Gesellschaft zur Stärkung der Verben

Öffentliche Bretter => Sprache => Thema gestartet von: gehabt gehabt in 2004-12-14, 17:12:55

Titel: Futur II
Beitrag von: gehabt gehabt in 2004-12-14, 17:12:55
Eine Frage an die Experten. Da gibt es ja den beruehmten Spruch von
Gellert, (glaube ich):

Lebe, wie du, wenn du stirbst, wuenscht, gelebt zu haben.

Wie ist das eigentlich grammatikalisch wasserdicht:

Lebe, wie du, wenn du sterben wirst, wuenschen wirst, gelebt haben zu werden.

oder

Lebe, wie du, wenn du sterben wirst, wuenschen wirst, gelebt werden zu haben.

?
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: caru in 2004-12-14, 21:23:05
selbst aufs strengste genommen kann der satz so stehen bleiben.

die infinitivgruppe "gelebt zu haben" muß ohnedies stehen bleiben, wie die beiden versuchsversionen zeigen. ich kann sagen:

"ich wünsche alles richtig erklärt zu haben." (präsens)

"er wünschte anders gelebt zu haben, als er gelebt hatte." (präteritum)

"ich werde einst ebenso gelebt zu haben wünschen, wie ich lebe und gelebt habe und weiterzuleben gedenke." (futur)

einen eigenen infinitiv für etwas, das zu einem künftigen zeitpunkt abgeschlossene vergangenheit sein wird, müßte man erst mal erfinden.

auch die bedingung kann im präsens stehen bleiben, wie in "wenn es schön ist, werden wir schwimmen gehen."
da man aber auch sagen kann "wenn es morgen schön ist, gehen wir schwimmen" (weil aus dem kontext, dem "morgen", hervorgeht, daß sich dies in der zukunft abspielen wird), muß man nicht einmal sagen "wenn du sterben wirst" - denn das sterben ist als zukünftig gedacht, wenn man den angesprochenen noch auffordert, in bestimmter weise zu leben; dann liegt er klarerweise noch nicht im sterben.

wenn man also größerer klarheit halber etwas ins futur setzen will, dann den hauptsatz: "wünschen wirst". dann kriegt das ganze gefüge (zufällig?) auch gleich einen hübschen trochäischen rhythmus und läßt sich in zwei verszeilen abteilen:

Lebe, wie du, wenn du stirbst,
wünschen wirst, gelebt zu haben.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: gehabt gehabt in 2004-12-16, 09:00:56
Das hat mir keine Ruhe gelassen.




Infinitiv Futur I:

ich werde leben, du wirst leben, er wird leben   ---> leben werden

also:

Ich hoffe, mich richtig entscheiden zu werden.

analog zu:

Ich hoffe, mich richtig entschieden zu haben.



Das Futur II wird aus Futur I folgendermassen gebildet


Fut I                                  Fut II
Ich werde leben     ---->   Ich werde gelebt haben

Fut I inf                             Fut II inf
leben werden         -----> gelebt haben werden


Also :"ich werde wuenschen, gelebt haben zu werden"


was ist daran falsch?

Titel: Re:Futur II
Beitrag von: amarillo in 2004-12-16, 09:22:11
Zitat von: gehabt gehabt in 2004-12-16, 09:00:56

Also :"ich werde wuenschen, gelebt haben zu werden"


was ist daran falsch?



ist das das berüchtigte Futur zwölf?

Die Frage müßte doch lauten: "Was ist daran noch vertretbar?"
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: MrMagoo in 2004-12-16, 11:30:15
Diese Frage stellt sich doch IMMER, amarillo - sonst gäbe es ja keine normativen Grammatiken, die einem sagen: Bis hierhin und nicht weiter! ;-)
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: gehabt gehabt in 2004-12-16, 11:45:38
Ebend! Um seine Grenzen zu kennen, muss man sie doch
gelegentlich mal ueberschreiten. (dieser Satz koennte
von meiner 16 jaehrigen Tochter stammen).  

Das machen wir doch andauern mit den gestorkenen Verben.
Indem wir im Forum kreative Grammatik betreiben, werden wir
doch im Alltag viel instinktsicherer im Gebrauch des Vertretbaren.

Das ist wie mit Czerny Etuden, die jeder Klavierspieler, zu Hause spielt , aber
wohl kaum in der Oeffentlichkeit vertritt.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: amarillo in 2004-12-16, 11:49:53
Ich sehe schon Prüfungsfragen des Goethe-Instituts vor mir, die  lauten könnten:

Bilden Sie zu der Bedingung (Irrealis der Gegenwart):
"Wenn mir nicht so schlecht wäre..."

eine Konsequenz, die eine für die Zukunft vergangene, aber auch irgendwie präsente Möglichkeit beinhaltet.

Viel Spaß dabei, und: brechen Sie sich bitte nicht das Zungenbein.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: amarillo in 2004-12-16, 19:09:43
Zitat von: gehabt gehabt in 2004-12-16, 11:45:38
 Das machen wir doch andauern mit den gestorkenen Verben.
Indem wir im Forum kreative Grammatik betreiben, werden wir
doch im Alltag viel instinktsicherer im Gebrauch des Vertretbaren.

Sollte doch auch keine Kritik an Dir sein. Ich kann die vorgeschlagene Form nur nicht mehr zuordnen.
Ich habe auch mit manchen gestorkenen Formen so meine Schwierigkeiten, aber irgendwie gelingt es dann doch noch, auf den Infinitiv zu schließen.

Und Grenzen muß man auch überschreiten (Gruß an's Fräulein Tochter), um später die Ideallinie zu finden. In den meißten Fällen reicht es aber doch, die Leitplanke (in Form des Herrn Papa oder der Frau Mama) kräftig zu touchieren.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: caru in 2004-12-16, 20:28:16
der unterschied zwischen gestorkenen verben und neu gebildeten hilfsverbkonstruktionen à la "gelebt haben zu werden" liegt, meine ich, in der ökonomie.

gestorkene verbalformen sind meist kürzer als ungestorkene ("es nieselte"/"es nals") und signalisieren (für mein empfinden jedenfalls) nachhaltiger, daß es sich um eine vergangenheitsform handelt (größerer unterschied zum präsens: ein -e kann ich leicht überhören, den stammvokalwechsel kaum.)

in ausdrücken wie "gelebt haben zu werden" nehmen die hilfsverben noch mehr raum ein, als sie es im deutschen ohnehin schon tun - zuungunsten der sinntragenden wörter.
mich erinnert das ein bißchen an meinen philosophielehrer im gymnasium, der, wenn er komplizierte sach- und denkverhalte erklären wollte, gern ein gewaltiges satzgefüge anfing - mit vielen ineinandergeschachtelten nebensätzen, denen meist das ende fehlte - und zum schluß eine kette von hilfswörtern wie "haben müssen werden zu sollen" anhängte, in der hoffnung, er könnte damit die offenen satzenden schließen.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: gehabt gehabt in 2004-12-16, 21:53:40
Herbert Wehner selig hat es seinerzeit
geschafft, seine Schachteln auf diese Art zu schliessen.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: caru in 2004-12-16, 22:14:44
beim schreiben kriegt man sie ja relativ leicht zu, aber beim reden vergißt man manchmal, wieviele man aufgemacht hat.  ;D

wer war herbert wehner? nie gehört  :o
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: amarillo in 2004-12-16, 22:29:05
Beim Reden gehen sie auch leicht zu, weil sich ohnehin kein Aas an den Anfang des Satzes erinnern kann.

