stein? Bevor man "der" sagt, muss man erstmal sagen, warum es geht. Stell dir vor, ich komme in den Raum, wir begruessen uns, und dann sage ich, ach uebrigens, der Stein schlaeft.


Ich bringe auch gleich ein Synonym: Syntax = Satzlehre. Diese beiden Woerter sind ziemlich synonym, es sei denn, wenn man von Morphologie statt von Formenlehre spricht, dann soll man auch von Syntax statt von Satzlehre sprechen, und das waeren die pragmatischen Eigenschaften. In den technischen Fachsprachen koennen Synonyme existieren.

Die Behauptung ist nun, dass sich ein neues Wort nur dann lohnt, wenn es sich von allen anderen unterscheidet, sonst kann man es nicht muttersprachlich lernen.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: amarillo in 2005-02-11, 19:23:10
Zitat von: Arnymenos in 2005-02-11, 18:58:47
Ich bringe auch gleich ein Synonym: Syntax = Satzlehre. Diese beiden Woerter sind ziemlich synonym, es sei denn, wenn man von Morphologie statt von Formenlehre spricht, dann soll man auch von Syntax statt von Satzlehre sprechen, und das waeren die pragmatischen Eigenschaften.

Bin ich mal wieder der Einzige, der kein Wort versteht?

Und wieso kann ich ein neues Wort nur dann muttersprachlich lernen, wenn es sich von anderen unterscheidet? Im Umkehrschluß hieße das: alle muttersprachlich erlernten Begriffe können nicht synonym sein - oder? Aber genau das sugst Du ja bereits.

Ich habe den Verdacht, daß die Definition von Synonym derart exklusiv ist, daß niemand je den himmelhohen Kriterien genügen wird, und Du somit diese These für nachgewiesen ausgeben darfst und wirst.
Nicht böse sein, aber das erinnert mich doch sehr stark an scholastische Spitzfindigkeiten.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: Arnymenos in 2005-02-11, 21:11:26
Aehnliche Bedeutungen gibt es genug. Und drum hat man irgendwann den Begriff "Synonym" erfunden, dann aber festgestellt, dass kein Wort wirklich ueberfluessig ist. Wer aus der Vermeidung von Synonymen weiteres ableiten will (und das machen manche), der erhebt sie zum allgemeinen Prinzip. Dafuer wird dann der Begriff "Synonym" auch sehr streng definiert, also "so absolut gleichbedeutend und gleichverwendbar, dass das eine Wort einfach weggeschmissen werden kann".

Aber fuer unsere Diskussion hier brauchen wir das gar nicht. Ich wollte darauf hinaus, dass Unmengen an Synonymen nicht die Erklaerung dafuer sind, dass Sprachen so entsetzlich viele Woerter haben. Wozu braucht eine Sprache 200.000 Woerter, wenn man im taeglichen Leben mit 10.000 auskommt? Nutzlos ist jedenfalls keines.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: amarillo in 2005-02-11, 22:13:20
Zitat von: Arnymenos in 2005-02-11, 21:11:26
Wer aus der Vermeidung von Synonymen weiteres ableiten will (und das machen manche), der erhebt sie zum allgemeinen Prinzip. Dafuer wird dann der Begriff "Synonym" auch sehr streng definiert, also "so absolut gleichbedeutend und gleichverwendbar, dass das eine Wort einfach weggeschmissen werden kann".

Hiermit quittiere ich meinen Dienst als Versuchskaninchen.

Von wem wird denn "Synonym" so streng definiert?

Von Dir, damit das Restliche in Deine These paßt?

Ich fürchte, Du hast Sophia längst den Abschiedskuss gegeben.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: Arnymenos in 2005-02-11, 22:17:54
blrrllr... aehm, jetzt nehme ich erstmal eine Verwirrungsauszeit.

Weil's doch eigentlich ein eher nebensaechlicher Punkt war.

Weil's auch nur eine Zweckmaessigkeit von denen war, die's so brauchen koennen.

Weil ich auch ein "Witapaotewake" als das definieren kann, was morgens nach dem Aufstehen den ersten Laut macht, aber nur an Sonntagen... ich stoere mich persoenlich nicht an Dingen, die andere definieren, wenn ich die Definition nicht brauche. Und ja, ich brauche diese Synonymdefinition nicht.

