Gesellschaft zur Stärkung der Verben

Öffentliche Bretter => Neue Ideen => Thema gestartet von: doroquaedam in 2007-02-27, 17:13:31

Titel: futur II
Beitrag von: doroquaedam in 2007-02-27, 17:13:31
mein erster tag auf dieser genjalen seits beginnt mit mein erstes gedanken.
zwar weiß ich nicht, ob dies thema schon geschnitten wurde an, doch sagen möcht ich, dass dem 2. Futur gehülft werden könnte.
so ist mir aufgefollen, dass das 1. Futur schon selten genutzt wird, doch das zweite schon so gut wie gar nicht mehr da ist. viele menschs nutzen doch lieber die präsenssprache, stimmts?                   
einst wollte ich einen klub gründen. in diesem sollte dem futur II gehülft werden, doch keiner wollte eintreten. :'(
ein eindeutiges indiz, mein ich.
Titel: Re: futur II
Beitrag von: Agricola in 2007-02-27, 18:06:01
Hallo, gewisse Doro!

Iert das Futur II im Deutschen überhaupt richtig exist, außer in Theoriebüchern, die von lateinischen Grammatiken abgeschrieben haben? Natürlich kann man im Deutschen einen Infinitiv Perfekt mit dem Zukunft anzeigenden "werden" verbinden und erhält dann eine Form, die die Grammatiken als Futur II bezeichnen:

Ich werde gegessen haben

aber das geht doch eigentlich auch mit anderen Kombinationen, die sich nicht in Grammatikbüchern benamst finden und genauso (un)sinnig sind:

Ich will gegessen haben
Ich werde gegessen haben wollen (ist das jetzt auch Futur II? Aber dann von welchem Verb?)
Ich werde essen gewollt haben
Ich werde haben essen wollen
Ich werde gegessen haben gewollt haben

Aber ich denke, die Sprache lässt uns noch Möglichkeiten, neue Zeiten zu erfinden, die ebenso (un)notwendig sind wie das Futur II. Da die Vergangenheit von "ich werde" zum Beispiel "ich wurde" heißt, sollte man eine Zeitform einführen, die umgekehrt wie das Futur II eine in der Vergangenheit künftig gewesene Handlung ausdrückt. Die Zeitform wird gebolden, indem man das "werde" in eine der drei Vergangenheitsformen setzt und heißt dann dementsprechend "Imperfekt II", "Perfekt II" und "Plusquamperfekt II".
Also

Präsens:                 Ich esse
Futur:                     Ich werde nach der Schule essen
Imperfekt II:           Als ich auf der Grundschule war, wurde ich jeden Vormittag nach der Schule zu Mittag essen.
Perfekt II:                Durch das Preisgeld ist er plötzlich in ein Dreisternelokal essen geworden. Er überlegt sich nun, wen er dazu einladen soll.
Plusquamperfekt II: Nachdem du ja schon am Morgen kommen geworden warst, hättest Du mir spätestens am Mittag Bescheid geben können.

Natürlich lässt sich werden auch ins Futur II setzen:
Wenn ich einmal eine Hochzeitsreise machen werde, werde ich hoffentlich auch Kinder kriegen geworden sein.

Nur ist dann die Frage, wie man diese Form korrekt bezeichnet, damit man sie nicht mit derjenigen verwechselt, die dadurch entsteht, dass man das werden einer Futur-II-Form in die Vergangenheit setzt, also:
Er wurde Kinder gekriegt haben.
Er ist Kinder gekriegt haben geworden.
Er war Kinder gekriegt haben geworden.

Alles äußerst notwendige sprachliche Bildungen, da sonst in den Zeitverhältnissen unseres Lebens vollkommene Unordnung herrscht! Also sollte man lieber Bildungsgesetze aufstellen und damit beliebige Kombinationen zulassen, so dass es dann auch kein Fehler mehr ist, sondern eine ganz gewöhnliche Satzbildung, wenn man sagt:

Die vor dem Essen gesungen gehabt habenden Chormitglieder bedankten sich bei den fleißigen Köchen. Diese Form ist grammatisch notwendig, denn die Chormitglieder hatten, als sie sich letztens bedankten, bereits vor dem aus der damaligen Perspektive in der Vergangenheit liegenden Essen gesungen gehabt. Und natürlich waren sie durch ihr Singen auch bereits essen und sich bedanken werden geworden gewesen. ;D
Titel: Re: futur II
Beitrag von: VerbOrg in 2007-02-27, 19:54:37
Zitat von: doroquaedam in 2007-02-27, 17:13:31
mein erster tag auf dieser genjalen seits beginnt mit mein erstes gedanken.
zwar weiß ich nicht, ob dies thema schon geschnitten wurde an, doch sagen möcht ich, dass dem 2. Futur gehülft werden könnte.
so ist mir aufgefollen, dass das 1. Futur schon selten genutzt wird, doch das zweite schon so gut wie gar nicht mehr da ist. viele menschs nutzen doch lieber die präsenssprache, stimmts?                   
einst wollte ich einen klub gründen. in diesem sollte dem futur II gehülft werden, doch keiner wollte eintreten. :'(
ein eindeutiges indiz, mein ich.
Um noch mal auf das Thema des Fadens zurückzukommen:

Ja, das Futur II ward schon mal diskutoren, und zwar im Brett Sprache in diesem (http://verben.texttheater.net/forum/index.php?topic=60.0) Faden.
Titel: Re: futur II
Beitrag von: amarillo in 2007-02-27, 20:40:22
Ich fass' es ja nicht: da haben wir endlich mal ein neues Mitglied, das auch noch bereit ist, mit uns kommuniz zu ieren, und dann kriegt sie zur Begrüßung eine Antwort, die nun aber auch gar nichts mit der gestollenen Frage zu tun hat (geschweige denn mit irgendeiner bekannten grammatischen Struktur) - es ist nicht zu glauben.... ???
Titel: Re: futur II
Beitrag von: Grinsekater in 2007-02-27, 21:34:42
Zitat von: amarillo in 2007-02-27, 20:40:22
Ich fass' es ja nicht: da haben wir endlich mal ein neues Mitglied, das auch noch bereit ist, mit uns kommuniz zu ieren, und dann kriegt sie zur Begrüßung eine Antwort, die nun aber auch gar nichts mit der gestollenen Frage zu tun hat (geschweige denn mit irgendeiner bekannten grammatischen Struktur) - es ist nicht zu glauben.... ???
Unglaublich, aber sehr unterhaltsam, will ich ergänzen. Ich fühle mich sehr an meine ersten Gehversuche in der englischen Temporabildung erinnert. (,,I will be having done.")

Zum Thema muß ich eingestehen, daß in der gesprochenen Sprache auch ich schon das Futur 1 unangemessen vernachlässige. Beim Schreiben jedoch bringe ich geneigtes Publikum (nicht zum Beispiel Ämter, Beratungsstellen u. dgl.) stets gerne in den Genuß der jeweils passendsten Verbform.

,,endlich mal ein neues Mitglied" - also wirklich, solch ein alter Hase bin ich aber auch noch nicht!
Titel: Re: futur II
Beitrag von: VerbOrg in 2007-02-27, 21:37:30
Zitat von: Grinsekater in 2007-02-27, 21:34:42,,endlich mal ein neues Mitglied" - also wirklich, solch ein alter Hase bin ich aber auch noch nicht!
Na, aber immerhin ein Hase, wenn auch ein Dachhase.
Titel: Re: futur II
Beitrag von: Grinsekater in 2007-02-27, 21:42:22
,,Dachhase" - den Ausdruck hatte ich vorher noch gehoren, er erregt mein Wohlgefallen. Auf den Dächern will ich gerne zum alten falschen Hasen perVertieren!
Titel: Re: futur II
Beitrag von: Berthold in 2007-02-28, 12:49:40
Zitat von: amarillo in 2007-02-27, 20:40:22
Ich fass' es ja nicht: da haben wir endlich mal ein neues Mitglied, das auch noch bereit ist, mit uns kommuniz zu ieren, und dann kriegt sie zur Begrüßung eine Antwort, die nun aber auch gar nichts mit der gestollenen Frage zu tun hat (geschweige denn mit irgendeiner bekannten grammatischen Struktur) - es ist nicht zu glauben.... ???
Vielleicht gehe ich da jetzt von der hiesigen Rederei aus, aber beim Gesprochenen halte ich das Futur 2 gar nicht für so selten; obzwar es da nicht so sehr eine Zeitstufe als eine Möglichkeit/Vermutung ausdrückt - einen Ersatz eines Konjunktivs, sozusagen.
Z.B. zwei Männer an einer Wirtshaustheke; ins Hochdeutsche übertragen:

K: Branko, du bist mein Freund; sag mir nur, war sie gestern dort oder war sie nicht dort?
B: Sie wird dort gewesen sein, Karli. Aber wie auch immer, reg dich nicht drüber auf!

In jenem Faden, den die VerbOrg erwähnt, werdet ihr wohl auch etwas Ähnliches geschrieben haben, oder?