Herbert Wehner war sozialdemokratisches Urgestein in der BRD. Er gilt als der am häufigsten gerügte Parlamentarier der deutschen Geschichte. Wohlwollende Zungen (ich zähle mich dazu) nennen ihn den begnadetsten Beleidiger der Nachkriegsgeschichte.
Ob er im Grunde seines Herzens wirklich Demokrat war, sollen die Historiker herausfinden - ich habe da so meine Zweifel.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: MrMagoo in 2004-12-17, 14:11:10
Zitat von: caru in 2004-12-16, 20:28:16
der unterschied zwischen gestorkenen verben und neu gebildeten hilfsverbkonstruktionen à la "gelebt haben zu werden" liegt, meine ich, in der ökonomie.

gestorkene verbalformen sind meist kürzer als ungestorkene ("es nieselte"/"es nals") und signalisieren (für mein empfinden jedenfalls) nachhaltiger, daß es sich um eine vergangenheitsform handelt (größerer unterschied zum präsens: ein -e kann ich leicht überhören, den stammvokalwechsel kaum.)


Genau richtig, Caru!

Die Unterscheidung vom Präsens ist (so nehmen es viele Linguisten an) die Ursache, oder zumindest eine der Hauptursachen des Präteritumschwundes im Oberdeutschen.
Da im Oberdeutschen das "-e" im Präteritum sehr oft wegfällt (es wird gesprochen: er lebt', er macht', er sagt' - vgl. z.B. bayerische oder österreichische Mundarten), kommt es hier zu einem Formenzusammenfall mit dem Präsens:
er macht(e), lebt(e), sagt(e) => er macht', lebt', sagt' = er macht, lebt, sagt

Um dies zu vermeiden, wird die "synthetische" Vergangenheitsform (bestehend aus einem Wort) durch die "analytische" (aus zwei Wörtern bestehend) mehr und mehr ersetzt:
er lebte => er hat gelebt, er machte => er hat gemacht, er sagte => er hat gesagt.

Durch Analogie greift diese Methode dann auch über auf die starken Verben:
er sprach => er hat gesprochen, er trank => er hat getrunken, etc.

Letztendlich wird auch die synthetische Form im Plusquamperfekt (hatte oder war) angegriffen und durch die jeweilige analytische ersetzt (hat gehabt, ist gewesen):
ich hatte gemacht => ich habe gemacht gehabt
ich hatte gehabt => ich habe gehabt gehabt
ich war gekommen => ich bin gekommen gewesen.

Einzig die Form für das Vollverb "sein":
ich war gewesen => *ich bin gewesen gewesen
ist noch recht unüblich, wird sich allerdings im Zuge der Analogie bald durchsetzen.


Diese Prozesse breiten sich übrigens vom Oberdeutschen in Richtung Norden aus, das Präteritum gibt seine Stellung zunehmend an das Perfekt, das Plusquamperfekt zunehmend an das Doppelperfekt ab.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: amarillo in 2004-12-17, 17:51:27


Zitatich war gekommen => ich bin gekommen gewesen.

Einzig die Form für das Vollverb "sein":
ich war gewesen => ich bin gewesen gewesen
ist noch recht unüblich, wird sich allerdings im Zuge der Analogie bald durchsetzen.

Das halte ich aber für äußerst apodiktisch und abwartungswürdig. Wie wir alle hier mußte auch ich mir schon vielen deutschen Quark anhören, die zitierten  Formen gehörten - dem Herrn sei's gedankt - noch nicht dazu.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: MrMagoo in 2004-12-17, 18:37:42
Zitat von: amarillo in 2004-12-17, 17:51:27


Zitatich war gekommen => ich bin gekommen gewesen.

Einzig die Form für das Vollverb "sein":
ich war gewesen => ich bin gewesen gewesen
ist noch recht unüblich, wird sich allerdings im Zuge der Analogie bald durchsetzen.

Das halte ich aber für äußerst apodiktisch und abwartungswürdig. Wie wir alle hier mußte auch ich mir schon vielen deutschen Quark anhören, die zitierten  Formen gehörten - dem Herrn sei's gedankt - noch nicht dazu.


Wie muß ich das nun auffassen?  ???
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: amarillo in 2004-12-17, 18:41:53
Sollte kein Angriff gegen Dich sein; aber wie kann man so sicher prophezeien, daß sich Formen wie: "ich bin gewesen gewesen" auch nur ansatzweise durchsetzen?

Titel: Re:Futur II
Beitrag von: MrMagoo in 2004-12-17, 18:56:16
Durch Analogie!
Viele sprachliche Phänomene setzen sich durch analogische Bildungsweisen durch.

Gib einfach mal zum Spaß "gewesen gewesen" (mit Anführungsstrichen) bei Google ein und durchforste die Ergebnisse. Ausgenommen die Ergebnisse natürlich, bei denen das zweite 'gewesen' zum folgenden Satz bzw. Nebensatz gehört. Mögen einige "gewesen gewesen" durch unabsichtliches Doppeltippen entstanden sein, bin ich mir dennoch recht sicher, daß zumindest der Großteil davon genau die Form darstellt, die ich oben als Doppelperfekt angeführt habe.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: amarillo in 2004-12-17, 19:12:17
Aber mein lieber MrMagoo, wer wird denn glauben, daß Analogien in der wissenschaftlichen Betrachtung zu ein-eindeutigen Folgerungen berechtigen? Allenfalls werde ich das für die Mathematik, Physik und Chemie gelten lassen. Disziplinen, die - zumindest in unserem Erfahrungsbereich - nie einer Änderung, sondern lediglich Erweiterungen  unterworfen war.
Sprache hat - korrigiere mich bitte, wenn nötig - in ihrer Struktur keine oder nur sehr wenig Logik aufzuweisen, deshalb läßt sie sich ja auch nicht digitalisieren - ich danke Gott ein weiteres Mal.

Nichtsdestotrotz werde ich mich dem Google-Verfahren stellen. Bin gespannt wie ein Flitzebogen!
amarillo
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: MrMagoo in 2004-12-17, 23:48:03
Zitat von: amarillo in 2004-12-17, 19:12:17
Aber mein lieber MrMagoo, wer wird denn glauben, daß Analogien in der wissenschaftlichen Betrachtung zu ein-eindeutigen Folgerungen berechtigen? Allenfalls werde ich das für die Mathematik, Physik und Chemie gelten lassen. Disziplinen, die - zumindest in unserem Erfahrungsbereich - nie einer Änderung, sondern lediglich Erweiterungen  unterworfen war.
Sprache hat - korrigiere mich bitte, wenn nötig - in ihrer Struktur keine oder nur sehr wenig Logik aufzuweisen, deshalb läßt sie sich ja auch nicht digitalisieren - ich danke Gott ein weiteres Mal.

