Anfrage

Begonnen von amarillo, 2006-09-07, 09:23:21

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Beck Messer

Zitat von: Stollentroll in 2013-02-15, 19:27:55
Erklären können das nur Homer und der Scheffe ...

Also, wenn Du da mal die Rechnung nicht ohne den Wortklauber gemacht hast ... *lol*

Wortklauber

Wenn man vom Wortklauber spricht ...

... kann er es noch lange nicht erklären. Es handelt sich dabei um das sogenannte "Fugen-n", aber warum das nun gerade an die Medikamente"n" tritt, weiß ich nicht. Scheint mir sogar ein eher seltener Fall zu sein, weil bei den meisten Wörtern, die ein Fugen-n haben, der Plural auch auf -n lautet (obwohl der Plural durch die Zusammensetzung oft nicht evoziert ist: Sonnenstrahl, Tannenzapfen, Buchenrinde).

Interessant ist aber, dass solche Zusammensetzungen in verschiedenen Dialektgebieten offensichtlich vollkommen anders behandelt werden, siehe z.B. hier:

http://books.google.co.jp/books?id=o3bse2hTyeIC&pg=PA173&lpg=PA173&dq=%22Fugen-n%22&source=bl&ots=nvLKIcdDQb&sig=YNh1imnGPhV1du_qUjXqtQ0sdVY&hl=de&sa=X&ei=hIMeUbqnK-TLmgXS_4CADg&redir_esc=y#v=onepage&q=%22Fugen-n%22&f=false

amarillo

#257
Pah, daß ich nicht lache, auf beinahe jede Anfrage bezulg grammatischer Ungeriemenheiten kommt hier reflexartig die Antwort Fugen-Sonstwas.

DAS IST DER GSV NICHT WÜRDIG!

Ich verlange wilde Theorien, wenn nicht sogar exzentrisch-dramatische Lösungsansätze.
Fast jeder Naturwissenschaftler, der seine taube Nuss vor eine Kamera halten und in ein Mikro plärren darf, scheut nicht davor zurück, äußerst bedrohliche aber immerhin unterhaltsame Szenarien heraufzubeschwören.
Massenaussterben, Feuerstürme, weltweite Epidemien, das Umpfzigfache der Hiroshima-Bombe etc., das sind die Zutaten für ein Süppchen, mit dem man einbedruckt!
Und jetzt kommt mir bloß nicht mit dem Argument, wir seien ja keine Naturwissenschaftler...

Sind wir die GSV oder das Albert-Schweitzer-Institute for Applied Grammatical Correctness?

Fugen-Schiss - ich fasse es nicht!
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

katakura

#258
genau! ... solch billige erklure sind einer derart großartigen und hehren gesellschaft wie der unseren unwürdig, welche immerhin als weltweit erste lingustik und teilchenphysik in der nano-linguistik miteinander verienen hat ...

... ich bin daher (mindestens) für ein aufsehenerregendes experiment, mit dem auch elnd der jüngst fertiggestollene zeichenbeschleuniger unter dem bibliodrom eingewiehen werden kekünne: das vermeilnte fugen-n beschleunigen, bis ihm hören und sehen vergeht! ... wer weiß, ob es sich dann nicht freiwillig in seine einzelbestandteile zerlegt und dabei auch noch das langgesoochene hicks-boson freigesotzen wird! ...

haha: nimm das, fugen-n!!! 8)
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)

Wortklauber

Meine Anrag ging ja auch eher in die Richtung, sich einmal mit den Mausfallen, Toilettefrauen (auch mit n), Schattseiten, Visitkarten, dem Dillenkraut auf dem Frachtenbahnhof und mit dem Zugsabteil zu beschäftigen. Die Kenntnis solcher Wörter wäre dann auch für die Aufnahmsprüfung in die GSV zu verlangen (jedenfalls für die Aufnahme in deren Südostflügel).

