Gesellschaft zur Stärkung der Verben

Öffentliche Bretter => Sprache => Thema gestartet von: Volli in 2005-04-07, 17:01:42

Titel: Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: Volli in 2005-04-07, 17:01:42
Hallo Leute,
wir sollen in Deutsch ein Facharbeit über ein literarisches Thema schreiben. Ich schwanke immer noch zwischen "Wirkungsabsichten und Formen des Theaters" und "Die Verarmung unserer Muttersprache". Was würdet ihr nehmen bzw. empfehlen und habt ihr evtl. irgendwelche quellen die ich verwende könnte? Würde mich über jede Hilfe freuen.
Danke Volli :)
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: VerbOrg in 2005-04-07, 17:44:19
Verarmung der Muttersprache klingt nicht schlecht. Ist dir schon mal aufgefallen, dass sich unsere Sprache immer mehr dem Neusprech (George Orwell - 1984) angleicht?
Ich much mir da vor einiger Zeit mal ein paar Gedanken:
ZitatDer Unsinn mit den Unwörtern
oder
Die anonymen Antonyme

Manchmal habe ich einfach ein ungutes Gefühl in der Magengegend, ja mir wird regelrecht schlecht, wenn ich mal wieder mit Unmengen von Unwörtern konfrontiert werde, die nicht unbedingt unvermeidbar sind.
Eine unsaubere Tischdecke wird in den Korb mit der schmutzigen Wäsche geworfen und verlorene Gegenstände sind unauffindbar. Geld wird nicht mehr auf Konten überwiesen sondern unbar gezahlt, ausstehende Rechnungen sind dagegen unbezahlt. Ein baufälliges Gebäude ist unsicher und ein verspäteter Gast unpünktlich.
Unwörter schießen überall wie Unkraut aus dem Boden. Die verzweifelte Suche nach immer mehr Synonymen hat den Blick in die entgegengesetzte Richtung mehr und mehr getrübt. Und da harren sie nun ganz unbeachtet derer, die sich doch noch hin und wieder aufraffen, die anonymen Antonyme ins Blickfeld der Sprachöffentlichkeit zurückzuholen. Ebenso unglücklich wie der sterbenskranke Genitiv.

Wenn ich mein Durcheinander auf dem Schreibtisch sehe, weiß ich, dass ich diese Unordnung beseitigen sollte. Allerdings lasse ich nichts unversucht, mich mit anderen Dingen davon abzulenken.

Zum Beispiel lese ich mal wieder in George Orwells ,,1984" um zu lernen, wie einfach doch Sprache sein kann. Man nehme einen positiv besetzten Begriff, z.B. gut, schicke diesem ein un- voraus und schon erhält man ein wunderschönes Antonym und ist gleichzeitig alle Schlechtigkeiten los. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Toll, oder?

Ich find's eher doppelplusungut.
Wäre allerdings auch ein schönes Thema, um es hier mal disku zu ieren.

Was ist eigentlich das Gegenteil von leserlich? Krakelig muss ja nicht heißen, dass etwas nicht zu entziffern ist.
Gibt es ein anderes Wort für Unwetter, ohne dass man sich in spezielle Begriffe für diverse Stürme, Gewitter, Regengüsse flüchten muss?
Wenn jemand sein Unwesen treibt, was macht er dann?
Was für ein Kraut ist ein Unkraut?

Vielleicht sollte man mal versuchen, wieder Synonyme für solch Un-Wörter zu finden.

Ach ja, noch viel Spaß beim mitforen, Volli!
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: amarillo in 2005-04-07, 18:03:05
Toll, finde mal ein Synonym für Unterricht.

@volli

Ich würde auch das Thema mit der Verarmung vorziehen. Welche Klasse bist Du? LK oder GK? Welchen Umfang soll die Arbeit haben?

Als Einstieg empfehle ich: Dieter E. Zimmer: Redensarten - Über Trends und Tollheiten im neudeutschen Sprachgebrauch. Haffmans Verlag, Zürich, 1986.