Morgen geht's weiter.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: amarillo in 2005-02-11, 22:28:35
Zitat von: Arnymenos in 2005-02-11, 22:17:54
Weil's auch nur eine Zweckmaessigkeit von denen war, die's so brauchen koennen.

Weil ich auch ein "Witapaotewake" als das definieren kann, was morgens nach dem Aufstehen den ersten Laut macht, aber nur an Sonntagen... ich stoere mich persoenlich nicht an Dingen, die andere definieren, wenn ich die Definition nicht brauche. Und ja, ich brauche diese Synonymdefinition nicht.

Morgen geht's weiter.

Gerne, aber nicht mit mir; ich habe den Eindruck, daß Du viel Ruhe brauchst.

amarillo









Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: Kilian in 2005-02-12, 00:30:48
??? Warum denn so aggressiv, amarillo? Ob Arnymenos für "ein absolut gleichbedeutendes und gleichverwendbares Wort" nun den Begriff echtes Synonym definiert oder irgendeinen anderen, ist doch nicht wichtig, solange er es deutlich macht. Und es hat auch keinen Einfluss auf den Wahrheitsgehalt der These, die er hier dargestellt hat. Es ist nur eine Benennungsfrage.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: gehabt gehabt in 2005-02-12, 09:09:36
Dass alle Sprachen gleich komplex sind, ist leicht dahingesagt, aber ich glaube es erstens nicht und zweitens schuldet derjenige, der solch eine These aufstellt, den Beweis.

Auch dass in der deutschen Sprache kein uebrfluessiges Wort ist, glaube ich nicht. Mir wuerde zwar das Herz bluten, aber sonst passoere nichts wenn man 20% unbenutzte Woerter aus dem Grimmschen Woerterbuch rausnimmt.

Auch bezueglich der Lautvielfalt steht der Beweis aus.

Warum hat man sich eigentlich Esperanto ausgedacht, wenn Mandarin genau so einfach ist.

Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: amarillo in 2005-02-12, 09:16:10
Erster Ordnungsruf? Akzeptoren!

Eher verschlucke ich einen Hammer, als daß ich mich entschuldige.

Aber natürlich hast Du recht, soll doch jeder so definieren, wie es ihm Spaß macht und er es für seine Thesen braucht. Solange es in der Linguistik bleibt, ist es wahrlich harmlos. Ich stelle mir das nur gerade für die Justitia vor - bonne nuit, messieurs!

Ich hatte es an anderer Stelle bereits zitoren: wenn die Realität nicht zur These paßt, muß man sich halt die Realität vom Hals schaffen. Und sei es per definitionem

Wenn das die Zukunft wissenschaftlichen Arbeitens ist, dann wird es für mich allerhöchste Zeit, meinen Abschied einzureichen. Ich lebe nämlich bislang noch in der Wahnvorstellung, daß die "Sophia" nichts anderem, als dem Wahren verpflichtet ist.  Aber vielleicht stimmt meine Definition des "Wahren" ja nicht.


Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: gehabt gehabt in 2005-02-12, 09:16:59
Wenn man pingelig ist, so ist nicht einmal "Hund" zu "Hund" synonym, weil es fuer mich ein anarchistischer Retriever ist und fuer meinen Nachbarn ein hysterischer Dackel.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: amarillo in 2005-02-12, 09:22:21
Ich danke Dir, gehabt haben.

Und, Geschichte gelesen?
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: Kilian in 2005-02-12, 09:50:46
Zitat von: amarillo in 2005-02-12, 09:16:10Erster Ordnungsruf? Akzeptoren!

Nö, kein Ordnungsruf. Ich verstehe nur schlicht und einfach nicht, warum dich Arnymenos' Ausführungen derart unwissenschaftlich und unsinnig dünken, dass du ihn so angreifst. Er betrachtet die Komplexitätsfrage halt in einem hier neuen Licht, und, wie ich finde, plausibel. Es geht dir doch wohl nicht um die Frage, wie weit man den Begriff Synonym fassen soll, oder? Davon bleibt die Realität nämlich unbeeinflusst, es ist nur - eine - Sprachregelung!

