Gesellschaft zur Stärkung der Verben

Öffentliche Bretter => Sprache => Thema gestartet von: Arnymenos in 2005-05-06, 21:23:49

Titel: Vorvorsilben
Beitrag von: Arnymenos in 2005-05-06, 21:23:49
Eines aus dem Herkunftswörterbuch (Duden 7) möchte ich euch nicht vorenthalten: Zunächst kommt "fressen" von "ver-essen". "verfressen" ist damit eine Doppelbildung, zweimal die gleiche Vorsilbe. Gibt es deutlichere Beibeispiele für doppelte Vorvorsilben?

Mir fielen "vorvorgestern" und "überübermorgen" ein, die aber sicher nicht von allen verstanden und benutzt werden. Beide stehen im Duden. Das Englische kennt keine Wörter dafür. Auch das Irische tut sich schwer.

Aber, nun: mehr Vorvorsilben bitte.
Titel: Re:Vorvorsilben
Beitrag von: MrMagoo in 2005-05-06, 21:42:54
Zitat von: Arnymenos in 2005-05-06, 21:23:49
Eines aus dem Herkunftswörterbuch (Duden 7) möchte ich euch nicht vorenthalten: Zunächst kommt "fressen" von "ver-essen". "verfressen" ist damit eine Doppelbildung, zweimal die gleiche Vorsilbe. Gibt es deutlichere Beibeispiele für doppelte Vorvorsilben?

Deutlichere weiß ich nicht - doch wo wir gerade bei "essen" sind:
Das Partizip2 von essen enthält zweimal die Vorsilbe ge-.
Titel: Re:Vorvorsilben
Beitrag von: Arnymenos in 2005-05-06, 22:28:16
Ach du meine... *vordenKopfklatsch* Das ist mir ja noch gar nicht aufgefallen. Dabei habe ich heute mit einer "Wortrecherche" zu "essen" begonnen, etwas zaghaft in diesem Beginn, anscheinend zu zaghaft. Und jetzt reißt du mir die Schuppen von den Augen.

Könntest du da mehr erzählen?
Titel: Re:Vorvorsilben
Beitrag von: MrMagoo in 2005-05-06, 22:53:58
Nicht wirklich... ich weiß nur, daß die Vorsilbe "ge-" nochmals vor das eigentliche Partizip2 gesetzt wurde, der Grund ist mir leider nicht bekannt.

Vielleicht ist "geessen" zu "gessen" zusammengezogen worden und man hat diese Form dann nicht mehr eindeutig als Partizip erkennen können - also setzte man "ge-" nochmals davor.
Das etymologische Wörterbuch enthält aber auch keine weiteren Angaben darüber.
Titel: Re:Vorvorsilben
Beitrag von: Kilian in 2005-05-07, 01:24:59
Zitat von: Arnymenos in 2005-05-06, 21:23:49Mir fielen "vorvorgestern" und "überübermorgen" ein, die aber sicher nicht von allen verstanden und benutzt werden. Beide stehen im Duden. Das Englische kennt keine Wörter dafür.

Wer auch immer dafür zuständig ist, Filmtitel ins Deutsche zu übertragen - diese Leute scheinen ihren Job nicht mehr zu machen in letzter Zeit. So kamen die deutschsprachigen Kinos um einen Hollywood-Katastrophen-Blockbuster mit dem schlichten, schönen Titel Übermorgen. Ob sie sich immer noch weigern werden, zu übersetzen, wenn demnächst die Fortsetzung The day after the day after tomorrow kommt (über das, was nach der nächsten Eiszeit passiert)?
Titel: Re:Vorvorsilben
Beitrag von: Kilian in 2005-05-07, 01:32:41
Ich dachte gerade an zuzumachen, aber das zweite zu ist ja nicht wirklich eine Vorsilbe. Kennt man das Verb zuzeln (für fukelige feinmotorische Arbeiten), kann man sich vorstellen, z.B. Kinderschühchen zuzuzuzeln - eine Unverschämtheit und überdies leicht ungrammatisch wäre es hingegen, sie zu zu zu zuzeln, sodass das arme Kind sie nicht mehr alleine aufkrächte.
Titel: Re:Vorvorsilben
Beitrag von: VerbOrg in 2005-05-07, 07:25:02
Gern hätte ich meine Ururgroßeltern kennen gelornen, aber dies war mir nicht vergonnen.

