Zuchini

Begonnen von Arnymenos, 2005-02-10, 18:13:42

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Arnymenos

Der Betreff ist falsch geschrieben. Warum? Weil manch einer tatsaechlich "Zuch-i-ni" sagt, mit "ch" wie in "ach". Ganz eindeutig wurde hier eingedeutsch, aber was? Nicht die Aussprache, sondern mir unerklaerlicherweise die Aussprache nach der orthographische Form, als sei sie deutsch.

Normalerweise geht das so: Der italienische Gemuesehaendler kommt mit seinen "tartufi", die er seit wenigen Jahren anbaut, denn sie mussten ja erstmal aus Amerika importiert werden. Der Deutsche hoert genau hin und erzaehlt dann zu Hause, es gebe "Kartoffeln" (oder "Trueffel", beides geht auf den "Tartufo" zurueck, wenn ich mich nicht irre). Alternativ erfindet er (oder schaut es sich beim Franzmann ab) die Bezeichung "Erdapfel".

Heute geht es so: Der Urur...urenkel dieses Haendlers kommt in alter Tradition nach Deutschland, stellt ein Schild "zucchini" in die Kiste und verkauft die Dinger. Dass der Deutsche dies als Singular nimmt, moechte man ihm gar nicht so uebel nehmen, da auch der Italiener hier meistens im Plural spricht. Ein Pluraletantum im Italienischen kann gut ein Singular in einer anderen Sprache sein. Aber wie spricht es der Deutsche nun aus? "Zutschini" koennte man vermuten, denn alles, was nicht deutsch ist, wird nach englischen Regeln (bzw. dem, was der Deutsche dafuer haelt) ausgesprochen. So auch das "Babi Pangang" auf der asiatischen Speisekarte, wo dann sogar mein des Englischen unkundiger Grossvater "bebi" sagte. Aber nein, keine "Zutschini". Stattdessen gute deutsche Orthographie: Da steht doch ein "ch"! Also "ch" wie in "ich", denn das ist die Grundaussprache (war im AHD anders, ist aber heute so; man denke im Hochdeutschen an "China" und "Molch" etc. Hier wird deutlich, dass der "ich"-Laut an deutlich mehr Stellen stehen kann und dort nicht mit dem "ach"-Laut kontrastiert). Also "Zu-chini"? Mitneffen! (Mitnichten, wie waere es mit "neff" statt "nicht", so ganz allgemein?)

Auch stoert sich niemand an dem doppelten "c". Dass der Haendler "Zukkini" sagte, hat der Deutsche ueberhoert. Ihm, als auf die Orthographie getrimmten, faellt es zunehmend schwerer ein Wort intuitiv zu behandeln. Der erste Nachsprechversuch ist meistens schon die beste annaeherung der eigenen Sprache an ein fremdes Wort. So kam es zur "Kartoffel" und vielen anderen. Doch treudoof dem Schriftbild folgend erfindet der Deutsche Woerter, die es gar nicht gibt.

Schlimmstes Beispiel ist der zweifache Aussprachefehler mit einfacher grammatischer Fragwuerdigkeit im Plural: "Gnocchis".
Ja, wie kann man das denn sprechen? g-n-o-tsch-i-s natuerlich, Laut fuer Laut zerteilt. Dabei koennten wir dem Italiener doch ein "Nocki" nachplappern (deutsche Orthographie, die uns die Aussprache ja vorgibt).

Zugegeben: Das Italienischer macht da etwas Ausgefallenes. Zuerst die Vorgeschichte: Das Graphem (Schriftzeichen) "H" steht seit roemischer Zeit in allen Sprachen, die sich des lateinischen ABCs (nicht "Alphabetes", das waere ja paradox!) bedienen, fuer Hauch oder Behauchung. "ph" fuer das behauchte "p" des Griechischen, das sich in hellenistischer Zeit zum "f" wandelte; ebenso chi und theta. Das "h" erscheint im Irischen bei allen Lauten, die sich zum Frikativ wandeln ("mh" fuer "w"). Und so weiter...

Ein kleiner Exkurs zum deutschen "sch". Nach meinem Dafuerhalten kodiert es den bezeichneten Laut auf mehrfache Weise. Das "s" steht fuer einen koronalen, stimmlosen Frikativ (und waere es nur das "s", dann waere der Laut alveolar als einfachste Instanz des Koronalen). Das "c" traegt die Information "palatal", legt also die Aussprachestelle fest, ebenso wie im "ch". (--> "palataler Frikativ". Der "ach"-Laut wird ja in der Latinisierung von Sprachen, die nur diesen haben, "kh" geschrieben --> "velarer Frikativ".) Das "h" steht fuer behaucht, also "Frikativ". Damit sollte die orthographische Rolle des "h" umrissen sein.

