Hi an alle!
Ich fragte mich immer vor dem Schlafengehen, ob ich nun an alle:
"Lasst uns schlafen gehen!" oder "Gehen wir schlafen!" sagen sollte. Ich hoffe, ihr werdet mir mit euren Beiträgen helfen können.
Meiner Meinung nach ist "Gehen wir schlafen!" der eigentliche Imperativ.
"Lasst uns schlafen gehen!" ist dagegen natürlich ebenso möglich wie "Kommt, wir gehen schlafen" oder "Wollen wir nicht mal schlafen gehen?"
Wir hatten irgendwo schon mal einen Faden, in dem wir viele mögliche Imperative zusammengetragen und diskutiert haben.
Ich finde ihn allerdings leider auf die Schnelle nicht wieder... Vielleicht entdeckt ihn ja noch mal jemand im Dickicht der vielen Fäden?
Den (http://verben.texttheater.net/forum/index.php?board=5;action=display;threadid=253) meine ich.
Gehabt gehabt hat da so wunderschön herausgearbeitet, was es in der deustchen Sprache alles für tolle Imperativersätze gibt.
Passt zwar nicht 100 %ig zu dem Problem mit der ersten Person Plural, ist aber andererseits für alle Personen anwendbar.
Ist Gehen wir schlafen? ein eigentlicher Imperativ oder auch nur ein Infinitiversatz wie die vielen anderen Varianten? Die Form ist ja ursprünglich ein Konjunktiv I als Optativ, wie auch das, was wir heute als Imperativ der "Höflichkeits"-Anrede nutzen: Gehen Sie schlafen. Durch das Vorhandensein eines Personalpronomens verraten sich diese Formen natürlich als "gebastelt".
Ursprünglich kam mir "gehen wir" eindeutig als Imperativ vor. Aber bei näherer Betrucht, ist's vermutlich nur ein Ersatz.
Die Frage ist:
Kann es einen wirklichen Imperativ an die eigene Person oder eine Gruppe, die die eigene Person einschließt, sprachlich korrekt überhaupt geben?
Wie frördest du dich selbst auf, etwas zu tun?
Da nötze man im Selbstgespräch ja auch hilfsweise die 3. Person. Oder man sagt, den inneren Schweinehund überwindend, so was wie: "Dann geh' ich mal..."
Bei einem Imperativ 1. Person Plural sehe ich kein Problem: Man fordert damit alle anderen auf, zusammen mit einem selbst etwas zu tun. Im Französischen läuft das ja z.B. ganz normal als eine eigene Imperativform.
Für die Selbstaufforderung gibt's im Deutschen zufällig keine eigene Form, aber denkbar wäre sie allemal.
Dann wäre aber "gehen wir" die korrekte Form.
Verdeutlichen könnte man sich das, indem man die Aufforderung nachdrücklicher formuliert, z.B. unter Zuhilfenahme des Wörtchens "los".
1. Person Singular: geht nicht
2. Person Singular: Los, nun geh schon!
3. Person Singular: geht nicht
1. Person Plural: Los, gehen wir!
2. Person Plural: Los, nun geht doch endlich
3. Person Plural: geht nicht
So oder so ist's aber trotzdem eher eine Aufforderung an die anderen als an sich selbst.
Die anderen werden doch aufgefordert, mitzumachen. Egal, ob in der Formulierung: "Gehen wir" oder in "Lasst uns gehen".
Nach kurzer Netzsuche melde ich mich zurück.
Laut canoo.net (http://www.canoo.net/services/OnlineGrammar/InflectionRules/FRegeln-V/Texte/Imper3.html;jsessionid=846E21882F8F43FB9C361C18AB6447C8) gibt es tatsächlich nur zwei Imperativformen, nämlich die der 2. Person Singular und die der 2. Person Plural.
Das macht "Gehen wir" wohl zu einem Imperativersatz.
Was ist denn von der eigenwilligen Form "seien wir doch ehrlich!" zu halten? Ein echter Imperativ mit eigener Verbform?
Ich sähe das als Hilfsform an.
Die Aufforderung ergeht an den Rest der Bande (kann auch ein Einzelner sein), während man selber schon ehrlich ist in seiner Feststellung, die man den anderen kund tun will.
Quasi als Imperativ an die 2. Person, bei dem man sich aus Höflichkeit selbst mit einschließt.
Sehen Sie mal, geehrter Mitforer (auch so eine Hilfsform der Höflichkeit), Sie befehlem immer nur jemandem etwas, den Sie direkt ansprechen können.
Wie das grammatisch korrekt zu beurteilen ist, weiß ich leider nicht.
Seien wir ist grammatisch nichts anderes als gehen wir - seien ist Konj. I 1. Pers. Sg. Pl. Aktiv (hab ich jetzt irgendwas vergessen? ;) ) von sein. Und m.E. schließt man sich in seien wir doch ehrlich nicht notwendigerweise nur aus Höflichkeit mit ein - kann ja sein, dass man bis gerade eben noch bereit war, die Verblendung mitzutragen.
