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Beiträge - Homer

#76
Zitat von: Kilian in 2015-06-16, 21:55:14
Zitat von: amarillo in 2015-06-16, 17:35:32
Ein Satz, der mich heute stutzen ließ: "Laurie litt wie kaum ein anderer an Schlaflosigkeit..." (John Katzenbach: der Professor)
Meines Erachtens gehören den Übersetzern sowie den Lektoren die Ohren lang gezogen: 'Laurie' ist hier nämlich ein weiblicher Vorname und nicht, was auch möglich wäre, ein Familienname.

Da ist ein anderer wohl als generisches Maskulinum gemeint. Wenn da stünde: eine andere, dann müsste man ja annehmen, hier würde Lauries Schlaflosigkeit nur mit der anderer Frauen verglichen, und nicht von Männern, es sei denn, man wüsste, dass die Autorin (so wie ich jetzt) gelegentlich ein generisches Femininum verwendet.

Ja, das soll wohl wirklich generisches Maskulinum sein. Für mein Gefühl ist aber "ein anderer" mit seiner maskulinen Endung gerade durch den vergleichenden, über "wie" auch grammatisch hergestellten Bezug auf eine Frau in doch störender Weise mit einem nicht unerheblichen Rest männlicher Konnotation behaftet. Der in der Tendenz weniger für die Abstraktion vom Merkmal "Geschlecht" geeignete Singular tut ein übriges. Es hätte bessere Mittel gegeben, die Geschlechtsneutralität auszudrücken: "wie kaum jemand anders" oder (sogar im radikalsten feministischen Sinne klinisch sauber) "wie (nur) wenige andere". Deshalb bin ich beim Ohren-Langziehen dabei.
#77
Zitat von: Kilian in 2015-06-16, 23:58:54
Und nun noch zu den Gesetzen:

Zitat von: Homer in 2015-06-16, 09:51:02
Man braucht fürs Gendern grundsätzlich kein Gutachten, sondern nur ein Minimum an Sprachgefühl. Bei Gesetzen braucht man noch nicht mal das: Es gibt nichts zu gendern, wo Geschlecht aus Prinzip nullmarkiert ist (es sei denn, wie gesagt, das Gesetz handelt vom Geschlecht – dann sollte es aber auch früher schon explizit gewesen sein). Unnötige Konnotationen zu generieren, widerspricht dem Ökonomiegebot, dem diese Texte unterliegen.

Welche unnötigen Konnotationen generiert denn z.B. das "wer zu Fuß geht" der StVO?

Die unnötigen Konnotationen entstehen vorzugsweise durch Paarformen. Ausgerechnet die sind in der StVO immerhin vermieden (anders als in unserem LHG). Dafür hat man jede Menge andere merkwürdige Dinge getrieben: "wer zu Fuß geht", "zu Fuß Gehende" und auch noch "Fußgänger" (in Komposita sowieso, aber nicht nur dort) wechseln einander ab, der begrifflichen Einheitlichkeit, die gute Gesetzessprache auszeichnet, hohnsprechend. Das gilt auch für "Verkehrsteilnehmer" und seine gegenderten Varianten u.a. Man kann sich übrigens angesichts der krampfhaft wirkenden Genderformen wie "zu Fuß Gehende", das jeder – ich behaupte: selbst Feministinnen – unwillkürlich sofort in das übliche "Fußgänger" zurückübersetzt, fragen, ob das Merkmal "Geschlecht" nicht gerade durch die ungelenken Vermeidungsversuche erst recht ins Bewusstsein rückt.

Zitat von: Kilian in 2015-06-16, 23:58:54
Zitat(Streng genommen verändert sich sogar der Sinn des Textes: Wenn in unserem LHG von "Professorinnen und Professoren" gesprochen wird, wo "Professoren" qua Opposition zu "Professorinnen" nur spezifisches Maskulinum sein kann, sind all diejenigen nicht mitgenannt, die sich eventuell keinem der beiden Geschlechter zugehörig fühlen. Das ist praktisch natürlich irrelevant

Das ist es nicht.

Ich meine nur, dass es keine Auswirkung auf die juristische Gültigkeit der Gesetze für alle Personen hat.

Zitat von: Kilian in 2015-06-16, 23:58:54
Unerbittliche Begriffstreue beißt sich allerdings nicht mit einer Vermeidung des generischen Maskulinums.

O doch. Spätestens bei Komposita wie "Fußgängerüberweg" (in der neuen StVO einfach ungegendert geblieben) wird es eng. Gut, Leuten, die das verzapfen, was jetzt vorliegt, traut man auch den "Zufußgehendenüberweg" zu.

Zitat von: Kilian in 2015-06-16, 23:58:54
Und das wer zu Fuß geht der neuen StVO fügt sich die spröd-reizvolle Sprache m.E. wunderbar ein: erst ungewohnt, etwas befremdlich, aber völlig mit den Mitteln der bestehenden Sprache und sehr klar. Das zumindest finde ich mal eine gelungene Überarbeitung.

Ich finde es im Gegenteil ganz schrecklich. Sieh Dir mal § 25 an, der ist mit "Fußgänger" überschrieben. Das geht auch nicht anders, denn "Wer zu Fuß geht" konnte er nicht heißen. "Zu Fuß Gehende" wäre möglich gewesen, aber offenbar wollte man in der Überschrift nicht von dem griffigen, üblichen Wort lassen – symptomatisch, wie ich finde. Jetzt sieh Dir aber bitte mal die ersten vier Absätze an: Alle beginnen Sie mit "Wer zu Fuß geht". Ich hatte sofort das Gefühl, dass das – unabhängig vom Gender-Aspekt – nicht gesetzessprachgemäß ist. Und nach einer Weile bin ich darauf gekommen, warum: Solche "Wer-"Formeln gibt es häufig in Gesetzen. Sie stehen aber immer dort, wo situativ in einem Gesetzestext eine Gruppe eigens definiert werden soll, für die kein hinreichend kurzer, gängiger Gruppenterminus existiert: "Wer aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert", "Wer sich um einen Sitz im Bundestage bewirbt", "Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder ... erhält" "Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist ..., wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt" (Beispiele aus dem GG). So ein Ausdruck wird nie für dieselbe Gruppe wiederholt ("wer die meisten Stimmen erhält" könnte natürlich auf mehrere Gruppen angewendet werden). Auch bei Stichproben im BGB habe ich nur Ausdrücke dieser Art und nur Solitäre gefunden. Wie in § 25 StVO reihenweise und danach öfter "wer zu Fuß geht" für die in der Straßenverkehrsthematik wohlbekannte Standardteilnehmergruppe der Fußgänger zu benutzen, ist stilistisch genau so schlimm, als wollte man im GG "Bundesminister" konsequent durch "wer ein Bundesministerium leitet" ersetzen. Ich frage mich, warum man an eine solche Novellierung Leute heranlässt, die keinerlei Sprachgefühl für die Textsorte haben, in der sie sich täglich bewegen.
#78
Zitat von: Kilian in 2015-06-16, 23:31:28
Zitat
7. Diese Abstraktionsleistung kann von Fall zu Fall – das ist unbestreitbar – sprachstrukturell bedingt für Frauen größer sein als für Männer. Die Größe dieses gap ist in aber Fällen wie dem Römerbeispiel oder dem Dichterbeispiel entweder Null oder eine quantité negligeable, da sie (jedenfalls in nicht durch feministische Theoreme beeinflussten Kontexten) sehr wahrscheinlich unterhalb der subjektiven Wahrnehmungsschwelle liegt.
8. Wo diese Wahrnehmungsschwelle nicht überschritten wird, kann auch keine subjektive Diskriminierung vorliegen.

Für das Römer- und Dichterbeispiel scheint mir das auch plausibel. In anderen Fällen, in denen sich (feministisch weniger sensibilisierte) Frauen keiner Diskriminierung oder auch nur der nötigen Abstraktionsleistung an sich bewusst werden, kann ich mir allerdings vorstellen, dass sie trotzdem unbewusst wirkt – und Frauen (zusammen mit anderen Faktoren, die Frauen beim Reden über verschiedenste Gruppen mehr oder weniger subtil als Out-Group behandeln) schleichend die Lust entzieht, bei solchen Gruppen mitzumischen. Es wäre doch eine im 21. Jahrhundert sehr gewagte These, zu behaupten, nur weil etwas nicht bewusst werde, könne es nicht psychologisch wirken.

Vorsicht, ich habe nicht von "Bewusstsein" gesprochen! Mit der "subjektiven Wahrnehmungsschwelle" meine ich bereits die sehr niedrige Schwelle, oberhalb deren auch diffuses, noch vorbewusstes Unbehagen oder dergleichen auftreten kann. Wenn diese Schwelle der psychologischen Wirksamkeit unterschritten ist, kann auch keine subjektive Diskriminierung stattfinden, mehr wollte ich nicht sagen. Ich glaube nicht, dass wir uns darin uneins sein müssen. Ich glaube wahrscheinlich nur an mehr Fälle der Verwendung des generischen Maskulinums, die unterhalb dieser Schwelle liegen, als Du.

Jetzt muss man aber auch berücksichtigen, dass Diskriminierung ein relationaler Begriff ist. Für subjektive Diskriminierung reicht kein diffuses unbezogenes Unbehagen mehr, sondern es muss ein Vergleich mit einer als besser behandelt empfundenen anderen Person oder Gruppe stattfinden, der nur mit Bewusstsein anzustellen ist.
#79
Zitat von: Kilian in 2015-06-15, 02:18:44
Zitat von: Homer in 2015-06-14, 15:51:45
Zitat von: Kilian in 2015-06-13, 11:11:40
Z.B.: "Ich werde mich mit meinen Anwälten besprechen."

