Gesellschaft zur Stärkung der Verben

Öffentliche Bretter => Neue Ideen => Thema gestartet von: Arnymenos in 2005-02-24, 23:05:04

Titel: Zukunftsprojekt
Beitrag von: Arnymenos in 2005-02-24, 23:05:04
Der Unterschied zwischen synthetischen und analytischen Formen dürfte allen bekannt sein. Synthetisch heißt, alles in ein Wort zu packen. Von daher sind sowohl schwache als auch starke Präteritumsbildung im Deutschen synthetisch, der Präteritumsschwund zugunsten des Perfekts tendiert aber zur analytischen Bildung. Im sog. doppelten Perfekt (getan gehabt haben) werden dann die Funktionen 'vergangen' und 'vollendet' auf einzelne Wörter verteilt. Das starke Präteritum kommt aber mit einem Morphem (-te) weniger aus, ist also synthetischer als das schwache. Ebenso ist der würdelose Konjunktiv viel ehrenhafter, weil er ein Wort weniger braucht.

Wer Verben stärkt, favorisiert also synthetische Bildungen.

So einiges in der deutschen Verbalflexion ist aber notorisch analytisch. So zum Beispiel die Zukunft, der ich mich als erstes widmen möchte. Das Englische geht den eigenartigen Weg, ehemals analytische Formen mit den Pronomen zu verschmelzen ('ve für das Perfekt, 'll für die Zukunft). Bis dahin ist es für das Deutsche aber ein zu weiter Weg; wir müssten die Satzstellung ändern, die Personalendungen bei Hilfsverben ausgeben. Stattdessen könnten wir doch eine eigene Form für die Zukunft entwickeln. Die könnte ein Präfix, ein Suffix oder eine Stammveränderung sein. Damit würden wir auch die Doppelbelegung von "werden" (Zukunft/Passiv... zwei völlig unverwandte Dinge) los.

Ich bitte um Vorschläge! (Ich bin ja der unkreative, beobachtende Linguist... aber morgen fällt mir auch noch was ein.)
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: versucher in 2005-02-25, 00:13:02
Absolut deiner Meinung!

Habe ich Kilian auch schon in meiner "Antrittsmail" geschrieben: das "werden" muss in der Zukunft weg!
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: Caoimhín Caoilfhinn Ó Braonáin in 2005-02-25, 01:15:31
Man könnte als typische indoeuropäische Wortbildungsmethoden hier vielleicht n-infix oder reduplikation anführen...

Urindoeuropäisch gibt es glaube ich keine distinkten Futurformen, oder? Im Vedischen verwindt man auf jeden Fall den sogenannten "prospektiven Konjuntiv", also einen normalen Konjunktiv mit der Funktion eines Futurums. Dieser Konjunktiv wird im Vedischen durch eine Stammerweiterung mit Hilfe des Suffixes -a- gebolden. Indoeuropäisch ist dies warscheinlich ein *-e-, eventuell noch mit einem Laryngal versehen.

Dies könnte man natürlich auch auf das Deutsche überführen:

sprechen (Inf.) Futur: ich sprechee , du sprechest, er sprechet, wir sprecheen, ihr sprecheet, sie sprecheen

Aber das ist ja langweilig. Ich weiß leider auch nichts über die Ablautverhältnisse zwischen Stamm und Suffix, bin nur ein kleiner Anfängerstudent...

Man könnte natürlich auch, ganz abstrakt, die Wurzel des deutschen Wortes 'werden', nämlich *vert/vrt, in den Stamm infigieren (eventuell ablautend?), womit man eine Verbindung zur heutigen Bildung doch behielte:

Zur Wurzel *bheid 'beißen':

*bhei-vrt-mi 'ich werde beißen'
*bhei-vrt-si 'du wirst beißen'
*bhei-vrt-ti 'er/sie/es wird beißen'
Im Plural mit anderen Ablautverhältnissen:
*bhi-vert-masi
*bhi-vert-tha
*bhi-vert-nti

Leider bin ich damit überfordert, diese Formen ins moderne Deutsch weiterzuentwickeln, aber da kann vielleicht einer von euch nachhelfen???
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: MrMagoo in 2005-02-25, 14:15:05
Zitat von: Arnymenos in 2005-02-24, 23:05:04
Das starke Präteritum kommt aber mit einem Morphem (-te) weniger aus, ist also synthetischer als das schwache. Ebenso ist der würdelose Konjunktiv viel ehrenhafter, weil er ein Wort weniger braucht.

Warum hacken immer alle auf dem "würde" herum und setzen es mit einer Umschreibung des Konjunktivs gleich?

Es ist dies überhaupt gar kein Konjunktiv, sondern ein eigener Modus, nämlich das Konditional!

Es ist richtig, daß das Konditional oft den Konjunktiv ersetzt bzw. umschreibt, was dann tatsächlich vermieden werden sollte, an bestimmten Stellen ist aber das Konditional ("würde + Infinitiv") absolut korrekt und hat nichts mit dem Konjunktiv zu tun!
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: MrMagoo in 2005-02-25, 14:20:55
ZitatSo einiges in der deutschen Verbalflexion ist aber notorisch analytisch. So zum Beispiel die Zukunft, der ich mich als erstes widmen möchte.

Liegt daran, daß irgendwelche strengen Grammatiker dem Deutschen Zeiten einhämmerten und einhämmern, die es im Grunde nie wirklich hatte:
Es gab ursprünglich nur zwei Zeiten:
Die Vergangenheit und
die Nicht-Vergangenheit.

(Daher auch als einzige Zeiten synthetisch ... wenn wir das schwache Präteritum jetzt mal ausklammern).

Mit diesen beiden Tempora wurde und wird zuweilen bis heute alles ausgedrückt, so steht z.B. das Präsens nicht nur für "gegenwärtige Geschehnisse", sondern auch für Allgemeingültiges und auch für die Zukunft: "Morgen fahre ich nach Berlin".


