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Themen - Kilian

#122
Sprache / Hunter's Latin
2007-08-01, 21:08:15
Ich habe heute im Spotlight (7/2007, S. 66) einen sehr interessanten Artikel gelesen. Dem zufolge hat das Englische einige sehr schöne Wörter für Schwärme und Herden, wie flock, herd, band oder bevy. Als ob das noch nicht riche, war es wohl im Mittelalter unter englischsprachigen Jägern Usus, ihr Latein anzureichern, indem sie für die jeweilige Tierart charakteristische Verben (!) als Gruppenbezeichnung gebrauchten. Beispiele (nicht alle sind original mittelalterlich, nehme ich an):

a skulk of foxes
a sleuth of bears
a prickle of hedgehogs
a bloat of hippopotamuses

Humoriger modernerer Gebrauch dieses Musters setzte abstrakte Substantive an die Stelle der Verben:

an ostentation of peacocks
an exaltation of larks
an improbability of gnus
a nuisance of cats

Noch humoriger:

a balance of accountants
a sequitur of logicians

Versuch einer Übertragung: Demnächst wird sich ein Stork von PerVersen in Mainz versammeln, während ein Denk von Mensanern in Berlin von Amy unterhalten wird...
#123
Über die GSV / Aktualisuren der Website
2007-06-28, 01:01:02
Wie ich hie und da erwähnt habe, wird der Nicht-Forum-Teil Website der GSV ja demnächst ein Wiki. Das eröffnet ganz neue Partizipationsmölge, weil man neue Inhalte direkt wird eintragen können, ohne dass ich im Weg wäre. Im Gegensatz zur Wikipädie etc. werden zunächst nur mit gültiger E-Mail-Adresse registrorene Mitglieder edieren können. Das bedeutet nicht, dass ich mich nun ganz aus dem redaktionellen Tagesgeschäft zurückzöge - im Gegenteil, auch ein Wiki braucht ein gewisses Maß an Betreuung und Administration. Die ist aber deutlich bequemer und etwas abwechslungsreicher als das Kopieren von Texten und Tabelleneinträgen aus E-Mails und Foreneinträgen in HTML-Seiten, sodass mit einem Anstieg meiner Motivation zu rechnen ist. :)

Seit März schraube ich Quentchen für Quentchen, immer ein oder zwei Stündchen pro Woche, im stillen Kämmerlein am GSV-Wiki und am Umzug aller Inhalte der alten Website indasselbe. Es geht voran. Mit den Inhalten bin ich bis auf das (allerdings gewaltige) Ressort Literatur fertig; in den nächsten Wochen werde ich vor allem Ecken und Kanten am technisch-funktionalen Grundgerüst schleifen.

Unterdessen sind die Mitglieder natürlich nicht untätig und entwickeln weiterhin neue Sachen. Was im Forum veröffentlicht wird, suche ich mir im Moment nicht extra zusammen, das muss man mal nachtragen, wenn das Wiki online ist. Was per Strompost eingeht, wird direkt ins Wiki eingearbeitet.

Ausnahme: Starke (deutsche) Verben. Dafür gibt es eine Datenbank, die im Moment mit der alten Website verbunden ist und demnächst mit dem Verbenwiki verbunden sein wird. Daher kann ich sie jetzt schon öffentlich sichtbar eintragen, ohne das gleiche demnächst noch mal machen zu müssen. So kommen denn die verilnzenen Nachrichten auf der Startseite zustande.

Daher: Wer es eilig hat und noch vor der Wikifizur Verben in die Liste bringen will, möge sie mir mailen. :)
#124
Sprache / Vorworthaufen
2007-05-31, 20:33:36
Wir erinnern uns: Präpositionen bezeichnet man auf DEUTSCH als Vorwörter. Und sie können sich häufen:

Daddy, what did you bring the book that I don't want to be talked to about up for?

Auch auf Deutsch gelingt eine Häufung, wenn auch nicht so neckisch am Satzende:

Von an in beim wegen internationalen Interesses ins Leben gerufenen Fotografiekongress prämierten Bildbänden abgebildeten Hängen wachsendem Wein war keine Rede.

