Starke Konjugation von "winken"

Begonnen von Ly, 2005-02-11, 00:57:18

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Ezilopp

Zitat von: Konrad Duden in 2005-10-22, 02:36:38Soweit ich sehen kann gibt es auch weder im Nibelungenlied, noch bei Hartmann von Aue, bei Wolfgang von Eschenbach, bei Walther von der Vogelweide, oder ähnlichen Autoren einen Nachweis der Form 'gewunken' oder einer ähnlichen, stark konjugierten Form von 'winken'.
Könntest Du mir mal erklären, wer Wolfgang von Eschenbach gewesen sein soll?

MrMagoo

Zitat von: Konrad Duden in 2005-10-22, 02:36:38
Also, ich muss hier mal Ordnung in dieses Dickicht von offensichtlichen Irreführungen bringen.

'winken' war in der gesamten deutschen Sprachgeschichte zu keiner Zeit ein starkes Verb. (Vgl.: Matthias Lexer, Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, 38. unveränd. Aufl., Stuttgart: Hirzel, 1992, Seite 323, Stichwort: 'winken'. Dort steht: "winken swv. (st. praet. wane nur Wigam 1837) sich seitwärts bewegen, wanken, schwanken,....")

Und auch zu althochdeutscher Zeit (etwa 500 - 750 n.Chr.) war 'winken' -übrigens ebenfalls schon in dieser Form- eines der damals noch wenigen schwachen Verben. (Zu Ausführlichen Informationen zur Entwicklung des deutschen Verbsystems: Wilhelm Schmidt, Geschichte der deutschen Sprache, 7. Aufl., Stuttgart: Hirzel, 1996, Seite 191ff., 241ff., 309ff.)

Selbst wenn tatsächlich im Lexer von achtzehnhundertdazumal stehen sollte, dass 'winken' ein starkes Verb sein soll, überzeugt mich das nicht: Da haben sich die Kollegen damals entweder geirrt oder ihnen ist ein Fehler unterlaufen.


Nun, wem der Lexer nicht genügt, der mag einen Blick ins "Etymologische Wörterbuch der deutschen Sprache" von Friedrich Kluge werfen.
Unter dem Stichwort "Wink" läßt sich folgendes finden:

Wink m. mhd. winc (k), ahd. winch: zu winken, mhd. winken, ahd. winkan, st. Ztw. 'sich seitwärts bewegen, schwanken, nicken', gleichbed. mit ags. wincian, engl. wink. Daneben mit Ablaut Wank.
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

MrMagoo

Zitat von: Konrad Duden in 2005-10-22, 02:36:38
Oder ihr propiert mal aus in dem Wörterbuch der Technischen Uni Chemnitz nach 'winken' bzw. 'gewunken' oder 'gewinkt' zu suchen und seht euch dann das Suchergebnis einmal genau an. Sollte irgendwo die Abkürzung ugs. erscheinen: Das heißt: umgangssprachlich; also: standdardsprachlich nicht korrekt.
http://dict.tu-chemnitz.de

Soweit ich sehen kann gibt es auch weder im Nibelungenlied, noch bei Hartmann von Aue, bei Wolfgang von Eschenbach, bei Walther von der Vogelweide, oder ähnlichen Autoren einen Nachweis der Form 'gewunken' oder einer ähnlichen, stark konjugierten Form von 'winken'.


Ich möchte hier doch betonen, daß es weder im Althochdeutschen noch im Mittelhochdeutschen einen Standardgrammatik gab - und auch keine einheitliche Rechtschreibung (das müßten Sie eigentlich am besten wissen, Herr Duden).

Selbst wenn also der Vermerk "ugs." auftauchen sollte, dann ist es immer noch fraglich, ob es auch bereits im Mittelalter - oder erheblich früher - eine ugs. Form war (=in dem Falle nennt man das einen Wandel im Sprachgebrauch) - als bestes Beispiel bietet sich hier immer noch das Wort "Weib" an, das im Mittelalter die ganz normale Bezeichnung für "Frau" gewesen ist - und zwar die Frau im Ggs. zum "Mann"; heute jedoch bedeutet "Weib" standardsprachlich nicht das, was es noch vor 500 Jahren bedeutete... ;)
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

VerbOrg

Ein Weib ist heutzutage keine Frau mehr? Das muss ich mir merken.