Auch wenn das generisch gemeint war, stellt die Gesprächspartnerin sich jetzt möglicherweise ein rein männliches Team vor. Du kannst natürlich sagen, dass dieses im Kontext von sprachlicher Kommunikation auftretende Phänomen lediglich ein Symptom der gesellschaftlichen Verhältnisse ist. Aber die Studie von Vervecken legt nahe, dass dieses Symptom wiederum dazu beiträgt, das Übel zu verstärken, weil, wenn Frauen sich immer nur Männer in einem Beruf vorstellen, sie womöglich davon abkommen, sich für diesen Beruf zu entscheiden.

Wenn der obige Satz generisch gemeint war und von der Rezipientin als generisch verstanden wurde, stellt sie sich eben gerade keine Männer vor, sondern abstrahiert völlig vom Geschlecht und denkt nur an "Leute", die den Anwaltsberuf ausüben. Wenn es generisch gemeint war, die Frau es aber nicht so versteht, dann müssen spezifische persönliche oder im Kontext liegende Gründe vorhanden sein, warum die Frau den Begriff "Anwälte" gegen die Intention des Sprechers geschlechtlich auflädt. Das ist ein in der Kommunikation unerwünschter Effekt, aber auch nichts um jeden Preis Vermeidenswertes. Es wird von der Hörerin eine vom Sprecher nicht intendierte Konnotation aktiviert, na und? Das passiert in jeder normalen Unterhaltung dauernd. Dein Beispielsatz ist aber sicher kein politischer oder kommunikativer Hochrisikosatz, Fettnäpfchengefahr sehr gering. Solange der Sprecher keine Gründe kennt, die es bei seiner besonderen Rezipientin ratsam erscheinen lassen zu gendern, drückt der obige Satz das Gemeinte einfach besser (nämlich geschlechtsneutral) und kürzer aus als der gegenderte.

Aber nehmen wir den Satz in "geschlechtergerechter" Sprache: "Ich werde mich mit meinen Anwältinnen und Anwälten besprechen." Im besten Fall begreift die Rezipientin die Doppelnennung einfach als Variante des generischen Maskulinums, obwohl sie das eigentlich nicht ist. Denn die überflüssige doppelte geschlechtliche Markierung kann auch stutzig machen: "Wozu muss ich wissen, dass der Sprecher anwaltlichen Beistand von Männern und Frauen hat. Welches Signal sendet er damit aus?" Wahrscheinlich gar keins, aber in solchen Fällen entsteht jetzt regelmäßig (durch die Markierung bedingt) eine Kognitionslücke, die gewiss nicht kleiner ist als die im Einzelfall auftretende beim generischen Maskulinum. Wobei mir diese Lücke genau so egal ist wie die andere. Beim Kommunizieren gibt es halt hin und wieder was zu denken.

Joah, das sind ein paar recht subjektive ("besser", "mir egal") Argumente für das generische Maskulinum. Das Argument dagegen, das ich genannt habe, wird davon nicht berührt, oder habe ich was verpasst?

"Recht subjektiv" ist eine Wertung, gegen die ich mich doch wehren muss.

"Besser" habe ich erklärt: Eine Form, die das geringstmögliche Maß (im Idealfall null) an geschlechtlicher Konnotation hineinträgt in einen Zusammenhang, in dem der Sprecher Nullmarkiertheit dieses Merkmals anstrebt, weil sie der Intention am besten Rechnung trägt, ist besser als eine andere, die das nicht tut – trivial. "Die Römer sprachen Latein" ist in diesem Sinne besser als "Die Römerinnen und Römer sprachen Latein". Um es in der Währung "kognitive Bürde" auszudrücken: Zur Vermeidung einer vermeintlichen, allein die Frauen betreffenden kognitiven Bürde, die vollkommen theoretischer Natur ist – es hätte sie geben können, praktisch ist sie aber exakt null – wird aus puren "Gerechtigkeits"-Gründen eine deutlich mehr als Null betragende kognitive Bürde für alle eingeführt ("was soll die Geschlechtsmarkierung hier?") und auf bestmögliche Präzision und Ökonomie des Ausdrucks verzichtet.

"Wobei mir diese Lücke genau so egal ist wie die andere" ist etwas flapsig ausgedrückt, aber nicht subjektiv gemeint für: "Die durch das generische Maskulinum entstehende Kognitionslücke kann m.E. vernachlässigt werden. Die durch Gendern entstehende ist regelmäßig gravierender, ich kann dennoch darauf verzichten, diesen Punkt sehr stark zu bewerten." Das war als Zugeständnis gedacht, aber wenn Du nicht möchtest ...
#80
Zitat von: Kilian in 2015-06-15, 01:43:37
Die Notwendigkeit mag sich z.B. aus dem Wunsch nach einer konsistenten sprachlichen Gestaltung von juristischen Dokumenten speisen, einfache Regeln befolgend, statt für jeden Zusammenhang - zugespitzt gesagt - ein Gutachten einzuholen, ob Gendern erforderlich ist oder nicht.

Man braucht fürs Gendern grundsätzlich kein Gutachten, sondern nur ein Minimum an Sprachgefühl. Bei Gesetzen braucht man noch nicht mal das: Es gibt nichts zu gendern, wo Geschlecht aus Prinzip nullmarkiert ist (es sei denn, wie gesagt, das Gesetz handelt vom Geschlecht – dann sollte es aber auch früher schon explizit gewesen sein). Unnötige Konnotationen zu generieren, widerspricht dem Ökonomiegebot, dem diese Texte unterliegen.

(Streng genommen verändert sich sogar der Sinn des Textes: Wenn in unserem LHG von "Professorinnen und Professoren" gesprochen wird, wo "Professoren" qua Opposition zu "Professorinnen" nur spezifisches Maskulinum sein kann, sind all diejenigen nicht mitgenannt, die sich eventuell keinem der beiden Geschlechter zugehörig fühlen. Das ist praktisch natürlich irrelevant, aber es ist sprachlich ungenau. Und wenn Genauigkeit für eine Textsorte eine Tugend ist, dann für diese.)

Zitat von: Kilian in 2015-06-15, 01:43:37
Sag bitte nicht, dass Gesetzestexte Meisterwerke sprachlicher Schönheit sind, die durch das Gendern verdorben werden! :D

Du lachst, aber auf ihre Weise sind sie das tatsächlich. In ihrer unerbittlichen Begriffstreue – wo dasselbe gemeint ist, wird auch dasselbe Wort gebraucht und nicht stilistisch variiert –, in ihrem Festhalten an zwar deutschen, aber doch leicht fremdartig wirkenden Begriffen wie "Vorsatz" (wo die Alltagssprache eher "Absicht" benutzt), in ihrer strikten Ökonomie haben sie einen ganz eigenen, spröden, gleichwohl irgendwie poetischen Reiz. Ich bin nicht der einzige, der das so empfindet, dazu habe ich schon Vorträge gehört. Juristen selbst bedauern übrigens, dass die Kunst der guten Formulierung von Gesetzen immer weiter zurückgeht. Meine in letzter Zeit berufsbedingt ausführlichen Lektüren unseres Landeshochschulgesetzes bestätigen das: Wenn Formulierung oder Disposition irgendwo nicht einleuchten, kann man sicher sein, dass es sich um einen jüngst veränderten Passus handelt. Dass auch dieses Gesetz konsequent gegendert wurde, kann nicht dadurch entschuldigt werden, dass der Text (als sprachliches Produkt) auf andere Weise ohnehin schlechter geworden ist.
#81
Zitat von: Wortklaux in 2015-06-15, 02:03:29
Zitat von: Homer in 2015-06-14, 21:26:38
Die Frage verstehe ich nicht.
Du meinst meine Frage nach dem Vernunftbegriff in "2. Jetzt im Ernst: Niemand wird vernünftigerweise bestreiten wollen, dass Männer und Frauen grundsätzlich gleich starke kognitive Kompetenzen haben.".
Es ist durchaus eine ernstgemeinte Frage. Ich frage mich, warum es vernünftig ist, das nicht bestreiten zu wollen: Gibt es wissenschaftliche, politische oder andere Gründe dafür? Für andere Kompetenzen (z.B. emotionale, körperliche etc.) gilt das ja nicht unbedingt. Warum ist es also unvernünftig, eine solche Ungleichheit auch für kognitive Fähigkeiten zu postulieren? Wäre es z.B. politisch unklug, das zu tun, oder gibt es zwingende wissenschaftliche Argumente, oder gibt es eine dem ,,gesunden Menschenverstand" (was auch immer das sei) unmittelbar einsichtige Tatsache?

Mein Satz war keine "stark" gemeinte Aussage. Sieh ihn eher als eine Mischung aus
1. Diese Annahme schafft eine besonders geeignete Ausgangslage für die hier stattfindende Diskussion. Wenn man sich über sprachliche Gleichstellung unterhält, kompliziert die Annahme einer naturgegebenen die Sprache betreffenden kognitiven Ungleichheit zwischen den Geschlechtern die Sache, weil ein zusätzlicher, störender Faktor ins Spiel kommt.
2. Politisch unklug wäre die Annahme sowieso.
3. Ich kenne aber auch keine diesbezüglichen Anhaltspunkte und glaube bis zur Darlegung des Gegenteils auch nicht daran.
#82
Zitat von: Kilian in 2015-06-15, 01:17:14
Zu den möglicherweise beleidigten Linguistinnen:

Zitat von: Homer in 2015-06-13, 18:43:04Wobei sich in diesem Fall die Unsicherheit eher zugunsten der Linguistinnen auswirkt, die nicht sicher davon ausgehen können, dass sie beleidigt worden sind.