Das läßt sich leicht lesen, und man bekommt gute Anregungen für weitere Recherchen.

Natürlich ist die GSV ein absolutes MUSS im Kampf gegen die Verarmung deutscher Zunge; ebenso: Zwiebelfisch; Du findest mehrere Knüpfe hier im Forum.

Nein, hier ist er:http://www.spiegel.de/kultur/0,1518,k-4050,00.html (http://www.spiegel.de/kultur/0,1518,k-4050,00.html)
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: VerbOrg in 2005-04-07, 18:12:48
ZitatToll, finde mal ein Synonym für Unterricht.
Das ist jetzt gemein!
Außerdem hat der Witz mit dem Un-terricht sooooooooo 'nen Bart.

Bei Unterricht stellt sich eher die Frage, worunter man gerichtet wird.
Oder was ein Richt ist; die belehrende Unterweisung (schon wieder dieses Unter) oder Anleitung scheint davon ja nur eine Abart, quasi eine Unter-form zu sein.

Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: amarillo in 2005-04-07, 18:33:26
Unke ;D

... und ich dachte in diesem Faden werde Volli geholfen.
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: VerbOrg in 2005-04-07, 19:49:04
Ach, geh' doch, wo du wohnst!

Sorry, Amarillo, sollte keine Beleidigung sein, ist aber ein gutes Beispiel für Sprachverarmung, findest du nicht?

Und außerdem: Dem Apostroph ist nicht's zu doph.

So, jetzt sollten aber wirklich mal wieder konstruktive Vorschläge für Volli her!!!

Wie wär's mit "Sprachvermarkung"?
Auch so eine Sache, die mir immer mal wieder auffällt.
Wer fragt denn heutzutage noch nach einem Zellstoff- oder Papiertaschentuch, wenn ihm die Nase läuft?
Und die selbstklebende Klarsichtfolie, die z.B. an Verpackungsstationen rollenweise verbraucht wird, wird vermutlich auch fast nur von Ossis als Klebestreifen bezeichnet, der Markenname des Marktführers hat sich auch hier als Synonym durchgesetzt.
Ähnlich ist es mit Korrekturflüssigkeit.
Markennamen als Bereicherung der Sprache? Wohl nur für Wirtschaftsbosse.

Auch so'ne Sache, über die es sich nachzudenken lohnt.
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: Volli in 2005-04-07, 20:11:03
also ich bin 10. klasse auf dem gymnasium und da es unsere erste ist, sollte sie minimum 6 seiten (nur der text). aber würde gern mehr schreiben. danke schon mal für die quellen. werde dann auch mich um die verarmung unsereer muttersprache kümmern. :) was würdet ihr so als untertitel vorschlagen?
danke Volli
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: amarillo in 2005-04-07, 21:21:08
Für mich bleibt es immer noch fraglich, ob unsere Sprache wirklich verarmt. Eventuell gewinnt sie ja auch dazu, wenn man Anglizismen benutzt oder sich an lexikalische Kürzel herantraut à la "geh' doch, wo Du wohnst". Ich meine, daß die Verdrängung des Genetivs durch den Dativ allerdings ein Verlust ist.
Vielleicht mußt Du das von beiden Seiten sehen, deshalb würde ich vorschlagen, den Untertitel mit einem Fragezeichen zu versehen (man hält sich dann auch ein feines Türchen offen). ;)
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: VerbOrg in 2005-04-07, 21:32:18
Das mit den Anglizismen als Gewinn müsste man dann aber auch differenzieren.
Da, wo sie etwas Neues bezeichnen, sind sie ja gar nicht sooo verkehrt.
Bedenklich finde ich es allerdings, wenn dadurch bestehende deutsche Begriffe verdrängt werden.
Aber das sollte man wohl eher im Leihwörter-Faden weiter behandeln.

Die Sache mit dem Fragezeichen ist jedenfalls angebracht, denn schließlich gibt es auch immer wieder Wortneuschöpfungen, die die Sprache durchaus bereichern.