Übrigens: Der Zusammenschluß des Personalpronomens und des Hilfsverbs im Englischen ist sicher keine Synthetisierung - das Hilfsverb müßte mit dem Vollverb assimilieren um eine synthetische Zukunftsform zu bilden.
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: Arnymenos in 2005-02-25, 18:57:37
Also finden wir in der Vergangenheit der deutschen Sprache keinerlei Hilfe. Schade eigentlich. Eine Konsequenz wäre, das Futur weiterhin kaum zu beachten und langsam aussterben zu lassen. Kannst Du, MrMagoo, etwas zur Passivbildung erzählen? War die mal synthetisch?

Ich möchte jetzt erstmal nach einer guten Stelle suchen, das Deutsche synthetischer zu machen. An Ideen mangelt es mir nicht, aber die alle auf einmal erzeugten nur Chaos.
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: MrMagoo in 2005-02-25, 21:01:24
Zitat von: Arnymenos in 2005-02-25, 18:57:37
Also finden wir in der Vergangenheit der deutschen Sprache keinerlei Hilfe. Schade eigentlich. Eine Konsequenz wäre, das Futur weiterhin kaum zu beachten und langsam aussterben zu lassen.

Das geschieht doch sowieso gerade; das Futur II ist gesprochensprachlich doch so gut wie tot :)


ZitatKannst Du, MrMagoo, etwas zur Passivbildung erzählen? War die mal synthetisch?

Ich meine, darüber mal etwas gelesen zu haben - in den deutschen Sprachstufen war's (soweit ich das jetzt überblicken kann) schon immer analytisch, man müßte also mal ins Germanische zurückschauen...


ZitatIch möchte jetzt erstmal nach einer guten Stelle suchen, das Deutsche synthetischer zu machen. An Ideen mangelt es mir nicht, aber die alle auf einmal erzeugten nur Chaos.

Da schwob (von 'schweben') mir auch schon mal was vor, ich habe versucht, sämtliche analytischen Zeitformen zu synthetisieren - es endete damit, daß einige Formen neben Ab- und Umlaut noch zusätzlich drei oder vier Suffixe erhielten.
Ich gucke mal nach, wo der Zettel hin ist, und wenn ich ihn denn finde, tippe ich meine Ideen darnieder. ;)
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: amarillo in 2005-02-25, 21:24:24
Zitat von: MrMagoo in 2005-02-25, 21:01:24

Das geschieht doch sowieso gerade; das Futur II ist gesprochensprachlich doch so gut wie tot :)


Noch nicht ganz, modal wird es sehr gerne verwandt, um Vermutungen auszudrücken.

Wo ist Paul?
Er wird [wohl] in die Kneipe gegangen sein.

{Lang lebe das Futur II!}
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: MrMagoo in 2005-02-25, 21:31:13
Oh ja, hmm... 'vergessen'  :P

Um etwas auszudrücken, was in der Zukunft abgeschlossen sein wird, wird es hier allerdings nicht benutzt, interessant...
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: amarillo in 2005-02-25, 21:38:29
Im nächsten Sommer werde ich schon 19 Jahre in diesem Haus gelebt haben. ./. Im nächsten Sommer lebe ich schon 19 Jahre in diesem Haus.

Wer sich in ersterer Form ausdrückt, wird schon schief angesehen - leider.

Seltsamerweise wird die modale Variante auch in Frankreich, Spanien und GB/USA angewandt, während auch dort die temporale Gestaltung des Futur II dem Tode gewiehen zu sein scheint.
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: MrMagoo in 2005-02-25, 21:46:48
Zitat von: amarillo in 2005-02-25, 21:38:29
Im nächsten Sommer werde ich schon 19 Jahre in diesem Haus gelebt haben. ./. Im nächsten Sommer lebe ich schon 19 Jahre in diesem Haus.

Das Futur II wird durch das Perfekt ersetzt:
Im nächsten Sommer werde ich schon 19 Jahre in diesem hause gelebt haben.
---> Im nächsten Sommer habe ich schon 19 Jahre in diesem Hause gelebt.

Das Präsens ersetzt das Futur I:
Im nächsten Sommer werde ich 19 Jahre in diesem Hause leben.
---> Im nächsten Jahr lebe ich schon 19 Jahre in diesem Hause.


ZitatWer sich in ersterer Form ausdrückt, wird schon schief angesehen - leider.

'Schon'? Im Sinne von 'mittlerweile'?
Ich vermute ganz stark, daß das schon immer der Fall gewesen ist - das Futur II ist eben zu undeutsch, als daß es sich jemals wirklich hätte 'gut' anhören können.



ZitatSeltsamerweise wird die modale Variante auch in Frankreich, Spanien und GB/USA angewandt, während auch dort die temporale Gestaltung des Futur II dem Tode gewiehen zu sein scheint.

Echt wahr?
Sagen die Thommies und Amis also Sachen wie "He'll certainly have gone to the pub"?
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: amarillo in 2005-02-25, 21:55:38
yap, no problem.

Ich höre/lese keinen Unterschied:

Ich wohne hier 19 Jahre nächsten Sommer.
Ich habe nächsten Sommer hier 19 Jahre gewohnt (würde ich sogar eher nicht sagen).

Meinst Du, daß das Futur II keine "wirklich" deutsche Zeit ist?
Woher stammt es dann?
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: MrMagoo in 2005-02-25, 22:07:36
Zitat von: amarillo in 2005-02-25, 21:55:38
yap, no problem.

Ich höre/lese keinen Unterschied:

Ich wohne hier 19 Jahre nächsten Sommer.
Ich habe nächsten Sommer hier 19 Jahre gewohnt (würde ich sogar eher nicht sagen).

Im letzten Beispiel ist die Handlung abgeschlossen, im ersten nicht:
"Ich habe nächsten Sommer schon 19 Jahre hier gewohnt."
---> Die 19 Jahre sind wahrscheinlich schon im Frühjahr des nächsten Jahres rum.
"Ich wohne nächsten Sommer schon 19 Jahre hier."
---> Im nächsten Sommer schließt Du das 19. Jahr dort ab.


