Das wäre jetzt eine sehr lange Diskussion. Ich wundere mich nur sehr darüber, in welchem Ausmaß es den Psycho-Leuten gelungen ist, die Debatte mit einem Argument zu usurpieren, das allenfalls von sehr untergeordneter Bedeutung ist. Was haben sie bewiesen? Dass der Genusgebrauch bei Personen eine nicht unbeträchtliche Korrespondenz zum Sexus aufweist? "Der Mann, die Frau": Donnerwetter, darauf wäre ich nicht gekommen! Haben sie damit auch widerlegt, dass Genus und Sexus zwei klar distinkte Kategorien sind, die es in der Diskussion sauber zu trennen gilt? Natürlich nicht. Einer der häufigsten Denkfehler in der Wissenschaft ist es zu glauben, wenn eine Korrelation zwischen zwei Kategorien aufgezeigt wurde, die Kategorien in eins fallen lassen zu können. Was lehrt uns die frappierend pauschale Feststellung, das generische Maskulinum lasse in der Tendenz ein wenig mehr an Männer als an beide Geschlechter denken, über sein Diskriminierungspotenzial? Rein gar nichts, solange man nicht sorgfältig differenziert.
Und damit sind wir überhaupt erst am Anfangspunkt aller weiteren Überlegungen und nicht, wie diese Leute suggerieren wollen, schon bei einem Ergebnis. Dann fangen wir mal an mit den Einzelheiten und sprechen über die asymmetrischen Grade von geschlechtlicher Markiertheit, die Maskulinum und Femininum aufweisen (das Maskulinum ist, eben aus historischen Gründen, im Mittel schwächer geschlechtlich markiert als das Femininum, weshalb das Pendant zu stark markiertem "Studentinnen" "männliche Studenten" ist); über die Graustufen dieser Markiertheit innerhalb des Maskulinums; über die unterschiedliche Markiertheit von Singular (stärker) und Plural (schwächer, schon morphologisch bedingt); darüber, dass das Sprachsystem, die langue, allein gar nicht diskriminieren kann, sondern Sprecher braucht, die es tun; über das Gricesche Kooperationsprinzip, nach dem es keine gute Idee ist, dem anderen in einer rationalen Kommunikation ohne gute Gründe zu unterstellen, er wolle diskriminieren; dann über die zahllosen Fälle, in denen das generische Maskulinum offenkundig zugleich konkurrenzlos praktisch und im Diskriminierungssinne völlig unschädlich ist. Z.B. formulierst Du m.E. unnötigerweise "Hörerinnen und Hörer", da die männliche Markierung in "Hörer" schwach genug ist, um in einer Kommunikation unter Gutwilligen keine Missverständnisse zu erzeugen. Es wäre unter normalen Bedingungen ein destruktives Kommunikationsverhalten, hier wider besseres Wissen monieren zu wollen, Frauen seien nicht mitgenannt. Die dominanten Merkmale sind – jedenfalls in Deinem Satz – semantisch "hören", davon nomen agentis, davon Plural. Und ob Frauen mitgenannt sein sollen oder nicht, entscheidet nicht die langue oder Leute, die glauben, ihre Regeln bestimmen zu können, sondern der Sprecher.
Bei Deinem Beispiel "Entwickler" in einem Softwareunternehmen kommt es nun sehr darauf an, in welchem Zusammenhang das generische Maskulinum angewendet wird. Ist es in der Stellenausschreibung, dann ist es offenkundig entscheidend wichtig zu betonen, dass auch Entwicklerinnen eingestellt werden. Hier sind wir in einem Bereich, der sehr sexus-empfindlich ist. Formuliere ich dagegen den Satz "die besten meiner Entwickler sind Frauen", dann ist das generische Maskulinum erstens enorm praktisch und zweitens völlig frei von jedem Verdacht der Diskriminierung, die zu unterstellen schon der Sinn des Satzes verbietet. Dazwischen gibt es sicher jede Menge Graustufen, bei denen je nach Beteiligten und Zusammenhang im Griceschen Sinne das Gelingen der Kommunikation durch die Wahl des generischen Maskulinums entweder in Gefahr geraten könnte oder nicht. Das wird in der parole praktisch ausgehandelt, dazu brauche ich keine pauschale Holzhammervorschrift. (Ich als Verwender des generischen Maskulinums dort, wo "Mann" schwach markiert ist, bin übrigens noch nie in meinem Leben auch nur einmal in ein genusbedingtes kommunikatives Missverständnis geraten. Das zeigt mir, wie künstlich die Debatte ist.)
