Imperativ von wollen

Begonnen von Ly, 2005-04-15, 16:21:37

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Ly

Ich stolperte gestern über einen Satz in einem Buch von Michael Ende, der mich dazu brachte, stundenlang nachzudenken.

"Wolle mich nun entlassen, Königin."

Der Sprecher sagt der Königin, sie soll ihn entlassen wollen... aber ist "wolle" der korrekte Imperativ? Wenn nein, was ist der korrekte Imperativ von "wollen"? Gibt es den überhaupt?

Wenn nein, führen wir doch einen ein ;D
It isn't always how you look. Look at me. I'm handsome like anything, and I haven't got anybody to marry me yet.

Arnymenos

Ich finde, Imperative sollten auch durchsetzbar sein. Und da stößt man bei vielen Verben schnell an die Grenzen der Verständlichkeit. Wollen als aus dem Präteritum zurückgebildetes Verb stellt uns da vor ein noch größeres Problem. Das wäre ja fast wie ein Imperativ Präteritum!
Aber ausgehend vom heutigen Infinitiv hat Michael Ende das bestmögliche herausgeholt. Die Form fällt schon auf, weil der Sprecher nun sicherlich seine Entlassung fordern kann, aber zu fordern, dass die Königin ihn entlassen will? Das könnte er niemals durchsetzen.

Vielleicht liegt das auch an einem grundlegenden Bedeutungsunterschied zwischen Vollverben und Hilfsverben. Mit "habe!" könnte man ja problemlos einen Imperativ des Perfekts und mit "werde!" einen der Zukunft bilden. An dieser Stelle sieht (unsere?) Sprache eben keine sinnvolle Befehlsbildung vor.

Was, wenn dich ein Gesetz zwingt, etwas zu wollen? Die Gedanken sind frei.
Was, wenn dich ein anderes Gesetz zwingt, gestern dein Zimmer aufgeräumt zu haben? Hast du aber nicht, da mag Strafe drohen soviel gewollt wird.

amarillo

...und bis ich zurückkomme, habe Dein Zimmer aufgeräumt, sonst setzt es was!
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Arnymenos

Dann kommst Du zurück, und bevor Du das Zimmer öffnest und ohne dem Zuständigen noch eine Chance, Versäumtes nachzuholen, zu lassen, sprichst Du wieder: Habe aufgeräumt!

Dein Satz findet ja schon vorher statt. Da hast Du mit dem Perfekt völlig Recht: Es geht. Oder kriege ich jetzt auch noch einen lupenreinen Vergangenheits-Imperativ (wo die gewollte Handlung schon vorbei ist)?

amarillo

Na, wir wollen mal nicht gleich das Raum-Zeit-Kontinuum ins Wanken bringen.

"Sei gestern bloß brav gewesen", sagte die Mutter zu ihrem Filius, der gern mal die eine oder andere Zeitreise unternahm.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

VerbOrg

#5
Neue Zeitreise:
Wollt mal wieder den Faden des Fadens aufnehmen!
Zitat von: Ly in 2005-04-15, 16:21:37
Ich stolperte gestern über einen Satz in einem Buch von Michael Ende, der mich dazu brachte, stundenlang nachzudenken.

"Wolle mich nun entlassen, Königin."

Der Sprecher sagt der Königin, sie soll ihn entlassen wollen... aber ist "wolle" der korrekte Imperativ? Wenn nein, was ist der korrekte Imperativ von "wollen"? Gibt es den überhaupt?
Ob es den Imperativ von "wollen" gibt oder nicht, weiß ich nicht.
In diesem Beispiel habe ich allerdings meine Bedenken, ob es sich tatsächlich um den Imperativ handelt. Wem steht es zu, der Königin etwas zu befehlen, erst recht ihren eigenen Willen.
Ich tippe eher darauf, dass es sich hier bei "wolle" um einen suggestiven Gebrauch des Konjunktiv I handelt. Der Sprecher will der Königin nahe legen, ihn zu entlassen, traut sich allerdings nicht, sie direkt zu fragen. Denn auch das schickt sich nicht.