 
Titel: Re: futur II
Beitrag von: doroquaedam in 2007-02-28, 20:30:30
vielen dank amarillo. einer, der das problem mit euch "kommuniz zu ieren" erkennt. als neuling ist düs nämlich gar nicht so leicht...
eigentlich habe ich ja die fruge gestellt, um die meinungs zu sehen, hab ich ja nu. also seid ihr nicht der meinung das futur II bedürfte hülfe?
berthold: ich mindete wirklich das futur II, das als zeitform aussterben wird, nicht die vermutungssache, denn die wird ja wirklich genutzet. das futur II ist doch so eine besondere sache in unserer geliebten sprach, da sollte eine zeitform doch nicht zu einer vermutungsform herabgeredet werden, oder?
Titel: Re: futur II
Beitrag von: amarillo in 2007-02-28, 21:11:46
Um es mal ganz einfach auszudrücken: als Tempus können wir auf Futur II bestens verzichten; als Modus (wie Berthold auch sagte), ist es sehr handlich, wenn man eine Vermutung äußert. Aber eine Herabminderung sehe ich da nicht, das Futur II hat schlichtweg einen neuen Arbeitsbereich bekommen. Modi sind nicht besser und nicht schlechter als Tempi.
Titel: Re: futur II
Beitrag von: VerbOrg in 2007-02-28, 21:46:39
Wolltest Du uns nicht bei der zweiten PerVers das Futur II Passiv schmackhaft machen? Ich erinnere mich an den Diskuss über die Sprachorgie, mit der wir den Ku umkrempeln wollten.

Ich find das Futur II schön.
Morgen um diese Zeit werd ich hier auch wieder reingeschauen und vielleicht den einen oder anderen Breitag geschrieben haben. Ganz sicher. Vielleicht werd ich mich dann auch schon wieder von hier abverschotten haben, um ein wenig in einem Buch zu lesen. Ihr wisst schon, das sind die Dinger, wo die Buchstaben noch auf Papier sind. So, als hätte man sich eine Internetzseite ausgedrocken, nur halt ein bisschen umfangreicher.

Ich iere schon dafür pläd, dass wir die Vielfalt der uns zur Verfug stehenden Zeitformen nutzen sollten.
Oder wollen wir dahin zurück, wo es nur die Vergangenheit und die Nichtvergangenheit gibt? Ich fänd's öde.
Titel: Re: futur II
Beitrag von: Ku in 2007-02-28, 21:57:22
Zitat von: VerbOrg in 2007-02-28, 21:46:39
Ich erinnere mich an den Diskuss über die Sprachorgie, mit der wir den Ku umkrempeln wollten.

Wo dann?
Auch wenn ihr Ku umkrempelt, das nützt euch nichts, denn er sieht innen wie außen aus.
Titel: Re: futur II
Beitrag von: Kilian in 2007-02-28, 22:58:58
Ich höre das Futur II im Alltag durchaus ab und an und benutze es auch. Es ruft meist Heiterkeit hervor, ein gebildetes Einanderzuzwinkern sozusagen, wie wenn eine sich überkorrekt ausdrückt, indem sie von einer CD erzählt, die sie "im Vereinigten Königreich" bestellt hat und die ewig braucht, aber es hilft auch, komplizierte Zukunftspläne deutlicher kommuniz zu ieren. "Ich komme dann zu euch, sobald ich die Autoschlüssel geholt haben werde" - ein durchaus natürlicher Satz, wenn auch am einfachen Futur gespart wurde. Natürlich fröhe es, noch öfter ein Futur II zu hören und zu lesen, denke ich - ein berechtigtes Anliegen also, doroquaedam!

ZitatIch fass' es ja nicht: da haben wir endlich mal ein neues Mitglied, das auch noch bereit ist, mit uns kommuniz zu ieren, und dann kriegt sie zur Begrüßung eine Antwort, die nun aber auch gar nichts mit der gestollenen Frage zu tun hat (geschweige denn mit irgendeiner bekannten grammatischen Struktur) - es ist nicht zu glauben.... ???

Nur gut, dass dafür bereits zwei Antworten später, in Antwort #3, intensiv und punktgenau auf das von doroquaedam aufgeworfene Thema eingegangen werden würde. ← Da haben wir schon so etwas wie ein Präteritum II, etwas m.W. nicht kanonisch Benanntes, aber eine ganz wichtige Zeitform für epische Vorausdeutungen, wie Hildegunst von Mythenmetz (http://www.zamonien.de/hildegunst/) sie erfunden haben will (ich komme jetzt leider nicht auf Mythenmetz' Terminus und habe das Buch (http://www.zamonien.de/enselundkrete/) nicht zur Hand, vielleicht kann katakura oder ein anderer Zamonier da helfen...?).