Inwiefern ist das ein Vorteil für die Linguistinnen? ??? Ich sähe das eher als Nachteil: Möglicherweise beleidigt worden zu sein und noch nicht einmal zu wissen, ob man wirklich gemeint war. Wie fies.

Jetzt hack doch nicht auf meiner Pointe herum! Ich fand sie nicht schlecht ...  ;) Das könnte ein Mini-Experiment werden: Ich stelle mich vor einen Raum voller feministischer Linguistinnen und sage diesen Satz. Dann mache ich eine Statistik, worüber sie sich ärgern: über den empfundenen Nicht-Einbezug, über die Beleidigung oder – dritte Möglichkeit, danke! – über ihr Schwanken-Müssen zwischen diesen Möglichkeiten. ;D
#83
Zitat von: Kilian in 2015-06-15, 01:13:00
Ad Rollenstereotype durch Sprache verstärken/ihnen entgegenwirken durch Sprache:

Zitat von: Homer in 2015-06-13, 18:43:04Das sind Effekte, die es gibt, die man aber nicht durch dirigistische Eingriffe in das Sprachsystem beseitigt.

Aber man kann ihnen durch einen bewussten Sprachgebrauch entgegenwirken, und um nichts anderes geht es Vervecken und Stefanowitsch. Behaupte ich mal.

AS vereinnahmt Vervecken, wofür der nichts kann, das ist klar.

Vervecken beweist übrigens auch nicht, dass man durch bestimmte Sprachformen kindliche Vorstellungen von Berufen beeinflussen kann, sondern er interpretiert den Befund in die Zukunft hinein ("conclusion" am Ende des Textes). Man könnte auch sagen, er wünscht. Dass mangels sprachwissenschaftlicher Grundlegung schon der Befund auf sehr wackligen Beinen steht, habe ich schon gesagt. Und selbst wenn er der Überprüfung standhielte, könnten, wie schon gesagt, auch ganz andere Rückschlüsse auf das Verhältnis von Sprache und kindlichem Selbstbewusstsein gezogen werden, die die Studie gar nicht in Betracht zieht.

Den Zahn, dass AS doch "nur" bewussten Sprachgebrauch einfordere, muss ich Dir allerdings ziehen. Zwei Links genügen: http://www.scilogs.de/sprachlog/sprache-diskriminiert/ und http://www.scilogs.de/sprachlog/frauen-natuerlich-ausgenommen/. Wer pauschal behauptet, "Sprache diskriminiert" (nicht erst Sprecher) und "Im Deutschen gibt es kein generisches Maskulinum" (er meint: das, was üblicherweise so genannt wird, sei immer männlich konnotiert), der hat das Feld des bloß gesellschaftlichen Appells zu bewusstem Sprachgebrauch verlassen und sich auf das Feld der echten Sprachwissenschaft begeben. Dort muss er dann mit dem energischen Widerspruch deskriptiv seriös kategorisierender Forscher rechnen.
#84
Zitat von: Kilian in 2015-06-15, 00:32:11
Das Argument der kognitiven Bürde greift in der Tat nur in Situationen, in denen der die Rezipient/in zum Verstehen gefordert ist, einen Bezug zwischen sich selbst und der referenzierten Personengruppe zu ermitteln, z.B.: Gehöre ich zu den Leuten, die aufgefordert sind, den Raum zu verlassen? Wenn nun nicht alle Sprecher/innen sehr sorgfältig vermeiden, das generische Maskulinum in solchen Situationen zu vermeiden, ist klar, dass systematisch immer wieder Situationen auftreten, in denen die Frauen, um diese Bezugsermittlung zu leisten, ein zusätzliches Denkproblem lösen müssen, das sich den Männern nicht stellt.

Die Klasse von Situationen, die zur Ermittlung solcher persönlichen Bezüge einladen, erschöpft sich nicht in direkten Ansprachen. Auch wenn irgendwas über Personengruppen gesagt wird, wird man oft ermitteln wollen, ob man zu diesen Personengruppen gehört, etwa um das Gesagte zu beherzigen oder sich dazu zu verhalten. Alle Linguisten sind Idioten ist so ein Beispiel, falls Linguist/inn/en zuhören ­– falls nicht, dann nicht, aber das ändert ja nichts an der Tatsache, dass es solche Beispiele zur Genüge gibt. Und man kann auch argumentieren, dass dein Beispiel mit den griechischen Dichtern dazugehört: hier ist der herzustellende Bezug nicht der der Zugehörigkeit zu einer Personengruppe, aber möglicherweise der der Identifikation – Menschen identifizieren sich glaubich leichter mit Personen desselben Geschlechts, womit wir wieder dicht bei den Feuerwehrmännern und Astronauten wären.

Das ist eine richtige und nützliche Erweiterung und Präzisierung der Frage, der ich voll und ganz zustimme. Man wird hier freilich – darin wirst Du mir hoffentlich ebenfalls zustimmen – deutliche graduelle Unterschiede der Identifikation bis hin zu Null annehmen müssen, die auf die Schwere der kognitiven Bürde durchschlagen. In einer Vorlesung über griechische Lyrik kann ich vergleichsweise sehr sicher sein, dass auch bei (nicht feministisch vorgeprägten) Zuhörerinnen die geschlechtliche Identifikation von vornherein völlig unterbleibt.

Zitat von: Kilian in 2015-06-15, 00:32:11
In deinem Beispiel mit dem Raum-Verlassen liegt eine globale Ambiguität vor: Aus der Äußerung kann man wirklich nicht klar schließen, was der Dozent meint. Ein "zusätzliches Denkproblem" für die Frauen liegt aber auch dann vor, wenn jeder klare Verstand innerhalb von Sekundenbruchteilen und vermutlich unbewusst die Ambiguität auflösen kann. Zum Beispiel wenn eine Universität, wie bis vor einigen Jahren vielerorts ja üblich, "alle Studenten" auffordert, sich bis zum soundsovielten Soundsovielten zurückzumelden. Auch das ist problematisch, aus denselben Gründen: Frauen wird hier jedes Mal eine Disambiguierungsleistung abverlangt, so trivial sie auch jedes Mal sein mag, die die Männer sich jedes Mal sparen können.

Das habe ich verstanden. Aber hier fangen wir an, uns argumentativ im Kreis zu drehen. Deshalb nur zusammenfassend meine Punkte:
1. Kommunikationshindernisse sind nichts Schlimmes.
2. Auch wenn Du dauernd etwas anderes behauptest: Es geht bei der Frage nach den kognitiven Bürden um Missverständnisse, nämlich um die Möglichkeit, missverstanden zu werden. Seltsam, dass Du das abstreitest. Du umkreist den Begriff immer mit Ausdrücken wie "lokale Ambiguität", Du beschreibst Situationen, in denen Frauen nicht gleich wissen, ob sie "mitgemeint" sind, wehrst Dich aber gegen das dafür übliche Wort.
3. Sprecher sind im Interesse gelingender Kommunikation gehalten, kognitive Bürden, also potentielle Quellen von Missverständnissen, möglichst klein zu halten.
4. Es gibt keine Notwendigkeit, kognitive Bürden, die absehbar sehr klein sind, zwanghaft auf Null zu setzen, wenn die manifesten Vorteile der Ausdrucksweise an anderer Stelle die sehr kleinen potentiellen Nachteile der kognitiven Bürde überwiegen.
5. Strategien der Vermeidung von generischen Maskulina, insbesondere Paarformen, errichten sehr häufig an anderer Stelle kognitive Hürden (sinnlose Markierung des Merkmals Geschlecht), die größer sind als die, die sie vermeiden wollen.
6. Das generische Maskulinum erfordert eine in den allermeisten Fällen sehr triviale Abstraktionsleistung, die Menschen beiderlei Geschlechts mit der größten Selbstverständlichkeit vollbringen. Abstraktion funktioniert offenbar (entgegen dem Wortsinn) eher so, dass das für das sprachliche Zeichen Wesentliche unmittelbar erkannt wird, als dass aus der Gesamtfülle aller Eigenschaften eines Gegenstands und aller möglichen Konnotationen eines Wortes die unwesentlichen gestrichen werden. Deshalb kann sie so blitzartig funktionieren. Wenn man den Satz hört: "Was hast du denn da angestellt?", leuchtet wohl in keinem (muttersprachlichen, normal sprachkompetenten) Kopf auch nur für eine Nanosekunde für "anstellen" eine der anderen Bedeutungen wie "in Funktion setzen", "eine bezahlte Beschäftigung geben" usw. auf.
7. Diese Abstraktionsleistung kann von Fall zu Fall – das ist unbestreitbar – sprachstrukturell bedingt für Frauen größer sein als für Männer. Die Größe dieses gap ist in aber Fällen wie dem Römerbeispiel oder dem Dichterbeispiel entweder Null oder eine quantité negligeable, da sie (jedenfalls in nicht durch feministische Theoreme beeinflussten Kontexten) sehr wahrscheinlich unterhalb der subjektiven Wahrnehmungsschwelle liegt.
8. Wo diese Wahrnehmungsschwelle nicht überschritten wird, kann auch keine subjektive Diskriminierung vorliegen.
9. Wo der Sprecher vermuten muss, dass diese Wahrnehmungsschwelle überschritten wird, hat er intuitiv alle Faktoren abzuwägen (Zuhörerschaft, Äußerungskontext, grammatische und stilistisch-ästhetische Fragen, an anderer Stelle entstehende kognitive Hindernisse), um die Frage zu entscheiden, ob nicht vielleicht im Gesamtbild das generische Maskulinum dennoch – auch für die zuhörenden Frauen – die kommunikativ erfolgversprechendere Wahl ist.
10. Diese Abwägung kann auch misslingen, wie jede andere in jeder anderen Kommunikation auch. Das ist angesichts der in 9. genannten möglichen Kontraindikationen kein Grund, sie generell zu vermeiden.
11. Das baut gegenüber einer Schema-Lösung auf eine gewisse geistige Flexibilität der Gesprächsteilnehmer. Deswegen war meine Polemik – die ich ja  als solche gekennzeichnet habe – gegen das Frauenbild der Feministinnen auch nicht so völlig aus der Luft gegriffen, wie Du denkst.
12. Deshalb gibt es Frauen, die sich von Paarformen für dumm verkauft vorkommen, um nicht gleich von Diskriminierung zu sprechen (siehe z.B. hier). Ich kenne solche Frauen.
13. Die feministische Forderung nach strikter Vermeidung des generischen Maskulinums impliziert eindeutig die Annahme seiner kontextunabhängigen Problematizität. Das ist kein sprachwissenschaftlich nachweisbares Faktum, sondern ein in seiner angeblichen Bedeutsamkeit heillos aufgeblähtes, gesellschaftspolitisch motiviertes Postulat.