Nichtsdestotrotz werde ich mich dem Google-Verfahren stellen. Bin gespannt wie ein Flitzebogen!
amarillo

Ich habe nicht behauptet, daß die Sprache durch und durch eindeutig ist - Blödsinn! Fakt ist aber, daß die Sprache sich entwickelt - und zwar zumeist auf ökonomischer Basis, was wiederum u.a. heißt: Vereinfachung; "Gewißheit" im Hinblick auf das Ergebnis dieser Entwicklung hat man natürlich nie, aber Entwicklungstendenzen lassen bestimmte Vermutungen/Schlüsse zu. Fakt ist weiterhin, daß eine Sprache auf jeden Fall Strukturen aufweist - und meist spielt Logik dabei eine Rolle. Hätte die Sprache keine durch Logik geprägte Struktur, wäre es unmöglich, Grammatiken aufzustellen, die ja (besonders) anhand von Beispielen diese Strukturen herausstellen und damit die Logik, die dahintersteckt. Desweiteren könnte man gänzlich ohne logische Strukturen keine Fremdsprachen lernen, nein: viel mehr noch -> nicht einmal die Muttersprache, denn: Bei Fremdsprachen wird das zu Lernende über grammatische Regeln zusammengestellt. Ganz gleich, ob und wie viele Ausnahmen es zu bestimmten Regeln gibt (und da gibt's oft massig, das bestreite ich gar nicht), es gibt eine Basisstruktur, an der man sich orientieren kann. Die eigene Muttersprache erlernt man zunächst durch Nachahmung und dann durch Analogie-"Experimente" (plattes Beispiel nun, aber es veranschaulicht vielleicht ganz gut): Ein Kind kennt zum Beispiel die Form "du sagst", die es durch Nachahmung gelernt und gespeichert hat. Auf dieser Grundlage formt es irgendwann selbständig weitere Formen der 2. Person Singular, da das Strukturmerkmal "Stamm+st" nun bekannt ist. Über jedes weitere so geformte Verb freuen sich die Eltern bis dieses Prinzip auf  Ausnahmen stößt, zum Beispiel "du bist": Diese Form würde, wenn der Infinitiv bekannt ist, analogisch geformt und lautete "du seist" - was viele Kinder tatsächlich so machen. Das wiederum heißt: Das Kind hat (wie auch immer, die Forschung weiß da nicht, wie das hier gedanklich usw. abläuft) per Strukturmerkmal die Form analogisch zu anderen Verbformen der 2. Person Singular gebildet.
Durch "Verbesserung" der Eltern oder sonstwen werden sie dann hier aufmerksam gemacht darauf, daß diese Form "bist" lautet und nicht "seist", eine Abweichung vom Strukturmerkmal insoweit, daß "sein" ein aus mehreren Verben zusammengesetztes Verb darstellt (die in sich wiederum strukturtechnisch geregelt sind). Die Form für die 2. Person Singular wird von der Wurzel "bin" abgeleitet. Hier stößt das Analogieprinzip, wie eben gesagt, aufgrund von synchronen Unregelmäßigkeiten in dem sonst logischen Strukturparadigma ganz klar an eine Grenze, auf der anderen Seite jedoch wird gerade dadurch die Sprache auf ökonomischer Basis beeinflußt. Eines der markantesten Beispiele hierfür ist der Übergang einiger starker Verben in die schwache Konjugationsklasse. Das Verb "backen" beispielsweise formt neue, schwache Formen daher, daß diese analogisch zu den übrigen schwachen Verben neu  gebildet werden, das passiert schon seit einiger Zeit so und daher gibt es ja hier die Liste der gefährdeten starken Verben, vgl. Verben wie bellen, nagen, winken... . Achte mal darauf, wie viele Verben bereits von der starken in die schwache Klasse gewechselt sind - Hauptgrund: Ökonomisierung durch Analogie!
Und wieso läßt sich Sprache nicht digitalisieren? Was genau verstehst Du hier unter "Sprache" und "digitalisieren"?
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: amarillo in 2004-12-18, 01:27:08
So, alter Linguist, dann fangen wir mal ganz hinten an:
was Sprache ist, hat mittlerweile in Linguistenkreisen eine Definitionsfülle erreicht, die ich nicht  herbeten kann. Ob Chomsky noch zu seiner eigenen Definition steht, weiß ich nicht; ich persönlich traue mir mittlerweile diese Definition nicht mehr zu.
touché!

Digitalisieren heißt: ja/nein-Zuordnungen schaffen, und zwar (im Bezug auf Sprache) auf allen Ebenen. Ich muß gestehen, daß ich nicht einmal weiß, wieviele Dimensionen/Ebenen Sprache hat.
Bin aber überzeugt, daß die Wissenschaft hier Klarheit für sich beansprucht.
Bislang hat noch kein Computer auch nur einen einzigen sinnvollen Satz zuwege gebracht.

Kommen wir doch zum Thema "Ökonomie" - da ich nun schon zu diversen Definitionen aufgerufen war, darf ich jetzt mal den Ball zurückspielen. Was ist denn Ökonomie (im Bezug auf Sprache)?
Mit Vereinfachung kommen wir hier nicht zurecht.  Das Englische lehrt uns, daß der Wegfall komplexer Flexionen diese Sprache nicht unbedingt vereinfacht hat. Die Bezüge im syntaktischen Gefüge werden hier meist über Präpositionen gesteuert.
Ich muß nicht darstellen, wieviel Mühe es kostet, diese Präpositionen auch nur ansatzweise korrekt zu verwenden.
Sparsamkeit ist wohl auch nicht die rechte Übersetzung, auf welcher Ebene wird denn gespart?
Daß das Deutsche eine nicht zu übersehende Neigung zeitigt, Verben einheitlich zu konjugieren, kann doch nicht als allgemeines Phänomen der Sprach-Ökonomie gedeutet werden.
Während die (mir bekannten) westlichen Sprachen  doch recht assimilationsfreudig erscheinen, hat die arabische Welt eher ein Problem, die notwendigerweise darzustellenden Phänomene sprachlich zu fassen - das läuft dann zunächst auf eine Komplizierung statt auf eine Vereinfachung hinaus.

Schließlich gibt es noch einen Punkt, den ich nicht ganz verstanden habe: wer hat je ein Kind "Du seist" (wenn "Du bist" gemeint war) sagen hören? Ich habe so meine Bedenken, daß es sich hier um eine Konstruktion handelt, die sich lWissenschaftler schlichtweg erdenken, um ihre lauen Thesen zu stützen.

Nichts gegen die Wissenschaftler, aber wenn die Realität nicht mit der These übereinstimmt, ist die Versuchung doch sehr groß, sich die Realität vom Halse zu schaffen.

Ich glaube, ich habe ein wenig den Weg verlassen - 'tschuldigung - eventuell komme ich mit Deiner wissenschaftlichen Präzision nicht zurecht - mein Manko!
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: Kilian in 2004-12-19, 11:34:54
Apropos gewesen:

Herbergsvater: "Hier wird nicht getobt! Hier wird nicht gebrüllt! Hier wird nicht frech gewesen!"

;D

Aber lasst euch nicht unterbrechen.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: caru in 2004-12-19, 14:43:28
ein kind muß schon verdammt gebildet sein, um mitzukriegen, daß "bist" mit "sein" zusammenhängt - zumal der infinitiv in der alltagssprache eher selten auftaucht, "bin", "bist", "ist", "sind" und "war" dagegen ständig. mir jedenfalls war der zusammenhang vor dem volksschulalter sicher nicht bewußt.

eltern reden gewöhnlich nicht in infinitiven, von denen ihre kinder dann die finiten formen bilden - so wenig, wie sie den kindern wurzeln und endungssets beibringen, aus denen die kinder dann von selbst worte basteln.

die grundelemente der sprache lernt man, glaube ich, nur durch nachahmung; ich weiß nicht, ab welchem alter kinder worte selbständig ableiten, die sie noch nie gehört haben - ich weiß allerdings, daß es mir extrem schwer fällt und ein starkes gefühl der unsicherheit auslöst, in einer fremdsprache ein wort oder eine form zu gebrauchen, die ich noch nie in der praxis gehört oder gelesen habe.

gestorkene verben immer ausgenommen, natürlich.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: amarillo in 2004-12-19, 16:03:02
Zitat von: caru in 2004-12-19, 14:43:28
ich weiß allerdings, daß es mir extrem schwer fällt und ein starkes gefühl der unsicherheit auslöst, in einer fremdsprache ein wort oder eine form zu gebrauchen, die ich noch nie in der praxis gehört oder gelesen habe.

