Tmetisches Sonett zum Frühlingsanbruch

Begonnen von caru, 2005-03-23, 20:02:13

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caru

Tmetisches Sonett zum Frühlingsanbruch


Der Westwind or sich temper. Auf dem Feuer
iert man nicht länger Eßkastanien fritt;
Väterchen Frost or seine Schlacht für heuer
verl, und den heiß umkompf'nen Posten quitt.

Noch gestern or man frr! In Park und Auen
ieren wir heute spaz, promen und flan;
schon ieren stolz - und Weibchen hof - die Pfauen,
und schnabul mit der Schwänin iert der Schwan.

Der Fink im Strauch iert tiril, wie wir hören,
wohl iert die Finkin applaud, iert er paus;
iert st der Star, die Starin wird's nicht stören.

Kokett iert Mäuserich mit Haselmaus,
den Hag iert Blatt und Knöspchen z - ach, ören
wir bald schon zweisam marsch ins Feld hinaus!
(\___/)
(>´x´<)
('.')__('.')

Nijntje - de echte nederlandse konijn

Kilian

*applaudiert* Das leg ich mir im Schmuckrahmen auf den "Beim-nächsten-Update-aufnzunehmen"-Stapel. Was bedeutet "tmetisch"?

caru

tmetisch "auf dem prinzip der --->tmesis beruhend.

tmêsis, gr. "abtrennung" (zu temnô "schneiden") nennt man das phänomen, daß bisweilen verben von den eigentlich vorne dran gehörigen vorsilben getrennt  benutzt werden, als wären vorsilbe und verb zwei wörter.
häufig im homerischen griechisch:

ek toi ereô "heraus werd' ich's dir sagen" (:exerô "ich werde aussagen")

und in der sprache des rigveda:

upa tvaagne [...] namo bharanta emasi "nahe dir, agni, verehrung bringend kommen wir" (:upaimasi "wir kommen nahe")

normalerweise kann dabei von "abschneiden" keine rede sein, sondern zur abfassungszeit der texte war die vorsilbe eben noch nicht fix mit dem verb verbunden, nur tendenziell; eigentlich war sie noch selbständiges adverb.

da es nun der neueren forschung gelungen ist, das deutsche verb "ieren" von seinen mannigfaltigen, oft mehrsilbigen präfixen abzuspalten, wird der begriff "tmesis" hier wohl erstmalig richtig angewandt und hat also auch die ableitung eines adjektivs verdient  :D


in diesem sinne muß auch auf eine neue variante des wasserkocher-vierzeilers hingewiesen werden. alternativ zu bisheriger zeile 3 und 4 lies:

"die funken sproh'n, der draht glomm rot:
der wasserkocher or explod!" :D :D :D
(\___/)
(>´x´<)
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Nijntje - de echte nederlandse konijn

Caoimhín Caoilfhinn Ó Braonáin

Das ist ja wunderbar, hab mich beim Lesen ununterbrochen unter'n Tisch gelochen. Eine Frage allerdings summt mir im Kopf herum und zwar zur Betonung der tmetischen Verben: Bei frr ieren denke ich, ist klar, dass man frr auch betont, wie bisher bei Verben wie ausgehen, vormachen usw. Aber was passiert mit schnabul ieren? Heißt es schnábul ieren oder schnabúl ieren? Das Metrum verlangt ja hier schnábul, aber für prosaische Zwecke wäre doch eine Regelung nicht schlecht...
´ôleto mén moi nóstos, atàr kléos áphthiton éstai

asmé prthú s´rávo brhát | vis´vâyur dhehy ákshitam

ek veit einn at aldri deyr | dómr um dauðan hvern

                                  Sigemunde gesprong
æfter deaðlæge      dom unlytel

amarillo

Zitat von: caru in 2005-03-23, 20:02:13
Tmetisches Sonett zum Frühlingsanbruch


Der Westwind or sich temper. Auf dem Feuer
iert man nicht länger Eßkastanien fritt;
Väterchen Frost or seine Schlacht für heuer
verl, und den heiß umkompf'nen Posten quitt.

Noch gestern or man frr! In Park und Auen
ieren wir heute spaz, promen und flan;
schon ieren stolz - und Weibchen hof - die Pfauen,
und schnabul mit der Schwänin iert der Schwan.

Der Fink im Strauch iert tiril, wie wir hören,
wohl iert die Finkin applaud, iert er paus;
iert st der Star, die Starin wird's nicht stören.

Kokett iert Mäuserich mit Haselmaus,
den Hag iert Blatt und Knöspchen z - ach, ören
wir bald schon zweisam marsch ins Feld hinaus!

The western winds blow gently, the fires don't roast
Our chestnuts any longer on the stove.
And father frost no longer is allewn to boast
Of dominance in field and road and grove.

T'was yesterday that we chull, now we're strolling
'cross fields and flats along the greenish creek.
The peacocks court, the mares await their foaling,
The swans carress the swaness' purple beak.