Projekt: Alle deutschen Präpositionen (wo möglich, ggf. mit Artikel verschmolzen) nebeneinander in einen sinnvollen deutschen Satz packen. Packen wir das? Reihum, jeder fügt Präpositionen und entsprechende Ergänzungen nach Gusto hinzu?
#125
Sprache / Partikelverben
2007-03-28, 00:04:54
Zitat von: Kilian in 2007-03-27, 23:46:59(Von Partikelverben wie durchfahren, übersetzen, umfahren, umgehen, umstellen, unterstellen oder wiederholen mal ganz zu schweigen. Die genannten Beispiele gibt es in einer unfesten, d.h. auf der vorangestollenen Partikel betonten und trennbaren, sowie in einer festen, d.h. auf dem Stamm betonten, nicht trennbaren Variante, die jeweils etwas völlig Unterschiedliches bedeuten, aber das wäre einen eigenen Faden wert, und es wurde in diesem Forum auch schon anlalß der ganzen P-Konjugationen einiges dazu gesagt.)

Nichtsdestotrotz, was für die Präfixverben getan werden kann, kann auch für die Partikelverben getan werden. Da fielen mir spontan ein:

etwas ausstellen - schreiben, unterzeichnen und übergeben (z.B. einen Antrag oder eine Bescheinigung, gerne auch einen Antrag auf eine Bescheinigung oder auch die Bescheinigung über den Eingang eines Eintrags)
etwas ausstellen - ausschalten
etwas ausstellen - zur öffentlichen Besichtigung aufstellen, -legen, oder -hängen

sich einstellen - kommen, beginnen
jemanden einstellen - auf die Lohn- bzw. Gehaltsliste setzen
etwas einstellen - einschalten (selten)
etwas einstellen - in die richtige Stellung bringen
etwas einstellen - damit aufhören

jemanden abführen - "hinausbegleiten"
jemanden/etwas abführen - anführen, bekannt machen (so sieht es zumindest ein Sponsor einer von mir mitorganisorenen Tagung: "Die Zusage dieser Förderung ist mit der Bitte verbunden, die [Firmenname] zukünftig deutlich als Sponsor der Tagung abzuführen."
etwas abführen - (einen Geldbetrag) an gesonderte Stelle abzweigen
abführen - die Verdauung anregen

Ist die Partikel einsilbig, scheint sie immer betont und abtrennbar zu sein. Die ganz oben zitorenen festen und unfesten Versionen kommen demnach nur bei mehrsilbigen Partikeln vor. Zu hintergehen (fest: betrügen) und einigen ähnlichen Verben soll es in süddeutschen Mundarten unfeste Versionen geben, hier bedeutenden: Hinter etwas gehen. ("Der hat das Auto erst angeguckt, und dann ist er hintergegangen." (?)) So könnte man das nicht gänzlich plausible hochdeutsche "dahinter gehen" auch als "da hintergehen" reinterpretieren.
#126
Sprache / Präfixverben
2007-03-27, 23:46:59
Ich trage das Thema schon etwas länger mit mir herum, aber es ist so weitläufig, dass ich gar nicht wusste, wo beginnen. Jetzt hat mir eine Anregung von Agricola zu einem Einstieg verholfen:

"Die Blähungen versetzen sich in den Gedärmen."

Wer hätte diese Bedeutung hinter dem Verb versetzen vermoten? Warum verändert ein Präfix wie ver- die Bedeutung des Verbs setzen so derart unvorhersagbar? Und nicht nur in diese Richtung, es kann ja auch (notgedrungen) veräußern, bestellen und nicht abholen oder von A nach B bewegen bedeuten. Was die Präfixe be-, ge-, ent-, er-, ver- und zer- so Unvorhersagbares und Vielfältiges mit Verbbedeutungen machen, geht auf keine Kuhhaut und ruft bei Deutsch Lernenden bestimmt wüste Flüche in Massen hervor.

(Von Partikelverben wie durchfahren, übersetzen, umfahren, umgehen, unterstellen oder wiederholen mal ganz zu schweigen. Die genannten Beispiele gibt es in einer unfesten, d.h. auf der vorangestollenen Partikel betonten und trennbaren, sowie in einer festen, d.h. auf dem Stamm betonten, nicht trennbaren Variante, die jeweils etwas völlig Unterschiedliches bedeuten, aber das wäre einen eigenen Faden wert, und es wurde in diesem Forum auch schon anlalß der ganzen P-Konjugationen einiges dazu gesagt.)

