Es gibt etwas, was mich seit langem wirklich ärgert. Und das muss ich hier loswerden!
Im Deutschen gibt es Länder ohne Artikel wie "Deutschland", "Frankreich" usw... Das könnte man vielleicht als "die Regel" bezeichnen. Es gibt aber auch Ausnahmen, nämlich Länder mit Artikel, so z. B.: die Niederlande (Plural), die USA (Plural), der Iran, der Irak, die Schweiz, die Ukraine, ... Das Ganze hat dann Auswirkungen auf die Präpositionen: "Ich fahre nach Frankreich", aber "Ich fahre in die Schweiz".
In letzter Zeit ist mir vor allem auf SpiegelOnline aufgefallen (bei der FAZ oder ZEIT habe ich das auch schon gelesen), dass da einfach die Artikel weggelassen werden. Ich weiß nicht, warum, aber es regt mich auf ;) Da steht immer wieder: in Irak. aus Iran... usw. Diese Länder werden einfach wie die anderen behandelt.
Kann man diesem Treiben irgendwie Einhalt gebieten? Meint ihr, es würde was nützen, da mal hinzuschreiben?
Spiegel Online selbst - genauer: der Zwiebelfisch - schreibt Interessantes und Aufschlussreiches dazu: http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/0,1518,327185,00.html Zu dem Grund des Weglassens allerdings nur Folgendes:
ZitatHeute gehen immer mehr Redaktionen und Verlage dazu über, "Iran" artikellos zu gebrauchen, da es im Persischen selbst keine Artikel gibt.
Die Begründung ist unbelegt und überzeugt mich nicht besonders... findet jemand eine bessere Erklärung? Oder wird in deutschen Redaktionen und Verlagen tatsächlich so viel aus dem Persischen übersotzen? Ich verdächtige ja eher den Einfluss des Englischen.
Danke für den Link, Kilian!
Diese Argumentation ist für mich nicht nachvollziehbar. Es geht hier erstmal um die deutsche Sprache, nicht um die persische.
Dann müssten wir zum Beispiel bei allen Fremdwörtern, die wir aus anderen Sprachen geholt haben, die Artikel anpassen. Das wird ne Arbeit... ;) Außerdem ist "Iran" nicht mal ein persisches Fremdwort.
Und.. ob man Persien/persisch mit dem Iran gleichsetzen kann, müsste man vielleicht mal einen Perser/Iraner fragen.
Verstehe ich an Sicks Argumentation vielleicht was falsch?
Ich staune! :o
Zitat von: philemon in 2008-05-03, 21:27:10
Im Deutschen gibt es Länder ohne Artikel wie "Deutschland", "Frankreich" usw... Das könnte man vielleicht als "die Regel" bezeichnen. Es gibt aber auch Ausnahmen, nämlich Länder mit Artikel, so z. B.: die Niederlande (Plural), die USA (Plural), der Iran, der Irak, die Schweiz, die Ukraine, ... Das Ganze hat dann Auswirkungen auf die Präpositionen: "Ich fahre nach Frankreich", aber "Ich fahre in die Schweiz".
Das ist manchmal seltsam: 'Ich fahre in die Steiermark' ist rachgt. 'Ich fahre in die Dänemark' hingegen erscheint falsch. Herr Dr. F. S., ein Kollege und Freund, hat sich dennoch auf 'die Dänemark' vurstimpf.
Irgendwie lustig, dass die Steiermark die Weilb (Weiblichkeit so richtig?) des Ursprunges "die Mark" behalten hat, "Dänemark" hingegen zu einem Neutrum mutoren ist.
Richtig skurril wird's bei folgenden. Man verwendet Deutschland, England, Finnland, Estland, Russland und Weißrussland allesamt ohne Artikel, alldieweil sie sächlich sind, und doch sagt man, aus mir völlig unbekannten Gründen das Saarland.
Und in das Rheinland.