Zitat von: Kilian in 2015-06-15, 00:32:11
Also, unwissentlich kannst du von jetzt an durch generisches Maskulinum die kognitive Bürde zum Verstehen deiner Äußerungen für Frauen nicht mehr erhöhen, you have been warned – es sei denn, du wärest dir ganz sicher, dass deine Zuhörer/innen zum Verstehen deiner Äußerungen nicht nach einem Bezug zwischen sich und der genannten Personengruppe suchen werden, und täuschtest dich.

Das habe ich nicht verstanden. Kannst Du mir das nochmal erläutern?

Zitat von: Kilian in 2015-06-15, 00:32:11
Ironieverstehen ist nicht Gegenstand irgendeiner mir bekannten bestehenden gesellschaftlichen Antidiskriminierungsübereinkunft, Geschlecht schon.

Eben, Du hast den Punkt erfasst. Über die pauschale Genus-Sexus-Verwechslung wird für Frauen ein sprachliches Diskriminierungspotential erkannt, das für die ebenfalls vorhandene, aber gesellschaftlich nicht hinreichend distinkte Gruppe der Ironie-Tauben nicht thematisiert wird, obwohl die Fälle kommunikationsstrukturell parallel sind. Das zeigt, dass die Diskriminierungsbehauptung nicht auf dem Boden von Wissenschaft entstanden und auch dort nicht beweisbar ist. Dass Frauen in der Gesellschaft eine Lobby haben und Ironie-Taube nicht, hat zweifellos sehr gute Gründe, ist aber für unsere Diskussion vollkommen kontingent. Wir reden hier über Diskriminierung als mögliches Thema der Sprachwissenschaft. Und da sprechen wir bitte entweder über die potentielle Diskriminierung aller irgendwie konstituierbaren Gruppen durch das Errichten kognitiver Hürden oder gar keiner! Oder welchen Unterschied willst Du machen zwischen jemandem, der durch die Verwendung des generischen Maskulinums wie in meinem Studenten-Dozenten-Beispiel tatsächliche Kommunikationshürden aufbaut, und jemandem, der in komplizierten Schachtelsätzen vor einem aus Gymnasiasten und Hauptschülern bestehenden Publikum spricht? Entweder beide diskriminieren oder beide diskriminieren nicht. Es sind aber auch im zweiten Beispiel nicht die Schachtelsätze, die diskriminieren, sondern der, der sie formuliert. Wenn er das unabsichtlich tut, hat er die falschen Mittel verwendet, und so auch beim generischen Maskulinum. C'est tout.

Zitat von: Kilian in 2015-06-15, 00:32:11
Wieso sprachpolizeilich? Du kannst doch öffentlich schreiben, wie dir die Feder gewachsen ist, nur nicht unbedingt überall.

Aber dass ich im Gespräch mit feministisch beeinflussten Frauen, denen ich ja nicht erst lang und breit meine Argumente darlegen kann, warum ich das generische Maskulinum benutze, mich schon insgeheim ärgern darf, dass ich mich unbegründeten Dogmen anpassen muss, wenn ich nicht Gefahr laufen will, als Anti-Feminist zu gelten – der ich nicht bin –, das wirst Du mir zugestehen, oder? Und dass dieser Kurzschluss zwischen Genusverwendung und gesellschaftlicher Positionierung auf feministischen Ansichten über Sprache beruht, doch wohl auch? Über einer solchen Unterhaltung schwebt dann ein totalitärer Geist, von dem ich mich kontrolliert fühle, den allerdings nicht unbedingt direkt die Person, mit der ich mich unterhalte, einbringt, sondern mein Wissen um die Zugehörigkeit dieser Person zu einer (in ihrer radikalen Form) apodiktisch und totalitär argumentierenden Gruppe.

Zitat von: Kilian in 2015-06-15, 00:32:11
Ich kritisiere nicht, dass hin und wieder mal eine Millisekunde zusätzlichen Gehirnschmalzverbrauchs nötig wird. Ich kritisiere, dass das systematisch Frauen betrifft und Männer nicht. Das lässt sich auch anders ändern als durch Abschaffung des generischen Maskulinums. Wer fordert die überhaupt? Selbst Sprachlog-Autorin Kristin Kopf (der Artikel, den wir hier diskutieren, ist übrigens von Anatol Stefanowitsch und nicht, wie du schreibst, von ihr) verwendet es in ihrem Buch ständig - nur eben im Wechsel mit einem generischen Femininum.

1.Diese Asymmetrie ist praktisch in aller Regel völlig bedeutungslos (s.o.). Du hast mir immer noch nicht erklärt – und es gibt auch m.E. kein einziges gutes Argument dafür –, warum wegen der Möglichkeit, dass in Fällen unsensibler Kommunikation durch die Sprecher diese Asymmetrie auch einmal praktisch bedeutsam werden könnte, das Sprachsystem nicht nur geändert, sondern eindeutig sehr hilfreicher und schöner Ausdrucksmöglichkeiten beraubt werden soll.
2. AS, nicht KK, natürlich, mein Fehler.
3. Die radikale feministische Sprachkritik fordert die generelle Abschaffung des generischen Maskulinums. Das habe ich bereits belegt.
4. Ein generisches Femininum gibt es nicht, und ich möchte ja schließlich im Alltag kommunizieren können. Das generische Maskulinum ist seit mindestens 5000 Jahren eingeführt. Die spezifisch maskuline Verwendung dieses Genus ist sprachhistorisch nur ein Spezialfall der eigentlich primären generischen, der durch die Ausgliederung des später gebildeten Femininums aus der Klasse "belebt" entstanden ist. (Zuvor wurden Geschlechter lexematisch enkodiert: Vater – Mutter, Bruder – Tochter, Eber – Sau.) Es hätte genau so gut andersherum sein können, ist es aber nicht. Und alle Sprecher, auch Frauen, waren es sehr zufrieden, sonst wäre das generische Maskulinum längst an seiner vermeintlichen Ambiguität zugrundegegangen und durch etwas anderes ersetzt worden. Das angebliche Problem damit ist pure feministische Konstruktion.
5. Vorschlagen und fordern kann man viel. Und KKs Versuch ist ja auch ganz lustig. Aber eine Neuerung hat den praktischen Beweis anzutreten, dass sie kommunikativ besser ist das Alte. Es ist leicht zu sehen, dass die Randomisierung systematisch Unklarheiten schafft, die vorher nicht da waren. Deshalb wird sie eine Spielerei bleiben.

Zitat von: Kilian in 2015-06-15, 00:32:11
Nein. Noch einmal, es geht nicht um Missverständnisse.

Nein, Kilian, tut mir leid, in dem Punkt entkommst Du mir nicht (s.o.)!  :D

Zitat von: Kilian in 2015-06-15, 00:32:11
Es wird oft so getan, als wäre man, weil man, auch ohne es zu wollen oder auch nur zu merken, einige diskriminierende Verhaltensweisen aufweist, automatisch ein schlechter Mensch und müsse zur Hölle fahren. Quatsch. Niemand ist hundertprozentig frei davon, das halte ich für unmöglich. Der Autor plomlompom hat es schön auf den Punkt gebracht: "Schaut her, ich hab bestimmt ein paar rassistische, sexistissche, nazistische, antisemitische Meme in meinem Kopf. & mich trifft kein Blitz!" Das unterschreibe ich für mich ebenfalls. Wenn man das akzeptiert, ist es glaubich viel leichter, solche Meme und Verhaltensweisen aufzuzeigen und in Ruhe zu diskutieren. Nichts von dem, was ich schreibe, soll eine bittere Anklage oder eine Verurteilung sein.

Ja, da hast Du wohl Recht. Ich weise das aus einer Rest-Unsicherheit über die Qualität meiner Introspektion besser nicht von mir. Aber so viel kann ich sagen: Ich gebe mir alle Mühe, nicht-diskriminierend zu sprechen, und denke, dass mindestens diese Mühe auch im allgemeinen honoriert wird. Ich nehme an, ich hätte sonst schon bestimmte Irritationen bei besonders sensiblen Gesprächspartnerinnen bemerken können. Es halten ja nicht immer alle zu hundert Prozent mit ihrer subjektiven Verletztheit hinter dem Berg.