Aber ein Imperativ von wollen?
Hm... da muss ich wohl noch ein wenig drüber nachgrübeln.

Normalerweise behilft man sich bei der Imperativbildung der Hilfslösung Ind. Präs. + Anrede + wohl
Zitat"Wollt Ihr mich nun wohl entlassen."
Aber das wäre wohl zu vermessen.

caru

doch, doch, "wolle" ist ein imperativ von wollen. und hat eine lange tradition als höfliche umschreibung von imperativen, besonders wenn diese an königInnen und göttinnen/er gerochten sind.

ähnlich: "geruhe mich nun zu entlassen, königin."

geruhen - gerah - gerähe - gerohen
(\___/)
(>´x´<)
('.')__('.')

Nijntje - de echte nederlandse konijn

VerbOrg

Da war mir diese Tradition wohl einfach nur nicht bekannt.
Ich war zum Glück auch noch nicht in der Situation, einem König oder einer Königin etwas befehlen zu müssen.
Entschuldige meine Unkenntnis, ich muss mich wohl noch ein bisschen mit Hofetikette auseinander setzen. Nur für den Fall der Fälle.

Ly

Aber irgendwie kämme mir "will" als Imperativ logischer vor, weil ja bei regelmäßigen Verben der Imperativ auch der 1. Person enspricht... ("spiele! tanze! falle!")
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VerbOrg

Stimmt. Sprachlich logisch wäre es schon.

"Will mich nun mal entlassen." klingt allerdings auch ein wenig merkwürdig.

Daher iere ich weiterhin zur Hilfslösung mit wohl tend. Auch wenn sie ein bisschen überheblich klingt.
Aber ist es nicht sowieso überheblich, jemandem einen Willen aufzuzwingen?

caru

in neueren zeiten hat man ja dann auch die 3. person plural für die majestäten benutzt, und nicht so ein archaisches "du, königin".

"eure majestät wollen bitte den kaffeelöffel nicht als schreibgerät benutzen."

"hoheit geruhen dero unmut tunlichst nicht durch einwerfen von fenstern kundzutun."
(\___/)
(>´x´<)
('.')__('.')

Nijntje - de echte nederlandse konijn

VerbOrg

Ich bezog mich da auch auf das ursprüngliche Beispiel, in dem die Königin völlig politisch unkorrekt geduzt wird.

Vielleicht kam die formelle Anrede Herrn Ende zu gestolzen daher.

Ly

#12
Zitat von: Arnymenos in 2005-04-15, 17:19:07Was, wenn dich ein anderes Gesetz zwingt, gestern dein Zimmer aufgeräumt zu haben? Hast du aber nicht, da mag Strafe drohen soviel gewollt wird.

Stimmt.  ;D

ZitatVielleicht kam die formelle Anrede Herrn Ende zu gestolzen daher.

Also ich habe das schon öfters gelesen dass Autoritätspersonen mit "du" angeredet wurden... vllt. kam der pluralis majestatis erst später auf?
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caru

herrn endes gestalten bewagen sich wohl in märchenhafter vorzeit, wenn nicht außerhalb aller zeit - da darf man auch die königin duzen.
(\___/)
(>´x´<)
('.')__('.')

Nijntje - de echte nederlandse konijn

VerbOrg

ZitatAlso ich habe das schon öfters gelesen dass Autoritätspersonen mit "du" angeredet wurden... vllt. kam der pluralis majestatis erst später auf?
Das Duzen von Autoritätspersonen kann man immer noch bei der Anrede von Bürgermeistern beobachten (eher hören).

Das "Berliner Du":
Herr Wowereit, kommst du mal?

Dagegen das "Hamburger Sie":
Ole, ich hab' das was für Sie.