amarillo

Soeben verfulg ich auf ZDFneo einen (zugegeben) naturwissenschaftlichen Beitrag der BBC bezülg der Frage, was denn Realität eigelnt sei. Zu Worte kamen diverse Kosmologen, Physiker, Teilchenkenner und wie sie alle heißen mögen. Einer von denen behupt, die gesamte Welt sei lediglich eine holographische Projektion vom Rande des Universums. Ein anderer schwang sich zu der These auf, Raum und Zeit existören gar nicht, sondern seien nur als Raum und Zeit innerhalb des Kosmos zu verstehen (kein Jux!).
Da staunt selbst die Fachwelt nicht schlecht: jede Nachfrage an die Herren antbewurten diese mit einem derartigen Geschwurbel, daß einem Hören und Sehen verging. Aber immerhin: ein Aufnahmeteam der BBC mich sich mit Kameranen und Mikronen auf den Weg, auf daß diese Spinner ihre abgefahrene Weltsicht (die einige laut eigenem Bekunden selbst nicht ganz verstanden) einem großen Publikum vorstellen durften.

So geht das! Ein gellender Pfiff auf die wissenschalfte Nachprüfburk! Wer sich mir vorsichtigen Behupten dem Dasein zu nähern versucht, hat schon verloren, gehört ausgelacht! SCI-TAINMENT ist das Postulat der Stunde.

Die Banalität der nachprüfbaren Phänomene sei den Erbsenzählern und der Duden-Redaktion überlassen!

Und für das kleine 'n' im Medikamenten-Rückstand behaupte ich jetzt mal, daß es sich 1. um die Reste eines 'm' handelt, dem 2. im Verlauf der Evolution das Schwänzchen abhanden kam.
Warum da überhaupt was am 't' dranhängt, werde ich in enger Kooperation mit Frau Jankuscheit und einem internationalen Team von parapsychologisch geschulten Verwaltungswissenschaftlern auch noch aufdecken.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Wortklauber

Da früge ich dann, ob die Regel mit dem Schwänzchen nur bei Rückstand gilt oder auch bei Vorstand, Strammstand und anderen Stände(r)n.

amarillo

"...und bezahlten dafür mit dem Tod." (SZ heute)
"...und bezahlten dafür mit dem Leben:" (ich heute - nur so)

Mut macht das ja nicht.

Gibt es eigelnt eine Form des Rechnungsbegliches, bei der man noch ein wenig weiterleben darf?
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Hinduist

Zitat von: amarillo in 2013-02-18, 17:10:23
"...und bezahlten dafür mit dem Tod." (SZ heute)
"...und bezahlten dafür mit dem Leben:" (ich heute - nur so)

Mut macht das ja nicht.

Gibt es eigelnt eine Form des Rechnungsbegliches, bei der man noch ein wenig weiterleben darf?

Bei uns schon. Wir bezahlen für unsere Sünden mit der Wiedergeburt.

Homer

In einem Artikel über Berlusconi stieß ich auf folgenden Satz:

(1) Die Empörung war groß, als er Benito Mussolinis Errungenschaften als Staatschef pries und die Rolle dessen faschistischer Diktatur im Holocaust relativierte.

Die Phrase mit doppeltem Genitiv ist mir nicht ganz geheuer, ich zöge die Rolle von dessen faschistischer Diktatur vor.

Ebenso konfrontieren mich Studenten in letzter Zeit verstorken mit Phrasen wie diesen:

(2) die Folgen Caesars Politik
(3) die Folgen Caesars aggressiver Politik

Nun gibt es in der Standardgrammatik die "Genitivregel", die erklärt, wann eine Genitivphrase von kompetenten Sprechern als grammatisch empfunden wird und wann nicht:

"Eine Nominalphrase kann nur dann im Genitiv stehen, wenn sie (i) mindestens ein adjektivisch flektiertes Wort und (ii) mindestens ein Wort mit s- oder r-Endung enthält."