Zitat von: gehabt gehabt in 2005-02-12, 09:09:36Warum hat man sich eigentlich Esperanto ausgedacht, wenn Mandarin genau so einfach ist.

Ich glaube, ihr redet aneinander vorbei. Arnymenos meinte, dass jede Sprache gleich mächtig sei und gleich viel ausdrücken könne, nicht den Schwierigkeitsgrad. Habe ich Recht?

Eine Sache, Arnymenos, interessiert mich gerade besonders:

Zitat von: Arnymenos in 2005-02-11, 15:21:45Jeder Mensch hat den gleichen Sprachapparat. Nach meiner Lieblingstheorie, der Optimalitaetstheorie, kann man auch gar nicht sinnvoll aussagen, dass eine Sprache "phonetisch komplizierter" sei als eine andere.

Kannst du das genauer erklären?
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: amarillo in 2005-02-12, 10:04:28
Zitat von: Kilian in 2005-02-12, 09:50:46
Es geht dir doch wohl nicht um die Frage, wie weit man den Begriff Synonym fassen soll, oder? Davon bleibt die Realität nämlich unbeeinflusst, es ist nur - eine - Sprachregelung!

Doch doch, darum geht es. Eine Sprachregelung, die dem zu Nutzen ist, der sich ihrer - für seine Zwecke - zu bedienen weiß.

Mir fällt dazu eine amerikanische Filmschmonzette ein. Hier ging es darum, in unberührter Natur eine Aluminiumhütte zu errichten. Auf die Einwände der Anwohner hin, daß dies doch gewaltige Umweltschäden mit sich brächte, wurden erst einmal die Begriffe "Umwelt und "Schaden" neu definiert.
Und siehe da, am Schluß stellte sich heraus, daß es für die Natur eigentlich nichts Besseres und Gesünderes gibt, als Aluminiumhütten.

Total überspitzt, ich weiß.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: Kilian in 2005-02-12, 10:26:33
Allerdings überspitzt, und meilenweit von dem Fall hier entfernt. Arnymenos hat hinreichend deutlich gemacht, dass er nur sagen wollte, nach der von ihm dargestellten Theorie gebe es im Muttersprachlexikon keine zwei in jedem Kontext frei austauschbaren Wörter. Alles, was du ihm vorwirfst, ist also der Missbrauch des Wortes Synonym dafür? Siehst du darin einen Manipulationsversuch wie in dem Film?
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: amarillo in 2005-02-12, 10:43:44
Ich habe alles gesagt.

Mein Synonymwörterbuch werde ich zum Altpapier geben, denn muttersprachlich kann ich ohnehin nichts daraus lernen, und darüber hinaus glaube ich sofort wieder den Physikern, die nachgewiesen haben, daß Maikäfer nicht fliegen können. Sollte mir eins der Viecher über den Weg flattern, werde ich "fliegen" neu definieren.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: amarillo in 2005-02-12, 11:25:12
Mir fällt noch etwas ein, das ich loswerden muß.

In den frühen 60er Jahren nahm unsere Schulklasse am Preisausschreiben eines Schülerkalenders teil. Die Fragen orientierten sich an den Unterrichtsfächern. In der Rubrik Biologie lautete die Frage, welches Lebewesen denn des aufrechten Ganges mächtig sei. Natürlich sollten wir zu dem Ergebnis kommen, daß dies allein dem Menschen vorbehalten sei. Wir schrieben aber Mensch und Pinguin hin.
Die Antwort kam auch postwendend, da man sich wohl Sorgen um unser Weltbild machte. Pinguin war natürlich total falsch, da sich diese Tier "in erster Linie schwimmend durchs Leben" kämpft. Daß das Pinguinmännchen während der Brutphase wochenlang aufrecht stehend an Land verbringt, wurde nicht erwähnt, fiel wahrscheinlich unter Folklore, zumindest paßte es nicht in die vorgegebene These.

Eventuell habe ich damals einen Hau davongetragen; jedenfalls erinnere ich mich, daß ich vor Wut hätte aus der Haut fahren können.