ZitatMeinst Du, daß das Futur II keine "wirklich" deutsche Zeit ist?
Woher stammt es dann?

Das wird wohl aus dem Lateinischen mit herübergekommen sein, wie so vieles.
Normalerweise wurde (und wird noch immer), die Zukunft mit dem einfachen Präsens ausgedrückt.

Das "werden" in der Zukunft wird erst seit dem Neuhochdeutschen üblicher.
Bis in neuhochdeutsche Zeit wurde meist modal umschrieben, oft mit "sollen" oder "wollen" (--> noch heute will im Englischen, veraltend auch shall), später auch mit "müssen", da müssen den Zukunftsaspekt im Sinne der Notwendigkeit (etwas tun müssen --> "etwas aufgrund der Notwendigkeit tun werden") beinhielt.
Die Futurbildung mit müssen findet sich in der Umschreibung durch "haben (zu)" in den romanischen Sprachen:
Hier entsprechen nämlich die Personalendungen der Futurform den konjugierten Formen von 'haben' --> Das Futur in den romanischen Sprachen ist also synthetisiert (eigentlich: Verb + Form von 'haben').
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: Kilian in 2005-02-27, 19:33:56
Zitat von: MrMagoo in 2005-02-25, 14:15:05Es ist richtig, daß das Konditional oft den Konjunktiv ersetzt bzw. umschreibt, was dann tatsächlich vermieden werden sollte, an bestimmten Stellen ist aber das Konditional ("würde + Infinitiv") absolut korrekt und hat nichts mit dem Konjunktiv zu tun!

An welchen Stellen denn zum Beispiel?
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: MrMagoo in 2005-02-27, 20:41:12
Zitat von: Kilian in 2005-02-27, 19:33:56
Zitat von: MrMagoo in 2005-02-25, 14:15:05Es ist richtig, daß das Konditional oft den Konjunktiv ersetzt bzw. umschreibt, was dann tatsächlich vermieden werden sollte, an bestimmten Stellen ist aber das Konditional ("würde + Infinitiv") absolut korrekt und hat nichts mit dem Konjunktiv zu tun!

An welchen Stellen denn zum Beispiel?


Immer dann, wenn vom jetztigen Zeitpunkt aus eine Aussage über ein kommendes Geschehnis getroffen wird, dessen Eintreten oder Nichteintreten durch einen darauffolgenden oder vorangehenden Nebensatz, der einen momentan für irreal gehaltenen Zustand ausdrückt und mit "wenn" oder "falls" beginnt, eingeschränkt wird.

Im Nebensatz, der mit 'wenn' oder 'falls' eingeleitet wird, steht der Konjunktiv2, im Hauptsatz steht das Konditional:

Falls ich jetzt führe, würde ich es noch rechtzeitig schaffen.
Wenn er jetzt käme, würden wir losfahren.
Wenn sie mich anspräche, würde ich ihr die Lösung sagen. etc.
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: MrMagoo in 2005-03-04, 02:40:15
Ich schrieb:
ZitatDa schwob (von 'schweben') mir auch schon mal was vor, ich habe versucht, sämtliche analytischen Zeitformen zu synthetisieren - es endete damit, daß einige Formen neben Ab- und Umlaut noch zusätzlich drei oder vier Suffixe erhielten.
Ich gucke mal nach, wo der Zettel hin ist, und wenn ich ihn denn finde, tippe ich meine Ideen darnieder.


Ich habe ihn gefunden, den Zettel - und hier sind nun meine synthetisch(er)en Zeitformen:

Wenn ich davon ausgehe, daß wir sowohl schwache als auch starke Verben konjugieren wollen, sähen meine Paradigma so aus:


Es gibt folgende Suffixe:


Die Personalendungen bleiben im Grunde bestehen:
ich -e, du -(e)st, er -(e)t
wir -(e)n, ihr -(e)t, sie -(e)n

Das Suffix des Präteritum: -te
---> Wie gewohnt nur bei den schwachen Verben, die starken Verben bilden ihr Präteritum durch Ablaut.

Das Suffix für das Futur: -a

Das Suffix für den Konjunktiv: -me

Das Suffix für das Konditional: -o

Das Perfekt wird wie gewohnt mit dem Präfix ge- gebildet.


Als Beispielverben dienen mir jetzt "leben" als ein schwaches, "helfen" als ein starkes Verb.


1) Präsens, Indikativ

ich lebe, du lebst, er lebt
wir leben, ihr lebt, sie leben

ich helfe, du hilfst, er hilft
wir helfen, ihr helft, sie helfen

---> Da das Präsens sowieso synthetisch ist, bleiben die Formen genauso erhalten.


1a) Präsens, Konjunktiv

ich lebme, du lebmest, er lebme
wir lebmen, ihr lebmet, sie lebmen

ich helfe, du helfest, er helfe
wir helfen, ihr helfet, sie helfen

---> Der Konjunktiv kann bei den starken Verben auch schwach gebildet werden, um Formenzusammenfall zu vermeiden:

ich helfme, du helfmest, er helfme
wir helfmen, ihr helfmet, sie helfmen


2) Präteritum, Indikativ

ich lebte, du lebtest, er lebte
wir lebten, ihr lebtet, sie lebten

ich half, du halfst, er half
wir halfen, ihr halft, sie halfen

---> Auch hier können die Formen so bleiben, wie sie sind.


2a) Präteritum, Konjunktiv

ich lebmete, du lebmetest, er lebmete
wir lebmeten, ihr lebmetet, sie lebmeten

ich hälfe, du hälfst, er hälfe
wir hälfen, ihr hälft, sie hälfen

---> Der starke Konjunktiv bleibt erhalten, der schwache erhält das Suffix -me um diese Formen vom Indikativ unterscheiden zu können.


