Mal angenommen...

Begonnen von MrMagoo, 2005-04-02, 19:49:58

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MrMagoo

So heißt ein von mir noch während meiner Schultage verfaßter Text zu Ehren des Konjunktivs.
Einst glaubte ich ihn verlegt zu haben; ein Grund mehr, ihn hier ins Forum zu stellen, denn dann finde ich ihn wenigstens wieder.

Es grüßt
-MrMagoo

P.S.: Dies ist die Originalfassung, es sind hier keine schwachen Verben gestorken worden - vielleicht hole ich das später mal nach. :) Viel Spaß beim Lesen.



Mal angenommen, du stündest vor meiner Wohnungstüre und läutetest, denn ich lüde dich ein, dann sähest du wahrscheinlich ziemlich blöde aus, wenn ich dir nicht die Tür öffnete.
Angenommen, ich öffnete die Tür wirklich nicht, dann gingest du wahrscheinlich wieder, denn du dächtest, ich verkohlte dich, und du frügest dich, warum ich das nur täte, denn das fändest du bestimmt nicht gut.
Also könnten wir eher annehmen, ich öffnete dir und bäte dich, einzutreten - diese Aufforderung verstündest du falsch und trätest mir die Tür aus den Angeln. Wenn das geschähe, schriee ich dich sicherlich an, was das ganze denn solle. du schildertest mir dann den Sachverhalt und nenntest mich als Idioten, was ich wiederum als persönliche Beleidigung empfände. In dieser Situation wüchse ich über mich hinaus, griffe zum Messer und stäche mit selbigem auf dich ein. Dann lägest du am Boden, schrieest um Hilfe und spieest dabei Blut und Lunge aus dir heraus. Ich trüge dich dann in die Küche und legte dich vor den Herd, in dem Holz brennte und auf welchem bereits ein Kessel stünde, in dem Wasser sötte. Ich übergösse dich dann mit selbigem Wasser und du stürbest einen qualvollen Tod. Wenn ich das wirklich so täte, ließe ich dich noch ein paar Stunden so liegen, auf das deine Seele in die Hölle entschwände. Dann brächte ich dich in die Speisekammer, bräche dir alle Knochen, zöge das Fleisch ab, wüsche und würzte es und briete es kurz an. Danach fettete ich eine Backform, indem ich sie mit Margarine bestriche, gäbe das angebratene Fleisch in die Form und schöbe es in den Backofen. Wenn dann der Bratenduft das Haus durchzöge und meine Nachbarin käme und mich früge, was ich denn da büke oder briete, dann lüde ich sie einfach zum Essen ein, sodaß sie es probieren könne. Sie säße dann an meinem Tisch und genösse den Braten. Sie tränke einen Rotwein dazu, den ich vorher mit Schlafmittel versetzte, bevor ich ihn ihr eingösse. Und wenn sie dann so säße und fräße, pardon: äße und tränke, fiele sie wohl nach ein paar Minuten vom Stuhl. Ich dächte dann sicher, daß es das Beste wäre, wenn ich sie auch umbrächte. Vielleicht dächte ich aber auch, daß sie mir leid täte, wenn ich sähe, wie sie am Boden läge. Ich riefe dann eher den Notarzt, der sie ins Krankenhaus brächte. Dort entleerten sie ihr den Magen und fänden das Schlafmittel, oder, was noch schlimmer wäre, sie fänden dich!!
Dann flöhe ich vor der Polizei, doch wahrscheinlich erschössen mich die Polizeibeamten dann auf meiner Flucht und dann stürbe ich ja auch, da hätte ich ja auch keinen Nutzen von, und wenn du jetzt gleich klingeln wirst, werde ich die Tür öffnen und dich bitten einzutreten...
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

Kilian

Wie klasse! Ich habe sehr gelacht! :D

Arnymenos

Zitat von: Kilian in 2005-04-03, 11:48:07
Wie klasse! Ich habe sehr gelacht! :D
Was wären derartig gesponnene Geschichten ohne den Konjunktiv? :) Übrigens muss die m.E. nicht gestorken werden, der Anteil starker Verben ist mehr als ausreichend.