Dass Du nicht anklagen oder verurteilen willst, merke ich sehr genau, keine Sorge. Ich habe bei der Genusfrage auch keine persönlichen Aktien im Spiel. Das ist rein wissenschaftliches Interesse. Wenn ich das Gefühl hätte, dass es bei Dir anders wäre, wäre es sicher längst an der Zeit gewesen, die Diskussion abzubrechen.

Zitat von: Kilian in 2015-06-15, 00:32:11
Weder in der DGPs-Pressemitteilung noch im Sprachlog-Beitrag kommt das Wort diskriminieren auch nur einmal vor, außer in letzterem als Tag. Verstehst du jetzt, dass ich das Gefühl habe, dass du in diese Veröffentlichungen etwas reinliest, was da nicht steht?

Wenn Du mir zeigen kannst, dass der Bericht von AS, verlinkt von KK, nicht in den feministischen Kontext eingebettet werden sollte, in dessen Zusammenhang die Verwendung des generischen Maskulinums regelmäßig als diskriminatorisch oder sogar sexistisch gebrandmarkt wird (beliebig herbeigegoogeltes Beispiel, gleich im Vorwort), dann verstehe ich das. Und für wie wahrscheinlich hältst Du es angesichts der Fragestellung tatsächlich, dass die Psychologen überhaupt nicht von feministischen Forderungen nach "sprachlicher Gleichstellung" ausgegangen sind, als sie die Studie planten? Nein, Kilian, tut mir leid, das Offensichtliche kann ich nicht einmal Dir zu Gefallen weglesen.

Noch etwas anderes, von dem ich nicht weiß, ob es in der Diskussion um die Frage der Diskriminierung durch sprachliche Äußerungen weiterführt: Der Sprecher merkt/beabsichtigt entweder, dass er diskriminiert, oder nicht. Der Rezipient fühlt sich entweder diskriminiert oder nicht. Daraus ergeben sich vier Fälle. Das wird man vielleicht für die Frage heranziehen müssen, was sprachliche Diskriminierung überhaupt ist. Genügt es, dass sich jemand diskriminiert fühlt, obwohl der andere ihn gar nicht diskriminieren wollte? Ich bin, ehrlich gesagt, kein Anhänger von rein opferzentrierten Definitionen bei solchen Fragen (die gibt es, wie Du weißt, in Political-Correctness-Diskussionen jeder Art, vor allem in den USA), obwohl die Opferperspektive zu Recht besonders schwer wiegt. Über die Frage, ob jemand beleidigt wurde, entscheiden ja aus guten Gründen dauernd Gerichte (existenziell kann es für beide Parteien beim Thema Vergewaltigung werden). Offenbar ist man im Rechtssystem der Meinung, dass man aus der Gesamtfaktenlage objektivierbare Kriterien herausfiltern muss, obwohl das Beleidigtsein sehr subjektiv ist. Jemand kann sich beleidigt fühlen, aber nicht beleidigt worden sein. Ebenso kann aber auch jemand nicht die Absicht gehabt haben zu beleidigen, aber trotzdem beleidigt haben. Die Notwendigkeit, die Vier-Fälle-Kasuistik objektiv zu überwölben, macht vermutlich auch jede Defintion sprachlicher Diskriminierung enorm kompliziert. Ich bin mit jeder rational wohlbegründeten Lösung einverstanden. Was ich lediglich nicht akzeptieren kann, ist das alleinige Urteil einer angesprochenen Person über meinen Sprechakt ("ich fühle mich diskriminiert, also bin ich diskriminiert worden"). Meine Absicht und – in der Gesamtschau – möglichst objektive, Absicht und Auswirkung berücksichtigende Kriterien müssen auch eine Rolle spielen.
#85
Die Frage verstehe ich nicht.
#86
Zitat von: Kilian in 2015-06-13, 11:11:40
Kein/e Wissenschaftler/in ist vorurteilsfrei. Natürlich liegen der Auswahl von Untersuchungsgegenständen bestimmte Nachweisabsichten zugrunde.

Das ist ein brandgefährliches Statement, das zumindest einiger notwendiger Ergänzungen bedarf. Ich weiß auch, dass einzelne Wissenschaftler persönliche und fachliche Vorurteile und Vorannahmen mitbringen, wenn sie zu forschen beginnen. Sie haben auch ein Erkenntnisinteresse, das sich etwa in einer Arbeitshypothese äußern kann. Aber Vorannahmen und Erkenntnisinteresse sind deutlich von jeder Form von bias zu unterscheiden, wie sie die feministische Linguistik kennzeichnet. Um es pointiert zu sagen: Auch der (notwendigerweise) vorurteilsbehaftete Wissenschaftler muss und kann vorurteilsfreie Wissenschaft machen. Wir haben zwischen der unvermeidlichen persönlichen Vorurteilsbehaftetheit des Einzelnen und der anzustrebenden systemischen Vorurteilsfreiheit der scientific community zu unterscheiden. Schon der einzelne Wissenschaftler ist aufgefordert, sich nach Kräften gegen seine eigenen Vorurteile zu wehren, indem er seine Thesen bewusst Belastungstests durch Gegenthesen aussetzt (wir beide tun das gerade gegenseitig). Wichtiger ist aber, dass die systemische Interaktion der einzelnen Vorurteilsträger die Wissenschaft in der Summe vorurteilsfrei macht. Das funktioniert aber nur, wenn dieses System ungelenkt ist, d.h. wenn es auf keine politischen, gesellschaftlichen oder ideologischen Nachweisinteressen von seiten Dritter verpflichtet ist. In autoritären Staaten können deshalb weite Wissenschaftsbereiche nicht vorurteilsfrei sein. Wenn die feministischen Linguistinnen sich schon selbst als akademischen Arm der Frauenbewegung begreifen, die eine auf Veränderung und nicht auf Erkenntnis ausgerichtete Agenda hat, geben sie kund, dass sie eines auf keinen Fall wollen: mit ihrer ihnen zuzugestehenden Voreingenommenheit an einem insgesamt vorurteilsfreien Wissenschaftssystem mitzuarbeiten. Es wäre ja auch der Tod ihrer "Wissenschaft", wenn sie bereit wären, sich echt wissenschaftlichen Selbstregulierungsmechanismen zu unterwerfen, weil sie dann schon die deskriptive Basis, auf der sie ihre Forderungen – wo gibt es sonst eine Wissenschaft, deren Endzweck nicht das Erkennen, sondern das Fordern ist? – gründen, in die mit unendlicher Perspektive arbeitende Objektivierungsmaschine Wissenschaft einbringen müssten und zum Fordern gar nicht mehr kämen. Das Verfahren der Wahl ist also, sich überall das zusammenzusuchen, was die eigene Agenda zu unterstützen verspricht und alles andere auszublenden. Wählerisch kann man da natürlich nicht sein. Sicher sind nicht alle feministischen Linguistinnen gleich – es gibt wohl auch unter ihnen welche, die noch bereit sind, die eigenen Positionen in Frage zu stellen oder stellen zu lassen. Aber die Neigung zu starker moralischer Empörung, deftigem verbalen Umgang mit Andersdenkenden, autoimmunisierenden Argumentationsstrategien ("du als Mann merkst es doch oft gar nicht, wenn du Frauen diskriminierst" = "bleib draußen aus unserem Diskurs, du kannst nicht mitreden, du bist keiner von uns, du störst") und fortwährendem Bedarf an wechselseitiger gruppeninterner Bestätigung, also einen seiner Struktur nach autoritären Habitus, kann man im Netz wunderbar beobachten.

Zitat von: Kilian in 2015-06-13, 11:11:40
(An sich selbst so bezeichnenden feministischen Linguistinnen schätze ich u.a. die Unverhohlenheit ihrer Absichten.)

Wirklich unverhohlen wären ihre Absichten erst dann, wenn sie zugäben, dass ihnen die Qualität ihrer deskriptiven Basis eigentlich völlig egal ist.

Zitat von: Kilian in 2015-06-13, 11:11:40
Ich warte mit Spannung darauf, dass die Gegenseite Experimente designt, die empirisch genauer zeigen können, unter welche Umständen generische Maskulina problematisch sind und unter welchen nicht.

Die Sprachwissenschaft, die ich meine und die für die Frage nach den Leistungen des generischen Maskulinums zuständig ist, "designt" aus guten Gründen keine "Experimente", sondern wertet Corpora aus. Man kann schon irgendwo auf den ersten Seiten in Saussures Cours nachlesen, dass bei Fragen des Sprachsystems keine psychologischen Überlegungen weiterhelfen.

Zitat von: Kilian in 2015-06-11, 20:18:58
Weil, dass der Sprachgebrauch (das Vokabular ist eher der langue zuzuordnen, oder?) die Wahrnehmung der Wirklichkeit bei denen mitprägt, hat die Studie ja gezeigt.