Nun aber das Italienische. Das "h" hat die Funktion, Wandlung zum Frikativ/Affrikat zu verhindern! Also das genaue Gegenteil. "gi" ist "dschi", "ghi" ist "gi" (ital. und dt. Orth. jeweils), und der Beispiele mehr.

Erklaeren kann man, wie der Deutsche zu seinen sonderbaren Aussprachen italienischer Woerter kommt, naemlich ueber die Orthographie. Warum er das macht? Keine Ahnung. Vielleicht weil er ein Federfuchser ist, oder jemand, dem man Obrigkeitshoerigkeit und Treue zum Geschriebenen eingebleut hat. Vielleicht waren wir deshalb vom Nationalsozialismus so leicht zu vereinnahmen. Wie auch immer die politische Dimension sei, das Massgebende ist letzten Endes immer noch das Sprachgefuehl und das gesprochene Wort. Analphabeten waeren nie auf "Zuch-ini" gekommen.

Kilian

#1
Die Logozentrik des Abendlandes wird nur noch von seiner Graphozentrik übertroffen. ;) Im Ernst:

Zitatdas Massgebende ist letzten Endes immer noch das Sprachgefuehl und das gesprochene Wort

Wer sagt das? In unserer hochalphabetisierten Gesellschaft, gerade weil sich auch immens viel Kommunikation ins Internet und aufs SMS verlagert, ist es doch natürlich, geradezu zwingend, dass man sich bei der Einverleibung fremdsprachiger Wörter in die eigene Sprache immer stärker mehr an der Schreibweise als an der Aussprache orientiert. Ich finde das nicht unverständlich oder erschreckend, sondern eher Jacke wie Hose. Wir sprechen und schreiben zwar von Sprache, aber ganz viel davon ist ja auch Schreibe - wir machen es hier gerade vor. Analphabeten sind als Maßstab der heutigen Sprachentwicklung kaum geeignet.

ZitatDoch treudoof dem Schriftbild folgend erfindet der Deutsche Woerter, die es gar nicht gibt.

Wieso nicht gibt? Ich sehe den Kanal des gesprochenen Wortes und den der Schrift als gleichwertige Wege der Wörterwanderung und der wechselseitigen Sprachenbefruchtung an. Wünschenswert wäre es wohl, die übernommenen Wörter, wenn man sie anders ausspricht als im Original, auch anders, möglichst nach deutschen Regeln, zu schreiben - aber da scheinen "wir" Deutsch Sprechenden wohl träge zu sein. Auch finde ich, dass "unser" Anspruch, alles Ausländische "korrekt" auszusprechen, natürlich oft "unseren" Fähigkeiten weit vorauseilt. Das ist gewiss eine "typisch deutsche" Drolligkeit. Nicht aber die "Treue zum Geschriebenen". Auch z.B. Engländer übernehmen z.B. französische Wörter viel mehr durch Lesen als durch Hören in ihren Wortschatz - und sprechen dann so, wie der englische Schnabel gewachsen ist.

Arnymenos

Dann hast Du die modernere, tolerantere, umfassendere Sicht dessen, was Sprache ist. Woerter wie "s(i)msen" und "Bafoeg" sind, das muss ich zugeben, aus ihrer Schriftform entstanden. Aber das ist eine so neue Entwicklung, dass ich mich damit noch nicht angefreundet habe.

amarillo

Zitat von: Kilian in 2005-02-10, 18:45:09
Auch finde ich, dass "unser" Anspruch, alles Ausländische "korrekt" auszusprechen, natürlich oft "unseren" Fähigkeiten weit vorauseilt. Das ist gewiss eine "typisch deutsche" Drolligkeit.

Aus dieser erwächst doch ungeheurer Spaß. Wie ein Spanier ein deutsches Wort ausspricht ist leicht vorhersagbar, wenn man ein wenig spanisch kann. Wie aber ein Landsmann es mit einem fremdländischen Begriff aufnimmt, ist immer wieder ein Quell erneuter Freude - meinetwegen auch Schadenfreude - meinetwegen auch Klugscheißerei.