Auch fährt man in Berlin nach Mitte oder in die Gropiusstadt; aber in die Mitte von Gropiusstadt.
Es könnte damit zusammenhängen, ab wann eigentlich gewöhnliche Bezeichnungen zu Eigennamen werden. Bei dem Saarland impliziert das Bild "des Landes an der Saar", "Dänemark" steht jedoch eher als Eigenname da - genauso wie "Paul". Süge man "die Dänemark", so dächte der Hörende wiederum eher an "die Mark der Dänen", "der Dänen Gemark" und "Saarland" ist eher Eigenname als "das Saarland". So können auch Mitte und Gropiusstadt eher als Eigennamen denn als die Mitte Berlins und die Stadt Gropius betrachtet werden.
Weil ich gerade in so einem Redeschwall bin: Einerseits ist unsere Stadt hier eingeteilt in Alt- und Neustadt, andererseits gibt's in der Nähe auch ein Dörflein namens "Neustadt" und beide zeichnen sich durch unterschiedlichen Gebrauch aus. "Der Bus fährt in die Neustadt", und ,"Der Bus fährt nach Neustadt."
Mir scheint, man kann drei Stufen von Artikelhaftigkeit unterscheiden:
1. Gattungsnamen wie Tisch, Tuch, Tier usw. haben Artikel.
2. Bei Eigennamen wie Saarland, Rheinland, Gropiusstadt steht normalerweise ein Artikel, aber er kann auch schon mal verschwinden, etwa nach Präpositionen (Vertretung von Saarland bei der Europäischen Union, Mitte von Gropiusstadt...)
3. Eigennamen wie Deutschland, Dänemark, Darmstadt haben keine Artikel.
Die Zugehörigkeit zur Gruppe 3 scheint bei Ländern und Städten mit nationaler bzw. kommunaler Eigenständigkeit zu korrelieren.
Personennamen ordnetete ich entweder einer eigenen vierten Gruppe oder der zweiten zu, denn sowohl im gehobenen Genitive als auch in der Umgangssprache können sie einen Artikel erhalten.
"Kennst du die Lisa?"
"Ich habe dem Paul schon sein Geschenk gegeben." (Nicht zu verwechseln mit: "Ich habe dem Paul sein Geschenk schon [jemandem] gegeben.")
Die Leiden des jungen Werthers (Im Original bekam der Eigenname sogar noch ein Genitiv-S)
Auch Ländernamen, die sonst keine Artikel tragen, tragen diese ja in bestimmten Satzkonstruktionen. So wohnt man heute gut in Deutschland, aber im Deutschland der 50er Jahre konnte man auch gut wohnen.
Das mit der Eigenständigkeit von Ländernamen stimmt zwar im Sinne einer Korrelation, aber eben nur statistisch, nicht auf jedes Einzelbeispiel bezogen. So ist man auch in Pommerland, und (nicht das) Pommerland ist abgebrannt, obwohl noch niemand behauptet hat, dass es ein Land dieses Namens gebe. Und die Schweiz und die Niederlande wären ja ohnehin klassische Gegenbeispiele in der anderen Richtung.
Nun gut, die Verwendung "<Land> der ...er Jahre" suggeriert auch, dass es mehrere Deutsche Länder gibt, daher erscheint hier ein Artikel auch logisch.
Doch Schweiz und Niederlande sind unpassende Beispiele, da sie nichtsächlichen Geschlechtes sind. Der Artikel kann meines Wissens nur bei sächlichen Ländern im Singular entfallen. Gegenbeispiele sind also die Schweiz, die Niederlande, die Monolei, die USA, der Jemen, der Irak, der Iran, ...
Zitat von: Übertreiber in 2008-11-07, 20:08:33
...die Monolei, ...
Nicht zu vergessen sei die Polylei. ;)
Zitat von: Übertreiber in 2008-11-07, 14:34:16
Personennamen ordnetete ich entweder einer eigenen vierten Gruppe oder der zweiten zu, denn sowohl im gehobenen Genitive als auch in der Umgangssprache können sie einen Artikel erhalten.
