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Beiträge - Homer

#61
Umgekehrt natürlich: 1. passivisch, 2. aktivisch.
#62
Zitat von: Wortklaux in 2015-07-05, 03:37:22
Diese Erklärung scheint mir der Sache auch noch nicht ganz auf den Grund zu gehen. Wenn man einmal analog analysiert:

Ich lasse das Essen kommen.

1. "Ich veranlasse, dass das Essen gekommen wird";
2. "Ich veranlasse das Essen, zu kommen";
3. "Ich erlaube dem Essen, zu kommen".

Dann trifft keine der drei Erklärungen wirklich die Bedeutung von "lassen".

Stimmt. Dann muss 2. wohl etwas umformuliert werden:

2. Ich veranlasse, dass Opa ruft bzw.
2. Ich veranlasse, dass das Essen kommt.

Dann wird auch noch klarer, wie merkwürdig es ist, dass es für den Satz Ich lasse Opa rufen eine aktivische (1.) und eine passivische (2.) Interpretation gibt.
#63
Sprache / "lassen" und Argumentstrukturen
2015-07-05, 01:14:27
Zitat von: Kilian in 2015-07-04, 23:21:26
Zitat von: Wortklaux in 2015-07-04, 19:52:27
Ich lasse mir die Haare schneiden.
Ich lasse von Opa den Rasen mähen.
Stimmt, hier fehlt der A und steht nur ein I, vielleicht daher die merkwürdige Einsortur. Wobei ich denke, dass der A einfach elidoren ward. Denn anders, als es bei einem Modalverb der Fall wäre, reicht lassen das Subjekt ja gerade nicht an den untergeordneten Infinitiv weiter, sondern das sind hier zwei verschiedene semantische Rollen.

Ob da wirklich der A einfach elidoren ist?

*Ich lasse Opa mir die Haare schneiden scheint mir ungrammatisch oder mindestens zweifelhaft. Stattdessen würde man wohl sagen Ich lasse mir von Opa die Haare schneiden, was eine sehr seltsame Konstruktion ist, da keine Passivform vorliegt, von der die Agens-Angabe abhängen könnte. Offenbar steckt in lassen 1. das aktive "veranlassen" und 2. bereits die vorweggenommene Passivkomponente des Infinitivs, die deshalb dort nicht mehr ausgedrückt wird. Lassen wäre also = werden veranlassen. Dann wäre aber kein Platz mehr für einen A.

Aber es ist außerdem noch zu beachten, dass lassen drei Bedeutungen haben kann:

Ich lasse Opa rufen kann heißen

1. "Ich veranlasse, dass Opa gerufen wird";
2. "Ich veranlasse Opa, zu rufen";
3. "Ich erlaube Opa, zu rufen".

Dem entsprechen beim Rasenmäh-Beispiel zwei Varianten:

1. "Ich veranlasse, dass der Rasen von Opa gemäht wird" = Ich lasse den Rasen von Opa mähen.
2.+ 3. "Ich veranlasse Opa, den Rasen zu mähen" und "Ich erlaube Opa, den Rasen zu mähen" = Ich lasse Opa den Rasen mähen.

Kurios ist, dass 1. und 2. sinngleich, aber 2. und 3. konstruktionsgleich sind.