Eine Theorie, die ich momentan nicht widerlegen kann, ist nicht a priori richtig.  Eine These, die zu entkräften man mich aber per definitionem jeglichen Werkzeugs beraubt, kommt mir mehr als verdächtig vor. Nein, eigentlich nicht die arme These, sondern die Werkzeugklauer.

Jetzt habe ich fertig.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: Kilian in 2005-02-12, 12:41:31
Du verdrehst Arnymenos' Aussagen.

ZitatMein Synonymwörterbuch werde ich zum Altpapier geben, denn muttersprachlich kann ich ohnehin nichts daraus lernen

Hat er gar nicht behauptet. Er sug nur, du werdest darin keine zwei Wörter finden, die in jedem Kontext beliebig austauschbar sind.

ZitatEine These, die zu entkräften man mich aber per definitionem jeglichen Werkzeugs beraubt, kommt mir mehr als verdächtig vor. Nein, eigentlich nicht die arme These, sondern die Werkzeugklauer.

Ist das Wort Synonym in der von dir gebrauchten, weniger strengen Bedeutung ein unentbehrliches Werkzeug für dich, um ggf. die These zu widerlegen? Oder wessen hat er dich sonst beraubt? (Allerdings hat er dich des Wortes gar nicht beraubt.)
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: Arnymenos in 2005-02-12, 13:00:32
Jetzt hatte ich so einen schoenen Beitrag geschrieben und wegen Autologout war der dann weg...*seufz* Also nochmal von vorn

Zu den Synonymen: Mit der Definition wollen manche Linguisten etwas erklaeren. Soweit ganz sinnvoll, ich fand's nciht schlecht, aber wir brauchen das hier nicht. Amarillo, Du darfst den Begriff Synonym behalten, und ich gebe Dir auch eine nicht bindende Annaeherungsbeschreibung dazu: Zwei Begriffe sind Synonym, wenn sich ihre Bedeutungen soweit ueberlagern, dass man unter ihnen waehlen kann, wobei gegebenenfalls und unter bestimmten Kontexten der eine dem anderen vorzuziehen ist. Die andere Definition brauche ich nicht so dringend.

Ich moechte mich auch entschuldigen. Bei Diskussionen ueber Sprache verfalle ich schnell in Uebereifer.


Dann will ich mal die Aussagen klar voneinander trennen.

Erstens: Sprachen sind gleich maechtig im Ausdruck.

Es wurde im dunkelsten Teil unserer Vergangenheit zwar versucht, schon vorher bestehende Aussagen wie "Das Deutsche ist fuer die Wissenschaft besser geeignet als andere Sprachen" zu verifizieren, mit sehr fraglichem Erfolg. Es laesst sich zwar auf Irisch schlecht ueber Quantenphysik diskutieren, aber das liegt mitnichten in der Ausdruckskraft; es fehlen einfach die Woerter. Die Grosseltern unserer Vorfahren werden ihre Enkel fuer die Verwendung der Begriffe "murus" und "fenestra" im neuen Hausbau schief angesehen haben, aber der bestaendigen Aufnahme neuer Begriffe verdanken wir unseren heutigen Wortschatz. Das Neuerfinden ist oftmals schwieriger und missverstaendlicher als das Uebernehmen. Man koennte ja auch von mehreren Reitern im Blaettererfenster sprechen, von Verweisen und von Faeden (das hab' ich heir schon zweimal geschrieben). Aber in jeder Sprache kann man unter Zuhilfenahme meist englischer Fachwoerter ueber Quanten reden. An mangelnder Komplexitaet scheitert es nicht.


Zweitens: Phonologische Unterschiede.