"Kennst du die Lisa?"
"Ich habe dem Paul schon sein Geschenk gegeben." (Nicht zu verwechseln mit: "Ich habe dem Paul sein Geschenk schon [jemandem] gegeben.")
Die Leiden des jungen Werthers (Im Original bekam der Eigenname sogar noch ein Genitiv-S)
Diese Verwund des Artikels mit dem Vornamen halte ich persoln ja für den Ausdruck manirierten Psycho-Geschwalles. Wird vor allem gern nach einem intimitätsheuchelnden 'Du' verwonden. "Du, der Paul hat die Lisa heute zum Essen eingeladen; Du, ich weiß nicht, irgendwie finde ich das ja ein Stück weit total toll für die Lisa..." *würg, kotz, ächz*
Zitat von: Agricola in 2008-11-07, 19:16:26Auch Ländernamen, die sonst keine Artikel tragen, tragen diese ja in bestimmten Satzkonstruktionen. So wohnt man heute gut in Deutschland, aber im Deutschland der 50er Jahre konnte man auch gut wohnen.
Stimmt, und das gilt für alle Eigennamen, z.B. sagt man ja auch
Der Peter, den ich kenne, macht so etwas nicht - wenn man also entweder von dem bezinchenen Individuum nur in einer bestimmten Zeit, Erscheinungsform oder möglichen Welt sprechen oder mehrere gleichnamige Individuen voneinander unterscheiden will.
Dementsprechend kann man im Falle von Deutschland durchaus unterscheiden:
Deutschland, das ich liebe, steckt in einer tiefen Krise.
und
Das Deutschland, das ich liebe, steckt in einer tiefen Krise.
Während bei der Schweiz:
Die Schweiz, die ich liebe, steckt in einer tiefen Krise.
nicht deutlich ist, welche von beiden Aussagen gemeint ist. Im Englischen würde der Unterschied zwischen beiden Aussagen in der Kommasetzung (http://www.prolognews.com/to-comma-or-not-to-comma.htm) ausgedrückt, falls mich meine rudimentären Englischkenntnisse nicht täuschen:
The United Kingdom, which I love, is experiencing a fundamental crisis.
The United Kindom which I love is experiencing a fundamental crisis.
Richtig, das ist der Unterschied zwischen nicht restriktiven und restriktiven Relativsätzen.
Zitat von: Fleischers Karsten in 2008-11-07, 22:49:28
Nicht zu vergessen sei die Polylei. ;)
Jau, Neutsch für Polynesien! ;D
Zitat von: Agricola in 2008-11-09, 05:15:40
Während bei der Schweiz:
Die Schweiz, die ich liebe, steckt in einer tiefen Krise.
Hmm, also mein etwas überdrehendes Sprachgefühl schlägt hier aus mir nicht bekannten Gründen vor:
Schweiz, die ich dich liebe, du stickst in einer tiefen Krise.
So lange es um Länder geht, ist das ja halb so schlimm, eine andere Unart ärgert mich in letzter Zeit dagegen sehr: die Angewöhn, auch ehrwürdigen Institutionen wie z.B. der Schule ihren Artikel zu nehmen. "Was kann Schule leisten?" heißt das dann z.B. in unschönstem Predigersprech. A propos Prediger: Auch Kirche ist nicht mehr, was sie mal war, wie man merkt, wenn es etwa heißt "Der Bedeutungsverlust von Kirche in der Gesellschaft" (warum nicht gleich "Kirche in Gesellschaft"?) usw.
Was ist hier los? ??? Gönnt man all diesen mehr oder weniger schönen Einrichten ihre Artikel nicht mehr? Oder werden sie dadurch vielmehr zu nicht nur juristischen, sondern gleich auch noch grammatischen Personen erhoben?
Bin ratlos ...