Sprache ist halt was Lebendiges. Wäre ja auch schlimm, wenn wir immer noch so sprechen würden wie zu Goethes Zeiten.
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: Kilian in 2005-04-07, 22:25:51
Unsere Muttersprache verarmt nicht. Da bin ich mir so gut wie sicher. Ich glaube, der Eindruck entsteht nur, weil uns aus der Vergangenheit hauptsächlich Texte gebildeter Dichter, Denker, Redner, Journalisten etc. überliefert sind, während wir in der Gegenwart die Schrecken des Privatfernsehens etc. und die Sprache wenig virtuoser Mitmenschen volle Breitseite mitkriegen.

Was wir in 100 Jahren für ein Bild haben werden, wenn jede RTL-Show auf digitalen Datenträgern archivoren zur Verfügung steht, sei mal dahingestellt... ;D

Behauptung: Sprachverarmung gibt's nicht, jedenfalls nicht die Verarmung der Sprache. Deswegen würde ich da keine Facharbeit drüber schreiben, wenn sie objektiv sein muss.

Aber sich mit "Trends und Tollheiten" etwas subjektiver auseinanderzusetzen und seine ganz eigenen Analysen und Ansichten dazuzugeben, das halte ich für ein dankbares Thema. Das würde ich wählen.

"Wirkungsabsichten und Formen des Theaters" klingt mir auch zu sehr danach, dass man da nur die Gedanken anderer zusammenstellen und wiedergeben muss. So ist es leider bei ganz vielen Facharbeiten im Gymnasium. Gähn. Sollte man meiden.

Vorschlag für den Titel der Arbeit: "Unsinniger Sprachgebrauch - Analyse von Beispielen aus der heutigen Alltagssprache" oder so ähnlich. Wenn du damit durchkommst. :)
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: gehabt gehabt in 2005-04-08, 09:19:25
Ich stimme Kilian zu. Es ist kuerzlich ein neues Buch herausgekommen, von einem uradligen Grafen Schoenburg "Mit Stil verarmen". Das koennte der Titel der Semesterarbeit sein.
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: Kilian in 2005-04-08, 18:53:53
Zu den "Unwörtern": Stimmt eigentlich. Warum unterscheidet die Optik nicht zwischen bunten und grauen, die deutsche Grammatik nicht zwischen festen und losen Partikelverben? In Fachsprachen mag das un- hilfreich sein, um in abstrakten Terminologien die Gedanken beisammenzuhalten. Aber sprachlicher Reichtum ist natürlich was anderes. Trotzdem:

Zitat von: VerbOrg in 2005-04-07, 17:44:19Ist dir schon mal aufgefallen, dass sich unsere Sprache immer mehr dem Neusprech (George Orwell - 1984) angleicht?

Das glaube ich ganz und gar nicht.

Link zur "Sprachvermarkung": http://www.oberlehrer.org/gm.html (http://www.oberlehrer.org/gm.html)
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: VerbOrg in 2005-04-08, 19:22:20
Danke für den Knupf.

Da bin ich ja mit meiner Beobachtung nicht ganz alleine.
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: Volli in 2005-04-10, 15:13:44
So ich werde dann mein Thema doch mal ein wenig ändern. Was haltet ihr von "Verarmung unserer Muttersprache?"
btw. habt ihr evtl noch einige Quellen :) würde mich freuen
danke Volli
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: Volli in 2005-04-10, 15:52:19
hab mal noch ne bitte(der editieren button ging nicht)
und zwar:
ich hab mal noch ne frage - um mal ein wenig in erfahrung zu bringen was man so unter der verarmung der muttersprache verstehen kann. was versteht ihr eigentlich darunter? will mal so eine art brainstorming machen :)
also legt mal los :)
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: gehabt gehabt in 2005-04-11, 14:10:28
Ich glaube, es verarmt nichts im Deutschen. Das Deutsche ist so reich wie lange nicht. Der Unterschied ist, dass vor 200 Jahren die meisten entweder nicht schreiben konnten oder gottseidank nichts von dem was sie fabrizoren haben uebriggeblieben ist. Wir lesen nur Goethe und denken alle haetten sich so gewahlt ausgedrueckt wie er.