gönnen - gann - gänne - gegonnen
Titel: Re:Vorvorsilben
Beitrag von: MrMagoo in 2005-05-07, 19:19:54
Zitat von: VerbOrg in 2005-05-07, 07:25:02
Gern hätte ich meine Ururgroßeltern kennen gelornen, aber dies war mir nicht vergonnen.

gönnen - gann - gänne - gegonnen

Oha, auch gönnen enthält die Vorsilbe "ge-":

Früher war gönnen ein Präterito-Präsens, ging wie 'können':

gönnen (ich gann, wir gönnen) - gonnte (Konj: gönnte) - gegonnt

---> Diesen Formen ist ein ge- vorgesetzen, ursprünglich hieß der Infinitiv "unnen", Präsens: "ich an(n), wir unnen", Präteritum "ich onde".

Jaja, das Deutsche liebt die Vorsilben...:)
Titel: Re:Vorvorsilben
Beitrag von: Ly in 2005-05-07, 19:31:42
Also müssten wir heute eigentlich sagen:

gönnen - gann - gänne - gegeunnen

Auch lustig ;D
Titel: Re:Vorvorsilben
Beitrag von: VerbOrg in 2005-05-07, 19:36:22
dann doch gleich

gönnen - geann - geänne - gegeunnen.

Hört sich komisch an. Gefällt mir irgendwie nicht.  :-\
Titel: Re:Vorvorsilben
Beitrag von: Ly in 2005-05-07, 22:26:31
Zitat von: VerbOrg in 2005-05-07, 19:36:22
dann doch gleich

gönnen - geann - geänne - gegeunnen.

Hört sich komisch an. Gefällt mir irgendwie nicht.  :-\

Dann eben gegunnen statt gegeunnen. Mir gefiel nur das doppelte Präfix so toll. ;D
Titel: Re:Vorvorsilben
Beitrag von: VerbOrg in 2005-05-07, 22:35:28
Lassen wir doch einfach den Meister entscheiden, ob er eine der Varianten in die heilige Liste aufnimmt, und wenn, welche...

Lustig sieht's aus mit der doppelten Vorsilbe. Aber es hört sich auch arg ge-gestottert ge-gesturtten an, wenn man's ausspricht.

stottern - sturtt - stürtte - gesturtten
Titel: Re:Vorvorsilben
Beitrag von: Ly in 2005-05-07, 22:39:04
Ich widerspreche!

stottern - startt - stärtte - gesturtten ;D
Titel: Re:Vorvorsilben
Beitrag von: VerbOrg in 2005-05-07, 22:46:28
Auch das, war meine Alternativ-Variante. Musste mich ja leider für eine entscheiden.

Aber wie wär's mit der Kombination:

stottern - startt - stürtte - gesturtten?

Der Wechsel vom "a" im Ind. Prät. zum "ü" im Konj. II ist doch auch immer wieder schön und nicht mal ungewöhnlich.
Titel: Re:Vorvorsilben
Beitrag von: Ly in 2005-05-07, 22:47:24
Okay, bin zufrieden.

Aber wo es das sonst noch gibt, wüsste ich ich mal gerne...
Titel: Re:Vorvorsilben
Beitrag von: VerbOrg in 2005-05-07, 22:50:28
Selbst in ganz normal starken Verben:

sterben - stirbt - starb - stürbe - stirb! - gestorben

Da brauch' ich nicht mal die große Liste zu Hilfe nehmen, in der sich diese Kombination mehrfach findet.
Titel: Re:Vorvorsilben
Beitrag von: Ly in 2005-05-07, 22:52:25
Zitat von: VerbOrg in 2005-05-07, 22:50:28
Selbst in ganz normal starken Verben:

sterben - stirbt - starb - stürbe - stirb! - gestorben

Da brauch' ich nicht mal die große Liste zu Hilfe nehmen, in der sich diese Kombination mehrfach findet.

Danke schön. ;D
Titel: Re:Vorvorsilben
Beitrag von: Kilian in 2005-05-07, 22:54:12
Ihr Langweiler! Bei gönnen können wir uns doch gönnen, gleich ganz radikal zu gonnte, gegonnt... zurückzukehren. Bei stottern können wir dank der Konsonantenverschiebung den Ablautball flach halten und im o-ö-Bereich bleiben. Gefällt mir am besten.