Dass über die Frage "Diskriminierung oder nicht" in jedem Einzelfall befunden werden muss und das Sprachsystem darüber nicht entscheiden kann, mag folgendes Beispiel verdeutlichen: Einer meiner akademischen Lehrer bezeichnete Schwarze konsequent als "Neger". War das rassistisch? In seinem Fall sicher nicht, denn er verwendete das Wort in Sätzen, in denen er mit den wärmsten Worten über die "Neger" sprach. Er war jahrelang in Afrika gewesen, hatte die Leute sehr eindeutig liebgewonnen und war Vorsitzender eines deutsch-afrikanischen Freundschaftsvereins.
Mein Plädoyer wäre also, als Sprecher wie als Hörer aufmerksam zu sein erstens gegenüber den in den einzelnen Wörtern liegenden verschiedenen Graden geschlechtlicher Markiertheit ("Feuerwehrmänner" ist potentiell stark, "Griechen" schwach männlich markiert) und zweitens der Wirkung, die diese Grade von Markiertheit in jeder einzelnen Äußerung im Zusammenhang entfalten. Dann kann man auch von Fall zu Fall ohne Diskriminierungsverdacht die Möglichkeiten nutzen, die das generische Maskulinum bietet, um bestimmte Sachverhalte eleganter, praktischer und kürzer zu formulieren. Eine Notwendigkeit, die ganze Straßenverkehrsordnung umzuschreiben, um lauter eindeutig sehr schwach oder überhaupt nicht männlich markierte Maskulina durch angeblich "geschlechtergerechtere" Formen zu ersetzen, kann ich nicht erkennen. Der (im Grunde für verständige Leser überflüssige) Hinweis, wo nicht ausdrücklich anders vermerkt, seien immer alle Geschlechter gemeint, hätte völlig genügt. Im übrigen: Frauen, die sich durch die alte Fassung der StVO tatsächlich persönlich (und nicht nur rollengemäß als Spielerinnen im Rahmen des feministischen Diskurses) diskriminiert fühlten, haben offenbar Probleme gesellschaftlicher oder persönlicher Art, die nicht durch Sprachbasteleien zu beheben sind. Es gehört nicht zu den Aufgaben von Sprache als System, gesellschaftliche Verhältnisse genau abzubilden oder ihrer Veränderung gar vorzuarbeiten. Auch die Naivität, mit der die Sapir-Whorf-Hypothese dafür ins Feld geführt wird, dass Sprache die Welt – hier: gesellschaftliche Verhältnisse – "abbilde" und ein bestimmter Genusgebrauch daher "sexistisch" sei (Kurzschluss Genus = Sexus, s.o.), ist erschreckend. Wenn Sprachwissenschaft so einfach wäre, wie sich das die "feministische Linguistik" vorstellt ...
Jetzt ist der Irrealis in meinem ersten Satz ad absurdum geführt. Na ja.
Und damit sind wir überhaupt erst am Anfangspunkt aller weiteren Überlegungen und nicht, wie diese Leute suggerieren wollen, schon bei einem Ergebnis. Dann fangen wir mal an mit den Einzelheiten und sprechen über die asymmetrischen Grade von geschlechtlicher Markiertheit, die Maskulinum und Femininum aufweisen (das Maskulinum ist, eben aus historischen Gründen, im Mittel schwächer geschlechtlich markiert als das Femininum, weshalb das Pendant zu stark markiertem "Studentinnen" "männliche Studenten" ist); über die Graustufen dieser Markiertheit innerhalb des Maskulinums; über die unterschiedliche Markiertheit von Singular (stärker) und Plural (schwächer, schon morphologisch bedingt); darüber, dass das Sprachsystem, die langue, allein gar nicht diskriminieren kann, sondern Sprecher braucht, die es tun; über das Gricesche Kooperationsprinzip, nach dem es keine gute Idee ist, dem anderen in einer rationalen Kommunikation ohne gute Gründe zu unterstellen, er wolle diskriminieren; dann über die zahllosen Fälle, in denen das generische Maskulinum offenkundig zugleich konkurrenzlos praktisch und im Diskriminierungssinne völlig unschädlich ist. Z.B. formulierst Du m.E. unnötigerweise "Hörerinnen und Hörer", da die männliche Markierung in "Hörer" schwach genug ist, um in einer Kommunikation unter Gutwilligen keine Missverständnisse zu erzeugen. Es wäre unter normalen Bedingungen ein destruktives Kommunikationsverhalten, hier wider besseres Wissen monieren zu wollen, Frauen seien nicht mitgenannt. Die dominanten Merkmale sind – jedenfalls in Deinem Satz – semantisch "hören", davon nomen agentis, davon Plural. Und ob Frauen mitgenannt sein sollen oder nicht, entscheidet nicht die langue oder Leute, die glauben, ihre Regeln bestimmen zu können, sondern der Sprecher.