Und jetzt eine kleine Umfrage: Wieviele Personen sterben in der Geschichte? 0, 1 oder 2?

Könnte man nicht den Konjunktiv 2 durchweg Irrealis nennen und den Konjunktiv 1 Potentialis? Damit es wenigstens begrifflich nicht zu Verwechslungen kommt; die Vermischung der beiden ist ja unaufhaltsam, eventuell auch ihr gemeinsames würdeloses Aussterben.

MrMagoo

Zitat von: Arnymenos in 2005-04-03, 18:21:43
Könnte man nicht den Konjunktiv 2 durchweg Irrealis nennen und den Konjunktiv 1 Potentialis? Damit es wenigstens begrifflich nicht zu Verwechslungen kommt; die Vermischung der beiden ist ja unaufhaltsam, eventuell auch ihr gemeinsames würdeloses Aussterben.


Schwerlich, denn Realis, Potentialis und Irrealis beziehen sich nicht auf Indikativ und Konjunktiv sondern auf die mit 'falls' oder 'wenn' eingeschränkten Bedingungssätze.

Dabei steht im Realis der Indikativ
"Wenn er kommt, fahren wir nach Hause"

im Potentialis der Konjunktiv des Präteritum (oder das Konditional)
"Wenn er käme, führen wir nach Hause (oder: ... würden wir nach Hause fahren)"

im Irrealis der Konjunktiv des Plusquamperfekts
"Wenn er gekommen wäre, wären wir nach Hause gefahren".


"Realis, Potentialis, Irrealis" beziehen sich also nicht auf die jeweilige Zeit bzw. den Modus sondern auf das ganze Gefüge.
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

MrMagoo

Zitat von: Kilian in 2005-04-03, 11:48:07
Wie klasse! Ich habe sehr gelacht! :D

Danke für das Kompliment. :)
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

gehabt gehabt

Und wer traut, sich, die was waere wenn Geschichte in Starkdeutsch zu uebersetzen? Vor ein paar Jahren las ich in der Zeit ueber einen ganzen Roman, der im Konjunktiv geschrieben ist.

VerbOrg

Ich hab' mich mal dran versochen und festgestollen, dass die meisten Verben gar nicht mehr gestorken werden müssen, die sind schon von Natur aus ziemlich kräftig.
Ich hoffe, ich habe nicht allzu viel übersehen.
Da wird man ja ganz kirre im Kopf!


Mal angenommen, du stündest vor meiner Wohnungstüre und lürtest, denn ich lüde dich ein, dann sähest du wahrscheinlich ziemlich blöde aus, wenn ich dir nicht die Tür önffe.
Angenommen, ich önffe die Tür wirklich nicht, dann gingest du wahrscheinlich wieder, denn du dächtest, ich verköhle dich, und du frügest dich, warum ich das nur täte, denn das fändest du bestimmt nicht gut.
Also könnten wir eher annehmen, ich önffe dir und bäte dich, einzutreten - diese Aufforderung verstündest du falsch und trätest mir die Tür aus den Angeln. Wenn das geschähe, schriee ich dich sicherlich an, was das ganze denn sälle. Du schürldest mir dann den Sachverhalt und nenntest mich als Idioten, was ich wiederum als persönliche Beleidigung empfände. In dieser Situation wüchse ich über mich hinaus, griffe zum Messer und stäche mit selbigem auf dich ein. Dann lägest du am Boden, schrieest um Hilfe und spieest dabei Blut und Lunge aus dir heraus. Ich trüge dich dann in die Küche und legte dich vor den Herd, in dem Holz brönne und auf welchem bereits ein Kessel stünde, in dem Wasser sötte. Ich übergösse dich dann mit selbigem Wasser und du stürbest einen qualvollen Tod. Wenn ich das wirklich so täte, ließe ich dich noch ein paar Stunden so liegen, auf das deine Seele in die Hölle entschwände. Dann brächte ich dich in die Speisekammer, bräche dir alle Knochen, zöge das Fleisch ab, wüsche und wörze es und briete es kurz an. Danach fötte ich eine Backform, indem ich sie mit Margarine bestriche, gäbe das angebratene Fleisch in die Form und schöbe es in den Backofen. Wenn dann der Bratenduft das Haus durchzöge und meine Nachbarin käme und mich früge, was ich denn da büke oder briete, dann lüde ich sie einfach zum Essen ein, sodaß Prob sie es ieren könne. Sie säße dann an meinem Tisch und genösse den Braten. Sie tränke einen Rotwein dazu, den ich vorher mit Schlafmittel versäze, bevor ich ihn ihr eingösse. Und wenn sie dann so säße und fräße, pardon: äße und tränke, fiele sie wohl nach ein paar Minuten vom Stuhl. Ich dächte dann sicher, daß es das Beste wäre, wenn ich sie auch umbrächte. Vielleicht dächte ich aber auch, daß sie mir leid täte, wenn ich sähe, wie sie am Boden läge. Ich riefe dann eher den Notarzt, der sie ins Krankenhaus brächte. Dort entleerten sie ihr den Magen und fänden das Schlafmittel, oder, was noch schlimmer wäre, sie fänden dich!!
Dann flöhe ich vor der Polizei, doch wahrscheinlich erschössen mich die Polizeibeamten dann auf meiner Flucht und dann stürbe ich ja auch, da hätte ich ja auch keinen Nutzen von, und wenn du jetzt gleich klingeln wirst, werde ich die Tür öffnen und dich bitten einzutreten...