Die beiden Prinzipien der Optimalitaetstheorie sind Faulheit (technisch "Markiertheit") und der Wunsch nach Ausdruck. Ganz einfach formluliert: Warum schreien, wenn man doch nicht besser verstanden wird? Jeder Laut ist aufwaendig, aber jeder Laut bringt auch neue Moeglichkeiten, Woerter zu unterscheiden. Ein Beispiel: Das "ue" ist die gerundete Version des "i". Lippenrundung ist nun schwieriger als Nicht-Lippenrundung, deswegen erwartet man, dass eine Sprache ein "ue" nur dann hat, wenn sie auch ein "i" hat. Denn sonst wuerde sie fuer den "hohen vorderen Vokal" ja die einfachere Variante, naemlich das ungerundete "i" waehlen. Und das bestaetigen die Sprachen der Welt sehr schoen.
Kurzum, bei jedem Laut muss eine Sprache sich entscheiden: Reinnehmen zur Steigerung der Ausdruckskraft oder einsparen? Das Lautinventar ist damit ein Kompromiss aus den beiden gegenspielenden Kraeften.
So sparen sich viele Sprachen das schwierige "ch". Andere haben nur eine Variante davon, und uns mag es schwierig erscheinen, einen "ach"-Laut hinter einem "i" zu sprechen. Dafuer unterscheiden wir "ich"- und "ach"-Laut, sie sind nicht austauschbar, aber einen Bedeutungsunterschied kodieren sie auch nicht. Zum Beispiel im Irischen (das ich gerade lerne, daher die Beispiele) sind die beiden Laute bedeutungsunterscheidend. Was ist nun schwieriger, was nuetzlicher? Alles hat seine Vor- und Nachteile.


Drittens: Morphologie und Syntax.

Ganz krass ist der Unterschied zwischen isolierenden und agglutinierenden Sprachen. Isolierende machen alles mit Einzelwoertern, agglutienierende und flektierende bauen Funtionen in die Woerter ein. Im Englischen sagt man "to my brother", im Deutschen reicht "meinem Bruder" (ein Wort gespart, dafuer hat man diese leidige Flexion), im Quechua (in Peru) passt das in ein Wort, ebenso wie "wegen meines ehrenwerten Bruders". Zur Begruessung sagt man dort "Rimaykullayki", was soviel bedeutet wie "ich spreche hoeflich zu dir"/"I am talking politely to you". Was ist nun komplizierter? Ein Riesensatz oder ein Riesenwort?

Es gibt hier schon einen gewaltigen Unterschied, aber nur im Zweitspracherwerb. Da lernt man naemlich isolierende Sprachen viel einfacher. Die ersten Lektionen Japanisch sind total einfach, alles geh ueber die Satzstellung und Partikel mit klaren Bedeutungen, aber dann erweist sich, dass man "haette weggehen koennen muessen" ein Wort ist. An der Stelle habe ich das Lernen aufgegeben.
Das Englische ist auf den ersten Blick auch sehr einfach. Aber dann gibt es Saetze wie "what I saw was a bird", die der Linguist "pseudo-cleft" nennt. Da zeigt das Englische sein wahres Gesicht, wenn man ein wenig an der starren Satzstellung veraendern will. Im Deutschen nehmen wir dafuer Kasuesse doch gerne in Kauf. Waehrend das Hochdeutsche zum Perfekt an Stelle des Imperfekts und zur Verregelmaessigung tendiert, steht die GSV fuer das Gegenteil. Und im Irischen raet man den Lernenden, alles mit "sein + Verbalsubstaniv" zu konstruieren, weil man dann nur die Formen des Hilfsverbs lernen muss, und nicht die Verbalflexion. Zum Lernen allemal leichter, aber nach diesem leichten Einstieg wird's happig. Deswegen vermute ich ja auch, dass man es sich in jeder Sprache so kompliziert machen kann, wie man will. Die Moeglichkeiten sind gegeben.

Das war jetzt die stark gekuerzte Fassung meines vorhin verschuett gegangenen Textes. Noch mal eine Entschuldigung an alle, denen ich auf den Schlips trat. Ich freue mich auf die Diskussion. Ich habe viele Gegenstandpunkte unter den Tisch fallen lassen, und die duerft ihr gerne vorstellen; ich rede sie euch nicht aus, sondern lerne daraus.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: Kilian in 2005-02-12, 13:35:58
Zitat von: Arnymenos in 2005-02-12, 13:00:32deswegen erwartet man, dass eine Sprache ein "ue" nur dann hat, wenn sie auch ein "i" hat. Denn sonst wuerde sie fuer den "hohen vorderen Vokal" ja die einfachere Variante, naemlich das ungerundete "i" waehlen. Und das bestaetigen die Sprachen der Welt sehr schoen.