2. und 3. sind die Varianten mit A. Ich weiß nun nicht, inwieweit es vorzuziehen ist, ein 1. Ich lasse den Rasen mähen als elliptische Form von 2./3. Ich lasse Opa den Rasen mähen aufzufassen, statt anzunehmen, dass innerhalb von 1. beim "Passiv-Lassen" eine Agens-Angabe wie von Opa fehlt.
#64
Sprache / Re: Kaskadenpassiv
2015-07-04, 23:17:04
Mag sein. Ich sollte vielleicht nur noch mal sagen, dass ich den Fehler nicht aktiv gesucht habe. Ich habe den ZEIT-online-Artikel rein auf Inhalt, ohne jeden Fokus auf Sprachbeobachtung gelesen, habe auch sofort gewusst, was Lucke sagen wollte, und trotzdem gleichzeitig und ohne analytisches Nachdenken gemerkt, dass er etwas anderes gesagt hat. Dass einem Sprecher solche Dinge in einer Parteitagsrede unterlaufen können, ist verständlich. Aber ich stelle mir vor, dass es einigermaßen kompetenten Hörern sofort auffällt. Und das Konstrukt des "kompetenten Sprachbenutzers" wird ja immer herangezogen, wenn es darum geht, ob ein Satz als grammatisch durchgeht.
#65
Sprache / Re: Kaskadenpassiv
2015-07-04, 21:20:25
Zitat von: Wortklaux in 2015-07-04, 19:52:27
Nach meinem Sprachempfinden bezieht sich der in Luckes Zitat bezeichnete Wille eindeutig auf die Nehmenden. im Falle eines Angebots, das nicht von jedem angenommen werden will, setzt sich die Semantik in meinem zerebralen Sprachprozessor radikal gegen alle grammatischen Argumente durch, und ich wäre deshalb eher bereit, die Grammatik, als mein Sprachverständnis zu ändern.

Unmissverständlich wäre für mich auch:

Was passiert mit Menschen, die in der Europäischen Gemeinschaft zwar Asyl suchen, aber von keinem Land aufgenommen werden wollen?

Ob dieses Sprachgefühl mehrheitsfähig ist? Ich weiß nicht recht. Für mich persönlich gilt jedenfalls: Logik und Sprachgefühl sagen unisono und mit gleicher Lautstärke "nein, niemals, unmöglich, völlig ausgeschlossen!"
#66
Sprache / Re: Kaskadenpassiv
2015-07-04, 18:49:05
Zitat von: Kilian in 2006-10-05, 17:11:26
Die Modalverben lassen, wollen und mögen verhalten sich anders, sie treffen eine Aussage über das grammatische Subjekt: Wenn der Arzt Lisa nicht impfen will, ist das etwas ganz anderes, als wenn Lisa vom Arzt nicht geumpfen werden will. Will man daher den ersten Satz ins Passiv setzen, braucht man das Kaskadenpassiv oder so ne Scherze: Lisa wird vom Arzt nicht impfen gewollt.

Brandaktuelles Beispiel:

Kleinlaut schließt Lucke seine Begrüßung der knapp 3.000 Mitglieder: "Das war mein erster Versuch, eine Hand zu reichen, die augenscheinlich nicht von jedem genommen werden möchte." (ZEIT-online)

Der Widerwille seiner Hand gegen allzu beliebiges Genommenwerden wurde dann bei der Vorsitzenden-Wahl von den Delegorenen prompt erworden.

#67
Sehr spannend! Das klingt mir ganz nach einem quantenlinguistischen Postulat.
#68
Ach, sieh mal an, alles schon dagewesen. :'(
#69
Autologische oder homologe Wörter sind solche, die die Eigenschaft, die sie bezeichnen, selbst aufweisen, so dass gilt: "A" ist A. Beispiele:

deutsch ist deutsch
dreisilbig ist dreisilbig
pentasyllabisch ist pentasyllabisch
endungslos ist endungslos
achtzehnbuchstabig ist achtzehnbuchstabig
geläufig ist geläufig
lesbar ist lesbar
Substantiv ist ein Substantiv
adjektivisch ist adjektivisch
Dvandva ist ein Dvandva

Mein Verdacht ist nun, dass wir hier im Vergleich zum Standarddeutschen autologischer unterwegs sind:

gestorken ist gestorken – gestärkt ist nicht gestärkt
stottotorten ist stottotorten – gestottert ist nicht gestottert
gezoooomen ist gezoooomen – gezoomt ist nicht gezoomt
verrocken ist (vielleicht) verrocken – verrückt ist (sicher) nicht verrückt
Ein Beispiel für einen Kopfsprung ist "Kopfsprung" (Agricola in seinem Gründungspost zu dem Faden)
Labenz ist ein Labenz

Sicher lassen sich leicht noch mehr Beispiele finden.