Sehen Sie ist wiederum grammatisch ein lupenreiner Höflichkeits-Imperativ. Ob man jemandem sinnvoll befehlen kann, etwas zu sehen, ist eine andere Frage - das Bedeutungsspektrum vieler Wörter und Formen ist ja breit.
Zitat von: Kilian in 2005-12-28, 20:58:53seien ist Konj. I 1. Pers. Sg. Aktiv (hab ich jetzt irgendwas vergessen? ;) ) von sein
Hieße das nicht: "Ich sei"?
ZitatSehen Sie ist wiederum grammatisch ein lupenreiner Höflichkeits-Imperativ. Ob man jemandem sinnvoll befehlen kann, etwas zu sehen, ist eine andere Frage - das Bedeutungsspektrum vieler Wörter und Formen ist ja breit.
"Sehen Sie" ist doch nüscht anderes als eine höflichere Form von "Nu kuckense doch mal hier!"
Aber es gibt doch einen Unterschied zwischen gucken und sehen! Strenger wird da noch im Englischen unterschieden, look <-> see, listen <-> hear...
Tschuldigung, ich meinte Pl.
Eigentlich - eigentlich - gibt es nur den Imperativ 2. Person Singular & Plural.
In den romanischen Sprachen ist der Imperativ für alle anderen Personen bis auf die 1. Person Singular vorhanden: er ist dem Konjunktiv entlehnt. Teilweise sind der Imperativ und der Konjunktiv mit dem Indikativ zusammengefallen.
Im Russischen ist das sehr komisch: es gibt die 2 eigentlichen Imperative der 2. Person. Sie sind auch praktisch mit dem Imperativ nicht identisch. In der 2. Person Plural wird der Unterschied zwischen Indikativ und Imperativ durch den (thematischen? - ich kenne den genauen Terminus Technikus nicht) Vokal und manchmal auch die Betonung gewährleistet.
Der Imperativ der 1. Person Plural setzt sich aus der Form der 1. Person Plural Indikativ (Präsens oder Futur) und der angehängten Endung der 2. Person Plural (nach dem thematischen Vokal) zusammen.
Zitat von: Ezilopp in 2005-12-29, 01:21:48Eigentlich - eigentlich - gibt es nur den Imperativ 2. Person Singular & Plural.
In den romanischen Sprachen ist der Imperativ für alle anderen Personen bis auf die 1. Person Singular vorhanden: er ist dem Konjunktiv entlehnt.
Was heißt "eigentlich"? Ist es bei gleichen Formen nicht immer nur eine Frage, wo man die Grenze zwischen Konjunktiv und Imperativ willkürlich setzt - im Deutschen (1. Person Plural) wie in den romanischen Sprachen?
Tut mir leid, aber ich verstehe jetzt nicht, ob es nun einen Imperativ der 1. Person Plural gibt oder nicht.
Wir haben doch eine ganz klare Antwort herausgearbeitet: Jein. ;D
Ich denke, wir können festhalten: Üblicherweise wird die Form Gehen wir! nicht als Imperativ bezeichnet. Man könnte es aber durchaus tun, denn der Konjunktiv I als Optativ ist im Deutschen sehr selten - und die Verwendung der Form entspricht ziemlich genau der des Imperativs 1. Person Plural z.B. im Französischen: Allons!
Zitat von: Kilian in 2005-12-29, 10:50:57
Zitat von: Ezilopp in 2005-12-29, 01:21:48Eigentlich - eigentlich - gibt es nur den Imperativ 2. Person Singular & Plural.
In den romanischen Sprachen ist der Imperativ für alle anderen Personen bis auf die 1. Person Singular vorhanden: er ist dem Konjunktiv entlehnt.
Was heißt "eigentlich"? Ist es bei gleichen Formen nicht immer nur eine Frage, wo man die Grenze zwischen Konjunktiv und Imperativ willkürlich setzt - im Deutschen (1. Person Plural) wie in den romanischen Sprachen?
Eben nicht. Die Perversität des Französischen liegt darin, dass man viele Formen nur anhand des Schriftbildes idenzifizieren kann, in einigen Fällen sogar nur durch formale Kriterien.
In den anderen romanischen Sprachen ist der Unterschied viel klarer herausgearbeitet. Ich kann da leider nicht auf lateinische Beispiele verweisen, weil ich des Lateinischen nicht wirklich mächtig bin. Deswegen nehme ich das Spanische als Beispielsprache. Man kann im Spanischen sehr wohl zwischen "echtem" und "falschem" Imperativ unterscheiden, weil die Formen da sehr klar herleitbar sind. Nur der bejahte Imperativ der 2. Person weist eigenständige Formen auf, alle anderen Formen sind dem Konjunktiv entlehnt. Das heißt, sie sind später entstanden und unter ganz anderen Voraussetzungen. Möglicherweise ist er in dieser Funktion Nachfolger des Optativs.