Zitat von: Tante Else in 2009-04-21, 16:50:14
"Was kann Schule leisten?" heißt das dann z.B. in unschönstem Predigersprech. A propos Prediger: Auch Kirche ist nicht mehr, was sie mal war, wie man merkt, wenn es etwa heißt "Der Bedeutungsverlust von Kirche in der Gesellschaft" (warum nicht gleich "Kirche in Gesellschaft"?) usw.
Was ist hier los? ??? Gönnt man all diesen mehr oder weniger schönen Einrichten ihre Artikel nicht mehr? Oder werden sie dadurch vielmehr zu nicht nur juristischen, sondern gleich auch noch grammatischen Personen erhoben?Bin ratlos ..
Protz- und Blähsprech m. E., klingt jedenfall so, als wewülle man den Institutionen zu einem noch höheren Niveau von Abstraktion verhelfen. Das soll dann wohl wiederum die enorme Abstraktionsfähe des Sprechers unterstreichen. :P
Es geht aber doch weder um "die Kirche" (die es - außer für Katholiken - nicht gibt, weil es ja mehrere gibt) noch um "eine Kirche" (denn es soll ja nicht das Werk der einzelnen Kirche betrachtet werden). Auch wäre der Plural hier nicht angemessen, da es nicht um zählbare Einheiten geht, sondern um das Phänomen als Ganzes. Vielleicht ließe sich eine schönere Formulierung finden, aber für die Kürze einer Schlagzeile finde ich den Begriff ohne Artikel in diesem Zusammenhang angemessen.
Es geht ja nicht nur um die Kirche, das Phänomen breitet sich auch sonst aus; auch "Gesellschaft", "Politik", "Kultur", usw. usf. müssen immer häufiger artikellos durch die Welt irren, die Ärmsten ...
... das ist ja noch vergleichsweise harmlos gegen den rudimentären dummsprech einiger journalisten und politiker, die neuerdings mit unsinnig verkürzten sätzen wie "kann steinmeier bundeskanzler?" oder "der kann politik" glänzen ...
Das ließe sich sogar kombinieren. Beispiele: "Kann Kirche Papst?" "Macht Politik Aua?" ;D
Das hat zwar nix mit verlorenen Artikeln zu tun; eher mit der verlorenen Zeit: Als ich namchl damals mit dem Studium (der 'Disedatzeaun') nicht & nicht fertig ward, hor ich immer wieder die Frage ''n 'st'n feati?' Was heißt: 'Wann wirst du denn fertig?'
Ob man auch was herausbekommen hatte, war den Leuten vergleichsweise wurscht.
... ich bin mit meinem letzten beitrag gerade mal einen halben tag schneller gewesen als spiegel online ... in diesem beitrag:
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,620535,00.html (http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,620535,00.html)
nimmt sich reinhard mohr u.a. ebenjenes phänomens an, das ich beschrieb: des rudimentären politikersprechs a la müntefering ... unter dem motto "korrektes Deutsch muss nicht" ist der zur lektüre empfohlene beitrag an der neuen zdf-show zur suche von nachwuchspolitikern aufgehängt, die wohl wie heißt? ... genau: "Ich kann Kanzler" ...
... und ich stecke mir gleich meine scherenklaue bis sonstwohin in den schlund :( ...
Jo, war erfrischend zu lesen, für SPON-Verhältnisse. Nur: Wer im Glashaus, also im SpadL sitzt, sollte mit Gemäkel an anderer Leuts Sprachgebrauch lieber vorsichtig sein. Schlielß füllen die krähaktiven SpOnl-Elaborate unseren foll-daneben-Faden zu einem guten Teil. Gans bizarr: Bildunterschriften bei deren Bilderstrecken. Die werden offenbar von Erstklässlern auf Speed in die Tasten gehauen. Dabei dacht' ich, Kinderarbeit wär' verboten...
@ weiter oben:
Schätze, Kirche, Politik, Journaille etc. passen sich einfach PISA-Generation an. SMS-Stil halt.