erinnern

Begonnen von amarillo, 2005-03-18, 12:15:02

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Kilian

Ein (er)starr(t)es Partizip, das zu einem Verb (wieder)belebt wurde - wie in unserem Faden horrend stupend.

eine_Naivitaet

Ich stoße beim Lesen deutscher Arbeiten regelmäßig auf die Formulur "Das meint....".
Da selbst äußerst sprachliebende Menschen in ihren Germanistik-Hausarbeiten ständig den Ausdruck zum Erklar verwenden, bin ich stark irritiert...
Ist Bedeuten jetzt bedeutungslos?????

VerbOrg

Tritt doch mal die Offensive an.
Wenn du nicht willst, dass Leute statt "Das bedeutet" ständig "das meint" sagen, dann führe ihnen die ganze Sache doch mal vor Augen, indem du statt "Ich meine" sagst "Ich bedeute". Ist zwar kein so schöner Anglizismus, aber vielleicht macht es ja den einen oder anderen stutzig?

Okeh, ist vielleicht ein blöder Vorschlag und mit Sicherheit nicht universell einsetzbar, aber interessant wäre es schon, wie die Leute reagören...
In meinem unmittelbaren Bekanntenkreis hat sich das "meinen" glücklicherweise noch nicht durchgesetzt.

In "Nollops Vermächtnis" las ich nun mit Schrecken wieder das unreflexive "erinnern", das der Ausgangspunkt dieses Fadens war. Da frug ich mich, ob es denn keine Lektoren mehr gibt, die solche Fehlgriffe des Übersetzers ausmerzen können, wenn er es selbst schon nicht besser weiß. In Vorlesungen war es ja nichts ungewöhnliches, dieses unreflexive "erinnern" zu hören, aber wenn ich dann in einem Buch lese:

"Im Geist", sagt sie, " wiederhole ich alles, was ich aus dem Brief meiner Nichte erinnere (...)"

Und solches auch noch in einem Brief, geschrieben von einer jungen Dame, die auf einer Insel lebt, deren Bewohner sich ihrer geballten Sprachlichkeit so rühmen... ts ts ts.

eine_Naivitaet

Also, sowohl das Erinnern als auch das Meinen finde ich zuhauf in Fachliteratur. Ich habe das Gefühl, dass sowohl die Auto-, wie auch die Lektoren  ;) es begrüßen, wenn da eine Art "neue Sprache" entsteht, die ihre Internationil betont...

VerbOrg

Mir krempeln sich die Fußnägel hoch, wenn ich so was lese. Das meint, ich finde diesen Trend nicht so toll. Ich bedeute, zumindest wir sollten da nicht mitmachen.
Brrrrr.

amarillo

Wohl weniger betont denn vortäuscht. Angeberei und Wichtigtuerei.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Blindfisch

Zitat von: David in 2005-05-03, 15:08:06
Ich habe mich bisher nicht wirklich intensiv der Stärkung von Verben gewidmet und bin nur durch eine Suchmaschine auf diese Diskussion gestoßen. Mir kam gerade der Ausspruch "Ja, ich erinnere das!" einer alten Bekannten wieder in den Sinn und wollte mal recherchieren, was es mit der nicht-reflexiven Verwendung dieses Verbes eigentlich auf sich hat.

Hier wurde das als Anglizismus bezeichnet. Kann es sein, daß es sich dabei aber lediglich um eine Eigenheit handelt, die auf den Dialekt zurückzuführen ist? Mir ist nämlich aufgefallen, daß ich das hauptsächlich von norddeutsch geprägten Mitmenschen (bspw. Hamburg und Kiel) höre. Und da wäre ja eine gewisse Anlehnung ans Englische durchaus natürlich.

Vielleicht könnte dieser Aspekt ja in dieser Diskussion mal aufgegriffen werden.

:), David

Das möchte ich hiermit erledigen. Ich benutze erinnern auch nur in reflexiver Form oder wenn ich jemanden an etwas erinnere. Allerdings hat der Pastor Adolph Ulrich Hansen im Jahre 1834 in einer Chronik über den Ort Wandsbek (heute ein Bezirk Hamburgs) folgendes geschrieben:

Man erinnert Markttage, da am Abend alle Bäckerläden geschlossen waren.


Ist das Erinnern einer Sache vielleicht doch kein Anglizismus? Immerhin hat hier ein Norddeustcher, wie vom Gaste David oben beschrieben, dieses aufgeschrieben. Liegt es vielleicht an uns Fischköppen, dass man heute Sachen oder Tage o. ä. erinnert, anstatt sich derer zu erinnern?

Übertreiber

Meines Wissens hat das unreflexive erinnern zumindest im Norddeutschen schon längere Tradition, da es mit dem Angelsächsischen ein kleines Stückchen verwandter ist als das Hochdeutsche. Wohlgemurken wollen sich die "seriösen" Zeitungen wohl kaum am Norddeutschen orientieren, das "etwas erinnern" ist ziemlich englischen Ursprungs.

PS: Ich persönlich versuche auch, den Genitiv nach "erinnern" wiederzubeleben. "Man erinnert sich der Markttage" klingt in meinen Ohren noch besser. :)
Kampf dem Schicksal!