Referat

Begonnen von Arnymenos, 2005-04-26, 17:36:39

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Arnymenos

In einem Kurs zu deutschen Dialekten habe ich mich bereit erklärt, etwas über das Mittelhochdeutsche zu erzählen, und insbesondere darüber, wie lautliche Veränderungen aus der Zeit des MHD heutige Dialekte voneinander abgrenzen.

Seht ihr da Probleme, oder habt ihr vielleicht gute Vorschläge?

Ku

Ich sähe nur ein Problem, wenn ich das machen müsste.

Kilian


MrMagoo

#3
Zitat von: Arnymenos in 2005-04-26, 17:36:39
In einem Kurs zu deutschen Dialekten habe ich mich bereit erklärt, etwas über das Mittelhochdeutsche zu erzählen, und insbesondere darüber, wie lautliche Veränderungen aus der Zeit des MHD heutige Dialekte voneinander abgrenzen.

Seht ihr da Probleme, oder habt ihr vielleicht gute Vorschläge?



Die den mittelhochdeutschen Dialekten am nächstkommenden heutigen Mundarten sind die bairischen - wenn Du also lautliche Veränderungen veranschaulichen willst, geht das am besten, wenn Du auch Beispiele aus dem Bairischen dazunimmst.

Wenn Du also mit dem "wie" meinst, WORAN man heute noch mittelhochdeutsche Laute oder Lautvarianten erkennt, dann ist das wohl das beste.

Die wichtigsten Änderungen sind diese:



1.) Neuhochdeutsche Diphthongierung
---> Aus langen Monophthongen im Mittelhochdeutschen werden im Neuhochdeutschen Diphthonge:

a) mhd. î [i:] ---> nhd. ei [ai]
b) mhd. û [u:] ---> nhd. au [au]
c) mhd. iu [y:] ---> nhd. eu, äu [oi]


Beispiele:
a) mîn -> mein, sîn -> sein, rîten -> reiten, schrîben -> schreiben, wîp -> Weib, etc.
b) hûs -> Haus, mûs -> Maus, hût -> Haut, etc.
c) liute -> Leute, hiute -> heute oder Häute (pl. von Haut), diutsch -> deutsch, etc.


2.) Neuhochdeutsche Monophthongierung
---> Aus Diphthongen des Mittelhochdeutschen werden im Neuhochdeutschen Monophthonge:
a) mhd. ie [ie] ---> nhd. i(e) [i:]
b) mhd. uo [ue] ---> nhd. u [u:]
c) mhd. üe [ye] ---> nhd. ü [y:]


Beispiele:
a) liebe -> Liebe, diep -> Dieb, sieben -> sieben, etc.
b) guot -> gut, bluot -> Blut, suochen -> suchen, bluome -> Blume, etc.
c) grüen -> grün, güete -> Güte, müede -> müde, etc.

(Die in der Diphthongierung verschobenen Laute sind durch die etwas spätere Monophthongierung wiederhergestellt worden.)


===> Die bairischen Dialekte haben einen großen Teil dieser ursprünglichen Laute bewahrt, so heißt gut im Bairischen heute noch "guat", lieb heißt "liap" und mein heißt "min".
Auch im Schweizerdeutschen findet man auch noch viele dieser alten Lautstände, es heißt dort z.B. immer noch "dütsch" für deutsch usw.


Hoffe, das hilft etwas ;)


P.S.: Vergleiche bei diesen Vokal-Änderungen nicht mit dem Englischen oder dem Plattdeutschen - hier gibt es viele ähnliche Verschiebungen, die aber nicht unbedingt deckungsgleich sind.
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

Arnymenos

Mîn Dank dem Experten. Ich finde auch dieses Schaubild sehr hilfreich. Es zeigt die wichtigsten (alle?) Vokalveränderungen der letzten 2000 Jahre.

Der Dialekt meiner Heimat ist das rheinische Platt, dem Kölschen verwandt. Dort haben wir auch noch Formen ohne gewisse lautliche Veränderung: Lück & hück für Leute & heute. (Das mit dem "ck" ist eine andere Geschichte.) Ich werde da Deine Warnung ernst nehmen und mich lieber an die südlichen halten.