3) Futur, Indikativ

ich lebae, du lebast, er lebat
wir leban, ihr lebat, sie leban

ich helfae, du hilfast, er hilfat
wir helfan, ihr helfat, sie helfan

---> Die Formen werden für starke und schwache Verben gleich gebildet.
---> Haben die 2. und 3. Person Singular im Präsens Indikativ Umlaut, dann tritt dieser auch hier auf.


3a) Futur, Konjunktiv

ich lebame, du lebamst, er lebame
wir lebamen, ihr lebamet, sie lebamen

ich helfame, du helfamst, er helfame
wir helfamen, ihr helfamet, sie helfamen


3b) Futur, Konditional

ich lebato, du lebatost, er lebato
wir lebatom, ihr lebatot, sie lebatom

ich hälfo, du hälfost, er hälfo
wir hälfon, ihr hälfot, sie hälfon

---> Das Konditional der starken Verben wird also mit den (wenn möglich) umgelauteten Präteritumformen und der Endung -o gebildet.
Die schwachen Verben bilden es genauso: An die Präteritumformen wird die Endung -o angehängt.


Zu den Perfektformen:

Die Bildung des Perfekts, Plusquamperfekts und des Futur Perfekts (= Futur II) ist ganz einfach:
---> Das perfektbildende Präfix ge- wird vor die jeweils konjugierte Form (s.o.) gesetzt.


Das Perfekt lautet also:
ich gelebe, gehelfe
du gelebst, gehilfst
er gelebt, gehilft, usw.

Das Plusquamperfekt lautet:
ich gelebte, gehalf
du gelebtest, gehalfst
er gelebte, gehalf, usw.

Das Futur Perfekt lautet:
ich gelebae, gehelfae
du gelebast, gehilfast
er gelebat, gehelfat, usw.

Dasselbe gilt für den Konjunktiv und das Konditional.
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: MrMagoo in 2005-03-04, 02:47:58
So, das ist noch nicht die vollkommene Endfassung, ich werde in den kommenden Tagen noch dran feilen; so in etwa aber stelle ich mir das vor... ;)
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: Arnymenos in 2005-03-04, 09:55:49
Guter Ansatz. Ich werde das mal unter die phonologische Lupe nehmen (Aussprechbarkeit, aber vor allem der Rhythmus).

Eines aber vorweg: Tun es "leba" und "helfa" in der ersten Person Futur nicht auch, ohne das nachstürzende Schwa?
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: amarillo in 2005-03-04, 13:38:49
Zitat von: Arnymenos in 2005-03-04, 09:55:49
Guter Ansatz. Ich werde das mal unter die phonologische Lupe nehmen (Aussprechbarkeit, aber vor allem der Rhythmus).

Und dann? Dein "placet" erteilen oder - Gott bewahre - verweigern?

@MrMagoo
Prima Idee, werde ich aber nicht einüben. Ich bleibe bei den bewährten Formen: trinquemos!  :D
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: Arnymenos in 2005-03-04, 17:35:02
Zitat von: amarillo in 2005-03-04, 13:38:49
Und dann? Dein "placet" erteilen oder - Gott bewahre - verweigern?

Ich habe doch schon einen Beispielkommentar gegeben. Zu entscheiden oder richten habe ich nichts.  Schade, dass Du, amarillo, mir das immer unterstellst.
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: Kilian in 2005-03-04, 19:48:49
Super, super! Wenn die Ideen hier weiter so sprudeln, muss ich die GSV-Website bald wieder ausbauen und mir ein Administrationsteam besorgen. Habt Geduld, was die Aufnahme in den redaktionellen Bereich angeht; ich muss mir erst Zeit schaffen. Aber diese Ideen sind klasse, Kompliment, MrMagoo!

ZitatEines aber vorweg: Tun es "leba" und "helfa" in der ersten Person Futur nicht auch, ohne das nachstürzende Schwa?

War auch genau mein Gedanke beim Lesen.

Jetzt habe ich noch eine Frage, in erster Linie an MrMagoo: Wird denn im vorhandenen Deutsch zwischen Futur Konjunktiv und Futur Konditional unterschieden? Deine Beispiele (Antwort #14) zum Konditional haben mir eingeleuchtet, aber dann kann ich mir unter Futur Konjunktiv nichts vorstellen.
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: MrMagoo in 2005-03-04, 21:45:00
Zitat von: Arnymenos in 2005-03-04, 09:55:49
Guter Ansatz. Ich werde das mal unter die phonologische Lupe nehmen (Aussprechbarkeit, aber vor allem der Rhythmus).

Eines aber vorweg: Tun es "leba" und "helfa" in der ersten Person Futur nicht auch, ohne das nachstürzende Schwa?

Ja, das -e kann in diesem Fall weggelassen werden, so wie auch das -e der 1. Person Singular weggelassen werden kann.
Da ich ein reguläres Paradigma haben wollte, hab ich das -e der Vollständigkeit halber mitaufgenommen. Treffen zwei Vokale aus zwei verschiedenen Suffixen aufeinander, so fällt der Schwa ganz weg, daher heißt es z.B.: "wir helfan" und nicht "wir helfaen".

Zur Betonung: Es gilt natürlich Stammbetonung, über weitere Betonungstechnische Schwierigkeiten habe ich weiter noch nicht nachgedacht.
Eine weitere Schwierigkeit sind die trennbaren Verben - da muß ich mir noch etwas einfallen lassen, damit auch Verben wie "nachdenken" und "einladen" vernünftig konjugiert werden können.