Aber kann man dann nicht trotzdem sinnvoll aussagen, z.B. eine Sprache, die das i und das ü hat, sei in dieser Beziehung phonetisch komplexer als eine Sprache, die nur das i hat?
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: Arnymenos in 2005-02-12, 14:12:46
Zitat von: Kilian in 2005-02-12, 13:35:58
Aber kann man dann nicht trotzdem sinnvoll aussagen, z.B. eine Sprache, die das i und das ü hat, sei in dieser Beziehung phonetisch komplexer als eine Sprache, die nur das i hat?

Ja, kann man.

Sprich mal "schwimmen". "sch", "w" und "m" sind gerundet, da sagt so mancher in schneller Umgangssprache schonmal "schwuemmen". Oder versuche, das "i" ganz deutlich auszusprechen.
Was ich damit sagen will: Sprachen, die das "ue" nicht vom "i" unterscheiden, kriegen es ueber eine Hintertuer eventuell doch wieder rein, und dann muss man die Verteilungsregel (wie zwischen "ich" und "ach") lernen. Diese Regeln machen die an sich einfach aussehenden Sprachen dann doch wieder schwierig.

Phonemisch kann eine Sprache viel einfacher sein als eine andere. Zum Beispiel ist das "ch" ein Phonem, das aber zwei "Allophone" hat. Also kein phonemischer, sondern ein phonetischer Unterschied. Zwischen den Phonemen und dem, was man wirklich spricht, vermitteln die Ausspracheregeln. Was eine Sprache am Inventar spart, kann sich ueber komplexe Regeln durchaus raechen.

Deswegen finde ich es so schwierig, die Komplexitaet zweier Sprachen zu vergleichen.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: gehabt gehabt in 2005-02-12, 23:15:41
Fuer mich sind folgende Woerter immer gleich bedeutend

Samstag  Sonnabend
ausgezeichnet   hervorragend

(als Adjektive nicht als
Partizipien: hol mal die Heckenschere ich muss ein paar hervorragende Zeige abschneiden, der mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Wissenschaftler)
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: gehabt gehabt in 2005-02-13, 23:23:03
Auch kuerzlich, unlaengst und neulich

sind fuer mich vollkommene Synonyme, bis zum Gegenbeweis.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: caru in 2005-02-14, 00:01:41
ist hervorragend auch synonym mit exzellent? (davon ist es nämlich die wörtliche übersetzung.) wenn ja, ist auch ausgezeichnet=exzellent?

der sonnabend ist nichts weiter als der samstag. ist auch der sabbat nichts weiter als der samstag? und ist der erchstag dasselbe wie der dienstag?

ferner: ist der frühlingsmond der mai, der wintermond der dezember? der lenz der frühling? kann ich sagen: "heut ist der 14. hornung?"



(bin nicht am in-frage-stellen, nur am rumspinnen ;D)
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: amarillo in 2005-02-15, 10:53:43
Mumpitz, Firlefanz, Schnickschnack, Kokolores, Tinnef

alles synonym?
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: Kilian in 2005-02-15, 16:04:22
Für mich bezeichnen Tinnef, Firlefanz und Schnickschnack Gegenständliches (also unnützen Kram), Mumpitz und Kokolores dagegen etwas Abstraktes (eine unsinnige Behauptung, dummes Geschwätz), wobei sich bei Firlefanz und Schnickschnack noch die Bedeutungsnuance "unnütze Schnörkel an etwas an sich grundsätzlich Sinnvollem" abzeichnet.

Das illustriert, dass es schon deshalb keine echten Syn... oh, Verzeihung, hundertprozentige Austauschbarkeit zweier Wörter geben kann, weil jedes Wort in jedem Empfänger etwas anderes bewirkt. Tauscht man ein Wort gegen ein anderes aus, dass 99% der Sprachgemeinschaft als synonym zum ersten empfinden, ändert man damit trotzdem das Verständnis der verbliebenen 1%.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: gehabt gehabt in 2005-02-16, 15:12:51
Ein Synonym ist ein laut dem Wahrig Woerterbuch ein sinnverwandtes Wort oder ein Wort gleicher Bedeutung. Das heisst, dass Samstag und Sonnabend Synonyme sind, obwohl man sie sich in anderen Eigenschaften unterscheiden, z.B. in ihrer Herkunft oder der Anzahl der Buchstaben. Aber wenn man in die Definition eines Wortes oder einer Sache etwas Selbstbezuegliches einfliessen laesst, dann kommt man in Probleme mit der Logik (Alle Kreter sind Luegner, Ich rasiere all, die sich nicht selbst rasieren).