Im Lateinischen dürfte das ähnlich sein.
Es wäre interessant zu wissen, wie das im Altgriechischen oder im Sanskrit gehandhabt wird oder auch im Litauischen. Zumindest vom Ersten weiß ich sicher, dass es einen Optativ besaß, beim Zweiten bin ich mir nicht so sicher.
Zum vergleich könnte man auch finno-ugrische Sprachen heranziehen. Da kenne ich mich aber überhaupt nicht aus.
Zitat von: Ezilopp in 2005-12-29, 15:40:18
Man kann im Spanischen sehr wohl zwischen "echtem" und "falschem" Imperativ unterscheiden, weil die Formen da sehr klar herleitbar sind. Nur der bejahte Imperativ der 2. Person weist eigenständige Formen auf, alle anderen Formen sind dem Konjunktiv entlehnt.
Und was ist nun ein "echter" und was ein "falscher" Imperativ? Ich habe von dieser Kategorisur nie gehoren.
Meinst Du die 2. Pers. Sg. oder Pl.?
Eigene Formen des positiven Imperativs 2. Pers. Sg. sind: ven, ten, va, pon, haz, di, da - und Schluß ist (wahrscheinlich habe ich jetzt wieder die eine oder andere Form vergessen). Die anderen Imperative an diese Person leiten sich aus der 3. Pers. Präs. Indikativ ab.
Oder mienst Du die positiven Imperative der 2. Pers. Pl.? Die leitet sich doch klar aus dem lateinischen -atis, -etis ab. cantatis --> cantad
Zuallererst muss ich mich selbst und dich korrigieren.
Der spanische Imperativ 2. Person Singular & Plural (von mir auch als der "echte" Imperativ bezinchen) leitet sich aus denselben lateinischen Imperativformen (Präsens) ab.
Der spanische Indikativ leitet sich vom lateinischen Indikativ ab.
Dass der spanische Imperativ 2. Person Singular bis auf wenige Fälle mit der 3. Person Singular identisch ist, ist auf den Verlust der Endvokale des Lateinischen (in diesem Falle -t) in den romanischen Sprachen zurückzuführen. Im Lateinischen machte in fast allen Fällen dieser Endkonsonant den Unterschied zwischen der 3. Person Singular Indikativ Präsens und der 2. Person Singular Imperativ aus.
Die von dir erwähnten Ausnahmen sind fast alle schon im Lateinischen vorhanden.
Das, was ich als "falschen" Imperativ bezeichne, sind die imperativisch bzw. optativisch gebrauchten Konjunktivformen des Lateinischen (1. Person Plural Konjunktiv Präsens), die auch im Spanischen als Konjunktivformen geführt werden.
Um der Klarheit Willen seien hier die regelmäßigen lateinischen und spanischen Endungen der 2. Person Plural Indikativ und Imperativ Präsens angeführt.
Indikativ: -atis, -etis/-itis, -itis -> -áis, -éis, ís.
Imperativ: -ate, -ete/-ite, -ite -> -ad, -ed, -id
Was mir außerdem noch Kopfweh bereitet, ist die Notwendigkeit/Überflüssigkeit der Personalpronomina für den Imperativ, Konjunktiv und Optativ. Besonders im Italienischen ist dieses Phänomen verdammt uneindeutig.
@ ezilopp
"Das, was ich als "falschen" Imperativ bezeichne, sind die imperativisch bzw. optativisch gebrauchten Konjunktivformen des Lateinischen (1. Person Plural Konjunktiv Präsens), die auch im Spanischen als Konjunktivformen geführt werden."
Das verstehe ich nicht, kannst Du mal ein Beispiel nennen? Und wieso 'falsch'? Eine Aufforderung an die eigene Gruppe ist und bleibt ein Imperativ - oder?
conduzcamos - also wenn das nicht ein lupenreiner Imperativ ist, erzähle ich seit 24 Jahren Unsinn, ohne daß mich je ein muttersprachlicher Kollege gestoppt hätte.
Es kommt eben darauf an, ob man von der grammatischen Form und Herkunft her (wie Ezilopp) oder vom heutigen Gebrauch her (wie amarillo) argumentiert.
Da hat der Große Administrator das korrekt und knapp zusammengefasst.
Amarillo!
Du brauchst Dir keine Sorgen wegen falschen Sprachgebrauchs zu machen: Der gebrauch des "falschen Imperativs" ist schon in lateinischen Texten dokumentiert.
Danke der tröstlichen Worte, Ezilopp, und ich dachte schon, ich müßte meine Lehrerlaubnis zurück geben.
Schön, immer wieder kompetente Menschen zu treffen, die einem in Momenten größter linguistischer Bedrängung kollegial die Schulter zu klopfen wissen.
ich plaedi hie fuer aine form nach "man nehme!" als imperativ 3. sing.