Hier rät der modernere Sprachdozent: etwas mehr Hemmungslosigkeit und weniger Hang zum Perfektionismus. Die Gefahr, richtig groben Unfug zu veranstalten, ist doch relativ gering. Soll der Zuhörer sich doch auch einmal etwas anstrengen und die vielleicht etwas verkorksten Konstruktionen intuitiv geradebiegen. Das erfrischt ungemein und kann sogar Riesenspaß machen.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: caru in 2004-12-19, 16:32:53
ja, ich treibe ja auch sehr gern groben sprachlichen unfug, aber erst, wenn ich die sprache gut genug kann, um mir meines unfugs sicher zu sein.

bei dergleichen unternehmungen entsteht gelegentlich auch mal ein schullwitz. erst vorgestern bold ich mit unfug im sinn den tschechischen infinitiv hantírovat (=deutsch "hantieren" mit tsch. infinitivendung -ovat), und meinem tschechischen freund fiel noch nicht mal auf, daß ich witzig sein wollte: das verb ist seit menschengedenken in verwendung.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: amarillo in 2004-12-19, 18:19:31
 هوبتزاخم
انماكزح
(Hauptsache, man mag sich)

War eine Versuch, ein paar arabische Zeichen einzufügen, ist aber voll in die Hose gegangen.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: Kilian in 2004-12-19, 18:24:22
Das böse Forum hat die Zeichen kodiert... außerdem kapituliert mein ganzes Browserarsenal vor ihnen. Was braucht man, um das anzuzeigen (immer vorausgesetzt, das Forum späle mit)?
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: amarillo in 2004-12-19, 18:55:44
Ich habe nicht die Idee eine Ahnung. Habe es über die Microsoft Zeichentabelle versucht, die ist eigentlich ganz gut ausgestotten.
Aber Du siehst ja...
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: MrMagoo in 2004-12-19, 19:51:45
Zitat von: amarillo in 2004-12-18, 01:27:08
So, alter Linguist, dann fangen wir mal ganz hinten an:
was Sprache ist, hat mittlerweile in Linguistenkreisen eine Definitionsfülle erreicht, die ich nicht  herbeten kann. Ob Chomsky noch zu seiner eigenen Definition steht, weiß ich nicht; ich persönlich traue mir mittlerweile diese Definition nicht mehr zu.
touché!

Nein, ich mir auch nicht... Zwischenzeitlich gibt's so viele Theorien, die sich einerseits untereinander, andererseits aber auch so sehr in sich widersprechen, daß einem davon ganz wirr im Kopp wird.
Außerdem behaupte ich doch gar nicht, daß das, was ich hier schreibe, wahr ist! Ich versuche einfach nur, bestimmte Phänomene und Sachverhalte mir zusammenzureimen - und daher bin ich Dir für diese Diskussion sehr dankbar - ich kann nur mit Thesen dienen, und wenn diese widerlegt werden, ist's für mich genauso wichtig als wenn sie bestätigt würden, denn man lernt doch sein ganzes Leben lang, oder?! ;)



ZitatDigitalisieren heißt: ja/nein-Zuordnungen schaffen, und zwar (im Bezug auf Sprache) auf allen Ebenen. Ich muß gestehen, daß ich nicht einmal weiß, wieviele Dimensionen/Ebenen Sprache hat.

Das weiß ich aber auch nicht - dafür ist das Thema in sich schon viel zu komplex.
Vom Digitalisieren im technischen Sinne habe verstehe ich leider auch nicht allzuviel - daher komme ich auch nicht ganz zurecht mit der Ja-/Nein-Zuordnung; würde das in etwa einer Zuordnung von wahr/falsch entsprechen? Dann kann ich dazu sagen, daß es sicher deshalb nicht funktioniert, weil Sprache auf dieser Ebene im Grunde nicht an die Logik gebunden ist, was den "Wahrheitsgehalt" eines Satzes betrifft: Ein physisches Gesetz zum Beispiel "beweist" etwas, stellt etwas als wahr heraus und schließt somit Falsches aus. Die Sprache arbeitet hier auf zwei Ebenen: Wenn ich etwas sage, dann kann dies richtig sein und zugleich unwahr: "Im Januar schneit es" -> Diese Aussage ist grammatisch korrekt, also "richtig"; das heißt aber noch lange nicht, daß sie auch "wahr" ist, denn für Australien trifft dies sicher nicht zu, Sprache kann also "lügen", was ein physisches Gesetz in dem Sinne nicht kann. Die Zuordnung richtig/falsch, bezogen auf grammatische Strukturen usw. ist also konventionell festgelegt und daher immer beeinflußt durch den Sprecher, die jeweilige Zeit, Gesellschaft, usw usw.



ZitatBin aber überzeugt, daß die Wissenschaft hier Klarheit für sich beansprucht.

Man sieht ja schon an dem Stapel Theorien, daß die Wissenschaft hier kein bißchen Klarheit für sich in Anspruch nehmen kann... :)



ZitatBislang hat noch kein Computer auch nur einen einzigen sinnvollen Satz zuwege gebracht.

Das muß aber doch nicht heißen, daß er's nicht könnte; ein Computer hat bisher sicher auch noch keinen sinnvolles Lebewesen zustande gebracht... Vielleicht ist die Menschheit, die diesen Computer zunächst mit Informationen füttern muß, noch nicht so weit, vielleicht aber sind die technischen Vorraussetzungen dafür (noch) nicht geschaffen. Noch ist man ja auch nicht vollends dahintergestiegen, wie das "Denken" funktioniert, aber vielleicht ist es nicht unmöglich, dies eines Tages herauszufinden - vielleicht also wird es irgendwann einmal möglich sein, daß ein Computer "spricht"... aber wie gesagt, im Bereich Digitalisieren kenne ich mich nicht wirklich aus.



ZitatKommen wir doch zum Thema "Ökonomie" - da ich nun schon zu diversen Definitionen aufgerufen war, darf ich jetzt mal den Ball zurückspielen. Was ist denn Ökonomie (im Bezug auf Sprache)?
Mit Vereinfachung kommen wir hier nicht zurecht.  Das Englische lehrt uns, daß der Wegfall komplexer Flexionen diese Sprache nicht unbedingt vereinfacht hat. Die Bezüge im syntaktischen Gefüge werden hier meist über Präpositionen gesteuert.
Ich muß nicht darstellen, wieviel Mühe es kostet, diese Präpositionen auch nur ansatzweise korrekt zu verwenden.

"Vereinfachung" bezieht sich hier auf einzelne Ebenen der Sprache, weniger auf den ganzen Komplex:
Während Ökonomisierung also auf verschiedenen Ebenen unterschiedlich abläuft, kann es natürlich passieren, daß zwei oder mehrere Vorgänge sich in die Quere kommen. Nicht "die Sprache" also hat sich durch den Flexionswegfall im Englischen vereinfacht, sondern eben diese "Sprach-Ebene":
Grundsätzlich kann man sagen, daß für den Genitiv die Präposition "of" einspringt, für den Dativ "to" - nebst den übrigen Präpositionen resultieren sie außerdem durch die durch die vereinfachte Flexion hervorgerufene feste Wortstellung im Satz -> hier stoßen also das Prinzip der festen Wortstellung und die Flexionsvereinheitlichung aufeinander, die sich im Wirrwarr der Präpositionen zeigt.
Es hat sich also hier die Ebene der Flexion vereinfacht, wenn das wiederum die Ebene der Präpositionen angreift, wäre das wieder eine Art Nebenschauplatz. Der Punkt bei den Präpositionen ist nicht, daß man sie korrekt (das würde sich übrigens wieder auf die konventionell festgelegte Norm beziehen...) verwendet, sondern, daß man sie überhaupt verwendet. Das System der Präpositionen 'an sich' ist ökonomischer als das Flexionssystem.
Weiterhin hängt Ökonomie immer stark mit der Gesellschaft zusammen, welche die betreffende Sprache spricht, und auch von dem Grad der Normierung, die durch die Gesellschaft an die Sprache herangetragen wird, das muß im Übrigen wiederum nicht mit der Logik zusammenhängen, markantes Beispiel hier: Die doppelte Verneinung!
Während z.B. im Mittelhochdeutschen eine doppelte Verneinung noch absolut üblich war (z.B. "ich enweiz es niht" = ich weiß es nicht), so ist diese auch heute noch in der Umgangssprache üblich ("Du gehst nicht, bevor du die Aufgabe nicht gemacht hast!"), im Standarddeutschen falsch, im Standardfranzösischen allerdings wiederum "richtig" im Sinne der Norm, obwohl aus Sicht der Logik eine Konstruktion wie "Je ne sais pas" durchaus anzuzweifeln wäre.