Lohnend fuer eine Semesterarbeit waere es, gegenbeispiele fuers Verarmen zu finden, die Sprache der Werbung kann dabei sehr erfrischend sein.
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: Arnymenos in 2005-04-11, 15:42:57
Verarmt ist eine Sprache, wenn sie den Grundsatz verletzt, dass man in ihr nicht mehr alles ausdrücken kann, was man in einer anderen Sprache ausdrücken könnte.

Wir stehen vor einem Bild in einer internationalen Ausstellung. Gruppen von Reisenden unterhalten sich über die Ausstellungsstücke, fertigen schriftliche Beschreibungen für ihren Arbeitgeber, es mag eine Zeitung sein, oder für ihre Bekannten an. Dies -- davon gehe ich aus -- in allen Sprachen. Es mag einer afrikanischen Sprache das Fachvokabular fehlen; doch jede Sprache kann Umschreibungen finden oder aktiv Fremdwörter aufnehmen, um Lücken noch während des Sprechens zu füllen.

Nun aber habe ich die Aufgabe, ein Bild auf Englisch zu beschreiben. Mein Englisch mag dafür ausreichend sein, obwohl ein Muttersprachler eine gewisse Ausdrucksarmut feststellen würde. Ich selber kann mit keiner weiteren Fremdsprache als Beispiel dienen, denn wir möchten uns jemanden vorstellen, der sich so halbwegs leidlich in einer Sprache ausdrücken kann. Nähmen wir nun seine Version dieser Sprache als allgemeingültig (und als die beste Variante dieser Sprache), dann wäre diese Sprache sehr arm. Auch mein Englisch hat eine gewisse Armut, über die ich mir aber fast immer hinweghelfen kann. Ich finde Umschreibungen. Bei einer Sprache, die ich zwar ein wenig, aber eben deutlich schlechter beherrschte, fände ich diese nicht, und könnte auch mit jedem Umstand nciht das sagen, was ich ausdrücken will.

Das passiert beim Sprachenlernen. "Verarmen" bedeutet nun, dass eine Sprache auf eine solche unausgegorene Stufe zurückfällt. Da ein einzelner wohl kaum seine Sprache verlernt (von Herrn Schwarzenegger einmal abgesehen), geht das nur im Erwerb der Sprache durch eine neue Generation.

Und um meine Argumentation schnell abzuschließen (um sie später ggf. fortzusetzen --- ich muss weg): In Deutschland wachsen zur Zeit Kinder auf, die keine Sprache so beherrschen, dass man sie als allgemeines Kommunikationsmittel für alle einsetzen könnte. Klingt etwas nach Kant, also nochmal sauber:


Sprich immer so, dass deine Sprache gleichzeitig allgemeines Kommunikationsmittel sein könnte.