ZitatIch werde gegessen haben wollen (ist das jetzt auch Futur II? Aber dann von welchem Verb?)
Ich werde essen gewollt haben

Interessant, das macht das Thema Spaß mit Modalverben (http://verben.texttheater.net/forum/index.php?topic=82.msg%25msg_id%25) zukunftsträchtig.

ZitatImperfekt II:           Als ich auf der Grundschule war, wurde ich jeden Vormittag nach der Schule zu Mittag essen.

Das erinnert an die englische would-Konstruktion, die im Gegensatz zum deutschen Präteritum II auch Gewohnheiten und sich Wiederholendes beschreiben kann: Every morning Mr Smith left the house at 7 o'clock. He would then buy The Guardian at the newsagent's.

ZitatPlusquamperfekt II: Nachdem du ja schon am Morgen kommen geworden warst, hättest Du mir spätestens am Mittag Bescheid geben können.

Kannst du mir das mal am Zeitstrahl erklären? ???

ZitatDie vor dem Essen gesungen gehabt habenden Chormitglieder bedankten sich bei den fleißigen Köchen. Diese Form ist grammatisch notwendig, denn die Chormitglieder hatten, als sie sich letztens bedankten, bereits vor dem aus der damaligen Perspektive in der Vergangenheit liegenden Essen gesungen gehabt. Und natürlich waren sie durch ihr Singen auch bereits essen und sich bedanken werden geworden gewesen. ;D

Hoffen wir, dass Max Planck Recht hat und die Zeit gequolnten ist - dann muss man innerhalb einer endlichen Zeitspanne auch nur für eine endliche Anzahl von Zeitpunkten jeweils eigene Tempora erfinden...
Titel: Re: futur II
Beitrag von: Agricola in 2007-03-01, 01:54:47
Zitat von: Kilian in 2007-02-28, 22:58:58
ZitatPlusquamperfekt II: Nachdem du ja schon am Morgen kommen geworden warst, hättest du mir spätestens am Mittag Bescheid geben können.

Kannst du mir das mal am Zeitstrahl erklären? ???

Leider fehlen mir hier die Zeichenwerkzeuge. Ich ging bei meinen ganzen Ausführungen davon aus, dass eine Zukünftige Handlung - ebenso wie eine im Perfekt ausgedrückte vergangene Handlung - auch eine Bedeutung für die Gegenwart hat. "Ich werde kommen" drückt also das gegenwärtige Bewusstsein von einer anstehenden Handlung aus.  Man sagt es, wenn man sich bewusst ist, dass man kommen kann. Der zitierte Satz hieße also im traditionellen Deutsch:
Nachdem du dir ja schon am Morgen bewusst gewesen warst, dass du kommen würdest, hättest du mir spätestens am Mittag Bescheid geben können.
Titel: Re: futur II
Beitrag von: Agricola in 2007-03-01, 01:56:23
Zitat von: Ku in 2007-02-28, 21:57:22
Zitat von: VerbOrg in 2007-02-28, 21:46:39
Ich erinnere mich an den Diskuss über die Sprachorgie, mit der wir den Ku umkrempeln wollten.

Wo dann?
Auch wenn ihr Ku umkrempelt, das nützt euch nichts, denn er sieht innen wie außen aus.
Interessanter Fall für die Physiologie. Unter diesen Umständen sollte man es wirklich einmal probieren und für die Wissenschaft dokumentieren.
Titel: Re: futur II
Beitrag von: amarillo in 2007-03-01, 07:18:42
Zitat von: Kilian in 2007-02-28, 22:58:58
Ich höre das Futur II im Alltag durchaus ab und an und benutze es auch. Es ruft meist Heiterkeit hervor, ein gebildetes Einanderzuzwinkern sozusagen, wie wenn eine sich überkorrekt ausdrückt, indem sie von einer CD erzählt, die sie "im Vereinigten Königreich" bestellt hat und die ewig braucht, aber es hilft auch, komplizierte Zukunftspläne deutlicher kommuniz zu ieren. "Ich komme dann zu euch, sobald ich die Autoschlüssel geholt haben werde" - ein durchaus natürlicher Satz, wenn auch am einfachen Futur gespart wurde. Natürlich fröhe es, noch öfter ein Futur II zu hören und zu lesen, denke ich - ein berechtigtes Anliegen also, doroquaedam!

ZitatIch fass' es ja nicht: da haben wir endlich mal ein neues Mitglied, das auch noch bereit ist, mit uns kommuniz zu ieren, und dann kriegt sie zur Begrüßung eine Antwort, die nun aber auch gar nichts mit der gestollenen Frage zu tun hat (geschweige denn mit irgendeiner bekannten grammatischen Struktur) - es ist nicht zu glauben.... ???

