horrend stupend

Begonnen von gehabt gehabt, 2005-04-15, 13:29:51

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Kilian

Jetzt muss ich zuerst mal die Konstruktion geschwindelt kriegen/werden erläutern.

Man sagt: mich schwindelt oder mir schwindelt. Die Person, die den Schwindelanfall hat, ist Akkusativ- bzw. Dativobjekt in dieser seltenen unpersönlichen Konstruktion. Ein grammatisches Subjekt gibt es nicht - ebenso wenig wie "jemand anderen, der aktiv ist und einen schwindeln macht". Dieses letztere ist mit geschwindelt kriegen/werden nicht gemeint - es gibt keinen aktiv Handelnden.

Das Missverständnis habe ich aber zugegeben leichtfertig provoziert durch die Formulierung geschwindelt kriegen/werden, ein offiziell hier nicht richtiges Passiv, das erste noch dazu "Rezipientenpassiv". Gemeint habe ich:
ich blümeriere = ich kriege/werde geschwindelt = mir/mich schwindelt (unpersönlich, kein Subjekt!)

Weniger missverständlich formuliert:
ich blümeriere = ich werde vom Schwindel befallen, schwanke

Das Verb sollte halt beide Bedeutungen aufnehmen. Dabei ist es m.E. völlig unerheblich, dass die erste Bedeutungsnuance in meiner Definition mit einer Passiv-Konstruktion umschrieben wird. Das grammatische Aktiv und das grammatische Passiv des Deutschen teilen die Welt ja nicht sauber in "aktive Handlungen" und anderes auf. (Im Lateinischen gibt es sogar eine ganze Reihe von Verben, die grammatisch immer im Passiv verwandt werden, obwohl sich teilweise höchst "aktive" Bedeutungen damit verknüpfen, die sog. Deponentien.)

Ich halte die -ieren-Verben auch weiterhin nicht für den "aktiven Handlungen" (was immer man darunter auch genau verstehen mag) vorbehalten, da bei delirieren und laborieren für mich der Leidensaspekt überwiegt. Und der ist eher "passiv", wie der Name schon sagt.

VerbOrg

Zitat von: Kilian in 2005-07-20, 00:59:09
Ich halte die -ieren-Verben auch weiterhin nicht für den "aktiven Handlungen" (was immer man darunter auch genau verstehen mag) vorbehalten, da bei delirieren und laborieren für mich der Leidensaspekt überwiegt. Und der ist eher "passiv", wie der Name schon sagt.
Nun ja, das mit dem Leidensaspekt hat sich wohl eher in jüngerer Zeit so herauskristallisoren. Als diese wunderschönen "-ieren"-Verben geschopfen wurden, wird er nicht im Vordergrund gestanden haben, was die Herkunft belegen dürfte.

laborieren kommt vom lateinischen Verb laborare, arbeiten
delirieren stammt von lat. delirare, ursprünglich "aus der Ackerfurche abweichen"

Für mich sind das beides daher höchst aktive Verben.
Wenn sich das im Verständnis der Menschen später geornden hat, kann das meiner Meinung nach nicht als Argument bei einer Wortneuschupf eines ieren-Verbs herangezogen werden.

Kilian

Noch ein hypothetisches Verb: abfeimen.

versucher

Haben wir schon harnischen? Harnischen - hornsch - hörnsche - gehornschen?
(= sich rüsten, stärken, erfitten)
Künftig also "eine gehornschene Rede schleudern"

Wie, schleudern und (ver)geuden noch nicht in der Großen Liste? Dann aber hurtz!

schleudern - schlerd - schlärde - geschlurden
(ver)geuden - (ver)gud - (ver)göde - (ver)guden

geuden heißt natöllich so viel wie plempern.

Heilandsack! Plempern nicht in der Liste!?
Alla gut:
(ver)plempern - (ver)plarmp - (ver)plörmpe -
(ver)plormpfen
(fragt mich nicht, wie das F da rein kam!)

VerbOrg

Gibt es eigentlich das Verb "sitten" (ich meine jetzt nicht in Verbindung mit Babys)? Nein? dann sollten wir es mal ganz geseten erfinden. Und den dazugehörigen Stork auch. Es fähle noch, dass die deustche Sprache durch ein Partizip II wie gesittet verunrienegen bliebe.

Also:

sitten - sat - säte - geseten (analog bitten)

Ach so, einen Definor brauchen wir ja auch noch:

sitten = sich zusammenreißen und von seiner besten Seite zeigen
wird - abgesehen vom Partizip - meist reflexiv gebrocht

Kilian

Sehr cool! vergeuden und verplempern habe ich in die Große Liste aufgenommen (danke der Geduld!), geuden und plempern aufgeräumt.

Kilian

arten (geartet):
1. schaffen, beschaffen machen
2. (eine Fernsehsendung) durch Einfügen französischer bzw. deutscher Schriftzüge für die Ausstrahlung auf arte vorbereiten

amarillo

verschroben (soll laut Grimms von "schrauben" stammen, aber wen interessiert das?)

was ist dann schraben? Leicht aus dem Gleichgewicht bringen; sich kauzige Eigenarten zulegen.

(ver)schraben - (ver)schrub - (ver)schroben
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

VerbOrg

ein verwegener Mensch ist jemand, der zu viel wagt.

Vielleicht sollten wir so verwegen sein, diesem Partizip auch die restlichen Formen hinzuzufügen:

verwagen - verwug - verwüge - verwegen

es gibt zwar auch die alte Form "verwogen", z.B. bei Schiller oder auch bei Wilhelm Busch:

Pater Luzi, finster blickend,
Heimlich schleichend um das Haus,
Wählt zu neuem Rachezwecke
Zwo verwogne Lumpen aus. -
(Pater Filucius, 1872)
[/size]
Aber das sollte eher zu einem Verb wie "verwiegen" gehören.

Kilian

Oder wir aktivieren das zugehörige mittelhochdeutsche Verb wieder:

sich verwegen
sich frisch zu etwas entschließen

MrMagoo

#70
Zitat von: Kilian in 2006-05-16, 20:37:14
Oder wir aktivieren das zugehörige mittelhochdeutsche Verb wieder:

sich verwegen
sich frisch zu etwas entschließen


Oder wir führen das viel wichtigere mittelhochdeutsche Verb dafür wieder ein: "türren"!  ;D

Natürlich mit all seinen herrlichen Formen:

Präsens:
ich tar, du tarst, er tar, wir türren, ihr türrt, sie türren

Prät.:
ich torste, du torstest, er torste, wir torsten, ihr torstet, sie torsten

Konj.:
ich törste, du törstest, etc.

Part.2:
getorstet und getorsten.

Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

Kilian

"Auch wenn der Plan vereitelt worden ist, besorgt der Fall die Behörden."

Agricola

#72
Zitat von: Kilian in 2006-05-31, 10:49:38
"Auch wenn der Plan vereitelt worden ist, besorgt der Fall die Behörden."
Gehor das an diesen Faden? Ich hatte es an einen anderen geposten.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Agricola

Zitat von: VerbOrg in 2005-04-15, 19:23:08
Ich kenne durchaus Leute (selbst beim Rundfunk), die das Wort horrend auf der ersten Silbe betonen. Auch wenn es sich noch so merkwürdig anhört.
Ich habe im Radio auch schon "Homer" auf der ersten Silbe betonen gehoren. Homer kommt von homen, wer immer homt ist ein Homer.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

VerbOrg

Wer käme auch auf die Idee, den Tüpen vonne Simsens auffe letzten Silbe zu betonen. Schön blöd wär das!