Ist eine Sprache nicht so, und ist sie dies durch zeitliche Veränderung, dann ist sie verarmt.
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: Kilian in 2005-04-11, 20:12:48
Angenommen, eine Sprache hat viele verschiedene Möglichkeiten, etwas Bestimmtes auszudrücken, ist also "redundant" - und nun verschwinden einige dieser Möglichkeiten, ohne dass man dadurch irgendetwas nicht mehr ausdrücken kann - man hat nur nicht mehr eine so große Auswahl, wie, also durch welche Zeichenketten, man es ausdrückt - wäre das nicht auch als Verarmung zu bezeichnen?
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: VerbOrg in 2005-04-11, 20:24:35
Gerade das ist es doch, was das Prinzip des anfangs von mir erwähnten Neusprech war.
Abgesehen von den Un-Wörtern wurde doch bei Orwell so viel wie möglich von der Sprache weggestrichen, so dass das Wörterbuch immer dünner, die Kommunikation immer einseitiger und steriler wurde.
Es gab nur noch gut und ungut, hell und unhell und alle Nuancen dazwischen wurden getilgt.
Dasselbe würde doch passieren, wenn man sich auf einen Begriff festlegen würde und alle Synonyme wegstriche. Die kleinen Unterschiede, die in all den unterschiedlichen Ausdrucksweisen liegen, wären damit weggefegt.
Der sprachliche Reichtum, aus dem die Dichter und Denker seit Jahrhunderten schöpfen konnten, wäre dahin. Wer würde da noch ein Buch lesen wollen?
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: Arnymenos in 2005-04-12, 10:27:01
Sprache findet ja Umstandskonstruktionen: Perfekt statt Präteritum, von statt Genitiv, würde statt Konjunktiv, doppeltes Perfekt statt Perfekt. Wo wir einen Verlust beklagen, erscheint etwas Frisches, das nicht die synthetische Schönheit des Alten besitzt. Unsere Sprache wird nach unserem Empfinden um etwas "Reiches" ärmer und im gleichen Zuge durch etwas"Armes" reicher.
Zusammenziehen und verschleifen bringt uns wieder synthetische Formen, kann aber auch als Verarmung gesehen werden.

Dem Neusprech zie ich Proph*, dass eine Generation, die es erlernte, unglaublich erfinderisch in Bezug auf neue Wörter wäre. Es sei denn, das System greift und verdummt die Menschen auf ewig. In der angewandten Sprache hat jeder die Freiheit, jedes Wort, das er kennt, wiederzuverwenden. Nun mag unsere literarische Vergangenheit einen gigantischen Wortschatz erschaffen haben; aber wer von uns nutzt das alles denn?
Nehmen wir an, der Große Bruder klaut uns Wort um Wort, und zwar so effektiv, dass wir einsehen, dass wir auf dieses und jenes Wort durchaus verzichten können. Die Verarmung unserer Sprache bemerken wir dann, wenn wir einen Gedanken gar nicht mehr ausdrücken können. Es besteht doch ein deutlicher, sehr wichtiger Unterschied zwischen "nicht schlecht" und "gut". Wer also könnte uns davon überzeugen, dass man auf Antonyme verzichten könnte? Sooft wir die Freiheit haben, unsere Sprache uneingeschränkt zu verwenden, hat Neusprech keine Chance.

Und wer "Ey, boah, ey, voll krass. Ja wie jetz? Total mega. Ey, was? Auf die Fresse?" betrachtet, sieht voller Staunen die Veränderung der Sprache, sieht, wie absolut alelrbedeutungsloseste, den Satz füllende Füllwörter plötzlich unerwartet eine neue Sinnbedeutung kriegen. Vielleicht erwächst daraus auch mal eine schöne Konstruktion, auf die man stolz sein wird.

Vielleicht.

Lieber nicht.


*) Ich bitte um Änderung in der Starkverbliste. Übrigens nicht "zieh", wegen der orthographischen Unterscheidung: Ich zeie Proph, zie Proph, zie Proph (eigentlich zie-e), habe Proph geziehen.

Dazu: Proph, die (nicht: Prof, der) neu für Prophezeiung (Tilung doppelter Endung)
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: VerbOrg in 2005-04-12, 15:57:58
Lessing gab seiner Schwester mal den Rat: "Schreibe, wie du redest, und du schreibst schön."
Wie viel reicher und interessanter ist doch in den meisten Fällen die mündliche Umgangssprache als die präzise Schriftsprache. In der mündlichen Kommunikation ist man viel eher geneigt, sich leicht verständlich auszudrücken. Die mündliche Sprache ist oft viel bildhafter, weckt beim jeweiligen Gesprächspartner Assoziationen...
Besonders bildhaft ist eigentlich auch die Sprache der Dialektsprecher. Allerdings werden viele Dialekte (z.B. Plattdeutsch) fast nur noch von der älteren Generation gepflegt und sterben langsam aus. Auch das ist eine Art der Verarmung der Muttersprache.