Diese Regel funktioniert wohl nur eher approximativ, erklärt aber, warum (2) auf jeden Fall zweifelhaft ist (es fehlt das adjektivisch flektorene Wort). (1) und (3) wären dagegen formal korrekt. Jetzt habe ich in einem Grammatik-Artikel dazu folgende Beispiele gefunden, die nach der Genitivregel formal korrekt sind, aber doch – so heißt es dort – "oft vermieden" werden:

Vorangestelltes Genitivattribut zu einem Genitivobjekt:
(4) Der Pfarrer gedachte Bürgermeister Epprechts verstorbenen Bruders.

Vorangestelltes Genitivattribut zu einem nachgestellten Genitivattribut:
(5) Der Vorschlag Ottos jüngsten Bruders überzeugte mich.

Vorangestelltes Genitivattribut zu einer Genitivphrase bei einer Präposition:
(6) Das geschah während Monikas letzten Auslandsaufenthalts.

Frage an euch: Geht es euch auch wie mir, daß (4) und (6) eher akzeptabel erscheinen als (5), das ich – wie (1) und (3) – so nicht benutzen würde? Und wenn ja, warum ist das so?

amarillo

Formalgeschmacklich wundert mich im Falle (1) vor allem Deine Präferenz für die präpositionale Prothese 'von', obschon sich solcherlei Verhälniswortbehelfe im hiesigen Ruhrdeutsch häufig belauschen lassen.

An (3) weiß ich nichts auszusetzen, kekünne mir in schriftlicher Form durchaus aus der Feder fließen.
(4) klingt und liest sich bemohen. (Der Bürgermeister gedachte den Epprecht sein verstorbenen Bruder)
(6) ist prima.

Je öfter ich Deine Beispiele lese, umso weniger weiß ich sie zwischen mehr oder weniger akzeptabel einzuordnen; mir schwirrt's!
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Homer

Deswegen frage ich ja, weil es auch bei mir schwirrt. Das scheint auch eine Frage persolner Vorlieben zu sein. Es ging mir ja auch gar nicht um saubere Richtig-Falsch-Feststulle, sondern gerade darum, was bei euch so knapp diesseits oder jenseits der Grenze des Akzeptablen liegt.

Die Schwurr wird bei mir noch heftiger, wenn ich mich frage, warum mir – und vielleicht nur mir – die Folgen Caesars aggressiver Politik zwar irgendwie ungut vorkommt, aber immer noch eine Spur besser als das strukturell völlig gleich geboldene der Vorschlag Ottos jüngsten Bruders (liegt's am Maskulinum mit seinem offenkundigen Genitiv-s?) und das wiederum nicht ganz so schlimm wie der Vorschlag dessen jüngsten Bruders, was ich als völligen Murks empfinde. Nach der "Genitivregel" rettet hier jüngsten die formale Rucht der Phrase, während der Vorschlag dessen Bruders endgültig – und zu Recht – nicht mehr gehe. Für mich ist der Unterschied aber marginal. Mein Verdacht ist, daß die "Genitivregel" für solche Doppel-Genitiv-Phrasen nicht taugt.

Im Falle von oben (1) ist der von-Einschub aber auf jeden Fall die standardspralche Optimalvariante.

Übrigens meine ich mal gelesen zu haben, daß euer mittlerweile als Substandard verponener "Genitiv" mit dem sein usw. früher mal deutschweit akzeptorener war als heute.

katakura

#267
Zitat von: Homer in 2013-02-20, 13:48:34
Übrigens meine ich mal gelesen zu haben, daß euer mittlerweile als Substandard verponener "Genitiv" mit dem sein usw. früher mal deutschweit akzeptorener war als heute.

... ich kann nicht sagen, wie es anderswo ausschaut, aber in der thüringisch-obersächsischen dialektgruppe hat es diesbezüglich niemals einen genitiv gegeben, sondern wurde immer nur der dativ genutzt  ... in den entsprechenden mundarten wird bis heute grundsaltz nur von dem seiner mutter / der ihrer schwester etc. gesprochen ... insofern war das vor entwicklung der hochsprache ja der notwendigerweise akzeptorene standard ...