Weiterhin überlege ich noch, wie ein synthetisches Passiv gebildet werden könnte.
Ich schätze, das werde ich auch mit einem Präfix lösen, mal sehen. ;)
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: MrMagoo in 2005-03-05, 16:53:22
Zitat von: amarillo in 2005-03-04, 13:38:49
@MrMagoo
Prima Idee, werde ich aber nicht einüben. Ich bleibe bei den bewährten Formen: trinquemos!  :D

trinkar

trinko
trinkas
trinka

trinkamos
trinkéis
trinkan   ;D


Deine Spanischlernenden werden sich freuen! ;)
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: MrMagoo in 2005-03-05, 17:45:17
Zitat von: Kilian in 2005-03-04, 19:48:49
Super, super! Wenn die Ideen hier weiter so sprudeln, muss ich die GSV-Website bald wieder ausbauen und mir ein Administrationsteam besorgen. Habt Geduld, was die Aufnahme in den redaktionellen Bereich angeht; ich muss mir erst Zeit schaffen. Aber diese Ideen, sind klasse, Kompliment, MrMagoo!

Bedankt!
Ich muß zwar noch sehen, wie ich das Passiv formen kann und wie die trennbaren Verben behandelt werden - doch soweit scheinen die Formen ganz passabel zu sein.
Die unregelmäßigen Verben müssen auch noch bearbeitet werden, ich weiß nur noch nicht, wie ich da an die Formen herangehe....



ZitatJetzt habe ich noch eine Frage, in erster Linie an MrMagoo: Wird denn im vorhandenen Deutsch zwischen Futur Konjunktiv und Futur Konditional unterschieden? Deine Beispiele (Antwort #14) zum Konditional haben mir eingeleuchtet, aber dann kann ich mir unter Futur Konjunktiv nichts vorstellen.

"Jein" - das Problem ist, daß der Konjunktiv vor allem bei den schwachen Verben droht, mit dem Indikativ komplett zusammenzufallen. Das Konditional übernimmt daher vor allem hier die Funktion des "umschreibenden Konjunktivs"; das ist der Fall, wo die 'würde'-Umschreibung eigentlich unangebracht ist:

Der Konjunktiv2 beschreibt gegenwärtige irreale Handlungen, deren Eintreten also vom jetzigen oder einem vergangenen Zeitpunkt, entweder überhaupt nicht möglich oder aber sehr sehr unwahrscheinlich ist:

Käme er doch endlich! (Er kommt aber nicht)
Ich wünschte, ich hätte eine Idee. (Ich habe aber keine)
Wären wir doch im Urlaub. (Wir sind's aber nicht)
Wären wir doch in den Urlaub gefahren. (Sind wir aber nicht)


Das Konditional bezieht sich auf zukünftige irreale Handlungen, deren Eintreten generell von irgendwelchen Umständen abhängig ist - daher der meist notwendige Einschränkungssatz mit 'wenn' oder 'falsch'.

Da das Deutsche "eigentlich" kein Konditional besitzt, kann in diesen Fällen natürlich auch immer der Konjunktiv benutzt werden - es macht sinngemäß kaum einen Unterschied.

Meiner Meinung nach haben hier die 'strengen' Grammatiker einen kleinen Knick in der Optik, da sie einerseits immer auf die auf dem Lateinischen aufbauende deutsche Grammatik hinweisen (in die auch das Konditional übernommen wurde) aber andererseits wiederum eine würdelose[/i] (also kein Konditional) Sprache haben wollen, die der germanischen Tradition entspricht.

Um nochmal zum Thema zurückzukommen: Im Grunde braucht man das Konditional nicht, ich find's nur schöner, daß, wenn wir auch das Perfekt, Plusquamperfekt und das Futur als deutsche Zeitformen berücksichtigen, dann sollten wir auch das Konditional als eigenen Modus nicht unbeachtet lassen. ;)
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: amarillo in 2005-03-05, 18:04:43
Zitat von: MrMagoo in 2005-03-05, 16:53:22

trinkar

trinko
trinkas
trinka

trinkamos
trinkéis
trinkan   ;D



Aber bitte: die 2. Plural muß im Indikativ "trinkáis" heißen, sonst steigen mir wieder einige auf's Dach.

"Trinquemos" ist der entsprechende Imperativ an die 1. Plural. Bildet der Iberer aus dem Konjunktiv. Muß wohl lateinisches Erbe sein. :)

Im Rahmen der Europäisierung könnte man natürlich nun...
aber nein, wir wollen es nicht auf die Spitze treiben; obwohl, so als Gegenpol zu den leidigen anglizistischen Verbformen??

Nein nein, ich spinne ja wohl - Schluß aus, war eine gedankliche Sternschnuppe, schon verglohen.
(Aber schön geleuchtet hat sie)
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: Arnymenos in 2005-03-05, 20:45:54
Auch bei genauer Betrachtung komme ich über meinen ersten Eindruck nicht hinaus, und der besteht aus zwei kleinen, harmlosen Punkten.

Zum einen stehen wieder Vollkvokale (a) dort, wo Vollvokale zu Schwa geschwächt wurden, weil sie unbetont waren. Aber betrachten wir diesen Prozess als abgeschlossen. Wenn wir wollen, können wir "leba" und "lebe" unterscheiden. Weiter vermute ich, dass sich zur besseren Unterscheidung "leb'" an Stelle von "lebe" einbrörge (formerly known as einbürgerte).

Das zweite ist das "m" nach Konsonantenkombinationen (lebme). Kann mir jemand mit Beispielen außer "aTMen" auf die Sprünge helfen, oder ist das wirklich so selten? In der Umgangsprache könnte hier doch ein zusätzliches Schwa (lebeme) auftreten. Dann bliebe auch das "b" stimmhaft.

Für die Graecisten empföhle ich allerdings diese Variante: n-Erweiterung im Stamm (das "-an-" muss ja nicht unbedingt auch noch dabei sein). Beispiele: pynthanomai, lambano. Beispiel im Deutschen: lembe. Bei zu vielen Konsonanten im Stamm hülfe dann nicht einmal die homolnymolytisch-kakokonsonantische Bildung ;)

Aber wenn das alles nicht erwünscht ist, dann bin ich mit MrMagoos Vorschlag, so wie dieser ist, hoch zufrieden. Meine Hochachtung!
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: Kilian in 2005-03-05, 22:04:33
Zitat von: MrMagoo in 2005-03-05, 17:45:17daher der meist notwendige Einschränkungssatz mit 'wenn' oder 'falsch'.