Wenn man die obige Definition fuer bare Muenze nimmt, sind also Koeter und Hund Synonyme, obwohl sie "nur" eine gleiche oder verwandte Bedeutung haben und nicht eine identische (wie hervorragend und ausgezeichnet). Selbst wenn die Bedeutungen identisch sind (Pferd, Ross) so kann in den Woertern eine unterschiedliche Wertung des Gegenstandes mitschwingen und selbst wenn die Woerter identisch sind und wertungsgleich, so kann die Sprache sich auf einer anderen Ebene befinden und somit sind die Woerter nicht Austauschbar sein. Atem und Odem bezeichnen haargenau dasselbe aber ich kann schlecht sagen "ich bin ausser Odem".

Seien wir also pragmatisch und akzeptieren ans Synonyme alles was unter einem Stickwort im entsprechenden Duden steht.
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: Kilian in 2005-02-16, 15:18:31
Zitat von: gehabt gehabt in 2005-02-16, 15:12:51Aber wenn man in die Definition eines Wortes oder einer Sache etwas Selbstbezuegliches einfliessen laesst, dann kommt man in Probleme mit der Logik (Alle Kreter sind Luegner, Ich rasiere all, die sich nicht selbst rasieren).

Den Satz hab ich jetzt nicht verstanden; erklär bitte noch mal: Was meinst du konkret mit "etwas Selbstbezügliches"?
Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: gehabt gehabt in 2005-02-16, 15:28:56
Ich meine damit, wenn in die Charakterisierung eines Wort als Synonym nicht nur die Definition der Sache eingeht, die es beschreibt (sein Sinn): "Mensch=Lebewesen auf zwei Beinen ohne Federn" sondern das Wort selbst: Mensch=Wort, das mit M anfaengt und mit ensch aufhoert.

Und eben den Irrweg ist ein Vorposter gegangen, indem er (er hat es auch selbst gesagt, er brainstorme nur) gesagt hat Samstag und Sonnabend sind keine Synonyme oder unterscheiden sich, weil Samstag aus dem Hebraeischen kommt und Sonnabend nicht.

Titel: Re:warum ist Sprache komplex?
Beitrag von: Arnymenos in 2005-02-16, 18:48:38
Die Form eines Wortes soll da mal keine Rolle spielen, sonst sind Synonyme ja trivialerweise verschieden. Aber Herkunft kann schon eine Rolle spielen, weil man zum Beispiel nicht dauernd zwischen "Satzlehre" und "Syntax" wechseln sollte. Und die beiden sind für mich bis auf die Herkunft sehr synonym. In Fachterminologie kommt sowas  vor.

Vielleicht kann ich die eingangs erwähnte Position etwas klarer machen (mir fällt da gerade was ein): Wenn jemand konsequent zwei Wörter ohne jedes Muster in der selben Bedeutung verwendet, welches Alter muss man dann vom Hörer erwarten, dass er das verstehen kann? Ist nicht die Grundannahme, dass jedem Wort die Entscheidung für genau dieses Wort zu Grunde liegt, und dass es eine bewusste ist, dass also damit etwas gesagt werden will? Diese Annahmen -- dass alles an der Sprache wichtig ist, und dass Sprache etwas bewusstes ist -- seien absolut notwendig für das Erlernen der Muttersprache. Ein neues Wort sollte demnach auch etwas neues bedeuten.
Soweit zu der Eingangsthese. Da wir nun eine Reihe von im Alltag brauchbaren Definitionen von "Synonym" haben, können wir wohl auch diese These dagegen diskutieren, wenn wir das wollen. Aber ich will nicht wieder einen Definitionsstreit aufkochen.