Gnotschi heißen die Dinger bei mir schon seit Jahren. Gibt es denn ein größeres Vergnügen, als beim Italiener lauthals "GNOTSCHI" zu bestellen und dann zu lauschen, wie an den Nebentischen gekeckert, getuschelt und verbessert wird? Klugscheißer zu Beklugscheißern ist für mich bisweilen der Gipfel eines gelungenen Abends - dekadent, ich weiß.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

caru

das übel, mancher deutschsprachige könnte zuchini kaufen, gnotschi bestellen oder seine lieblingseissorte schtratzjatella (so gehört!) nennen, erscheint mir geringer als das gegen-übel.

wenn nämlich der italienischsprachige (ich habe drei oder vier gebildete exemplare dieser art befragt) "eingedeutscht" geschriebene spagetti auf der speisekarte findet, denkt er nur an einen schreibfehler und mokiert sich über unsre mangelnden italienischkenntnisse.
niemand hat das wort anders ausgesprochen, als das h noch drin war; niemandem erscheint das wort jetzt deutscher als vorher; ja, manche schulkinder werden es jetzt seltener falsch schreiben, WENN sie es denn schreiben müssen, aber dieselben kinder müssen auf die "original"-schreibung umlernen, falls sie mal italienisch lernen, und kriegen somit hintenrum eine neue fehlerquelle reingequetscht.

ähnlich mit vielen italienischen und sonstigen eß-ausdrücken. die vorteile der eindeutschung sind gering, unser barbarentum in den augen der muttersprachler umso größer.

ja, und im internet? wenn ich via google pasta-rezepte suche und "spaghetti" eingebe, kriege ich ALLE rezepte in anderen sprachen als deutsch! um die deutschen zu finden, muß ich nochmal extra "spagetti" eintippen. :P
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Nijntje - de echte nederlandse konijn

gehabt gehabt

Wir sind keine Barbaren, wir haben nur Minderwertigkeitskomplexe. Auf Spanisch heissen die Nudel espageti. Und auch an die Kekse hat man sich gewoehnt, niemand sagt mehr Cakes. Ich denke, in dem Moment, in dem ein Wort nicht mehr fremdlaendisch ausgesprochen wird, sollte man es auch eingedeutscht schreiben koennen. Und was gibt es deustcheres als Spagettis und Pizzen (nach dem Zeit Kolumnisten das schoenste deutsche Wort, noch vor dem finnisch klingenden Habselikaaiten    ; )   )

caru

ja wohl, was gibt es deutscheres? wenn du in einem wiener pizzalokal zwei pizzen bestellst, bekommst du sie bestenfalls in den kragen gestopft. oder du wirst mit verdächtigem seitenblick gefragt, wo du herkommst.

das sind pizze. und wer kein italienisch kann, pizzas. nichts anderes.
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Nijntje - de echte nederlandse konijn

amarillo

Seltsam, warum reagieren Eure Pizzeristen denn so angefressen? Alles verkappte Grammatiker?

Gut, daß sich der Rest der deutschsprachigen Welt nicht nach Wiener Pizzabäckern zu richten hat.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

caru

das sind normalerweise nationalstolze italiener. (wenn es nicht südslawen oder türken sind, auch das kommt vor.)
und "pizzen" ist einfach schwer verständlich. klingt komisch. für mich auch. wer das sagt, stammt sicher von nördlich des mains.
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Nijntje - de echte nederlandse konijn

Kilian

Dann ist mir nördlich des Mains aber deutlich lieber: Pizza als deutsches Wort wird dahingehend dekliniert, dass im Plural -en an die Stelle von -a tritt. Wie auch bei Basilika etc. Ist doch eine gute und schöne Regel. Statt dessen den Plural auf -as zu bilden, wäre für mich eine völlig gleichberechtigte Alternative, fände ich das Plural-s im Deutschen nicht hässlich. Aber warum, um alles in der Welt, sollte es neben Pizze und ausgerechnet Pizzas "nichts anderes" (caru wörtlich) geben?

amarillo

Ich breche noch schnell mal die bekannte Lanze für -nen als Anhängsel an vokalauslautende Nomen zur Vermeidung des Plural-s.
Pizzanen

Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

gehabt gehabt

Wie heisstes den nun richtig "Salzburger Nockerln" oder
"Salzburger Gnocci"? Un wie ist der Singular? Und die nicht Verniedlichungsform?

caru

es sind "salzburger nockerl", singular gleich plural (jedoch, wer ißt EIN salzburger nockerl?). ganz selten wird für den plural ein -n angehängt, das aber kaum zu hören ist.

wenn nockerl sehr groß sind, sind sie nock'n. singular gleich plural, wobei der singular (aus pragmatischen gründen, weil man meist nicht eine nock'n ißt) eher als schmähwort für frauenspersonen gebräuchlich ist: "fade nock'n" -->langweilige trine.
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Nijntje - de echte nederlandse konijn

gehabt gehabt

Falls es ja mal was aus der Personalversammlung wird, gehen wir zum Chinesen und caru bestellt. Das wird schoen ;-)

o.k. beim Edeliteliener in Wien sagt man Pizze   (zwei Pizze oder due Pizze??) und bei Pizzahut, Lidl und in Piefkeland sagt man Pizzen.

amarillo

¿y cómo la llamas en nuestro idioma? piza?

Ya que sabes que la doble "Z" no existe en español
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.