:D

Kommen "Futur, Konjunktiv" und "Futur, Konditional" zum Einsatz, wenn sowohl die Bedingung als auch die mögliche Folge in der Zukunft liegen?

1. Wenn ich ihm morgen helfame, lebato er übermorgen noch.
(Futur Konjunktiv im Bedingungssatz, Konditional im Hauptsatz)
Oder umgekehrt?
2. Wenn ich ihm morgen hälfo, lebame er morgen noch.
(Konditional im Bedingungssatz, Futur Konjunktiv im Hauptsatz)

Ist eins davon richtig? Wenn nein, wozu dient dann der Konjunktiv Futur? Wenn ja, wie hieße der Beispielsatz in normalem Deutsch?

"Wenn ich ihm morgen helfen würde, würde er übermorgen noch leben."?
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: gehabt gehabt in 2005-03-05, 22:11:16
Zitat von: MrMagoo in 2005-03-05, 16:53:22
Zitat von: amarillo in 2005-03-04, 13:38:49
@MrMagoo
Prima Idee, werde ich aber nicht einüben. Ich bleibe bei den bewährten Formen: trinquemos!  :D

trinkar

trinko
trinkas
trinka

trinkamos
trinkéis
trinkan   ;D


Deine Spanischlernenden werden sich freuen! ;)

2. pers Pl.  trink'ais    trinkeis ist Konj. I

Konj II waere trinkieses

Konj II Futur (!)   trinkieres  Sowas schoenes gibt es im Spanischen (leider aber nur noch in Amtsstuben)

part. perf  trinkado
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: amarillo in 2005-03-05, 22:22:44
Nicht so flott, mein lieber gehabt gehabt; der Infinitiv war "trinkar",
dementsprechend lautet der Konjunktiv II entweder "trinkaras" oder "trinkases" für die 2. Singular.

trinkieses könnten wir nur gelten lassen, wenn der Infinitiv auf -ir oder -er lautete.

Entsprechend muß auch der Konjunktiv Futur "trinkares" heißen.  ;)
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: MrMagoo in 2005-03-05, 22:33:20
Zitat von: Kilian in 2005-03-05, 22:04:33
Zitat von: MrMagoo in 2005-03-05, 17:45:17daher der meist notwendige Einschränkungssatz mit 'wenn' oder 'falsch'.

Wat schreib' ich denn hier für'n Müll?? "falls" muß das letzte Wort natürlich heißen.


ZitatKommen "Futur, Konjunktiv" und "Futur, Konditional" zum Einsatz, wenn sowohl die Bedingung als auch die mögliche Folge in der Zukunft liegen?

1. Wenn ich ihm morgen helfame, lebato er übermorgen noch.
(Futur Konjunktiv im Bedingungssatz, Konditional im Hauptsatz)
Oder umgekehrt?
2. Wenn ich ihm morgen hälfo, lebame er morgen noch.
(Konditional im Bedingungssatz, Futur Konjunktiv im Hauptsatz)

Ist eins davon richtig? Wenn nein, wozu dient dann der Konjunktiv Futur? Wenn ja, wie hieße der Beispielsatz in normalem Deutsch?

"Wenn ich ihm morgen helfen würde, würde er übermorgen noch leben."?

1. Wenn ich ihm morgen hälfe (oder: helfame), lebame (oder: lebato) er morgen noch.
(Wenn ich ihm morgen hälfe, würde er morgen noch leben (oder: , ...lebte er morgen noch.)

Im 'wenn'-Satz steht immer nur der Konjunktiv des Präsens oder des Präteritum, nie das Konditional. (So, wie im Englischen auch nie 'will' oder 'would' im If-Satz auftauchen darf).
Das Konditional darf nur im Hauptsatz stehen - und auch nur dann, wenn es ein Bedingungssatz ist (also vorher durch 'wenn' eingeschränkt), ansonsten steht der Konjunktiv. (Der Konjunktiv 'darf' aber auch hier anstelle des Konditionals stehen).

Der Konjunktiv und auch das Konditional sind keine eigentlichen 'Zeiten', sondern (nur) 'Modi'. Sie sind daher nicht abhängig von der Zeit, die im Hauptsatz gebraucht wird, sondern 'modifizieren' diese nur.
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: Kilian in 2005-03-05, 23:57:30
Okay, dann war ich auf der falschen Spur.

Zitat von: MrMagoo in 2005-03-05, 22:33:201. Wenn ich ihm morgen hälfe (oder: helfame),

So, und diese Wahl zwischen hälfe und helfame, zwischen Konjunktiv Präteritum und Konjunktiv Futur, kannst du da ein Beispiel angeben, in dem man diese Wahl auch im normalen Deutsch hat?

Ich weiß nämlich immer noch nicht, was ich mir unter einem Konjunktiv Futur vorzustellen habe. Den gibt es doch gar nicht, oder?
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: MrMagoo in 2005-03-06, 00:32:46
Zitat von: Kilian in 2005-03-05, 23:57:30
Okay, dann war ich auf der falschen Spur.

Zitat von: MrMagoo in 2005-03-05, 22:33:201. Wenn ich ihm morgen hälfe (oder: helfame),

So, und diese Wahl zwischen hälfe und helfame, zwischen Konjunktiv Präteritum und Konjunktiv Futur, kannst du da ein Beispiel angeben, in dem man diese Wahl auch im normalen Deutsch hat?

Ich weiß nämlich immer noch nicht, was ich mir unter einem Konjunktiv Futur vorzustellen habe. Den gibt es doch gar nicht, oder?

Ich muß mich schon wieder verbessern - ich meinte natürlich hälfe - ich hatte das -me Suffix ans starke Verb hängen wollen - quasi wie 'lebmete' => helfmete (ohne Futur -a) ...
Ich habe eben die Formen auch noch nicht intus *lol* - Verzeihung...