Nein, tragen wir in diesem Faden, so sich herausstellt, dass das Amüsement, und das glaube ich, den Aufwand lohnt, lediglich Präfixverben zusammen, bevorzugt solche mit einem bunten Strauß von alltäglichen und behördlichen Bedeutungen, deren Auseinandergehen Augen hervortreten und Schädeldecken sich heben lässt. Auf geht's:

sich versetzen - sich stauen
jemanden versetzen - zu einer Verabredung nicht erscheinen
jemanden versetzen - jemandem einen anderen Posten, jemanden einer anderen Klasse zuweisen
etwas versetzen - bewegen
etwas versetzen - (notgedrungen) versilbern
etwas mit etwas versetzen - hinzufügen
jemandem/etwam etwas versetzen - zufügen

sich verkaufen (umgangssprachlich) - das Falsche kaufen
etwas verkaufen - gegen Geld übereignen

sich enthalten - sich abstinieren
etwas enthalten - beinhalten

etwas bekommen - erhalten
jemandem bekommen - gut tun

etwas begehen - verüben
etwas begehen - betreten, besichtigen

sich [Gen.] begeben - auf etwas verzichten, sich dessen entledigen (oh, was ist der Genitiv zu etwas?)
sich begeben - sich ereignen
sich [Ortsangabe] begeben - wohin gehen

sich ergeben - aufgeben, sich überantwortenin
etwas ergeben - als Resultat haben

jemandem etwas bestellen - ausrichten
etwas mit etwas bestellen - darin oder darauf aufstellen
etwas bestellen - anfordern
(das Feld) bestellen - kultivieren, pflegen
um etwas bestellt sein - in einem Zustand sein
#127
Omnia licent / Bücherliste
2007-03-25, 15:26:03
Auf den letzten Personalversammlungen hat es sich eingebriurgen, stapelweise Bücher hin- und herzuleihen. Was da so im Angebot ist und wo es sich gerade befindet, gehe fürderhin aus folgender Bücherliste hervor. Wer entleihbare Schätze hat, kann sie hier veröffentlichten. Ich lasse auf den Titel den Namen des derzeitigen Entleihers folgen:

Kilians Bücher:
Gisbert Haefs: Kein Freibier für Matzbach (Krimi mit übergewichtigem, selbstbewussten und wortgewaltigen Detektiv) (...)
Elke Heidenreich: Kein schöner Land (Satire in sechs Sätzen) (Kilian)
Eckhard Henscheid: Ein scharmanter Bauer (Miniaturen, darunter eine Parodie auf Adornos Angewohnheit, das Reflexivpronomen im Satz so spät wie möglich unterzubringen) (Kilian)

Hier meinen Gönnern zur Hilfe drei Grundstöcke:

VerbOrgs Bücher:
Steven Pinker: The Language Instinct (Heidi)
Hans Weigel: Die Leiden der jungen Wörter (Kilian)
...

Günter Gans' Bücher:
Cardorff/Ronstein: Illustriertes Handbüchlein des fortschrittfsfreudigen Kaffeehausbenutzers (Kilian)
Axel Hacke: Deutschlandalbum (Kilian)
...

Des Grinsekaters Bücher:
Klaas Huizing: Der Büchertrinker (Heidi)
...

Fleischers Karstens Bücher:
Eike Christian Hirsch: Deutsch für Besserwisser (Kilian)
...

(Verbleib des Buchtrinkers mit Edith georen, V.O.)
#128
Zu Nutz' und Frommen aller einschlägig Interessierten sandte mir Reinhard Graetz im Oktober folgende Schrift:

ZitatDer Griesgram und seine Hierarchien    

Jeder kennt einen, und im neuen Jammerdeutschland feiert er fröhliche Urständ.   
Aber, bei genauerem Hinsehen: er steht beileibe nicht allein, sondern ist umgeben von einer ganzen Reihe von Artgenossen, die wir ebenfalls bisher nicht wahrgenommen haben – das soll sich nunmehr ändern!   