Insofern sollte man sich fragen, inwieweit der sprachkategorische Imperativ:
ZitatSprich immer so, dass deine Sprache gleichzeitig allgemeines Kommunikationsmittel sein könnte.
verallgemeinert werden soll.

Geht es um die Kommunikation innerhalb einzelner sozialer oder regionaler Gruppen oder ist das einzige Ziel eine allgemeine Verständigung aller Deutschen, was ja eine Abkehr von den Dialekten voraussetzt. Denn ein sächselnder Sachse oder ein plattdeutsch sprechendes Nordlicht würde beispielsweise in Bayern nur auf Unverständnis stoßen.

Dass das Hochdeutsch als verbindendes Kommunikationsmittel aller Deutschen gepflegt werden muss, steht allerdings außer Frage.
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: MrMagoo in 2005-04-12, 16:08:57
Zitat von: Arnymenos in 2005-04-12, 10:27:01
*) Ich bitte um Änderung in der Starkverbliste. Übrigens nicht "zieh", wegen der orthographischen Unterscheidung: Ich zeie Proph, zie Proph, zie Proph (eigentlich zie-e), habe Proph geziehen.


Welche orthographische Unterscheidung?
-zeihen sollte weiterhin mit "h" geschrieben werden, damit die Verwandtschaft zu "zeigen" offensichtlich bleibt!
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: VerbOrg in 2005-04-12, 16:19:48
Im Infinitiv besteht das Problem ja auch nicht.
Schwieriger wird's im Präteritum und im Konjunktiv, da es hier üble Überschneidungen mit Formen von ziehen gibt.

zieh: Ind. Prät. von zeihen = Imperativ von ziehen
ziehe: Konjunktiv II von zeihen = Ind. Präs. 1. Person von ziehen

Or ich das jetzt richtig interpret?
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: Kilian in 2005-04-12, 16:33:54
Damals kam es mir ohne h komisch vor, jetzt kommt's mir mit h komisch vor... das hab ich jetzt erstmal entfornen. Die betonungsändernde, Partikel-zu-Subsantiv-machende Tmesis gibt es aber noch nicht als Bestandteil des GSV-Stärkungsprogrammes.
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: Volli in 2005-04-12, 21:06:38
hallo :)
ich werde nun mein them,a doch ein wenig eingrenzen, sodass es sich nur um anglizismen udn deren einfluss auf mutter - und gegenwartssprache bezihet. vlt habt ihr da ja ein paar anregungen für mich - würde mich auf jeden fall freuen :)
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: VerbOrg in 2005-04-12, 21:29:18
Als kleinen Einstieg in die Anglizismen-Recherche hab' ich dir mal zwei Links rausgesucht:

Der erste ist ein interessanter Artikel über Anglizismen in der Werbung.

http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/0,1518,310548,00.html (http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/0,1518,310548,00.html)

Solltest du dann noch Lust haben, eine laaange Liste mehr oder weniger gebräuchlicher Anglizismen zu checken, statt dir mit der Webcam interessante Pics ranzuzoomen, dann sei dir mal die Seite des Vereins Deutsche Sprache e.V. ans Herz gelegt.

http://www.vds-ev.de/denglisch/anglizismen/ (http://www.vds-ev.de/denglisch/anglizismen/)
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: Kilian in 2005-04-13, 20:28:55
Auf amarillos Empfehlung hin habe ich mir gleich Dieter E. Zimmers "Redens Arten" bestellt; ich bin jetzt mitten im ersten Kapitel. Da stehen einige verschiedene Arten und Weisen drin, wie das Englische die deutsche Gegenwarzsprache beeinflossen hat - ist zu empfehlen, könnte dir auch helfen, Volli.