Nur gut, dass dafür bereits zwei Antworten später, in Antwort #3, intensiv und punktgenau auf das von doroquaedam aufgeworfene Thema eingegangen werden würde.

Warum hätte ich das wohl tun sollen? VerbOrg hatte doch bereits den Knupf zur vorherigen Diskussion eingestollen.

Titel: Re: futur II
Beitrag von: doroquaedam in 2007-03-01, 09:15:46
das futur II sollte auf einer "perVers" schmackhaft gemacht werden?
perVers: ich hab schon was darübs gelesen, treffens ihr euch da so und diskutürt?wie gesagt, ich bin noch ein frischling.
Titel: Re: futur II
Beitrag von: amarillo in 2007-03-01, 09:19:03
Lies Dir am besten den Faden 'Pervers 5' durch, da steht das Wichtigste drin.
Es wäre in jedem Fall toll, wenn Du am Wochenende 24./25. März auch in Köln sein könntest! :D
Titel: Re: futur II
Beitrag von: Berthold in 2007-03-01, 12:01:36
Zitat von: Kilian in 2007-02-28, 22:58:58
"Ich komme dann zu euch, sobald ich die Autoschlüssel geholt haben werde" - ein durchaus natürlicher Satz, wenn auch am einfachen Futur gespart wurde.
Ich glaube, lieber Kilian, daß hier das Futurum 2 nur deshalb als klare Wirklichkeit empfunden wird, weil ich etwas über mich selber sage - was ich ja wissen muß.
   Bei 'Sie kommt dann zu uns, sobald sie die Autoschlüssel geholt haben wird', dünkt es mich, trotz des 'sobald', nicht mehr ganz so sicher zu sein, ob sie die Autoschlüssel überhaupt holen wird.
   Außerdem ist es mit dem 'werde' am Ende eine eigene Sache. 'Ich werde kommen, sobald ich das geholt haben werde': Hier stünde ein 'werde' zu viel. Dafür ist aber 'Ich werde zu euch kommen, sobald ich die Autoschlüssel geholt habe' wohl eleganter als obiger Beispielssatz. Statt eines Futur 2 sähe ich im 'werde' am Ende eine Art Verschiebung, die eher darauf hinweist, daß der Hauptsatz in der Zukunft abläuft.

   
Titel: Re: futur II
Beitrag von: katakura in 2007-03-01, 12:44:58
Zitat von: Kilian in 2007-02-28, 22:58:58
[...] Da haben wir schon so etwas wie ein Präteritum II, etwas m.W. nicht kanonisch Benanntes, aber eine ganz wichtige Zeitform für epische Vorausdeutungen, wie Hildegunst von Mythenmetz (http://www.zamonien.de/hildegunst/) sie erfunden haben will (ich komme jetzt leider nicht auf Mythenmetz' Terminus und habe das Buch (http://www.zamonien.de/enselundkrete/) nicht zur Hand, vielleicht kann katakura oder ein anderer Zamonier da helfen...?).

... ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich denke, es handelt sich entweder um die literarisch legendäre

Mythenmetz'sche Ereignisandrohung

oder aber die

Mythenmetz'sche Ungewissheitsschürung

... mangels momentanen zugriffs auf das buch kann ich dafür leider gerade keine beispiele anführen ... indes bin ich mir fast sicher, daß mythenmetz gerade dafür keine beispiele angeführt hat, sodass es uns freistünde, die konstruktion einer solchen ereignisandrohung oder ungewißheitsschürung erstmalig zu definieren ... vielleicht als futur III und futur IV? ...

... allerdings sind hier andere berufener, das auszuknobeln ... ich übergebe also wieder an kilian, amarillo, berthold, agricola etc.
Titel: Re: futur II
Beitrag von: Agricola in 2007-03-01, 13:03:12
Das ist wohl vor allem eine Sache der Sprachökonomie - da die Präsensform im Deutschen auch Futurbedeutung haben kann, wird das "werden" nur verwendet, wenn es andernfalls zu Missverständnissen kommen kann, und erst recht wird es nicht überflüssigerweise wiederholt. Es kann aber vorkommen, dass die Futur- und Futur-II-Formen in allen Satzteilen nicht redundant sind und deshalb nicht stören, auch im rein temporalen Sinne:

Obwohl er seinen Schulabschluss im März noch nicht ganz hinter sich gebracht haben wird, wird er die Arbeitsstelle schon antreten.