MrMagoo

Zitat von: VerbOrg in 2005-10-22, 18:33:30
Ein Weib ist heutzutage keine Frau mehr? Das muss ich mir merken.

Ich bezweifle, daß Du das Wort "Weib" synonym für "Frau" benutzt! (Jedenfalls hoffe ich das) :D
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

VerbOrg

Das nicht, aber immerhin ist's für mich eine weibliche Person.
Ich wollte nur nachhaken, ob mittlerweile aus dem Weib ein Mann geworden ist oder nicht.

Günter Gans

Soll ja verulnzen vorkommen.

Kleiner Abschwiff:
Richard Rogler führt die Verluste der Union bei der jüngsten Bundestagswahl u.a. auf das Wink-Handicap des Merkels zurück. Und das kam so: Damals in der DDR hatte ja niemand nüscht, auch keine Federballschläger. Und so musste Klein-Angie die selbstgebolstenen Federbälle mit der bloßen Hand dittschen. Das ist ihr geblieben, und so sieht es reichlich seltsam aus, wenn sie winkt, erst recht im Vergleich mit dem ein- und beidarmigen Winkmeister Schröder.

Gehen Sie immer in den Wald zur Paarung? (Loriot)

VerbOrg

Ich hatte sehr wohl einen Federballschläger. Was heißt hier einen, ich hatte sogar zwei. Da brauchte ich mich nicht gans allein mit meinem selbstgebolstenen Federball zu beschäftigen ;)

Günter Gans

Du bist ja auch viel jünger als das Merkel. Stell dir nur vor: Templin, Anfang oder Mitte der fünfziger Jahre, und dann noch ein pietistisches Missionarselternhaus - au weia.
Gehen Sie immer in den Wald zur Paarung? (Loriot)

Kilian


VerbOrg

Echt stark, Scheff, aber normalerweise gab es in meinem Umfeld noch andere nervige Fernseher. Und einer von denen durfte dann mit dem anderen Federballschläge spielen. Das war einfacher.

Ly

Zitat von: Konrad Duden in 2005-10-22, 02:36:38

Oder ihr propiert mal aus in dem Wörterbuch der Technischen Uni Chemnitz nach 'winken' bzw. 'gewunken' oder 'gewinkt' zu suchen und seht euch dann das Suchergebnis einmal genau an. Sollte irgendwo die Abkürzung ugs. erscheinen: Das heißt: umgangssprachlich; also: standdardsprachlich nicht korrekt.
http://dict.tu-chemnitz.de


Es gab damals noch gar keine Standardsprache, sondern nur die Umgangssprache. Daher gab es auch keinen Fall, in dem es nicht korrekt gewesen wäre. ;D
It isn't always how you look. Look at me. I'm handsome like anything, and I haven't got anybody to marry me yet.

Edi

Zitat von: MrMagoo in 2005-02-11, 17:53:50
Daß die Form "gewunken" anstelle "gewinkt" gebräuchlicher ist als "wank" anstelle von "winkte" hat folgenden Hintergrund:

Die Formen des Präteritum unterliegen stärker der Schwächung als die Perfektformen, da das Partizip auch als Adjektiv verwendet werden kann.

Am einleuchtendsten kann man das am Beispiel "backen" sehen:
Man kann sagen:

Ich habe gebacken oder: ich habe gebackt, allerdings kaum noch:
Ich buk sondern stattdessen: ich backte.

---> Neben der Verwendung im Perfekt erscheint "gebacken" nämlich auch als Adjektiv, wohingegen "gebackt" in dieser Verwendung kaum üblich ist; z.B. in:
Ein gebackener Kuchen oder: Der Kuchen ist gebacken

Ein gebackter Kuchen oder: Der Kuchen ist gebackt
klingt nicht gut und wird daher vermieden - und so gibt es viele Verben, die heute neben der schwachen ihre ehemalige starke Perfektform genau deshalb behalten haben. Diese sind nämlich in adjektivischem Gebrauch noch immer den schwachen Formen vorzuziehen. Das Präteritum hat hier die alten starken Formen weitestgehend aufgegeben.