Auch zum Thema:

ZitatÜber Anglizismen wird viel gemault. Dumm daran ist, daß man zwei verschiedene Erscheinungen so nennt. Einmal unübersetzt aus dem Englischen übernommene Ausdrücke, zum andern Lehnübersetzungen. Es wäre besser, wenn man Begriffe wie E-Commerce oder health care als englische Fremdwörter bezeichnete und das Wort Anlizismus auf Entlehnungen wie "Sinn machen" "einmal mehr" oder "nicht wirklich" beschränkte. Fremdwörter sind häufig eine willkommene Sprachwürze. Als ich gestern am Telephon von jemandem gefragt wurde, wie mir sei, erwiderte ich "slightly uneasy", weil es mir eben würzig vorkam, so zu sprechen. Ärgerlich ist nur, wenn Leute aus dem Computer- oder Werbewesen auch nach Arbeitsschluß mit ihrem Sprachgemisch fortfahren, unfreundlich ist es, das Kauderwelsch gegenüber Menschen anzuwenden, bei denen Englischkenntnisse nicht vorauszusetzen sind. Störender als die englischen Sprachbrocken finde ich jedoch eine marottenhaftge Verwendung bestimmter Übersetzungen, wie z.B. "zunehmend": "Der Markt wird zunehmend enger." (...) Ganz stark im Kommen ist zur Zeit "Wie fühlt sich das an?" ("How does it fel?"). "Wie fühlt sich das an, Mitglied der erfolgreichsten deutschen Girl Group zu sein?" Als ob die Mitgliedschaft in einer Band ein Stück Kaninchenfell wäre.

Max Goldt, Wenn man einen weißen Anzug anhat, Rowohlt 2002
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: Arnymenos in 2005-04-14, 18:55:24
Der kategorische Sprachimperativ ist ja nicht verletzt, wenn man Dialekt spricht. Ein Dialekt ist genauso eine Sprache wie jede andere. Zwei Sprecher dieses Dialektes, egal welcher Kultur sie letztlich entstammen, könnten sich darin über alles unterhalten. Und das fordere ich von einer Sprache, bzw. erkläre sie für "arm", wenn das nicht wenigstens theoretisch möglich ist.

Ein abstraktes Beispiel: Eine Sprache ohne Verneinung. Darin könnte man sich definitiv nicht vollständig ausdrücken. Und zum Glück (Zufall oder Absicht?) haben alle Sprachen Negation. Ich wage den Umkehrschluss: Etwas, das keine Negation hat, ist keine Sprache.


Zur Tmesis von zei(h)e Proph: Was ist mit "wirt ant"?
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: VerbOrg in 2005-04-14, 19:22:35
Verneinung ist schon was Feines. Besonders in geballter Form:

Zitat§ 118 BGB (Scherzerklärung):
Eine nicht ernstlich gemeinte Willenserklärung, die in der Erwartung abgegeben wird, der Mangel an Ernstlichkeit werde nicht verkannt werden, ist nichtig.
Und da sage noch jemand, deutsche Gesetzestexte wären schwer verständlich.
So eine fünffache Verneinung hat was für sich.

Andere Leute haben schon bei dreifachen Verneinungen Probleme:
ZitatWolfgang Poggendorf vom Tierschutzverein meint: "Wenn mehr Auslaufflächen geschaffen werden, kann der allgemeine Leinenzwang kommen." Die Einführung von Hundeführerscheinen sei nötig, "um zu verhindern, daß die Tiere nicht in die Hände von Menschen geraten, die nicht in der Lage sind, sich wirklich um sie zu kümmern".
(Hamburger Abendblatt, 08.04.2005)


Aber was meinst du eigentlich genau mit deiner Tmesis-Frage?
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: caru in 2005-04-14, 21:37:05
er meint einen neuen starken imperativ für antworten.

ier ihn doch mal dem adminstrator propon  ;)
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: Ly in 2005-04-14, 21:37:51
Zitat von: amarillo in 2005-04-07, 18:03:05
Nein, hier ist er:http://www.spiegel.de/kultur/0,1518,k-4050,00.html (http://www.spiegel.de/kultur/0,1518,k-4050,00.html)

Die Rheinische Verlaufsform ist toll am sein.  ;D
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: VerbOrg in 2005-04-14, 21:52:04
War auch sehr am Lachen als ich den Zwifi am Lesen war.
Bin aber trotzdem nicht am Nachdenken, ob ich ins Rheinland übersiedeln soll. Da wär' ich mich voll am Verlaufen bei den Verlaufsformen.