Im ersten Satzteil ist das "wird" nicht redundant, weil man sonst irrtümlich meinen könnte, es wäre vom vergangenen März die Rede, und im zweiten Satzteil ist es nicht überflüssig, weil man ihn sonst auf die Gegenwart beziehen könnte.
Titel: Re: futur II
Beitrag von: Berthold in 2007-03-01, 15:59:58
Zitat von: Agricola in 2007-03-01, 13:03:12
(...) auch im rein temporalen Sinne:
Obwohl er seinen Schulabschluss im März noch nicht ganz hinter sich gebracht haben wird, wird er die Arbeitsstelle schon antreten.

Im ersten Satzteil ist das "wird" nicht redundant, weil man sonst irrtümlich meinen könnte, es wäre vom vergangenen März die Rede, und im zweiten Satzteil ist es nicht überflüssig, weil man ihn sonst auf die Gegenwart beziehen könnte.
Schon, aber ein Konzessivsatz hat keinen 'rein temporalen Sinn'. Hier zwingt uns, glaube ich, das Satzschema 'Obwohl er noch nicht ... gemacht hat, wird er ... -e(-l/r-)n.' (Aha, ein Konzessivsatz!), an einen realen Sachverhalt zu denken.
Hingegen: *'Obwohl ich Schweinsbraten nicht gerne äße, schnitte ich mir doch ein Stück davon ab.' -??- -: So läuft's doch nicht! - 'Obwohl ... nicht gerne esse, schnitte ich mir ...' So geht's schon eher. Aus Höflichkeit - oder was weiß ich, warum.
Doch zurück zu unserem Beispiel: 
Obwohl mir etwas als real dargestellt werden soll, stutze ich bei '... noch nicht ganz hinter sich gebracht haben wird' und frage mich: Ja wird denn der diesen Schulabschluß im März noch nicht ganz hinter sich gebracht haben - oder wird er es vielleicht doch noch schaffen? Denn, o Konzessivsatz, diesen Zweifel wirst du nicht verscheuchen! - Und wie ist das mit dieser Arbeitsstelle: Darf man dort den Dienst so einfach antreten, wenn man den Schulabschluß noch nicht in der Tasche hat? Braucht man dort vielleicht überhaupt keinen Schulabschluß? Was hat's außerdem mit diesem März auf sich? ...     
Titel: Re: futur II
Beitrag von: Agricola in 2007-03-01, 16:33:20
Kein Satz funktioniert ganz ohne Kontext. Also gebe ich ihn:

A: Franz macht in diesem Jahr seinen Schulabschluss. Die Zeugnisverleihung ist wie immer Anfang April.

B: Und was hat er danach vor?

A: Ja, das ist ja das Tolle: Er kann sofort bei der Druckerei anfangen, er hat seinen Stellenvertrag gestern schon unterschrieben.

B: Was, jetzt schon? Obwohl er sein Abschlusszeugnis noch gar nicht hat?

A: Na ja, die kennen ihn ja schon seit Jahren, im Sommer hat er mehrmals dort gejobbt. Und dass er exzellente Schulnoten hat, wissen die auch, da ist das mit dem Abschluss sowieso keine Frage. Und du weißt ja, der Vater ist ein Jugendfreund vom Druckereibesitzer.

B: Eigentlich hätten die trotzdem warten können, wie bei anderen auch. Finde ich.

A: Die haben da den totalen Engpass zur Zeit, die wollen, dass er möglichst bald mit anpackt. Er wird sogar im März schon in der Abendschicht voll einsteigen.

B: Was? Das heißt, obwohl er seinen Schulabschluss dann noch nicht ganz hinter sich gebracht haben wird, wird er die Arbeitsstelle schon antreten? Find' ich ja krass.

A: Ist schon krass. So ein bisschen Auszeit hätte ich ihm auch gegönnt.

Im übrigen: "Der Konzessivsatz hat keinen rein temporalen Sinn" - natürlich nicht, sondern einen konzessiven. Aber die Verbform (Futur II) hat einen rein temporalen Sinn und drückt eben keine Vermutung aus.
Titel: Re: futur II
Beitrag von: Berthold in 2007-03-01, 17:05:16
Zitat von: Agricola in 2007-03-01, 16:33:20
Aber die Verbform (Futur II) hat einen rein* temporalen Sinn und drückt eben keine Vermutung aus.
- was ich mir nicht einreden lasse.