ZitatDaß das Deutsche eine nicht zu übersehende Neigung zeitigt, Verben einheitlich zu konjugieren, kann doch nicht als allgemeines Phänomen der Sprach-Ökonomie gedeutet werden.

Nicht?
Du findest es also ökonomischer für jede Form eines Verbs ein gänzlich neues Wort zu benutzen, demnach also mindestens je 6 verschiedene Wörter (für jede Person eine) für Präsens und Präteritum zu benutzen anstelle weiterhin den Stamm eines Verbs durch Suffixe und/oder Ablaut abzuwandeln? Also ich weiß ja nicht so recht...


ZitatWährend die (mir bekannten) westlichen Sprachen  doch recht assimilationsfreudig erscheinen, hat die arabische Welt eher ein Problem, die notwendigerweise darzustellenden Phänomene sprachlich zu fassen - das läuft dann zunächst auf eine Komplizierung statt auf eine Vereinfachung hinaus.

Vielleicht aus unserer Sicht als Westeuropäer?!  Nun habe ich auch kein fundiertes Wissen über arabische Sprachen, ich kann mir allerdings vorstellen, daß auch dort einiges an Entwicklungsprozessen abgelaufen sein wird.


ZitatSchließlich gibt es noch einen Punkt, den ich nicht ganz verstanden habe: wer hat je ein Kind "Du seist" (wenn "Du bist" gemeint war) sagen hören? Ich habe so meine Bedenken, daß es sich hier um eine Konstruktion handelt, die sich lWissenschaftler schlichtweg erdenken, um ihre lauen Thesen zu stützen.

Ich sagte ja, "sein" ist ein plattes Beispiel - und da "sein" im Sprachgebrauch sehr häufig vorkommt, werden selbst Kinder die Flexionsformen recht schnell gelernt haben. Um aber meine Theorie hier zu stützen, möchte ich ein etwas weniger häufig benutztes, aber dennoch sehr gebräuchliches Verb ansprechen: "treten": Kannst Du mir auch bestätigen, Du hättest noch niemals ein Kind oder sonst jemanden sagen hören "Er tretet mich" oder "Er hat mich getretet"? Falls nein, dann achte doch mal von jetzt an genauer darauf. Und auch hier kann ich nocheinmal das "Google"-Experiment empfehlen: Gib einfach mal "getretet" oder "er tretet" etc. ein und sieh selbst...
Analogie muß übrigens nicht zwangsläufig "vereinfachend", d.h., um beispielsweise bei den starken/schwachen Verben zu bleiben, in eine Richtung wirken: "dingen" z.B. war ursprünglich schwach (dingte-gedingt); die Formen wurden erst später durch Einwirken der Formen von singen, springen, ringen, klingen, etc stark (dang-gedungen).



ZitatNichts gegen die Wissenschaftler, aber wenn die Realität nicht mit der These übereinstimmt, ist die Versuchung doch sehr groß, sich die Realität vom Halse zu schaffen.

Warum nichts gegen sie? Ich bin überzeugt, eine Menge Wissenschaftler gehen so vor - falsifizieren so lange, bis es paßt und sind dann froh, eine haltbare, doch an sich unwahre Theorie aufgestellt zu haben. Da das Thema allerdings so dermaßen unüberschaubar ist, wird man selbst auf diese "Verzerrungen" nicht immer selbst aufmerksam - daher: Ich kann auch nicht mit Sicherheit sagen, daß all das, was ich sage wahr ist,vielleicht irre ich mich schlichtweg in allem was ich sage?! Das kann schon sein...


ZitatIch glaube, ich habe ein wenig den Weg verlassen - 'tschuldigung - eventuell komme ich mit Deiner wissenschaftlichen Präzision nicht zurecht - mein Manko!

Nein - wie gesagt, wir sind doch alle nicht unfehlbar (vielleicht der Papst, aber auch nur weil er selber es glaubt - vielleicht einer von den oben erwähnten Wissenschaftlern *hehe*) und ich bin dankbar für Anmerkungen zu Fehlern, die mir unterlaufen - wie sagte meine Oma immer so schön: "Man wird so alt wie 'ne Kuh und lernt immer noch dazu!" ;)

Es grüßt
MrMagoo
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: MrMagoo in 2004-12-19, 20:17:28
Zitat von: caru in 2004-12-19, 14:43:28
ein kind muß schon verdammt gebildet sein, um mitzukriegen, daß "bist" mit "sein" zusammenhängt - zumal der infinitiv in der alltagssprache eher selten auftaucht, "bin", "bist", "ist", "sind" und "war" dagegen ständig. mir jedenfalls war der zusammenhang vor dem volksschulalter sicher nicht bewußt.

Ich sagte ja, ein nicht allzu gutes Beispiel - vgl. im Beitrag vor diesem das Beispiel "treten".


Zitateltern reden gewöhnlich nicht in infinitiven, von denen ihre kinder dann die finiten formen bilden - so wenig, wie sie den kindern wurzeln und endungssets beibringen, aus denen die kinder dann von selbst worte basteln.

Richtig - aber die Struktur dahinter, die hat auch ein Kind irgendwann intus - mit Sicherheit lernt ein Kind nicht sämtliche Formen eines jeden Verbs durch Nachahmen - bis zu einem gewissen Grade sicher, aber irgendwann kann es sich tatsächlich die Formen selbst "zusammenbasteln", nämlich dann, wenn das Prinzip der Endungen begriffen und damit anwendbar ist.


Zitatdie grundelemente der sprache lernt man, glaube ich, nur durch nachahmung; ich weiß nicht, ab welchem alter kinder worte selbständig ableiten, die sie noch nie gehört haben - ich weiß allerdings, daß es mir extrem schwer fällt und ein starkes gefühl der unsicherheit auslöst, in einer fremdsprache ein wort oder eine form zu gebrauchen, die ich noch nie in der praxis gehört oder gelesen habe.

Auch richtig, aber: In einer Fremdsprache fällt es einem deshalb schwer, weil man eine Art "Hemmschwelle" entwickelt hat, die einem vor zuviel Experimentieren abhält. Ein Kind redet einfach drauf los und wird dann verbessert, wenn ein Wort nicht stimmt. Das passiert vielleicht drei-, vier-, fünfmal bei demselben Wort, dann ist die falsche Form beseitigt. Bei einer Fremdsprache allerdings, greift das nicht: Man wird nicht an jeder Ecke von einem Muttersprachler verbessert, so wie ein Kind es gewohnt ist - und zudem hat man eine gewisse Hemmschwelle, nämlich jene, etwas 'falsch' zu sagen - da sagt man dann lieber gar nichts oder ersetzt das Wort durch eine synonyme Wendung um später eventuell die richtige Form im Wörterbuch nachzuschlagen.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: MrMagoo in 2004-12-19, 20:21:13
Zitat von: amarillo in 2004-12-19, 16:03:02
Zitat von: caru in 2004-12-19, 14:43:28
ich weiß allerdings, daß es mir extrem schwer fällt und ein starkes gefühl der unsicherheit auslöst, in einer fremdsprache ein wort oder eine form zu gebrauchen, die ich noch nie in der praxis gehört oder gelesen habe.