Glaubt sie vielleicht gezeigt zu haben, hat sie aber nicht. Ich habe sie jetzt online einsehen können. Sie ist linguistisch völlig unbedarft. Außer der Differenzierung in "pair forms" und "generic masculine forms" findet keine weitere sprachwissenschaftliche Grundlegung oder Differenzierung statt. Auch wird nicht diskutiert – was ich unbedingt erwartet hätte –, was die Abstraktionsleistung, die bei der Wahrnehmung des generischen Maskulinums zu erbringen ist, in dem Alter, in dem die Kinder sind, in Relation zu ihren altersgemäßen Abstraktionsfähigkeiten bedeutet und ob da nicht erhebliche Unterschiede zwischen 6- und 12-Jährigen bestehen. So kommt eigentlich nur heraus, dass die Ergebnisse differieren, je nachdem ob man versucht, die Kinder eine Abstraktion vollziehen zu lassen, die sie nur unvollkommen leisten können, oder ob man altersgerecht überexplizit wird. Das ist kein völlig uninteressantes Ergebnis, aber überhaupt keine Bestätigung für irgendeine These der feministischen Linguistik, wie das KK haben will. Ich habe also keine Kinder als Sprecher abgewertet, sondern nur die Verallgemeinerungsfähigkeit der Studie bezweifelt.

Zitat von: Kilian in 2015-06-11, 20:18:58
Im Rahmen der Studie wurde die Welt doch bereits geändert, im kleinen Maßstab, in den Köpfen der Kinder. Dass das auch im größeren Maßstab funktioniert, ist damit natürlich nicht zweifelsfrei erwiesen. Aber das Ergebnis deutet zumindest in die Richtung.

Nein, auch die Welt der Kinder hat sich nicht geändert (die der "generischen" Gruppe ohnehin schon einmal überhaupt nicht). Die Studie wollte etwas ermitteln, nicht verändern. Das hat sie getan, nicht mehr. Es wäre auch unseriös von den Psychologen, etwas anderes zu behaupten. Es wird lediglich die Vermutung ausgesprochen, dass das Verwenden von "pair forms" gegenüber Kindern dieser Altersstufe das Selbstvertrauen insbesondere von Mädchen, männliche Berufe ergreifen zu können, künftig steigern könnte. Das ist ein eigenartiger Gedanke. Warum kommt man nicht auf das viel näher Liegende? Nicht ein niedrigeres Selbstvertrauen wird durch Gendern gesteigert, sondern das bereits vorhandene höhere Selbstvertrauen wird altersgerecht nur durch die expliziteren und damit verständlicheren Formen voll aktiviert. Effektiv kommt das auf dasselbe hinaus, gewiss, aber man braucht dann nicht die a priori unwahrscheinliche These, dass mit Sprache die Welt zu ändern ist.

Zitat von: Kilian in 2015-06-11, 20:18:58
Bei der Euphemismus-Tretmühle geht es um negativ konnotierte Begriffe, was hat das mit unserem Thema hier zu tun?

Eine ganze Menge. Da wir hier nicht über semantische, sondern über morphosemantische Fragen sprechen, könnte man auch einen neuen Terminus erfinden, aber wozu? Der Mechanismus ist derselbe: Man kann vermuten, dass etwa nominalisierte Formen wie Studierende mit der Zeit dazu neigen werden, wiederum eher männlich belegt zu werden: "Die Frage ist, ob die Pluralformen der nominalisierten Adjektive und der Pronomen wirklich so sexusneutral sind, wie sie scheinen. Es gibt Anzeichen dafür, dass es eine verstärkte Tendenz gibt, solche Pluralformen einseitig auf die maskulinen Singulare zu beziehen, die sowohl sexusindifferent als auch sexusspezifisch verwendet werden kön‐ nen" (Peter Gallmann, 2014). Da aber die Euphemismus-Tretmühle, egal, wie Du sie definierst, auf jeden Fall im Lexikon wirkt, und hier klar ist, dass negative gesellschaftliche Verhältnisse gezielte Spracheingriffe, die zu ihrer Veränderung beitragen sollen, mühelos überleben, ist nicht einzusehen, warum es beim generischen Maskulinum andersherum sein soll.

Zitat von: Kilian in 2015-06-13, 11:11:40
Siehe meine obigen Ausführungen zu "Missverständnis". Dass man Effekte dieses Sprachgebrauchs (insbesondere als Mann) nicht bemerkt, bedeutet nicht, dass sie nicht existieren.

Ich könnte Anhaltspunkte dafür anführen, dass meine Selbsteinschätzung stimmt. Aber ich sage doch einfach, dass ich das Argument nicht ganz fair finde und deshalb nicht darauf eingehen möchte (s.o.).
#87
Zitat von: Kilian in 2015-06-13, 11:11:40
Gut, lass es mich anders sagen: Du bezeichnest bestimmte generische Maskulina in bestimmten Situationen als völlig unproblematisch, nur hat anscheinend noch keine Studie deren Problematizität nachzuweisen versucht. Worin also besteht die Uneinigkeit zwischen dir und den Studien?

Ich verstehe immer weniger, worauf Du hinauswillst. Ich sage, dass generische Maskulina, sensibel verwendet, unproblematisch sind. Es ist hingegen ein Dogma der feministischen Linguistik, dass sie grundsätzlich problematisch sind. Das kannst Du nicht bestreiten. Worüber würden wir sonst gerade sprechen? Und wo wäre sonst die Notwendigkeit, auf Drängen der entsprechenden Lobby ein Monstrum wie die flächendeckend (also kontextunabhängig) gegenderte StVO zu erschaffen, also einen Text an zahlreichen Stellen umzuschreiben, bei dem Missverständnisse schon qua Textsorte (Gesetze gelten immer für alle Geschlechter, sofern nicht Geschlecht deren Thema ist, und alle Frauen wissen das) vollkommen ausgeschlossen sind? Also sag bitte nicht, ich regte mich über etwas auf, das niemand meint. Was "die Studien" (also die nach sozialwissenschaftlicher Methodik mit Probanden arbeitenden, auf Statistik angelegten) angeht, so ist es mir im Grunde erst einmal völlig gleichgültig, was sie zu beweisen glauben oder nicht. Das ist m.E. aus systematisch-sprachwissenschaftlicher Sicht keine furchtbar interessante Forschung. Die feministische Linguistik zieht sie aber gern zum Beweis der Problematizität des generischen Maskulinums heran. Zitat Kristin Kopf: "Das Problem am generischen Maskulinum ist natürlich, dass es ein ganz normales Maskulinum ist, dass also nie klar ist, ob nur Männer oder eben Männer und Frauen gemeint sind, und die psycholinguistische Forschung zeigt, dass es zwar ,,generisch" verstanden werden kann, dass Versuchspersonen aber zunächst an Männer denken und erst nach einem messbaren Zeitraum zu einer Interpretation kommen, die Frauen mit einschließt."

Zitat von: Kilian in 2015-06-13, 11:11:40
ZitatDie Beweislast liegt bei denen, die daran glauben, dass Teile der langue per se diskriminieren können.

Zu denen würde ich weder die Autorinnen der hier genannten Studie noch die darüber Berichtenden zählen. Auch sie erkennen, so weit ich das sehe, an, dass es der Sprachgebrauch ist, der eventuell diskriminiert. Es kömmt mir also so für, als erirfest du dich über Strohleute.

Würde mich freuen, wenn es so wäre. Dann würden sie sich allerdings weit von dem entsprechenden feministischen Dogma entfernen. Die Forderung, eine Frau kontextunabhängig "nie" mit einem Maskulinum zu bezeichnen, ist nicht mehr als eine parole-bezogene interpretierbar, sondern nur noch als "das generische Maskulinum ist per se böse".

Zitat von: Kilian in 2015-06-13, 11:11:40
Zitat5. Durch Beobachten und Nachdenken über Sprache werde ich nichts erfahren?

Das habe ich nicht geschrieben.

Das war überpointiert von mir, ich entschuldige mich. Was ich sagen wollte, ist nur (verkürzt): Die wissenschaftliche Methodik in den eher sprachsystematischen Bereichen der Sprachwissenschaft, die nicht an der Grenze zu den Sozialwissenschaften stehen, ist eine andere. Wie auch in der Literaturwissenschaft spielen dort "empirische" Studien mit Probanden, Statistik usw. fast keine Rolle, weil sie schlicht nichts zur Erkenntnis in diesen Feldern beitragen könnten. Zählen und Messen spielen bei der sauberen Kategorienbildung eben keine große Rolle.

Zitat von: Kilian in 2015-06-13, 11:11:40
Ja, aber ich habe den Eindruck, dass du in die Schlussfolgerungen der Studie und in die Berichterstattung mehr hineinliest, als da steht, nämlich ,,ein generische gemeintes Maskulinum zu verwenden ist unter allen Umständen böse". Sagt doch da niemand.

S.o.

Zitat von: Kilian in 2015-06-13, 11:11:40
Es geht um männliche vs. "geschlechtergerechte" Formen. Wo steht, dass die untersuchten männlichen Formen generisch sein sollten?

Überall, hier z.B.: "Soweit bestätigt das Experiment aus linguistischer Perspektive auf eine sehr interessante Weise den semantischen Effekt des generischen Maskulinums – dies wird offensichtlich als ,,männlich" interpretiert" (KK). Das ist das Thema der Studie, wie kommst Du darauf, das zu bestreiten? Die eine Gruppe der Kinder wird nach "geschlechtergerecht" bezeichneten Berufen gefragt, die andere nach "männlich" bezeichneten. In der Sache ist mit den Berufen in beiden Fällen dasselbe gemeint, Frauen wie Männer können sie ausüben, nur die sprachliche Bezeichnung ist verschieden. Die dahinterstehende Frage, inwieweit sich auch Mädchen vom Maskulinum angesprochen fühlen, ist nichts anderes als die nach dem generischen Maskulinum, auch wenn vielleicht dieser Terminus mangels sprachwissenschaftlicher Kenntnisse von den Psychologen nicht verwendet wird (in der Pressemitteilung kommt er nicht vor).