The finch abush enchants the finchhen's yearning
As she applauds he comes to sudden halt.
Our starling's heart with deepest love's a-burning,

No longer is the dormouse scared of sex assault.
Blossoms, blooms and buds now come a-churning,
So, dearest heart, let's spring, jump, leap and vault.



FRÖHLICHE OSTERN ALLERSEITS

amarillo
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

caru

dir auch fröhliche ostern, amarillo   :) :D :D :D








@caoimhín:

instinktiv hätte ich gesagt, schnábul - weil endbetonung im deutschen so selten ist, und weil es sich ja um ein deutsches wort handelt: das verb ist eine scherzhafte latinisierte ableitung von "schnábel". (in einem buch aus dem 19.jh. las ich tatsächlich einmal "schnabelieren".)

"kokétt ieren" steht dem natürlich entgegen, aber auch da gilt die regel: das abgeschnittene präfix wird so betont, wie es als separates deutsches wort betont würde.

in regelfreier luft hängen bleibt dabei "promén/prómen ieren", weil es "promen" nun mal nicht gibt - in keiner mir bekannten sprache. wenn die endbetonung durch etwas nahegelegt wird, dann durch die französischen formen "je me promène, tu te promènes, elle se promène, ils se promènent", die allesamt (ungefähr) /promén/ gesprochen werden.
da es ein exotisches wort ist, stört die endbetonung auch nicht weiter, finde ich. aber zwingend ist sie nicht (wann ist eine sprachliche regelung das schon?).
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Nijntje - de echte nederlandse konijn

Arnymenos

Gut Temn georen! Tmesis gefällt mir als Bergiff dafür.

Die Betonungsfrage der frei gewordenen Verbalsubstantive ist schwierig. Ich verwende ' für die Hauptbetonung und , für die Nebenbetonung in Anlehnung an die phonetische Schrift. Wir haben im Wesentlichen zwei Möglichkeiten:

1) Betonungskongruenz
Das heißt, die Betonung wird in einer bestimmten Form "zugewiesen", und was dem Wort widerfähra (Entschuldigt. Ich bin des Konjunktivs Futur nicht wirklich mächtig) in seiner Wanderung durch die Morphologie (und hier gar Derivation), die betonte Silbe bleibt stets die gleiche (oder die selbe?).
Das hieße: 'schnabul wegen ,schnabu'lieren

2) Neuzuweisung
Hier gehen wir davon aus, dass zumindest Nebenbetonungen im Deutschen in Gänze vorhersagbar sind, und dessen bin guter Hoffnung. Damit wäre die Nebenbetonung auf "schna" nicht weiter zum Wort gehörig. Dem folgend verschwindet sie, wenn wir "Schnabul" derivieren, welches nun eine neue Betonung erhält. Nach den sehr undurchsichtigen Regeln der Betonung im Deutschen (Ich habe schlaflose Nächte deswegen verbrungen) erhielten wir der/die/das schna'bul, welches lediglich georen werden kann, sonst aber nichts.


Bemerkenswert finde ich auch, dass "frr ieren" zwei R erhält.

Frohe Ostern!

caru

Zitat von: Arnymenos in 2005-03-25, 22:37:55

Bemerkenswert finde ich auch, dass "frr ieren" zwei R erhält.



die regel dafür lautet:

1) wenn das abgespaltene präverb keinen vokal hat, wird als ersatz für einen solchen der endkonsonant gelängt, sofern möglich; desgleichen, wenn es auf einen cluster endet (dann als ersatz für eine aussprechbare zusätzliche silbe).

2) die längung wird graphisch dargestollen, sofern dies möglich ist, ohne dem deutschen schriftbild gewalt anzutun, also bei sonoranten und nasalen jederzeit: "ich or schmm, du orst filtrr, es or stagnn, sie or vibrr."
(theoretisch ließe sich dergleichen auch bei "z ieren" durchführen: "ich or tss", aber das erschwäre dem leser, das verb identifiz zu ieren.)
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Nijntje - de echte nederlandse konijn

Ku

Ör`Ku tmetis ein Verb
nicht jeder öre es kap
so mancher lüsse erb
und lähne sowas ab.

Entschuldigung, ich übe noch  :-[.

amarillo

If Ku just tmote a verb
Would we find it superb?
Of course, so don't turn pale,
What you did was no fail.

Wir üben doch alle nur; kein Anlaß zu apologetischen Verbeugungen. :D
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Ku

Ör`ich fris mein Haar
und lög` adrett die Locke,
wär ich dann einer?

Kilian

Oder schiene solch
ein Kopfputz mehr, als er wär'
- blendte sein Glanz uns?

amarillo

Und was für einer...
gälest Du Dir noch den Schopf,
jed's Weib ör' jubil.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Ku

Oer`ich gel mein Haupt
wär ich wie ein helles Licht
das Haar ist schon wech

amarillo

Es blönk ein Lämplein
örest Du Dein Haupt noch pol.
Lichtschein im Dunkel.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.