*von mir hervorgehoben. Schon dieses 'rein' schwächt, glaube ich, Deine Behauptung ab.
Titel: Re: futur II
Beitrag von: Kilian in 2007-03-01, 17:08:18
Zitat von: Berthold in 2007-03-01, 12:01:36
Zitat von: Kilian in 2007-02-28, 22:58:58
"Ich komme dann zu euch, sobald ich die Autoschlüssel geholt haben werde" - ein durchaus natürlicher Satz, wenn auch am einfachen Futur gespart wurde.
Ich glaube, lieber Kilian, daß hier das Futurum 2 nur deshalb als klare Wirklichkeit empfunden wird, weil ich etwas über mich selber sage - was ich ja wissen muß.
   Bei 'Sie kommt dann zu uns, sobald sie die Autoschlüssel geholt haben wird', dünkt es mich, trotz des 'sobald', nicht mehr ganz so sicher zu sein, ob sie die Autoschlüssel überhaupt holen wird.
   Außerdem ist es mit dem 'werde' am Ende eine eigene Sache. 'Ich werde kommen, sobald ich das geholt haben werde': Hier stünde ein 'werde' zu viel. Dafür ist aber 'Ich werde zu euch kommen, sobald ich die Autoschlüssel geholt habe' wohl eleganter als obiger Beispielssatz. Statt eines Futur 2 sähe ich im 'werde' am Ende eine Art Verschiebung, die eher darauf hinweist, daß der Hauptsatz in der Zukunft abläuft.

Ein besseres Beispiel: "Sie kommt bestimmt um 19 Uhr zu uns, weil sie die Autoschlüssel ja bis dahin erhalten haben wird." Das Futur II wird benutzt, um explizit zu machen, dass der Erhalt noch in der Zukunft liegt.
Titel: Re: futur II
Beitrag von: Agricola in 2007-03-01, 17:15:26
Zitat von: Berthold in 2007-03-01, 17:05:16
*von mir hervorgehoben. Schon dieses 'rein' schwächt, glaube ich, Deine Behauptung ab.
Inwiefern? Es macht doch den Inhalt der Aussage überhaupt erst aus. Denn dass die Verbform des Futur II überhaupt und immer eine temporale Bedeutung hat (wenn auch nicht immer eine zukünftige), wird ja wohl niemand bestreiten.
Titel: Re: futur II
Beitrag von: Berthold in 2007-03-01, 17:15:54
Zitat von: Kilian in 2007-03-01, 17:08:18
Ein besseres Beispiel: "Sie kommt bestimmt um 19 Uhr zu uns, weil sie die Autoschlüssel ja bis dahin erhalten haben wird." Das Futur II wird benutzt, um explizit zu machen, dass der Erhalt noch in der Zukunft liegt.
Vielleicht empfindet man das in Teilen Deutschlands anders, weil man dort nicht so in Möglichkeiten, Abschwächungen und Höflichkeiten schwelgt wie bei uns. Aber ich höre vor allem aus dem 'ja' immer noch eine Unsicherheit heraus: sowohl für den Satz selbst als auch bei Deiner Behauptung.
Was das Futur II, auf die Zeitenfolge bezogen und vom lateinischen Satzbau sicherlich beeinflußt, so bedeuten soll, das braucht ihr mir ja eh nicht zu schreiben.
Doch so rein temporal kann ich Eure Mustersätze einfach nicht nehmen. Das werdet Ihr nun wohl verstanden haben.
Warum soll's außerdem nur in der Lexik und in der (Phrase!:) Oberflächengrammatik ('ist gesessen' gegenüber 'hat gesessen' und so was) in unserem Sprachraum regionale Unterschiede geben? Warum nicht im Sprachgefühl dem Futurum II gegenüber? Ich bin mir ziemlich sicher, daß mir die Leute, bei einer typischen Kaffeehausumfrage z.B. in der Josefstadt, nachdem ich ihnen das Problem, so weit ich kann, objektiv erklärt haben würde, Recht geben - oder doch gäben - geben werden täterten. 

 
Titel: Re: futur II
Beitrag von: Agricola in 2007-03-01, 18:05:28
Da wäre ich ja mal gesponnen. Mach mal Deine typische Kaffeehausumfrage und erstatte dann Bericht! :o
Titel: Re: futur II
Beitrag von: Kilian in 2007-03-01, 23:08:42
ZitatAber ich höre vor allem aus dem 'ja' immer noch eine Unsicherheit heraus: sowohl für den Satz selbst als auch bei Deiner Behauptung.

Ich stimme zu, die Lesart hat der Satz für mich auch. Das werden in Vermutungsbedeutung. Natürlich. Gerne auch Futur II und Vermutungsbedeutung vermongen.

Zitat... mangels momentanen zugriffs auf das buch kann ich dafür leider gerade keine beispiele anführen ... indes bin ich mir fast sicher, daß mythenmetz gerade dafür keine beispiele angeführt hat, sodass es uns freistünde, die konstruktion einer solchen ereignisandrohung oder ungewißheitsschürung erstmalig zu definieren ... vielleicht als futur III und futur IV? ...