Was den neuen starken Imperativ von antworten am Angehen ist, weiß ich nicht, ob wir den wirklich brauchen. Schließlich ist es nicht ungewöhnlich, wenn ein Verb, dessen Wortstamm mit einem t aufhört, sowohl in der 3. Pers. Ind. Präs. als auch im Imperativ gleich lautet.
Bsp.: treten

Bin da jedenfalls selbst nicht so kreativ. Aber vielleicht fällt ja jemandem von euch doch was Tolles ein.
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: Kilian in 2005-04-14, 23:53:46
ZitatVerneinung ist schon was Feines. Besonders in geballter Form

Und besonders, wenn die Ballung den Sinn verkehrt, wie in dem Hundebeispiel oder hier:

ZitatAußerdem müssen Sie einen Pausenzoll zahlen in Form eines zusätzlichen Zuges, der in das Schienennetz einfährt. Dies verhüte, daß das Gesamtspiel nicht zu einem Stück für Stück Spiel missbraucht wird.

Anleitung des Computerspiels Shortline, aus dem Gedächtnis zitoren

Zitater meint einen neuen starken imperativ für antworten.

Äh, völlig falsch. Der steht doch seit Langem in der Liste. Arnymenos hielt mir das entgegen, weil ich prophezeien nicht trennen mochte.

ZitatZur Tmesis von zei(h)e Proph: Was ist mit "wirt ant"?

antworten hat die Hauptbetonung auf der ersten Silbe, lässt sich also ohne Probleme zum Partikelverb umdeuten. Bei zie Proph verlürge sich die Betonung... wie bei der generellen Tmesis für ieren-Verben, die ja auch nur hier im Forum praktizoren wird.
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: Arnymenos in 2005-04-15, 13:32:43
Zitat von: Kilian in 2005-04-14, 23:53:46
antworten hat die Hauptbetonung auf der ersten Silbe, lässt sich also ohne Probleme zum Partikelverb umdeuten. Bei zie Proph verlürge sich die Betonung... wie bei der generellen Tmesis für ieren-Verben, die ja auch nur hier im Forum praktizoren wird.

Mein Akzept

(immer dieser Nominalstil...)
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: VerbOrg in 2005-04-15, 15:19:02
Wollte noch mal auf das Thema mit der Verneinung zurückkommen.

Da las ich heute in Hannes Steins Ratgeber "Endlich Nichtdenker" Folgendes:

ZitatSie sollten eine Vorliebe für die Formulierung "nicht un-" entwickeln; wenn Sie mehrere dieser doppelten Negationen hintereinander aufreihen, wird bald kein Mensch mehr wissen, was Sie sagen wollen, Sie selber inklusive. (Bitte memorieren Sie den Satz: "Ein nicht unschwarzer Hund jagte eine nicht ungraue Katze über einen nicht ungrünen Rasen.")
Ist übrigens ein nicht unlustiges Buch.
Vorausgesetzt, man hat nicht wirklich vor, das Denken zu verlernen. Der Versuch war zumindest bei mir bisher noch nicht unbedingt von Erfolg gekronen.
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: Kilian in 2005-04-15, 21:44:36
Klingt gut...! Dieser Thread ist in Gefahr, mein Bücherregal zu überfüllen... :)
Titel: Re:Facharbeit in Deutsch
Beitrag von: VerbOrg in 2005-04-15, 21:47:37
Nicht nur deins.
Deine aktuelle Lektüre ist bei mir als Nächstes dran.
Oren mich des Redens Arten nicht faszin, wäre ich wohl nicht hier.