Das nur als Ausblick auf eine künftigen Generationen vorbehaltene Erforschung der Sprache der GSV.
#70
Der Name heißt "Merkur plus Venus",
er war ihr Sohn, daher das Genus.
Doch masch sich dann mit ihm beim Bade
untrennbar eine Quellnajade.
Ihr weiches Wasser macht noch heute
aus Männern, die dort planschen, Leute.

#71
Späße / Re: misread words
2015-06-22, 13:55:25
careers in silence

statt

careers in science
#72
Nach meinem Gefühl reicht das vielleicht für die nachrechnende Logik, aber nicht für das Stilgefühl zum Ausdruck der Reziprozität. Hast Du ja selbst schon gesagt. "Jemand anders" ist auch nicht wirklich äquivalent zu "der andere".
#73
Zitat von: Wortklaux in 2015-06-17, 22:18:53
OK, man soll sich gegenseitig helfen, aber sicher nicht, indem man demjenigen, dessen Last man übernimmt, die eigene aufbürdet, denn das wäre nicht sinnvoll. Die Gegenseitigkeit steht hier nicht im Vordergrund. Im Einzelfall ist es immer der eine, der dem anderen hilft, und zwar ohne die Erwartung einer Gegenleistung.

Der Begriff der "Gegenseitigkeit", die hier gemeint ist, ist natürlich nicht auf paarweise Reziprozität beschränkt. Das griechische ἀλλήλων und das deutsche "einander" werden in der Grammatik in diesem etwas weiteren Sinne üblicherweise als Reziprozitätsausdrücke bezeichnet. Eine ganz wörtliche Übersetzung des griechischen Galatertextes wäre "tragt die Lasten voneinander".
#74
Zitat von: Wortklaux in 2015-06-17, 21:34:31
Ich glaube nicht, dass "einer trage des andern Last" reziprok gemeint ist.

Doch, das ist eindeutig. Im griechischen Original (Galater 6:2) steht der Genitiv des Reziprokpronomens: ἀλλήλων τὰ βάρη βαστάζετε (allēlōn ta barē bastazete).
#75
Stilfragen sind in gewissen Grenzen unvermeidlich subjektiv, natürlich. Ich finde das generische Maskulinum hier, wie gesagt, nicht glücklich, zumal es vermeidbar ist, ohne dass m.E. die Literarizität des Ausdrucks leidet. Wenn Dir "wie kaum jemand anders" nicht gefällt – ich finde es keine Spur bürokratischer und unliterarischer als "wie kaum ein anderer" –, wie ist es dann mit meinem anderen Vorschlag "wie (nur) wenige andere"? Es gibt noch andere Möglichkeiten, mit einem der allenfalls sehr schwach männlich markierten Ausdrücke "jemand" oder "niemand" zu arbeiten, wenn es unbedingt ein Singular sein soll, z.B. "wie kaum jemand sonst", "wie fast niemand sonst". Umformungen mit "mehr als" sind ebenfalls denkbar: "mehr als die meisten anderen" z.B. Das kommt mir durchweg besser vor als die gewählte Lösung.

"Einer trage des andern Last" kann man nicht deshalb nicht durch "man trage die Last von jemand anders" ersetzen, weil "jemand anders" per se so viel hässlicher wäre als "des andern" – obwohl es sicher weniger poetisch ist –, sondern aus zwei anderen Gründen: 1. Die durch "einer ... des anderen" ausgedrückte Reziprozität geht verloren, die für die Aussage zentral ist; 2. wegen des hier nun wirklich unschönen "von"-Genitivs. Kilian würde hier wahrscheinlich zum Gendern auf die Einführung des Neutrums "eines" dringen, aber solange die Standardsprache das (m.E. verständlicherweise) nicht akzeptiert, sehe ich hier keine gleichwertige Alternative zum generischen Maskulinum.

Was das Ohren-Langziehen angeht: "Ohren-Langziehen ;)" – besser so?