Beispiele:
falten - faltete - gefaltet; als Adj: gefalten
salzen - salzte - gesalzt; als Adje: gesalzen
verhehlen - verhehlte - verhehlt; als Adj: verhohlen
mahlen - mahlte - gemahlt; als Adj: gemahlen

usw.

Ist schon spannend, wenn man mal die Präferenzen vergleicht. Für mich geht weder "gebackt" noch "gemahlt", sondern nur "gebacken" und "gemahlen"; "gesalzt" ist für mich stark am Rande der Akzeptanz, verwenden würde ich es sicher nicht.  Auf der anderen Seite ist für mich "gefalten" nicht akzeptabel. Ich sage eher "buk" als "backte", aber bestimmt nicht "sielz" oder "muhl"  ;D  

Der Übergang von den starken zu den schwachen Verben, wie du ganz richtig sagst, fängt im Präteritum an. (Es gibt natürlich auch immer Ausnahmen wie die Aufnahme von "schreiben" in die starken Verben in Analogie zu "treiben".) Was ich nicht verstehe, ist der Grund für die Abwertung von "gewunken". Persönlich empfinde ich die Form unmarkiert - ganz im Gegensatz zu "gewinkt". Und im Allgemeinen sind Schriftsprachen konservativ und neigen dazu, die ältere Form zu bevorzugen. Kennt jemand den Hintergrund dieser Kodifizierung von "gewinkt"?

MrMagoo

#43
Entschuldigung, bitte - bei "gemahlt" habe ich mich vertippt; dort gibt es (noch) kein schwaches Partizip2.

Von "backen" allerdings schon, ich konnte es sogar schon hören... *schauder*


"gefalten" als Partizip2 ist hier in meiner Region durchaus üblich, ich selbst benutze es auch; seit neuestem übrigens auch bewußt in dieser starken Form.
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

MrMagoo

#44
ZitatDer Übergang von den starken zu den schwachen Verben, wie du ganz richtig sagst, fängt im Präteritum an. (Es gibt natürlich auch immer Ausnahmen wie die Aufnahme von "schreiben" in die starken Verben in Analogie zu "treiben".)

Ja genau, bei einigen wenigen Verben geht es auch in die andere Richtung; bei "schreiben" ist es vielleicht sogar noch ein besonderer Fall, denn es ist ein altes Lehnwort und hat sich daher wahrscheinlich schon seit seiner Aufnahme in den Wortschatz deutscher bzw. germanischer Dialekte in den dortigen Ablaut eingeordnet - vielleicht sogar in einer Zeit, in der die Tempusbildung mit Ablaut noch produktiv war?!
Soll also heißen: Vielleicht hat "schreiben" nie der schwachen Konjugation angehört?!

Andere Verben, wie z.B. "dingen", sind ursprünglich schwach und haben die starke Konjugation tatsächlich in Analogie an andere starke Verben angenommen.



ZitatWas ich nicht verstehe, ist der Grund für die Abwertung von "gewunken". Persönlich empfinde ich die Form unmarkiert - ganz im Gegensatz zu "gewinkt". Und im Allgemeinen sind Schriftsprachen konservativ und neigen dazu, die ältere Form zu bevorzugen. Kennt jemand den Hintergrund dieser Kodifizierung von "gewinkt"?


Das kann ich auch nicht verstehen, und ich verteidige mein "gewunken" - ich sage das seit eh und je. (Aber mir rutscht manchmal sogar auch ein "frug" (von: fragte) raus... *gg*).

Ich nehme an, daß die schwache Form sich erst richtig dank Duden durchsetzen konnte, der die schwache Konjugation als Standard anführt; anders kann ich mir das sonst auch nicht erklären...

Gruß
-MrMagoo
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)