Ok, in "Normal"deutsch ;)

Präsens: Indikativ, Konjunktiv
Er schreibt einen Brief, Er schreibe einen Brief
Präteritum: Indikativ, Konjunktiv
Er schrieb einen Brief, Er schriebe einen Brief
Perfekt: Indikativ, Konjunktiv
Er hat einen Brief geschrieben, Er [/b]habe[/b] einen Brief geschrieben
Plusquamperfekt: Indikativ, Konjunktiv
Er hatte einen Brief geschrieben, Er hätte einen Brief geschrieben

Futur: Indikativ, Konjunktiv, Konditional
Er wird einen Brief schreiben, Er werde einen Brief schreiben, Er würde einen Brief schreiben
Futur II: Indikativ, Konjunktiv, Konditional
Er wird einen Brief geschrieben haben, Er werde einen Brief geschrieben haben, Er würde einen Brief geschrieben haben.

Formal gesehen gibt es einen Konjunktiv Futur, er beschreibt an sich vermutete oder erwartete Geschehnisse in der Zukunft - das Konditional beschreibt irreale Geschehnisse, deren Eintreten aber an Bedingungen gebunden sind.

Vgl: Er meinte, er werde einen Brief schreiben (Erwartung oder Vermutung)
Er würde einen Brief schreiben, wenn... (Unter bestimmten Bedingungen wird er den Brief schreiben).

Die Umschreibung des Konjunktiv Präteritum (= Konjunktiv 2) mit dem Konditional ist dann deshalb falsch, weil es an keine Bedingung geknüpft ist:
Ich wollte, er schriebe einen Brief (nicht: er würde einen Brief schreiben)
Wenn er einen Stift hätte, schriebe er einen Brief (oder: 'würde schreiben').

Je mehr ich allerdings drüber nachdenke, desto verwirrender wird's ... *g*

Das Problem liegt meiner Meinung nach darin, daß unser Futur an sich bereits analytisch ist - und zudem aus dem Latein übernommen. Die romanischen Sprachen, z.B. Französisch, haben kein wirklich großes Problem, zwischen Subjunctive und Conditionel zu unterscheiden...
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: Kilian in 2005-03-06, 18:57:01
Ich glaube, jetzt hab ich's verstanden. Vielen Dank. :)
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: caru in 2005-03-06, 20:47:13
leute, leute... ihr iert die sprache ganz schön kompliz, muß ich sagen  ;D
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: gehabt gehabt in 2005-03-07, 11:23:34
Wenn ich ein Voeglein waer und auch zwei Flueglein haett, wuerde ich zu dir fliegen ??????


Dass man ueberhaupt auf die Idee kommt, hier muesse man wuerde gebrauchen, kommt vermutlich daher, dass es in fremden Sprachen (Engl., Spanisch) tatsaechlich unterschiedliche Formen in beiden Satzteilen gibt.

Si  viniese Pepe, Juan cantar'ia.
(Wenn Pepe kaeme, saenge Juan.)

Si cantase Juan, vendr'ia Pepe.
(Wenn Juan saenge, kaeme Pepe.)

cantase, viniense = Konj Praet.
cantaria, vendr'a = Konditional

aehnlich im Engl.



Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: MrMagoo in 2005-03-07, 11:42:04
Genau - und da das Konditional aus den romanischen Sprachen, wo es synthetisch ist, stammt und in den germanischen Sprachen als 'Neuerwerb' mit Hilfe von 'würde+Infinitiv' umschrieben werden muß (analytisch), gibt es hier deshalb Verwirrung, weil z.B. das Deutsche an sich eigentlich nur den Konjunktiv zur Verfügung hat. Deutsch ist (wenn man jetzt vom Standarddeutschen absieht) grammatisch gesehen resistenter den lateinischen Einflüssen gegenüber als das Englische.
Daher ist das Konditional im Englischen üblicher, zumal der Konjunktiv fast vollständig geschwunden ist - dieser wird deshalb auch durch das Konditional ersetzt.
Zudem ist dadurch wiederum eine synthetische durch eine analytische Bildung ersetzt worden, was sowieso sehr häufig passiert.
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: Kilian in 2008-06-16, 15:21:00
Zitat von: MrMagoo in 2005-03-04, 21:45:00
Weiterhin überlege ich noch, wie ein synthetisches Passiv gebildet werden könnte.
Ich schätze, das werde ich auch mit einem Präfix lösen, mal sehen. ;)

Berthold hat jetzt mit der bewohrenen Einwuchsmethode ein synthetisches Passiv gebolden (http://verben.texttheater.de/Synthetisches_Passiv), und das lässt sich natürlich mit dem synthetischen Futur kombinieren. Erste Beispiele finden sich im Ankund auf Aufsätze (Verben) (http://verben.texttheater.de/Aufs%C3%A4tze_(Verben)).
Titel: Re: Zukunftsprojekt
Beitrag von: Berthold in 2008-06-16, 17:09:53
Da muß ich mich jetzt, obwohl der hier schon soo lange nicht mehr schrieb (leider, leider!), bei Mr. Magoo entschuldigen, weil ich seine Aufsätze zum Thema 'Zukunftsprojekt' größtenteils noch gar nicht kannte, bzw. mich daran nicht mehr erarnn.
Die Einwüchse wer-, wir- ... sorgen jedenfalls manchmal für gute, zumindest aber für g'spaßige Klänge, bisweilen (etwa 'schlüwürge') sogar für dazupassende Phantasien.
Beim Lesen versteht man derlei noch ziemlich gut, aber schnell gesproŋch entsteht bei passiven Verben dieser Art wohl fast eine Art von 'Kundenschall' (vgl. Puchner, 1974, Heimeran, München), von Jenisch.

Ich erinnere an etwas anderes, das trotzdem herpaßt (-> Wehle, Peter (1977) Die Wiener Gaunersprache. Eine stark aufgelockerte Dissertation. Wien, München, Jugend & Volk). Noch heutzutage verstehen einige WienerInnen eine 'Geheimsprache', bei der (ich halte mich hier z.T. an die hochdeutsche Variante) 'ein Viertel heuriger Wein vom Nußberg' 'an Ortelvә origerhә Onwә omvә Oßbergnә' heißt. 
 