Hier rät der modernere Sprachdozent: etwas mehr Hemmungslosigkeit und weniger Hang zum Perfektionismus. Die Gefahr, richtig groben Unfug zu veranstalten, ist doch relativ gering. Soll der Zuhörer sich doch auch einmal etwas anstrengen und die vielleicht etwas verkorksten Konstruktionen intuitiv geradebiegen. Das erfrischt ungemein und kann sogar Riesenspaß machen.


Genau!
Scheinbar hatte ich diesen Beitrag überlesen, bevor ich antwortete. ;)
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: amarillo in 2004-12-19, 20:46:12
Mon Dieu, Magoo, Ihr macht misch fertisch!

Ich kann das jetzt nicht alles beantworten.
Du hast recht, ein Kind würde sagen: da ist ein Hundehaufen, und ich habe reingetretet.
Treten gehorcht  einfacheren Gesetzen, als sein.

Das Arabische ist ungeheuer faul und unflexibel in der Übernahme von Lehnwörtern. Es müht sich, aber es schafft's nur sehr selten. (Ich wollte Beispiele bringen, aber die Technik ist gegen arabische Schriftzeichen).

Stimmt genau, digitalisieren heißt: falsch/wahr Bedingungen zugrunde legen. Wie Du schon sagtest: Sprache ist nicht wahr oder falsch (unabhängig von Struktur und Semantik).

Meine (persönliche) Aversion gegen Wissenschaftler beruht auf langer Zeit der Auseinandersetung mit eben solchen.  Deine Einschätzung unterschreibe ich sofort.

Im Grunde habe ich keinen Dunst, welche Mechanismen greifen, wenn der Mensch (als Kind) Sprache erlernt. Ich weiß nicht, wieviel davon "bewußt" wird, und was reine Intuition ist. Ich weiß noch nicht einmal, was Bewußtsein ist.

Worüber hatten wir noch gleich gestritten?
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: MrMagoo in 2004-12-19, 20:54:17
Zitat von: amarillo in 2004-12-19, 20:46:12
Mon Dieu, Magoo, Ihr macht misch fertisch!

Ich kann das jetzt nicht alles beantworten.
Du hast recht, ein Kind würde sagen: da ist ein Hundehaufen, und ich habe reingetretet.
Treten gehorcht  einfacheren Gesetzen, als sein.

Das Arabische ist ungeheuer faul und unflexibel in der Übernahme von Lehnwörtern. Es müht sich, aber es schafft's nur sehr selten. (Ich wollte Beispiele bringen, aber die Technik ist gegen arabische Schriftzeichen).

Stimmt genau, digitalisieren heißt: falsch/wahr Bedingungen zugrunde legen. Wie Du schon sagtest: Sprache ist nicht wahr oder falsch (unabhängig von Struktur und Semantik).

Meine (persönliche) Aversion gegen Wissenschaftler beruht auf langer Zeit der Auseinandersetung mit eben solchen.  Deine Einschätzung unterschreibe ich sofort.

Im Grunde habe ich keinen Dunst, welche Mechanismen greifen, wenn der Mensch (als Kind) Sprache erlernt. Ich weiß nicht, wieviel davon "bewußt" wird, und was reine Intuition ist. Ich weiß noch nicht einmal, was Bewußtsein ist.

Worüber hatten wir noch gleich gestritten?


Ehm... ich weiß auch nicht mehr so recht... haben wir überhaupt "gestritten"?? ;-)
Falls ja, dann laß uns das Thema für's erste hier abhaken und darauf einen Glühwein schlürfen, 's ist Weihnachten! ;-)
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: amarillo in 2004-12-19, 21:01:46
Nee, Streit war es nicht, aber interessant.

Genau, haken wir's zunächst mal ab, stellen es in  den Raum (bis alle Ecken voll sind) und freuen uns des Umstandes, daß bald Weihnachten ist.

Hoch die Tassen!

Gruß - amarillo
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: MrMagoo in 2004-12-19, 21:06:58
Ja, interessant war es - und ich danke Dir nochmals für diese äußerst interessante Diskussion - wir können sie ja bei Gelegenheit und Notwendigkeit nochmals aufleben lassen... *läßt Tasse klirren*

Du hast mich übrigens neugierig gemacht:
ZitatMeine (persönliche) Aversion gegen Wissenschaftler beruht auf langer Zeit der Auseinandersetung mit eben solchen.
Darf ich fragen ob auch auf sprachwissenschaftlicher Basis?
Hast Du zufällig auch einen Messenger, ICQ oder MSN?
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: amarillo in 2004-12-19, 21:23:39
Auch auf linguistischer Ebene, es gab aber auch Literaturwissenschftler, Ökonomen, Pädagogen, Geographen (besonders gehaßt), Biologen, Mediziner und Juristen, die mich genervt haben.

Die hatten alle vergessen (oder verdrängt), daß Wissen auch nur eine Halbwertzeit wie frischer Fisch hat.

Ich habe weder ICQ noch MSN, aber UKW und WDR funktionieren prima.

Eventuell bin ich über die Mitteilungen hier erreichbar, wie das geht, weiß ich allerdings auch noch nicht.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: MrMagoo in 2004-12-19, 21:28:50
Das muß ich auch erst noch herausfinden...  :D
Hast Du beruflich mit Sprachwissenschaft zu tun? Du erwähntest irgendwo das Goethe-Institut, nicht wahr? Schien, als stünde es in engerer Bindung zu Dir - oder Du zu ihm, je nachdem... ;)
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: amarillo in 2004-12-19, 21:31:25
Dunnerkeil, ich bin Konsul!

In Dankbarkeit und Demut neige ich das Haupt vor Dir, oh mein Administrator.

Für alle anderen gilt:
ab heute wieder per "Sie"!


Der Herr segne Euch alle - amarillo ;D
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: amarillo in 2004-12-19, 21:34:52
Zitat von: MrMagoo in 2004-12-19, 21:28:50
Du erwähntest irgendwo das Goethe-Institut, nicht wahr? Schien, als stünde es in engerer Bindung zu Dir - oder Du zu ihm, je nachdem... ;)

Nein nein, ich kenne dort kein Aas, und die kennen mich auch nicht. Ich habe beruflich mit Sprache zu tun, nicht mit Sprachwissenschaft. Bin nur "user", kein "Systemmanager".
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: caru in 2004-12-19, 21:39:13
ich hab auch keine lust mehr, auf irgendwelche linguistischen quisquilien zu antworten.

wie oben richtig bemorken, wirds bald weihnachten. ich geh jetzt tee trinken und kekse essen  :D
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: MrMagoo in 2004-12-19, 21:39:47
*lol*
User im beruflichen Sinne - also (eine Art) Lehrer?