Der Griesgram unterteilt sich in:    >Weizengriesgram,
                  >>Hartweizengriesgram
                  >>Weichweizengriesgram   
                  >>Grützegram
                  >>Graupengram
                  >>Sagogram
               >Hafergram
                  >>Haferflockengram
                 >Dinkelgram
               >Nudelgram
                  >>Bandnudelgram
                  >>Spaghettigram
                  >>Pennegram
                  >>Gnoccigram
               >Hirsegram
               >Grünkerngram
               >Linsengram

Bei dieser Vielzahl von Gramen verwundert es nicht, dass sie in Deutschland so viele Anhänger und Protagonisten haben... Ob die beiden Hülsenfruchtgrame noch zur direkten Verwandtschaft der Griesgrame, also der Getreidegrame gezählt werden können, sollte wohl Gegenstand einschlägiger biologisch-linguistischer Forschungsprojekte werden. Die einzige derartige Fakultät der Universität Greifswald, Außenstelle Gramzow/MV, hat sich bisher zu etwaigen Forschungsergebnissen noch nicht geäußert.
#129
Sprache / Taxe
2006-10-02, 13:24:43
Fragen, die einem so in den Sinn kommen können:

Ist Taxe eigentlich der Singular zum Plural von Taxi? Was ist ein Atlant, eine Baute, eine Kaktee, eine Pizze?

Wo liegen Hallens und Salzgitteran?
#130
Sprache / Ringen mit der Bauernsprache
2006-09-22, 15:17:11
Schönes hab ich aufgestorben, von Otfried von Weißenburg, dem ersten namentlich bekannten Dichter in deutscher Sprache - dem ungeschlachten Fränkisch, wie er es nennt und sich geradezu dafür rechtfertigt:





ad (7): Vielleicht liegt das an der häufigen Verbendstellung. Ich habe von Untersuchungen gehört, dass die Saxophonen* einander viel weniger ins Wort fallen als Anderszüngige, weil das Verb so lange auf sich warten lässt.

ad (10): Interessant, von Weißenburg betrachtet die Änderung des Genus beim Übersetzten als "Fehler", das grammatische Geschlecht scheint in seinen Augen Teil der Bedeutung zu sein.

ad (11): :D

*Deutschsprachige; analog frankophon, anglophon und unter Rückgriff auf die Tatsache, dass Deutsch auf Finnisch Sächsisch heißt.
#131
Wir haben einen Faden für offensichtliche Fehler in Presse etc. Aber haben wir auch schon einen für Fälle, in denen eine gedankenlose Formulierung unabsichtlich wieder Sinn ergibt oder sogar etwas mit Witz und Verstand sprachlich umgedeutet wurde?

Laut aktueller WZ teilte z.B. die Europäische Gesundheitsbehörde mit, hinsichtlich eines bestimmten genmanipulorenen Reises sei die Datenlage dünn. Ich dachte immer, eine Datenlage sei eine Lage im Sinne von Situation, aber hier ward wohl eine Lage im Sinne von Schicht darunter verstanden.
#132
Sprache / Genitiv des Ausrufs
2006-05-26, 09:58:44
Ich erhielt gerade Post aus Tokyo bzgl. des Genitivs des Ausrufs, der bei Nietzsche häufiger anzutreffen sei:

"Oh des goldenen runden Reifs - wohin fliegt er wohl?"
"Lass mich doch! Still! Ward nicht die Welt eben vollkommen? Oh des goldnen runden Balls!"
(Also sprach Zarathustra)

"Oh des armen Vogels, der sich frei gefühlt hat und nun an die Wände dieses Käfigs stößt!" (Der Mensch im Horizont des Unendlichen)

Weiß jemand, woher dieser Genitv bzw. wie Nietzsche darauf kommt?
#133
Sprache / Homologisch und heterologisch
2006-05-09, 22:40:53
Wenn mich meine Merkmuskeln nicht arg trügen, nennt Partee, Barbara et al. (1993): Mathematical Methods in Linguistics. Kluwer. Wörter, die sich selbst korrekt beschreiben, homologisch. Beispiele: Labenz, gestorken, kurz, deutsch, EDIT: Kopfsprung, Oxymoron.

Nicht homologische Wörter nennt man heterologisch: lang, dänisch, grün, Beinkleid usw.

Ich finde, da können wir eine Sammlung aufmachen.