Bei Deinem Beispiel "Entwickler" in einem Softwareunternehmen kommt es nun sehr darauf an, in welchem Zusammenhang das generische Maskulinum angewendet wird. Ist es in der Stellenausschreibung, dann ist es offenkundig entscheidend wichtig zu betonen, dass auch Entwicklerinnen eingestellt werden. Hier sind wir in einem Bereich, der sehr sexus-empfindlich ist. Formuliere ich dagegen den Satz "die besten meiner Entwickler sind Frauen", dann ist das generische Maskulinum erstens enorm praktisch und zweitens völlig frei von jedem Verdacht der Diskriminierung, die zu unterstellen schon der Sinn des Satzes verbietet. Dazwischen gibt es sicher jede Menge Graustufen, bei denen je nach Beteiligten und Zusammenhang im Griceschen Sinne das Gelingen der Kommunikation durch die Wahl des generischen Maskulinums entweder in Gefahr geraten könnte oder nicht. Das wird in der parole praktisch ausgehandelt, dazu brauche ich keine pauschale Holzhammervorschrift. (Ich als Verwender des generischen Maskulinums dort, wo "Mann" schwach markiert ist, bin übrigens noch nie in meinem Leben auch nur einmal in ein genusbedingtes kommunikatives Missverständnis geraten. Das zeigt mir, wie künstlich die Debatte ist.)
Dass über die Frage "Diskriminierung oder nicht" in jedem Einzelfall befunden werden muss und das Sprachsystem darüber nicht entscheiden kann, mag folgendes Beispiel verdeutlichen: Einer meiner akademischen Lehrer bezeichnete Schwarze konsequent als "Neger". War das rassistisch? In seinem Fall sicher nicht, denn er verwendete das Wort in Sätzen, in denen er mit den wärmsten Worten über die "Neger" sprach. Er war jahrelang in Afrika gewesen, hatte die Leute sehr eindeutig liebgewonnen und war Vorsitzender eines deutsch-afrikanischen Freundschaftsvereins.
Mein Plädoyer wäre also, als Sprecher wie als Hörer aufmerksam zu sein erstens gegenüber den in den einzelnen Wörtern liegenden verschiedenen Graden geschlechtlicher Markiertheit ("Feuerwehrmänner" ist potentiell stark, "Griechen" schwach männlich markiert) und zweitens der Wirkung, die diese Grade von Markiertheit in jeder einzelnen Äußerung im Zusammenhang entfalten. Dann kann man auch von Fall zu Fall ohne Diskriminierungsverdacht die Möglichkeiten nutzen, die das generische Maskulinum bietet, um bestimmte Sachverhalte eleganter, praktischer und kürzer zu formulieren. Eine Notwendigkeit, die ganze Straßenverkehrsordnung umzuschreiben, um lauter eindeutig sehr schwach oder überhaupt nicht männlich markierte Maskulina durch angeblich "geschlechtergerechtere" Formen zu ersetzen, kann ich nicht erkennen. Der (im Grunde für verständige Leser überflüssige) Hinweis, wo nicht ausdrücklich anders vermerkt, seien immer alle Geschlechter gemeint, hätte völlig genügt. Im übrigen: Frauen, die sich durch die alte Fassung der StVO tatsächlich persönlich (und nicht nur rollengemäß als Spielerinnen im Rahmen des feministischen Diskurses) diskriminiert fühlten, haben offenbar Probleme gesellschaftlicher oder persönlicher Art, die nicht durch Sprachbasteleien zu beheben sind. Es gehört nicht zu den Aufgaben von Sprache als System, gesellschaftliche Verhältnisse genau abzubilden oder ihrer Veränderung gar vorzuarbeiten. Auch die Naivität, mit der die Sapir-Whorf-Hypothese dafür ins Feld geführt wird, dass Sprache die Welt – hier: gesellschaftliche Verhältnisse – "abbilde" und ein bestimmter Genusgebrauch daher "sexistisch" sei (Kurzschluss Genus = Sexus, s.o.), ist erschreckend. Wenn Sprachwissenschaft so einfach wäre, wie sich das die "feministische Linguistik" vorstellt ...
Jetzt ist der Irrealis in meinem ersten Satz ad absurdum geführt. Na ja.