Ich werde Dich aber weiterhin duzen, auch wenn mir noch ein paar Beiträge zum "Konsul" fehlen - das nehm' ich mir jetzt einfach mal raus *hehe*
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: MrMagoo in 2004-12-19, 21:40:52
Zitat von: caru in 2004-12-19, 21:39:13
ich hab auch keine lust mehr, auf irgendwelche linguistischen quisquilien zu antworten.

wie oben richtig bemorken, wirds bald weihnachten. ich geh jetzt tee trinken und kekse essen  :D


Dann wünsche ich viel Spaß dabei! Bis zum nächsten Mal grüßt
MrMagoo
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: caru in 2004-12-19, 21:43:33
mit beiträgen dieser art und länge kann man rasch konsul werden, wie mich döche  ;D

dankeschön, gleichfalls :D
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: MrMagoo in 2004-12-19, 21:48:40
Ich bin gespannt, wann ich es werde... :)
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: amarillo in 2004-12-19, 21:48:53
Es sei Dir gestattet, mein Sohn, da ich wenige Möglichkeiten sehe, mich zu wehren.

Caru hatte eine feine Idee; Plätzchen naschen! Das werde ich jetzt auch tun. (was, bitte,sind quisquilien?) Außerdem schreit mein Kater mich an, daß er raus will, Essen braucht oder gestreichelt werden will. Ich gebe seinem Begehren nach, obwohl, als Konsul...?

Man sollte eventuell mal darüber nachdenken, ob sich unsere Kongregation nicht einmal physisch treffen kann.


Titel: Re:Futur II
Beitrag von: MrMagoo in 2004-12-19, 21:50:08
Zitat von: amarillo in 2004-12-19, 21:48:53
Es sei Dir gestattet, mein Sohn, da ich wenige Möglichkeiten sehe, mich zu wehren.

Caru hatte eine feine Idee; Plätzchen naschen! Das werde ich jetzt auch tun. (was, bitte,sind quisquilien?) Außerdem schreit mein Kater mich an, daß er raus will, Essen braucht oder gestreichelt werden will. Ich gebe seinem Begehren nach, obwohl, als Konsul...?

Man sollte eventuell mal darüber nachdenken, ob sich unsere Kongregation nicht einmal physisch treffen kann.

Das wäre eine Idee - das wäre doch sicher zu bewerkstelligen.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: MrMagoo in 2004-12-19, 21:55:03
Woher kommt ihr denn alle so?
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: amarillo in 2004-12-19, 21:58:16
Zitat von: caru in 2004-12-19, 21:43:33
mit beiträgen dieser art und länge kann man rasch konsul werden, wie mich döche  ;D

Ich entschuldige mich für meine Niveaulöse.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: amarillo in 2004-12-19, 21:59:28
Zitat von: MrMagoo in 2004-12-19, 21:55:03
Woher kommt ihr denn alle so?

Bin aus Essen
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: gehabt gehabt in 2004-12-19, 23:35:30
Zitat von: amarillo in 2004-12-19, 21:59:28
Zitat von: MrMagoo in 2004-12-19, 21:55:03
Woher kommt ihr denn alle so?

Bin aus Essen

zZt aus Granada (http://de.wikipedia.org/wiki/Granada), aber in Benrath gebuertig (http://de.wikipedia.org/wiki/Benrather_Linie). Dehalb ist die eine Gehirnhaelfte, die rationale, norddeutsch und die andere sueddeutsch. Die Line ging naemlich direkt unter
dem Krankenhaus durch, wie Ausgrabungen spaeter bestaetigten.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: amarillo in 2004-12-19, 23:42:34
Muß ich das verstehen?
Granada = süddeutsch?

Müssen wir das schon wieder probieren? Wir haben die Reste der letzten Expansionswünsche noch nicht ganz beseitigt.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: gehabt gehabt in 2004-12-19, 23:53:13
Immerhin war Karl V   auch Karl I von Spanien und hat
hier in Granada einen prachvollen Palast errichtet.

80 km suedlich, an der Costa del Sol spricht man
deutsch. Es gibt auch deutsche Zeitungen und deutsches Brot
und Lidl*. Die Expansion




*Ein Tuerkenwitz: fragt ein Deutscher einen Tuerken:
Wo gehts denn hier beim Lidl? Sagt der Tuerke: "zu Lidl"
Antwortet der Deutsche "Wie, schon 1/2 sieben?"
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: gehabt gehabt in 2004-12-20, 00:00:23
aus Versehen ist der letzte Eintrag nocht vollstaendig:

Die Expansion findet also bereits statt. Die meisten
Deutschen hier, die schon laengere Zeit hier leben,
koennen ausser "una cerveza" nichts von der Landessprache,
sind nicht in Spanien versichert und bezahlen keine Steuern hier.

Sie benehmen sich also just so wie sie es bei Auslaendern , die
sich nicht in Deutschland integrieren, kritisieren wuerden.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: mal sehen in 2004-12-20, 08:58:49
Bin aus Brühl, Rheinland.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: gehabt gehabt in 2004-12-20, 13:28:55
Zitat von: Kilian in 2004-12-19, 11:34:54
Apropos gewesen:

Herbergsvater: "Hier wird nicht getobt! Hier wird nicht gebrüllt! Hier wird nicht frech gewesen!"

;D

Aber lasst euch nicht unterbrechen.

Wenn gewesen das Partizip von sein ist, was ist denn dann das Partizip des Wortes wesen (ich wese, du west, es west). Der Sinn des Wortes ist mir nebuloes, muss Heideggersch sein, oder Rilke. Sollte es heissen "Es hat gewesen" oder "es hat gewest" (analog zu der Fisch ist schon verwest).  Soll also, um ein konkretes Beispiel zu bringen, der Hausmeister des philosophischen Seminars sagen, wenn er abschliessen will: "Jetzt wird aber nicht mehr gewesen" oder "gewest".

Als Kind hat es mich ziemlich befremdet, als wir -weil der Pastor krank war- in unserer Pfarrei einen Pfarrverweser bekamen.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: gehabt gehabt in 2004-12-20, 13:32:24
Vielleicht will sich unser Administrator ja gar
"Verweser" nennen?
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: gehabt gehabt in 2004-12-20, 14:20:12
Zitat von: amarillo in 2004-12-19, 23:42:34
Muß ich das verstehen?
Granada = süddeutsch?

Müssen wir das schon wieder probieren? Wir haben die Reste der letzten Expansionswünsche noch nicht ganz beseitigt.

Die Benrather Linie ist die Trennungslinie zwischen Nord- und Sueddeutschland. Noerdlich sagt man maken, suedlich machen. In Benrath kreuzt die Linie den Rhein.

In Spanien wuerde man das Wort machen wie "matschen" aussprechen. Das klingt auch nicht mehr nach Sueddeutsch.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: amarillo in 2004-12-20, 15:08:56
Benrath hin, Granada her, es ging darum, ob man das Projekt andenken könnte, sich vielleicht im Laufe des kommenden Jahres einmal physisch zu treffen.

Außerdem: Du sollst Dich nicht über die espanise Esprake lustig maken!
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: Kilian in 2004-12-20, 20:05:48
Zitat von: MrMagoo in 2004-12-16, 11:30:15
Diese Frage stellt sich doch IMMER, amarillo - sonst gäbe es ja keine normativen Grammatiken, die einem sagen: Bis hierhin und nicht weiter! ;-)

Und ich glaube, wir als normale, nichtzeitreisende Erdlinge können uns nicht beschweren, damit allzu schweres Spiel zu haben:

ZitatDas größte Problem [beim Zeitreisen] ist ganz einfach ein grammatikalisches, und das wichtigste Buch, das man zu diesem Thema heranziehen kann, ist Das Handbuch der 1001 Tempusbildungen für den Reisenden durch die Zeit von Dr. Dan Streetmaker. Es sagt einem zum Beispiel, wie man etwas auszudrücken hat, das in der Vergangenheit im Begriff war, einem zu widerfahren, bevor man ihm aus dem Weg ging, indem man in der Zeit zwei Tage nach vorn hopste. Das Ereignis wird nun unterschiedlich beschrieben, je nachdem, ob man aus dem Blickwinkel seiner natürlichen Zeit, einer Zeit in der weiteren Zukunft oder einer Zeit in der weiteren Vergangenheit darüber spricht, und es wird noch weiter kompliziert durch die Möglichkeit, daß man sich gerade darüber unterhalten kann, während man auf der Reise von einer Zeit zur anderen ist, um seine eigene Mutter oder sein eigener Vater zu werden.