... vielleicht ist der genitiv in diesem falle ja auch erst mit dem hochdeutschen "erfunden" und populär gemacht worden? ... weiß hier jemand etwas genaueres? ... und gibt es überhaupt deutsche dialekte, die nicht dem sein / der ihr  gebrauchen? ...

... auf alle fälle finde ich nichts schlechtes daran, ugs. den dativ zu benutzen, denn solche in den mundarten erhaltenen eigenheiten aus frühreren zeiten sind ja keineswegs falsch ... sie sind lediglich kein korrektes hochdeutsch, aber das ist ja eben auch nur ein gewolltes konstrukt ...
Toleranz ist vor allem die Erkenntnis, dass es keinen Sinn hat, sich aufzuregen. (Helmut Qualtinger)

Wortklauber

Ich glaube, dass man verwirrende Strukturen gerne vermeidet, und Häufungen gleicher Kasuum sind jedenfalls verwirrend. Daher benutzt man das "von" gerne, sofern sich damit der doppelte Genitiv vermeiden lässt — also in den Fällen 1, 2, 3, 5. Ich würde sogar im Fall 6 vorziehen, "während" mit Dativ zu benutzen, obwohl mir das sonst eher gegen den Strich geht. Ich würde also nicht mit gutem Gewissen sagen "während ihrem letzten Aufenthalt", wohl aber "während Monikas letztem Aufenthalt".

Homer

Zitat von: katakura in 2013-02-20, 14:19:02
... vielleicht ist der genitiv in diesem falle ja auch erst mit dem hochdeutschen "erfunden" und populär gemacht worden? ... weiß hier jemand etwas genaueres? ... und gibt es überhaupt deutsche dialekte, die nicht dem sein / der ihr  gebrauchen? ...

Na ja, Hochdeutsch war ja zunächst auch nur eine Dialektgruppe, bevor es in einer überregionalen Ausgleichsversion Standarddeutsch wurde. Insofern wird es den Genitiv irgendwo (oder auch überall) dort schon als Normalform gegeben haben. Aber dem sein / der ihr hat wohl stark verbritten daneben existoren. Interessant ist, daß diese Konstruktion auch in verschiedenen anderen germanischen Sprachen vorkommt oder vorkam, s. hier, und auch schon im Althochdeutschen in den Merseburger Zaubersprüchen: dû wart demo ... folon sîn fuoz birenkit ("da wurde dem Fohlen ... sein Fuß verrenkt").

Die meisten deutschen Dialekte werden wohl heute noch dergleichen haben, aber das kann ich als dialektlos Aufgewachsener eher schlecht beurteilen. Ich meine mich aber zu erinnern, sogar da, wo mein Mund gewachsen ist und wo leider ausschlielß vergleichsweise keimfreies Deutsch gesprochen wird, dem sein / der ihr durchaus gehoren zu haben, aber das hatte in der Gegend dann eindeutig schon Substandard-Geschmack. Der Grund ist sicher, daß der ursprulng dort gesprochene Dialekt, nämlich die regionale niederdeutsche Mundart, heute so gut wie ausgestorben ist, sich aber einzelne Elemente – Wörter, aber auch syntaktische Eigenheiten – aus dem Niederdeutschen in das Hochdeutsche vor allem derjenigen geratten haben, deren Familien bis vor relativ kurzer Zeit noch am Niederdeutschen festgehalten haben, also am ehesten bei der älteren Landbevölkerung. Die Assoziationskette der jüngeren Städter ist klar: Land – konservativere Sprache – weniger Bildung – Substandard – wollen wir nicht mehr. Ich schätze, dem sein usw. gehört in "meiner" Gegend zu den rapide schwindenden, weil verponenen niederdeutsch-dialektalen Restbeständen.