Getreu dem Motto: Wenn die Kinder sich zanken, lieber beide enttäuschen... ;)
Titel: Re:Vorvorsilben
Beitrag von: VerbOrg in 2005-05-07, 23:01:08
Wer zankt denn hier?
Wir haben nur diskut georen. Und da darf man doch wohl unterschiedliche Meinungen vertreten.
Und was stottern angeht - ich bin nicht enttuschen. (Auch wenn mir die a/u-Formen besser gefallen, aber "Geschmäcker...", sagt der Bäcker.)
An gönnen - gonnte - gegonnt muss ich mich noch gewöhnen, ich finde, diesen Formen fehlt es an der nötigen Stärke.
Titel: Re:Vorvorsilben
Beitrag von: Kilian in 2005-05-07, 23:04:57
Du hast ja völlig Recht, ich meinte das Motto auch nur im weit übertragenen Sinne und unernst.

Stark sind die Formen auch wirklich nicht, aber dafür umso unregelmäßiger. Hence the big U.
Titel: Re: Vorvorsilben
Beitrag von: Agricola in 2007-09-17, 16:00:15
Ich schlage einige Wörter mit doppelten Vorsilben vor:

vorvorfahren - vormachen, wie man vorfährt
Passt auf, Fahrschüler: nun wird euch euer Fahrlehrer vorvorfahren.

überübersetzen - weiter übersetzen als nötig
"Grand Slam" hätte besser unübersetzt bleiben sollen; mit "Großer Knall" ist es jedenfalls überübersetzt.

nachnachmessen - durch eine erneute Messung überprüfen, was bereits nachgemessen wurde
Hätten wir bei der Wohnungsbesichtigung genauer nachgemessen, müssten wir jetzt nicht alles nachnachmessen.

ababwaschen (sich etw.) - beim Abwaschen einer Sache verlustig gehen
Schon mancher Tellerwäscher hat sich die Haut an den Fingerkuppen ababgewaschen.

ververschreiben (sich) - sich vertun, während man etwas verschreibt
Die Ärzte müssen aufpassen, dass sie sich nicht ververschreiben.

umumgürten - die Umgürtung eines Gegenstandes in anderer Weise neu anlegen
Das hält schon so, den Koffer brauchst du nicht umzuumgürten.

Natürlich gibt es untrennbare Doppelvorsilbenverben (der Arzt ververschreibt sich häufig), einfach trennbare Doppelvorsilbenverben (Den Koffer umgürte ich noch einmal um) und doppelt trennbare Doppelvorsilbenverben (Guckt mal, ich fahre euch jetzt mal vor vor.)
Titel: Re: Vorvorsilben
Beitrag von: Agricola in 2007-09-17, 16:37:27
Ach ja, und natürlich gibt es noch eine vierte Kategorie: die trennbaren Verben, die eine weitere, nun aber untrennbare Vorsilbe bekommen:

umúmziehen - einen Ort beim Umziehen umfahren
Der Umzug von der Hausnummer 13 zur Hausnummer 17 war nicht so nah wie man sich es vorstellt, denn damals war gerade zwischen diesen Häusern eine Großbaustelle, die wir um zu umziehen hatten.

Die beiden Silben müssen bei der Trennung ihre Position öfter vertauschen. Wenn das betonte úm, das ursprünglich Bestandteil des Verbums úmziehen ist, abgetrennt wird, rückt das untrennbare um (das den Umweg beschreibt) an den Wortstamm:

wir müssen die Baustelle leider umúmziehen
ich umzíehe die Baustelle úm
um die Baustelle úmzuumziehen (oder um zu umziehen)
wir haben die Baustelle úmumzogen
Titel: Re: Vorvorsilben
Beitrag von: Kilian in 2007-09-17, 17:05:13
Oh, das gefällt mir! :)

unterunterstützen (fünfte Kategorie: standardsprachlich nur in Verbletztstellung benutzbar, wie unterbewerten und bausparen)
Wir fühlen uns durch das Management unterunterstützt.

anangeben (doppelt trennbar)
Eine genaue Spezifikation haben wir noch nicht; die Kunden gaben ihre Wünsche bisher nur an an.