Die meisten Leser kommen bis zum Futurum des semiconditional modifizierten, sub-umgedrehten Intentionals des subjunktiven Praeteritum Plagalis, bevor sie aufgeben: und tatsächlich sind in späteren Auflagen des Buches alle Seiten hinter diesem Kapitel weiß gelassen worden, um Druckkosten zu sparen.


Douglas Adams, Das Restaurant am Ende des Universums, Kapitel 15

Hier noch die Beispiele für Verbformen und Zeitadjektive, die danach im Text vorkommen:
wirt sain-gevezz
wirtan hab-genomm
wirtan hab-gegezz
willon zugesech
nach vor-wenn
mochtan komm zu-wenn
Man kann haban vornach-buch haventa vor-wenn prebaldon retroginganz zuruc-haim.
mochtan treffan unt dinan mit auf-wenn
auf-besuch wieder-besuchirin...

Ich bitte darum, dass irgendein kreativer Kopf so ein Grammatikbuch wirklich mal verfasst!
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: caru in 2004-12-20, 21:29:52
zu obiger frage:

bin in graz geboren, hause derzeit in wien. sehr, sehr weit von granada, auch nicht ganz nahe an benrath.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: MrMagoo in 2004-12-21, 13:06:41
Zitat von: Kilian in 2004-12-20, 20:05:48
Hier noch die Beispiele für Verbformen und Zeitadjektive, die danach im Text vorkommen:
wirt sain-gevezz
wirtan hab-genomm
wirtan hab-gegezz
willon zugesech
nach vor-wenn
mochtan komm zu-wenn
Man kann haban vornach-buch haventa vor-wenn prebaldon retroginganz zuruc-haim.
mochtan treffan unt dinan mit auf-wenn
auf-besuch wieder-besuchirin...

Ich bitte darum, dass irgendein kreativer Kopf so ein Grammatikbuch wirklich mal verfasst!


Das klingt eher wie ein verzogenes Althochdeutsch! *gg*
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: MrMagoo in 2004-12-21, 13:20:50
Zitat von: gehabt gehabt in 2004-12-20, 13:28:55
Wenn gewesen das Partizip von sein ist, was ist denn dann das Partizip des Wortes wesen (ich wese, du west, es west). Der Sinn des Wortes ist mir nebuloes, muss Heideggersch sein, oder Rilke. Sollte es heissen "Es hat gewesen" oder "es hat gewest" (analog zu der Fisch ist schon verwest).  Soll also, um ein konkretes Beispiel zu bringen, der Hausmeister des philosophischen Seminars sagen, wenn er abschliessen will: "Jetzt wird aber nicht mehr gewesen" oder "gewest".

Als Kind hat es mich ziemlich befremdet, als wir -weil der Pastor krank war- in unserer Pfarrei einen Pfarrverweser bekamen.


Die Formen lauten
sein - war - gewesen
wesen - weste - gewest

Ursprünglich war "wesen" ein starkes Verb mit der Bedeutung "sein, existieren" mit den oben angeführten Formen war-gewesen.
Das Präsens ist aber meist durch die Formen zweier anderer Verben gebildet worden, nämlich sein und bin.
Noch im Mittelalter waren die Formen sein, bin, wesen oft austauschbar, man konnte also neben "wir sind (vorher: sein)" auch sagen "wir wesen" oder "wir birn".
Später haben die Formen von sein und bin die Oberhand für's Präsens gewonnen, das (starke) Präteritum wurde immer schon von "wesen" geformt.

"wesen" wurde weithin eingeschränkt auf die Bedeutung "existieren, umhergehen" und, da die starken Präteritumformen vergeben waren, ein schwaches Präteritum neu gebildet: "weste"; das neue Partizip2 lautet "gewest".
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: caru in 2004-12-21, 16:59:11



Den soll man als G'sell erkennen
Oder gar ein Meister nennen,
Der noch nirgends ist gewest,
Nur gesessen in sei'm Nest?  (http://www.musicanet.org/robokopp/Lieder/aufdujun.html)
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: Kilian in 2004-12-22, 22:10:30
ZitatDas klingt eher wie ein verzogenes Althochdeutsch! *gg*

Kann durchaus sein, dass der Übersetzer sich da aus irgendwelchen Erinnerungen ans Germanistik-Studium bedient hat. Was für Formen Adams sich im Original so ausgedacht hat, weiß ich nicht.

wesen lebt ja anscheinend in abwesend und anwesend weiter. Höchste Zeit, sich der Partizip-I-Gestalt dieser Adjektive zu erinnern und die Verben anwesen und abwesen zu erfinden, wie ich finde:

Mein Chef wos bei dieser Besprechung persönlich an.
Die Gräfin bedauert, heute abwesen zu müssen.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: caru in 2004-12-22, 22:23:26
man braucht wohl auch entsprechende substantive. das Anwesen gibt es schon. aber hat jemand von euch ein Abwesen?

"Er leistete sich von seinem erklecklichen Gehalt ein stattliches Abwesen."




(ja, und ich habe hier tatsächlich ein kastenwesen. wirklich wahr, in meinem kasten herrscht das kastenwesen!)
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: Kilian in 2004-12-22, 22:25:42
Was mag das sein, ein Abwesen?

Ein prunkvolles Haus, dessen mysteriöser Besitzer nie da ist?
Aus steuer- oder schrullentechnischen Gründen?
Das Fehlen eines Anwesens?
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: caru in 2004-12-22, 22:28:33
ich dachte tatsächlich an eine möglichst protzige villa, die dazu da ist, nicht drin zu wohnen. man könnte sich, so man geldes hätte, zum beispiel ein schönes abwesen auf der insel guernsey bauen, deren bürger so gut wie keine steuern zahlen. oder in monaco, wenn wir schon dabei sind.
Titel: Re:Futur II
Beitrag von: Ly in 2005-06-05, 18:35:56
Zitat von: caru in 2004-12-22, 22:28:33
ich dachte tatsächlich an eine möglichst protzige villa, die dazu da ist, nicht drin zu wohnen. man könnte sich, so man geldes hätte, zum beispiel ein schönes abwesen auf der insel guernsey bauen, deren bürger so gut wie keine steuern zahlen. oder in monaco, wenn wir schon dabei sind.

Auch eine Möglichkeit sein Geld loszuwerden ;D
Titel: Re: Futur II
Beitrag von: Obermotz in 2011-09-29, 22:09:31
(1) ,,Ich habe gelebt" --> ,,Ich hatte gelebt" = ,,ich habe gelebt gehabt"

(2) ,,Ich werde gelebt haben"  --> ,,Ich werde gelebt hatten" geht nicht, also:

,,Lebe, wie du, wenn du sterben wirst, wünschen wirst, gelebt gehabt zu haben."

Titel: Re: Futur II
Beitrag von: Kilian in 2011-09-30, 00:39:02
Zitat von: Obermotz in 2011-09-29, 22:09:31,,Lebe, wie du, wenn du sterben wirst, wünschen wirst, gelebt gehabt zu haben."

Also wie im vorherigen Leben?