Zitat von: Kilian in 2015-06-13, 11:11:40
Denn entweder klärt der weitere Verlauf des Gesprächs oder Nachdenken über den Zusammenhang, welchen Geschlechts die gemeinten Personen sind. In dem Fall besteht aber immer noch eine lokale Ambiguität – eben jene Sekundenbruchteile verzögerter Reaktion, die in psycholinguistischen Experimenten gemessen werden, bzw. das Warten auf die zusätzliche Information.

Daran ist nichts schlimm, s.o.

Zitat von: Kilian in 2015-06-13, 11:11:40
Und wie ich schon oft sagte, ist von dieser kognitiven Bürde systematisch eine bestimmte gesellschaftliche Gruppe (Frauen) stärker betroffen als der Rest. Das allein sollte Grund genug sein, generische Maskulina tendenziell zu vermeiden.

S.o.

Zitat von: Kilian in 2015-06-13, 11:11:40
Z.B.: "Ich werde mich mit meinen Anwälten besprechen."

Auch wenn das generisch gemeint war, stellt die Gesprächspartnerin sich jetzt möglicherweise ein rein männliches Team vor. Du kannst natürlich sagen, dass dieses im Kontext von sprachlicher Kommunikation auftretende Phänomen lediglich ein Symptom der gesellschaftlichen Verhältnisse ist. Aber die Studie von Vervecken legt nahe, dass dieses Symptom wiederum dazu beiträgt, das Übel zu verstärken, weil, wenn Frauen sich immer nur Männer in einem Beruf vorstellen, sie womöglich davon abkommen, sich für diesen Beruf zu entscheiden.

Ich wundere mich immer wieder von neuem darüber, wie wenig Feministinnen von Frauen halten. Frauen ergreifen bestimmte Berufe eventuell weniger, weil sie im generischen Maskulinum der Berufsbezeichnung "nur" mitgemeint sind? Ich möchte wissen, ob dieser Effekt, auch nur als Rollenstereotype verstärkend, irgendwie messbar ist. Das dürfte ein reines feministisches Postulat sein. Aber ich will nicht unnötig unfair sein: Da die Fragestellung hier den Bereich verlässt, in dem die Frage allein ist, ob es sich bei der feministischen Linguistik um gute Wissenschaft handelt (Antwort: nein, es handelt sich, zumindest in der radikalen Form, entweder um grotesk schlechte Wissenschaft oder um gar keine), und in die Frage übergeht, wie wir gesellschaftlich miteinander umgehen wollen, um Gleichstellung zu erreichen, gebe ich zu, dass Berufsbezeichnungen ein vergleichsweise sensibles Gebiet sind, bei dem im Zweifel lieber einmal zu viel gegendert werden sollte als zu wenig. Den obigen Fall würde ich aber noch nicht dazu rechnen.

Wenn der obige Satz generisch gemeint war und von der Rezipientin als generisch verstanden wurde, stellt sie sich eben gerade keine Männer vor, sondern abstrahiert völlig vom Geschlecht und denkt nur an "Leute", die den Anwaltsberuf ausüben. Wenn es generisch gemeint war, die Frau es aber nicht so versteht, dann müssen spezifische persönliche oder im Kontext liegende Gründe vorhanden sein, warum die Frau den Begriff "Anwälte" gegen die Intention des Sprechers geschlechtlich auflädt. Das ist ein in der Kommunikation unerwünschter Effekt, aber auch nichts um jeden Preis Vermeidenswertes. Es wird von der Hörerin eine vom Sprecher nicht intendierte Konnotation aktiviert, na und? Das passiert in jeder normalen Unterhaltung dauernd. Dein Beispielsatz ist aber sicher kein politischer oder kommunikativer Hochrisikosatz, Fettnäpfchengefahr sehr gering. Solange der Sprecher keine Gründe kennt, die es bei seiner besonderen Rezipientin ratsam erscheinen lassen zu gendern, drückt der obige Satz das Gemeinte einfach besser (nämlich geschlechtsneutral) und kürzer aus als der gegenderte.

Aber nehmen wir den Satz in "geschlechtergerechter" Sprache: "Ich werde mich mit meinen Anwältinnen und Anwälten besprechen." Im besten Fall begreift die Rezipientin die Doppelnennung einfach als Variante des generischen Maskulinums, obwohl sie das eigentlich nicht ist. Denn die überflüssige doppelte geschlechtliche Markierung kann auch stutzig machen: "Wozu muss ich wissen, dass der Sprecher anwaltlichen Beistand von Männern und Frauen hat. Welches Signal sendet er damit aus?" Wahrscheinlich gar keins, aber in solchen Fällen entsteht jetzt regelmäßig (durch die Markierung bedingt) eine Kognitionslücke, die gewiss nicht kleiner ist als die im Einzelfall auftretende beim generischen Maskulinum. Wobei mir diese Lücke genau so egal ist wie die andere. Beim Kommunizieren gibt es halt hin und wieder was zu denken.

Zitat von: Kilian in 2015-06-13, 11:11:40
Natürlich kann sich das mit Meta-Motiven verbinden, z.B. 1) eine Position zu beziehen für geschlechtergerechte Sprache, was auch andere dazu ermutigen soll ("seht her, ich mache mit bei diesen Spiel, tut es mir gleich"), 2) sich als "Ally" profilieren ("seht her, ich mache mit bei diesem Spiel, ich bin toll") usw.

Das halte ich auch für einen interessanten Aspekt, wie Du weißt. Weißt Du, ob dazu schon mal jemand was geschrieben hat?

(continuabitur)
#88
Zitat von: amarillo in 2015-06-13, 18:23:07

Es ist leider nicht so, daß ich Eurer hochwohllöblichen Disputation, die ich mit größtem Interesse und ebensolchem Nichtverstehen verfolge, auch nur ein Iota inhaltlicher Zutat angedeihen lassen könnte

Jetzt stellst Du Dein Licht aber arg unter den Scheffel ...

Zitat von: amarillo in 2015-06-13, 18:23:07
erlaubt einem Simplex wie mir bitte nur diese Frage: Geht es -
eventuell auch nur in Nuancen - um ein Randproblem des politisch korrekten Sprachgebrauchs? Bitte, bitte: keine Abhandlung mehr,  ein schlichtes "Ja" - "Nein" - "Vielleicht" befrädöge mich vollends.

"Randproblem" mag sein, aber eines, an dem sich viel Grundsätzliches über Sprachverwendung, Sprachwandel und Sprachsteuerung festmachen lässt. Kurz genug?
#89
Zitat von: Kilian in 2015-06-13, 11:11:40
Beschwere ich mich auch nicht drüber. Ich kann aber auch Kristin Kopf gut verstehen, die lieber zu einer randomisierten Liste greift, als sich jedes Mal den Kopf darüber zu zerbrechen, ob ein generisches Maskulinum hier völlig unproblematisch ist oder nicht.

Ja, die randomisierte Liste ist sicher bequemer als eine Millisekunde zusätzlichen Nachdenkens. [*Sarkasmus* (Entschuldigung!)] "Sich den Kopf zerbrechen" (toller name pun übrigens, Respekt!) ist ein sehr starker Ausdruck für einen winzigen Moment der Unsicherheit, wie wir ihn täglich beim Kommunizieren in allen Bereichen der Sprache dutzendfach haben. Daran ist überhaupt nichts Vermeidenswertes.

Zitat von: Kilian in 2015-06-13, 11:11:40
Erstens gibt es das Argument der höheren kognitiven Bürde für Frauen (s.o.).

Ja, das Argument gibt es. Es ist aber – mit Verlaub – so evidenter Nonsens, dass ich mich frage, warum es dauernd wiederholt wird:

1. Polemisch: Ich wundere mich, dass Feministinnen eine so geringe Meinung von den kognitiven Fähigkeiten ihrer Geschlechtsgenossinnen haben. Könnte mir nicht passieren.

2. Jetzt im Ernst: Niemand wird vernünftigerweise bestreiten wollen, dass Männer und Frauen grundsätzlich gleich starke kognitive Kompetenzen haben. Wenn ich nun beispielsweise in einem Vortrag vor gemischtem Publikum einen Satz sage wie "Griechische Liebesdichter gebrauchten bestimmte lyrische Metra", dann ist die kognitive Bürde für Frauen wie Männer im Auditorium offensichtlich gleich hoch, vorausgesetzt sie stellen sich die Frage überhaupt, ob ich Sappho ein- oder ausschließen wollte (eine Frage, auf die man wohl nur mit feministischer Vorprägung kommt, was wiederum die Frage aufwirft, ob die feministische Linguistik die von ihr postulierte Kognitionslücke nicht überhaupt erst herbeiredet). Oder gibt es irgendeinen Grund, warum sich Frauen die Sappho-Frage eher stellen sollten als Männer, außer vielleicht wiederum dem eines feministischen Interesses? Das kann natürlich legitim sein, aber dann ist die höhere Bürde der Kognition selbstgeschaffen. Wenn ich mir eine Frage stelle, die sich andere nicht stellen, weil sie fernliegt – wie hier –, habe ich einfach mehr nachzudenken, das kann jeder selbst entscheiden. Man kann sich bestimmt Fälle ausdenken, in denen der Zweifel größer ist, aber in normalen Kontexten kommen Frauen und Männer beim Hören immer in gleicher Weise ins Grübeln oder nicht.