Hausaufgabe für morgen: Ist das Wort heterologisch homologisch oder heterologisch? ;D
#134
Sprache / Fugenlaute
2006-04-10, 23:10:45
Die Fugenlaute gehören zu den unberechenbarsten Phänomenen der deutschen Sprache und haben auch hier schon mal für Verwirrung gesorgt (siehe Apostelngymnasium). Zeit, Herrn Wustmann zu Wort kommen zu lassen!

Tintefaß oder Tintenfaß?
Zusammensetzungen aus zwei Substantiven wurden im Deutschen ursprünglich nur so gebildet, daß der Stamm des ersten Wortes, des Bestimmungswortes, vorn an das zweite, das bestimmte Wort angefügt wurde, z. B. Tage-lohn; das e in Tagelohn ist der abgeschwächte Stammvokal. Später sind zusammengesetzte Wörter auch dadurch entstanden, daß ein vorangehendes Substantiv im Genitiv mit einem folgenden durch einfaches Aneinanderrücken verschmolz, z. B. Gottes-dienst. Nun endet bei allen schwachen Femininen der Stamm ursprünglich ebenso wie der Genitiv, beide gehen eigentlich auf en aus, und so haben diese schwachen Feminina eine sehr große Zahl von Zusammensetzungen mit en gebildet, auch in das Gebiet der starken Feminina übergegriffen, sodaß en zum Hauptbindemittel für Feminina überhaupt geworden ist. Man denke nur an Sonnenschein, Frauenkirche (d. i. die Kirche unsrer lieben Frauen, der Jungfrau Maria), Erdenrund, Lindenblatt, Aschenbecher, Taschentuch, Seifensieder, Gassenjunge, Stubenthür, Schneckenberg, Küchenschrank, Kohlenzeichnung, Gallenstein, Leichenpredigt, Wochenamt, Reihenfolge, Wiegenlied, Längenmaß, Breitengrad, Größenwahn, Muldenthal, Pleißenburg, Parthendörfer, Markthallenstraße u. a. Sogar Lehn- und Fremdwörter haben sich dieser Zusammensetzung angeschlossen, wie in Straßenpflaster, Tintenfaß, Kirchendiener, Lampenschirm, Flötenspiel, Kasernenhof, Bastillenplatz, Visitenkarte, Toilettentisch, Promenadenfächer, Kolonnadenstraße.
   Bei dem einfachen Zusammenrücken von Wörtern stellten sich aber nun Genitive im Plural als erster Teil der Zusammensetzung ein, und das hat neuerdings zu einer traurigen Verirrung geführt. Man bildet sich ein, das Binde-en sei überhaupt nichts anderes als das Plural-en, man fühlt nicht mehr, daß dieses en ebenso gut die Berechtigung hat, einen weiblichen Singular mit einem folgenden Substantiv zu verbinden, und so schreibt und druckt man jetzt wahrhaftig aus Angst vor eingebildeten widersinnigen Pluralen: Aschebecher, Aschegrube, Tintefaß, Jauchefaß, Sahnekäse, Hefezelle, Hefepilz, Rassepferd, Stellegesuch, Muldethal, Pleißeufer, Gartenlaubekalender, Sparkassebuch, Visitekarte, Toiletteseife, Manschetteknopf, Promenadeplatz, Chokoladefabrik usw. In allen Bauzeitungen muß man von Mansardedach und von Lageplan lesen (so haben die Architekten, die ja erfreulicherweise eifrige Sprachreiniger sind, Situationsplan übersetzt), in allen Kunstzeitschriften von Kohlezeichnungen, offenbar damit nicht einer denke, die Zeichnungen wären mit einem Stück Stein- oder Braunkohle aus dem Kohlenkasten gemacht – nicht wahr? Wer nicht fühlt, daß das alles das reine Gestammel ist, der ist aufrichtig zu bedauern. Es klingt genau, wie wenn kleine Kinder dahlten, die erst reden lernen und noch nicht alle Konsonanten bewältigen können. Man setze sich das nur im Geiste weiter fort – was wird die Folge sein? daß wir in Zukunft auch stammeln: Sonneschein, Taschetuch, Gosestube, Cigarrespitze, Straßepflaster, Roseduft, Hülsefrucht, Laubedach, Geigespieler, Ehrerettung, Wiegelied, Aschebrödel usw.*) Sollten einzelne dieser Wörter vor der Barbarei bewahrt bleiben, so könnte es nur deshalb geschehen, weil man annähme, ihr Bestimmungswort stehe im Plural, und der sei richtig, also ein Taschentuch sei nicht ein Tuch für die Tasche, sondern – für die Taschen!
   Wo das Binde-en aus rhythmischen oder andern Gründen nicht gebraucht wird, bleibt für Feminina nur noch die eine Möglichkeit, den verkürzten Stamm zu benutzen, der wieder mit dem eigentlichen Stamm der alten starken Feminina zusammenfällt und durch ihn überhaupt erst in der Zusammensetzung mit Femininen aufgekommen ist. So findet sich in früherer Zeit Leichpredigt neben Leichenpredigt, und so haben wir längst Mühlgasse neben Mühlenstraße, Erdbeere neben Erdenrund, Kirchspiel und Kirchvater neben Kirchenbuch und Kirchendiener, Elbthal, Elbufer und Elbbrücke neben Muldenthal und Muldenbett. Aber ein Wort wie Saalezeitung oder Solebad, wie man auch neuerdings zu lallen anfängt (das Solebad Kissingen), ist doch die reine Leimerei. Bei Saalzeitung könnte wohl einer an den Saal denken statt an die Saale? Denkt denn beim Saalkreis, beim Saalwein und bei der Saalbahn jemand dran?**) Als 1747 das erste Rhinozeros nach Deutschland kam, nannten es die Leute bald Nashorn, bald Nasenhorn. Hätte man das Tier heute zu benennen, man würde es unzweifelhaft Nasehorn nennen.
   Besonders bei der Zusammensetzung mit Namen wird jetzt (z. B. bei der Taufe neuer Straßen oder Gebäude) fast nur noch in dieser Weise geleimt. Wer wäre vor hundert Jahren imstande gewesen, eine Straße Augustastraße, ein Haus Marthahaus, eine Garten Johannapark zu nennen! Da sagte man Annenkirche, Katharinenstraße, Marienbild, und es fiel doch auch niemand ein, dabei an eine Mehrzahl von Annen, Katharinen oder Marien zu denken.