Titel: Re:Zukunftsprojekt
Beitrag von: Agricola in 2008-06-16, 18:39:01
Zitat von: Kilian in 2008-06-16, 15:21:00
Zitat von: MrMagoo in 2005-03-04, 21:45:00
Weiterhin überlege ich noch, wie ein synthetisches Passiv gebildet werden könnte.
Ich schätze, das werde ich auch mit einem Präfix lösen, mal sehen. ;)

Berthold hat jetzt mit der bewohrenen Einwuchsmethode ein synthetisches Passiv gebolden (http://verben.texttheater.de/Synthetisches_Passiv), und das lässt sich natürlich mit dem synthetischen Futur kombinieren. Erste Beispiele finden sich im Ankund auf Aufsätze (Verben) (http://verben.texttheater.de/Aufs%C3%A4tze_(Verben)).
Ich budrowurcke ein!
Titel: Aw: Zukunftsprojekt
Beitrag von: gehabt gehabt in 2023-01-14, 23:47:32
Zitat von: MrMagoo in 2005-02-27, 20:41:12
Zitat von: Kilian in 2005-02-27, 19:33:56
Zitat von: MrMagoo in 2005-02-25, 14:15:05Es ist richtig, daß das Konditional oft den Konjunktiv ersetzt bzw. umschreibt, was dann tatsächlich vermieden werden sollte, an bestimmten Stellen ist aber das Konditional ("würde + Infinitiv") absolut korrekt und hat nichts mit dem Konjunktiv zu tun!

An welchen Stellen denn zum Beispiel?


Immer dann, wenn vom jetztigen Zeitpunkt aus eine Aussage über ein kommendes Geschehnis getroffen wird, dessen Eintreten oder Nichteintreten durch einen darauffolgenden oder vorangehenden Nebensatz, der einen momentan für irreal gehaltenen Zustand ausdrückt und mit "wenn" oder "falls" beginnt, eingeschränkt wird.

Im Nebensatz, der mit 'wenn' oder 'falls' eingeleitet wird, steht der Konjunktiv2, im Hauptsatz steht das Konditional:

Falls ich jetzt führe, würde ich es noch rechtzeitig schaffen.
Wenn er jetzt käme, würden wir losfahren.
Wenn sie mich anspräche, würde ich ihr die Lösung sagen. etc.

Der Konjunktiv mit würde + infinitiv ist ja eigentlich der Konjunktiv futur, denn würde ist der Konjunktiv von werden. futur Indikativ: ich werde durch die Prüfung fallen  aber Futur Konjunktiv: ich würde durch die Prüfung fallen. Deshalb vollkommen richtig: Wenn ich (jetzt) weiterschliefe, würde ich (morgen) durch die Prüfung fallen.
   
Titel: Aw: Zukunftsprojekt
Beitrag von: Vorbeischauer in 2023-01-15, 17:14:52
ZitatDer Konjunktiv mit würde + infinitiv ist ja eigentlich der Konjunktiv futur, denn würde ist der Konjunktiv von werden. futur Indikativ: ich werde durch die Prüfung fallen  aber Futur Konjunktiv: ich würde durch die Prüfung fallen. Deshalb vollkommen richtig: Wenn ich (jetzt) weiterschliefe, würde ich (morgen) durch die Prüfung fallen.

Einen Konjunktiv II Futur kekünne man wohl postulieren, z.B. in der wörlten Rede:

Börsenanalyst: ,,Der Kurs wird wieder steigen."
-> Der Analyst sagte, dass der Kurs wieder steigen werde. (Konjunktiv I Futur)
(vs. Der Analyst sagte, dass der Kurs wieder steige. (Konjunktiv I Präsens))

Börsenanalyst: ,,Die Kurse werden wieder steigen."
-> Der Analyst sagte, dass die Kurse wieder steigen würden. (Konjunktiv II Futur statt Konjunktiv I Futur)
(vs. Der Analyst sagte, dass die Kurse wieder stiegen. (Konjunktiv II Präsens statt Konjunktiv I Präsens)

,,steigen würden" kann zwar (im Sinne von ,,würde" als Ersatz für den Konjunktiv II) auch in gleichzeiker Bedut verwewernden, ,,stiegen" aber nicht in nachzeiker, also hälndt es sich um zwei verschiedene Zeiten.

Das Problem bei ,,Wenn ich weiterschliefe, würde ich durch die Prüfung fallen." ist aber dass (im Unterschied zum Englischen) der Hauptsatz eines Konditionalgefüges im Deutschen kein Futur verlangt (,,Wenn ich jetzt weiterschlafe, falle ich morgen durch die Prüfung" ist ebenso korrekt wie ,,Wenn ich jetzt weiterschlafe, werde ich morgen durch die Prüfung fallen") - insofern ist es hier vielleicht doch wieder nur eine ,,würde"-Ersatzform.

Überhaupt scheint mir die Verwandt des Konjunktivs II bzw. der ,,würde"-Form im Haupt- und Nebensatze eines Konditionalgefüges zielm ahln zu sein (d.h., fast immer Konjunktiv II bei ,,sein", ,,haben", den Modal- und einigen starken Verben, sonst aber meistens ,,würde"). Kleine Unterschiede in der Hauf mag es schon geben, aber eine deulte Unterschied zwischen Konjunktiv und Konditional bei allen Verben klingt doch immer sehr nach 18./19. Jahrhunderte: ,,Wenn er träfe, würde er gewonnen haben." - hingegen heute: ,,Wenn er treffen würde (seltener: träfe), hätte er gewonnen." Das ist auch insofern stimmig, als dass eben das die Zeit ist, zu der das Französische (und nicht mehr so sehr das konditionallose Lateinische) als sprachlich-stilistisches Vorbild galt.