Ob es schwieriger wird – und das ist vermutlich bei dieser These eher gemeint –, wenn gemischte Gruppen angesprochen werden? Nehmen wir folgenden Fall: Ich halte einen Vortrag vor einem geschlechtlich gemischten Publikum von Studenten und Nicht-Studenten. Um den Zweifelsfaktor des Beispiels zu erhöhen, sei angenommen, der Vortrag drehe sich um das Verhältnis von Genus und Sexus, das Thema ist also in den Köpfen des Publikums. Nun sage ich: "Alle Studenten verlassen bitte den Raum!" Die männlichen Studenten wissen nun genau, dass sie gemeint sind, die weiblichen nicht. Sie wissen nicht, ob "Studenten" im Gegensatz zu "Studentinnen" steht oder zu "Nicht-Studenten". Aber ist das ein Fehler des generischen Maskulinums selbst? Mitnichten, es ist ein Fehler, den man in der Pragmatik behandeln würde, die sich mit grammatisch enkodierten Kontextbezügen beschäftigt. Der Fehler liegt bei mir, weil ich mich unklar ausgedrückt habe. Ich hätte das generische Maskulinum hier einfach nicht ohne Setzung weiterer Signale benutzen dürfen, weil die Gefahr des Missverständnisses im Raum lag.

Jetzt wirst Du sagen, es könnte Fälle geben, in denen jemand sich bemüht, sich klar auszudrücken und sicher ist, das generische Maskulinum erfülle diese Anforderung, aber trotzdem von Teilen der Hörerschaft missverstanden wird. Ich will das gern ernsthaft diskutieren und nicht einfach wegreden, habe aber große Schwierigkeiten, mir solche Fälle in neutralen, d.h. nicht feministisch (im Experimentsinne) "verunreinigten" Kontexten vorzustellen. Aber nehmen wir an, es gelänge, einen solchen Fall zu beobachten oder zu konstruieren – dann bliebe es doch ein ganz normales kommunikatives Missverständnis, das auf einer falschen Einschätzung des Sprechers von der gemeinsamen linguistischen Verstehensbasis mit den Rezipienten beruht. Es ist systematisch-pragmatisch nicht anders zu bewerten, als wenn ich ironisch spreche, die Ironie aber nur von einem Teil der Hörer verstanden wird. Auch hier habe ich unwissentlich die kognitive Bürde für manche Hörer erhöht, die weniger sensibel für diese Signale sind. Niemand käme deshalb auf die Idee zu behaupten, Ironie diskriminiere Leute, die für Ironie taub sind. Missverständnisse passieren dauernd, niemand regt sich darüber auf, man klärt sie eben hinterher schnell auf. Nur beim generischen Maskulinum diskutieren wir über maternalistische sprachpolizeiliche Maßnahmen, die solche harmlosen Hänger im Kommunikationsprozess von vornherein verhindern sollen, weil angeblich ausgerechnet diese Art Hänger diskriminiert. Eine hin und wieder mal notwendige Millisekunde zusätzlichen Gehirnschmalzverbrauchs rechtfertigt die Forderung nach Abschaffung einer grammatischen Kategorie, die zum Reichtum der Ausdrucksmöglichkeiten beiträgt? Das bloße Inkaufnehmen der Möglichkeit, selbst bei allerbestem Willen zur Klarheit missverstanden werden zu können, ist bereits diskriminierend? Ich, sprachlich und kommunikativ kein unsensibler Klotz (glaube ich), diskriminiere mit dem generischen Maskulinum also Frauen, ohne es zu merken, gegen meine stabile antidiskriminatorische Überzeugung? Was ist denn das für eine irrwitzige, inflationäre Aufladung dieses Wortes? Und das Empörungspotential in anderen Teilen der Sprache, insbesondere im Lexikon, ist ja auch nicht gerade gering. Mir wird himmelangst. Vielleicht sollte ich Trappist werden.

Also lassen wir es doch einfach dabei: Sprecher und Hörer bemühen sich wechselseitig um plausible Einschätzungen des vermutlichen linguistischen Horizonts des jeweils anderen. Alles andere überlassen wir dem normalen Sprachwandel, der sich seinen Weg bahnen wird, auch ohne dass Frau Pusch ihn herbeieifert. Und wenn dann weiterhin Platz für eine Möglichkeit ist, echte Sexusindifferenz auszudrücken (also nicht beide Geschlechter gleich zu nennen, sondern gar keins), welche grammatische Einkleidung sie auch immer zufällig haben mag, dann freue ich mich. Die "geschlechtergerechte Sprache" ist ganz klar nicht diese Lösung.

Zitat von: Kilian in 2015-06-13, 11:11:40
Zweitens wird die Ambiguität nicht in jedem Diskurs schlussendlich aufgelöst werden, die männliche Interpretation bleibt also möglich und läuft Gefahr, bei der Hörerin bestehende Rollenstereotype zu verstärken. Zumindest halte ich das für möglich.

Rollenstereotype entstehen im Kopf von rollenstereotypisch handelnden und sprechenden Individuen. Um durch die Verwendung welches sprachlichen Mittels auch immer Rollenstereotype bei einer kommunikativ kooperativen, verständigen Hörerin zu verstärken, muss ich ein Rollenstereotyp, das in mir lauert, in unsensibler Weise sprachliche Gestalt werden lassen. Das sind Effekte, die es gibt, die man aber nicht durch dirigistische Eingriffe in das Sprachsystem beseitigt. Wie schon einmal gesagt: Sprache kann nicht diskriminieren, das können nur Sprecher. Sprache an sich kann die Welt nicht verändern, sondern ihre Benutzung, das Sprechen also, wirkt auf Subjekte ein, die wiederum durch Handeln die Welt verändern. Dieser (ansonsten nicht furchtbar ergiebige) der feministischen Linguistik gegenüber nicht unaufgeschlossene Artikel präzisiert immerhin das ganz gut. Es ist, um ein anderes Feld "bösen" Sprechens anzuführen, völlig in Ordnung, dass es die Wörter Neger und Zigeuner noch gibt. Sie sind nicht als Wörter schön "böse". Sie eignen sich nur heutzutage sehr gut dazu, "böse" benutzt zu werden. Aber das hat der Sprecher in der Hand. Ich könnte mir vorstellen, dass wir hierin nicht weit auseinanderliegen. Wenn Du Lust hast, lies mal das hier aus der taz.

Zitat von: Kilian in 2015-06-13, 11:11:40
ZitatUnd warum wäre unter dem Blickwinkel der Verständlichkeit ein Satz wie "Linguisten sind alle Idioten" eher für rezipierende Frauen ein Problem als für Männer?

Weil der männliche Linguist sofort weiß, dass er beleidigt wurde, die weibliche Linguistin dagegen erst ermitteln muss, ob sie mitgemeint ist.

Woher weißt Du, dass dieser Satz an Linguisten gerichtet ist? Ich könnte ihn doch auch zu Physikern sprechen, die persönlich gar nicht betroffen sind. Und Physiker beiderlei Geschlechts werden diesen Satz gleich gut verstehen oder nicht verstehen (s.o.). Wenn aber Linguisten angesprochen sind, dann gilt auf der bloßen referentiellen Ebene des Sprachverstehens dasselbe: es gibt keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Was die Berechtigung angeht, sich beleidigt zu fühlen (die konative oder appellative Ebene), gilt, was ich oben gesagt habe: Ich habe offenbar nicht hinreichend klar gemacht, wer die Adressaten der Beleidigung sein sollten, es ist eine missverständliche Beleidigung. Das generische Maskulinum erfüllt den kommunikativen Zweck nicht richtig, den ich im Auge hatte. Wobei sich in diesem Fall die Unsicherheit eher zugunsten der Linguistinnen auswirkt, die nicht sicher davon ausgehen können, dass sie beleidigt worden sind: Diskriminierung aufgrund des Verdachts der Nicht-Beleidigung, lustig. Ich stelle mir vor, was passiert, wenn unter den Adressaten des Satzes feministische Linguistinnen sind: Die sind wahlweise beleidigt, weil sie zwar nicht beleidigt wurden, aber sich sprachlich diskriminiert wähnen, oder beleidigt, weil sie als Sprachwissenschaftlerinnen beleidigt wurden. Herrlich.

(continuabitur)
#90
Zitat von: Kilian in 2015-06-13, 11:25:19
Zitat von: Homer in 2015-06-12, 09:02:31Aus dem bloßen Befund könnte man ebenso gut, wären die gesellschaftlichen Vorzeichen umgekehrt, das Programm einer maskulistischen Linguistik herleiten: Frauen genießen offenbar das Privileg, über eigene, eindeutig weiblich denotierte Formen zu verfügen. Demgegenüber weiß man, wenn man mit Maskulina spezifisch über Männer sprechen will, nie, ob die Form nicht generisch verstanden werden könnte. Die Männer werden also in der gemeinsamen Masse von Männern und Frauen "unsichtbar gemacht".

Inwiefern ist das einen ,,Unsichtbarmachung", wenn man, wenn man ein Maskulinum hört, sich zu 99% sicher sein kann, dass zumindest ein Teil der gemeinten Gruppe männlich ist?

Durch das mögliche Missverstehen eines spezifisch männlich gemeinten Maskulinums als generisch wird das Merkmal "männlich" entwertet, was den Frauen im Femininum nicht passieren kann.

Aber nimm das, was ich geschrieben habe, als das, was gemeint war: als Parodie auf die Argumentationsweise der feministischen Linguistik. Ich glaube, mein parodistisch gemeintes Argument ist nicht schlechter als das der Feministinnen, das im Gegensatz dazu allerdings eine unfreiwillige Parodie seriösen Argumentierens ist.