   *) Höhepunkt und Blütezeit haben wir ja schon längst, und doch wurden auch sie anfangs richtig gebildet: Höhenpunkt, Blütenzeit.
   **) Ein Jammer ist es, auf Weinkarten und Weinflaschen jetzt Liebfraumilch lesen zu müssen! Wahrscheinlich zur Entschädigung dafür schmuggelt man das en in den Niersteiner ein, der nun Nierensteiner heißt. Leider ist nur Nierstein nicht von der Niere, sondern vom Kaiser Nero genannt. Visitekarte und Manschetteknopf soll vielleicht Visittkarte und Manschettknopf gesprochen werden – gehört habe ichs noch nicht, man siehts ja immer nur gedruckt –; aber wozu mit einemmal die französische Aussprache?

Gustav Wustmann, Allerhand Sprachdummheiten, 2. Auflage 1896 (schräg statt sperr)
#135
Sprache / Der Grund, warum...
2006-04-08, 00:33:09
Der Grund dafür, dass die Leute immer häufiger Der Grund, warum... schreiben und im Gegensatz zu mir gar nichts Störendes oder Sinnwidriges dabei finden, ist sicher vielschichtig. Heute habe ich gelernt, dass man das sogar noch steigern kann - das Kausale ist an drei Stellen ausgedrückt und damit zweimal zu viel:

"Der Grund, warum Bach 20 Kinder zeugen konnte, liegt daran, dass er so schöne Musik schrieb."

War allerdings von einem Engländer. Der darf das. Zumindest solange wir den Inhalt mal ignorieren. :D
#136
1. Reimwortbeschaffung

2. Anetagrafie

3. Steno für Arme:
Schon seit 2001 bin ich Mitschreibeauftberagener eines viel interviewenden Sachbuchautorenduos. Ich habe nie irgendeine Kurzschrift gelernt. Erst heute mark ich, wie häufg ich neben gewissen selbst erfundenen oder aus der Mathematik entlehnten Symbolen wie ∃ oder ¬ zur Abkurz auch so etwas wie miech oder diskutor schreibe. Wenn man mit dem Kuli den Interviewpartner hinterherhasten muss, ist man für jeden gesparten Buchstaben dankbar. :)
#137
Omnia licent / Test
2006-01-28, 16:03:31
Nasobēm
#138
Neue Ideen / Tmesis für Fortgeschrittene
2006-01-18, 21:07:02
Also schrieb der Bertl:

ZitatUm nicht das Forum mit meinem Geplausche zu überlasten, schreibe ich nun an Dich - und den Kilian. Er soll's Dir weiterleiten.