Titel: Re: Vorvorsilben
Beitrag von: Agricola in 2007-09-17, 17:32:06
Wer hat denn so falsch gebletzt, dass die Wörter in der Verbletztstellung verharren müssen?
Titel: Re: Vorvorsilben
Beitrag von: VerbOrg in 2007-09-17, 21:18:43
Komisch, eben jenen Verleser mit der Ver-Bletztstellung hatte ich eben auch.
Titel: Re: Vorvorsilben
Beitrag von: Grinsekater in 2007-09-18, 00:49:35
Ist es weniger komisch oder kömscher, wenn mir das Gleiche passoren ist?
Ich verbletze, ich verblatz, verblätze, verblitz!, verblotzen (oder Unralchg statt Stärke: verblotzt)
Aber was heißt's?
Titel: Re: Vorvorsilben
Beitrag von: Agricola in 2007-09-18, 03:15:09
Vielleicht verbletzen = (ein Verb) ans Satzende verbannen? Analog "der Bletz" = der Bann, mit dem ein Verb verblotzen wird. Geschieht den Verben gans recht, wo sie sich doch weigern, sich regelrecht in ihre Bestandteile zerlegen zu lassen.
Titel: Re: Vorvorsilben
Beitrag von: Agricola in 2007-09-18, 16:53:49
(sich gegenseitig) zuzutrinken (doppelt trennbar): sich so lange zutrinken, bis beide vollkommen zu sind
Da wir viel zu Feiern haben, sollten wir nicht zu starke Alkoholika bestellen, um uns nicht ganz zuzuzutrinken.
Titel: Re: Vorvorsilben
Beitrag von: Kilian in 2007-09-18, 17:26:00
...um uns nicht zu zuzuzutrinken.
Titel: Re: Vorvorsilben
Beitrag von: amarillo in 2007-09-18, 17:49:55
überüberholen (einfach trennbar)

Die Werkstatt nahm meinen Inspektionsauftrag etwas zu genau, die haben mir sogar eine Analyse der Reifenluft in Rechnung gestellt, der Wagen ist völlig überüberholt.
Titel: Re: Vorvorsilben
Beitrag von: Agricola in 2007-09-19, 04:09:57
Und überüberholen (untrennbar) - einen Wagen an einem überholenden Wagen vorbei überholen
Der Porsche scherte auf der vierspurigen Straße aus der Überholspur auf die Gegenfahrbahn aus und überüberholte den Lastwagen am überholenden Mercedes vorbei.

sowie überüberholen (sich(3) jemanden ihm Viele) (doppelt trennbar) - des ständigen jemandem einen Überholens überdrüssig werden
Auf der Tour herrschten rauhe Sitten. Ed musste Toni so Viele überholen (Neutsch für: so oft einen überholen), dass es ihm nach einigen Tagen zu viel wurde. Im Rückblick sagt er: "Ich holte den Toni ihm innerhalb weniger Tage Unzählige über mir völlig über."
Titel: Re: Vorvorsilben
Beitrag von: Grinsekater in 2007-10-10, 02:11:09
Bedeckt man etwas mit einem Tuch, deckt man es ab (1). Ein umgekehrter Vorgang, die Geschirrentfernung von einer verlass'nen Speisetafel beispielshalber, läßt sich ebenso als ,,abdecken" (2) beschreiben. Was aber nun, wenn man etwas zuvor mit einer Plane Abgedockenes (1) wieder abdückt (2)? Nicht weiter, zugegeben - im zivilisnoren Denken aber nur! Wer sich denn erst als Grinsekater in einsamer norwegischer Wildnis mit Außenzelten, Innenzelten, Isoliermatten, Rucksackkokonen und Regenumhängen zu beschäftigen hat, spürt so rachgt das Bedürfnis nach Synthetisur:

ababdecken (doppelt trennbar) - etwas Abgedockenes (Zugedockenes) wie abdecken (ent-decken)
Von Regen, Kondenswasser und Sumpf vollräumlich umzolngen, dak ich gezwungermaßen den eben abgedockenen Rucksack ab ab, um den zum Umrühren des Maisbreis erfurlden Löffel zu erreichen.
Titel: Re: Vorvorsilben
Beitrag von: amarillo in 2007-10-10, 16:16:31
Wenn nun der Abteilungsleiter eine von ihm als wichtig erochtene Nachricht unterschreibt, sein Vorgesetzter dann, weil er auch von der Wucht des Schreibens überziugen ist, ebenfalls seinen Wilhelm darunter setzt, dann sogar der Direktor, dem vor Vorfreude glatt der Draht aus der Mütze springt noch eins darunter setzt - ja dann, ist das Schreiben dann: unterunterunterschrieben?
Oder etwa, die verschiedenen Ränge bedenkend: überüberunterschrieben?