MrMagoo

#5
Zitat von: Arnymenos in 2005-04-27, 21:23:04
Mîn Dank dem Experten. Ich finde auch dieses Schaubild sehr hilfreich. Es zeigt die wichtigsten (alle?) Vokalveränderungen der letzten 2000 Jahre.

Der Dialekt meiner Heimat ist das rheinische Platt, dem Kölschen verwandt. Dort haben wir auch noch Formen ohne gewisse lautliche Veränderung: Lück & hück für Leute & heute. (Das mit dem "ck" ist eine andere Geschichte.) Ich werde da Deine Warnung ernst nehmen und mich lieber an die südlichen halten.



Was den Vokalwandel angeht muß man vorsichtiger sein mit den Unterschieden innerhalb der Sprachen - viele Sprachen neigen zum Beispiel dazu, einfache Vokale zu diphthongieren, diese Diphthongierungen haben oft den gleichen Ablauf (z.B. mhd. wîp --> nhd. Weib, engl. wîf --> wife, o. ä.), gehören aber nicht zum selben Lautwandel.
Die Diphthongierung des engl. [i:]->[ai] ist eine andere als diejenige im Deutschen, allein schon zeitlich nicht übereinstimmend. Wie genau das im einzelnen aussieht, weiß ich auch nicht. Generell gesehen sind Vokale jedoch wandlungsanfälliger als Konsonanten und diese Wandel können daher unterschiedliche Ursachen haben.

Deine Tabelle zeigt den Vokalismus, also den Wandel der Vokale seit dem Indogermanischen -> vom Mhd. zum Nhd. kannst Du hier deutlich die Monophthongierung und die Diphthongierung sehen.


Brauchst Du neben den Vokalen auch die Veränderung der Konsonanten?
Da gibt's auch solch eine Übersicht - wahrscheinlich auch irgendwo auf derselben Seite?!

Konsonanten sind nicht so wandlungsfreudig wie die Vokale, was genau die Änderung des ck-->t im kölschen Dialekt ist, weiß ich nicht - hat aber auch nicht wirklich was mit den Unterschieden vom Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen zu tun.


Die 2. Lautverschiebung hat schon vor dem Althochdeutschen stattgefunden, daher brauchst Du diese nicht für Dein Referat -> damit fallen auch die wichtigsten konsonantischen Veränderungen weg.
Was Du eventuell dennoch einbringen könntest, ist die Verschiebung der germanischen b, d, g ----zu---> p, t, k.
Diese Wandel gehören auch zur zweiten Lautverschiebung, sind vollständig aber nur oberdeutsch durchgeführt.

Im Mittelhochdeutschen findest Du daher Wörter wie "purc" (=Burg) oder "trî" (=drei), besonders in den Anlauten sind diese Verschiebungen auch in einigen süddeutschen Dialekten noch erhalten, so bspw. im Hessischen "trei" statt drei, "plau" statt blau, "plöd" statt blöd, "krade" statt grade, usw. usw.

Dies sind also auch noch Verschiebungen, die Du in Deinem Referat anführen könntest.
Hier könntest Du (zumindest in einigen Fällen) auch aufs Plattdeutsche und Englische zurückgreifen, zum Beispiel
engl. day, plattdt. dag ---> nhd. Tag

Problem: Dem hochdeutschen "t" entsprechen im Englischen und auch Plattdeutschen verschiedene Laute (d, dh, th), von denen nur der Wandel d--> t zur 2. Lautverschiebung gehört. Du siehst also, hier wird's überaus schwammig; ganz genau kenne ich mich da auch nicht aus - aber ich schätze, soweit ins Detail sollst Du sowieso nicht gehen, also lassen wir's mal dabei bewenden. ;)
Viel Spaß mit Deinem Referat!  ;)
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

Arnymenos

Stimmt, was sich da anknüpft, überschreitet oft den Rahmen. Aber mit dieser Grundlage wird das eines der interessanteren und weniger arbeitsamen Referate. Danke.

MrMagoo

Da nich' für  ;D
Kannst ja dann berichten, wie das Referat gelaufen ist - also was Du wie erklären mußtest/ erklärt hast... würd' mich mal interessieren.
Bis denn.
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)