Gerne! Aber so leicht ist dieses Forum nicht zu überlasten. Da ich selbst in letzter Zeit den neuen Entwicklungen, was das Verhackstücken von Verben und nun auch noch andersartiger Wörter betrifft, kaum noch folgen kann - es erfrürde einfach so viel Zeit! - möchte ich hiermit einen Faden eröffnen, in dem die abgefahrensten Diskussionen zu diesem Thema öffentlich erfolgen können und sollen.

Wenn etwas dabei herauskommt, das sich für die Übernahme in den redaktionellen GSV-Teil zu eignen vermeint, können die fleißigen Diskutanten es mir dann ja auf dem Silbertablett - möglichst für Dummies ;D - präsentieren.
#139
Sprache / Jugendsprache anno Tobak
2006-01-16, 17:45:16


Zeitung aus dem Heilbronner Umkreis, aus den 80ern oder frühen 90ern...
#140
Sprache / Kaskadenpassiv
2006-01-06, 02:09:04
Das Comicduo Katz+Goldt geht sehr kreativ mit Sprache um. In ihrem Buch Wenn Adoptierte den Tod ins Haus bringen (Carlsen 2001) kommt in zwei völlig verschiedenen Comics zweimal ein ähnliches Konstrukt vor, das die Autoren wahrscheinlich ganz intuitiv verwandt haben, u.a. um Sprachpuristen zu ärgern, das jedoch aus linguistischer Sicht neue Fragen in das brodelnde Fass der Diskussion um das deutsche Passiv zu Beginn des 21. Jahrhunderts wirft.

Wie setzt man diese Sätze ins Passiv?

(1a) Man versucht jetzt erst, diese Fehler in Österreich nachzumachen.
(1b) Adorno muss die Nase in alles reinstecken.

So?

(2a) Es wird jetzt erst versucht, diese Fehler in Österreich nachzumachen.
(2b) passe - als Modalverb hat müssen kein Passiv

Nein, viel zu langweilig! Wozu ein unpersönliches Subjekt Es in (2a)? Bieten sich nicht die Fehler als Subjekt an - und in (b) die Nase?

Naja, eigentlich geht das nicht, weil die Sätze in (1) keine direkten Objekte haben. versucht und muss sind jeweils als Zwischenstufe eingeschaltet. Von ihnen hängen die Verbalphrasen diese Fehler in Österreich nachzumachen bzw. die Nase in alles reinstecken ab. Die Objekte sind Teile dieser untergeordneten Verbalphrasen. Standardmäßig können sie sie nicht verlassen.

Da die Verben versuchen oder müssen aber praktisch nur modale Funktion haben, kommt es einem blöd vor, sich von ihnen an einem anständigen Passiv hindern zu lassen. Daher heißt es bei Katz+Goldt:*

(3a) Diese Fehler werden jetzt erst in Österreich nachzumachen versucht.
(3b) Die Nase wird in alles reinstecken gemusst.

So könnte man folgende Regel formulieren: Bei der Umwandlung eines Aktivsatzes in einen Passivsatz wird das Objekt der Verbalphrase zum Subjekt des Satzes. Das Objekt einer Verbalphrase ist, falls sie nicht wirklich ein eigenes hat, das Objekt der jeweils untergeordneten Verbalphrase. Das Verb der obersten Verbalphrase wird passivoren, auch, wenn es modal ist. Dieses Prinzip könnte man auf absurd viele Schritte erweitern und daran angelehnt Kaskadenpassiv nennen:

(1c) Der Prinz will versuchen zu erreichen die Prinzessin küssen zu dürfen.
(3c) Die Prinzessin wird küssen zu dürfen zu erreichen versuchen gewollt.

Das hat was, oder?

*im Original als Relativsatz bzw. Erikativ, aber das hätte oben nur verworren:
(4a) Bausenator Nagel kann Fehler aufzeigen, die jetzt erst in Österreich nachzumachen versucht werden.
(4b) in alles reinstecken gemusst werd