In dem Film Schräger als Fiktion, der übrigens sehr zu empfehlen ist, kommt ein Literaturprofessor vor, der eigener Aussage zufolge ganze Bücher geschrieben hat über Er sollte nicht ahnen...
Titel: Re: futur II
Beitrag von: Berthold in 2007-03-02, 15:30:41
Zitat von: Kilian in 2007-03-01, 23:08:42
ZitatAber ich höre vor allem aus dem 'ja' immer noch eine Unsicherheit heraus: sowohl für den Satz selbst als auch bei Deiner Behauptung.
Ich stimme zu, die Lesart hat der Satz für mich auch. Das werden in Vermutungsbedeutung. Natürlich. Gerne auch Futur II und Vermutungsbedeutung vermongen.
Dagegen kann ich nun warchkl nichts mehr einwenden (Hoffchalnt schreibt sich das nicht 'einwänden'). Das mit der Varmot ist irgendwie in statu nascendi.
Gut tut man oft dran, Menschen, die unverbolden und von weiter weg etwas betrachten, zu sprachlichen Sachen anzuhören. Der Anlaut/Anfang im Wienerischen 'Arschloch' - also für mich 'Oaschlooch' -, versarch mir vor vielen Monaten die Barbara aus Kattowice, klinge für sie so, als gehe dem o ein polnisches ł voraus: - also irgendwie 'Wuoaschlooch'. Ich sug damals zu ihr: "Unsinn, Barbara, ein offenes 'o' gefolgt von einem 'a'-hulgten Murmellaut. das ist's" - und so kennt man's aus Publikationen über ostösterreichische Dialekte. - Doch dann hor ich mir einmal Wiener 'Arschloch'-Sprecher warchkl an, und siehe da, die 'Wuoaschlooch'-Aussprache - vor allem in der (Modewort der Sprachkunde:) Emphase - erschien mir immer plausibler, ist vielleicht auch soeben am Entstehen.
Der Phonetiker, der als erster draufkam (es zumindest publizor), daß die Wiener 'ao' (<- au) , 'ae' (<- ei) und 'aö' (<- eu)-'Diphthonge' eigentlich Monophthonge sind, ist übrigens Amerikaner und heißt Byron J. Koekkoek.


Titel: Re: futur II
Beitrag von: Agricola in 2007-03-02, 15:43:10
Auch da interessiert mich als Wissenschaftler wie immer eher das Methodische: Wie sammelt man möglichst viel Material bei einer Feldforschung über die Aussprache des Wortes "Arschloch"?
Titel: Re: futur II
Beitrag von: Berthold in 2007-03-05, 10:44:26
Ach, ganz ohne Parabol-Verstärker (-> Freilandornithologie), Taschen-Röntgen und Oszillograph(en). Derlei tät die Leut ja auch verschrecken. Einfach so, auf den Gassen und Straßen, da wird dieses Wort oft & oft - und meist sehr deutlich - ausgesprochen.
Titel: Re: futur II
Beitrag von: Kilian in 2007-03-05, 23:17:07
Antwort auf die zamonische Frage: Es ist die Mythenmetzsche Ereignisandrohung, für die es in Ensel und Krete auf Seite 203 f. mehrere Beispiele gibt:

Hier drinnen waren sie in der Gewalt der Hexe, aber was war das da draußen? Gleich würden sie es erfahren, denn es kam gerade herein. Das sollte sich noch einmal böse rächen. Er konnte ja nicht ahnen, daß dieser Fahnenmast in seinem Leben noch eine wichtige Bedeutung haben würde. Die Ofentür öffnete sich wie von selbst, und was dann geschah, sollte dem Leben des Köhlers eine Wendung geben, die... usw. S. 34. Er sah in den Kelch. Was er darin erblickte, war die Zukunft. Und sie war voller Ereignisse, die derart abenteuerlich... usw. S. 164.
Titel: Re: futur II
Beitrag von: katakura in 2007-03-06, 15:14:44
Zitat von: Kilian in 2007-03-05, 23:17:07
Antwort auf die zamonische Frage: Es ist die Mythenmetzsche Ereignisandrohung, für die es in Ensel und Krete auf Seite 203 f. mehrere Beispiele gibt ...

... ah, es war in E&K! ... mir fielen nur noch die begriffe ein, aber nicht mehr, wo sie mythenmetz verwandte ... hat er auch die literarische technik der ungewißheitsschürung erläutert? ...
Titel: Re: futur II
Beitrag von: Kilian in 2007-03-08, 10:10:13
Bestimmt in E&K, aber an anderer Stelle... hab ich jetzt auf die Schnelle nicht gefunden.