Aber müsste es nicht auch heißen: "stürbe eines qualvollen Todes?"

Kilian


VerbOrg

Ich kannte bisher nur die Genitiv-Variante. Wieder was dazugelernt. Na ja, man wird alt wie eine Kuh...
(Mist, passt nicht, die werden ja normalerweise nur ca. 17-25 Jahre alt, sofern sie nicht vorher geschlochten werden)

MrMagoo

Zitat von: VerbOrg in 2005-04-06, 06:46:56
Ich kannte bisher nur die Genitiv-Variante. Wieder was dazugelernt. Na ja, man wird alt wie eine Kuh...
(Mist, passt nicht, die werden ja normalerweise nur ca. 17-25 Jahre alt, sofern sie nicht vorher geschlochten werden)


Hmm, interessant, daß Du dieses Sprichwort kennst - ich selber kenne es von meiner Mutter und auch von meiner Oma, nur wenn's mir mal rausrutscht, gucken alle wie'n Schaf wenn's donnert...
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

VerbOrg

Bei dem Spruch steh' ich jetzt allerdings da wie der Ochs vorm Scheunentor.

Kilian

Jetzt wiederum gucke ich wie Auto, weil ich den Ochsenspruch nur mit nem Berg kannte.

VerbOrg

Na ja, wenn der Berg nicht zum Ochsen kommt, muss halt der Ochse zum Berg...
(Oder war das der Spruch mit dem Propheten?)

VerbOrg

ZitatAutor: Kilian  Datum/Zeit: 04/06/05/22:16:11  
Jetzt wiederum gucke ich wie Auto, weil ich den Ochsenspruch nur mit nem Berg kannte.  
Ich hab' mich da mal im Röhrich schlau gemacht.
Dort gibt es nur die Sprüche

Er steht da wie der Ochse am Berg
und
Etwas ansehen wie die Kuh das neue Tor.

Ich weiß nicht, ob die Kombination beider Sprüche eine mecklenburgische Eigenart ist, aber ich kannte es nur mit dem Ochsen vorm Scheunentor.

Luther schreibt lt. Röhrich im "Sendbrief vom Dolmetschen":
Welche Buchstaben die Eselsköpfe ansehen wie die Kühe ein neu Tor.

usw.

Ist übrigens nicht der einzige Spruch, in dem man die Rindviecher austauschen kann.

So gibt es beispielsweise den Spruch
Die schwarze Kuh hat ihn gedrückt
oder ostfriesisch
De swarte Os het her al up den Fôt treten

Beides bedeutet, dass jemand ein Pechvogel ist und viel Ungemach erleiden musste.