dank

Begonnen von Wortklauber, 2012-05-16, 18:00:33

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Wortklauber

Gerade las ich folgenden Satz im SPON:

Die kolumbianische Großfamilie - hier wird das Leiden dank einer Mutation auf dem Gen PSEN1 dominant weitervererbt - soll nun dabei helfen, lange gesuchte Medikamente gegen die Krankheit zu entwickeln.

Es geht um eine Familie, in der die meisten Mitglieder schon mit 40 Jahren an Demenz erkranken. Nun frug ich mich: Wer dankt der Mutation? Die Familie? Die Krankheit? Oder die Forscher, die nach Medikamenten suchen? Letzteres wäre doch, so offen zugegeben, etwas makaber, aber vielleicht hat sich dieses makabre Gefühl hier ja in einer Art Freudscher Fehlleistung zum Ausdruck gebracht. Oder kann man das Wort "dank" wirklich vollkommen wertfrei in Zusammenhängen verwenden, die weder ein Dankgefühl aufkommen lassen noch ironisch klingen sollen? Also etwa "dank verdorbenen Fleisches sind zahlreiche Dönerkunden mit schweren Vergiftungen ins Krankenhaus eingeliefert worden"?

Kilian

Die ironische Verwendung von dank ala Dank einer Hüftverletzung sitze ich jetzt zu Hause ist ja sehr gängig und oft, wie in meinem Beispiel, gar nicht leicht von einer schlicht wertfreien Verwendung zu unterscheiden. Daher nimmt es nicht Wunder, dass letztere auch vorkommt. Über den SPON-Satz wäre ich wahrscheinlich gar nicht gestrlopen, mir kommt er relativ normal vor.

Homer

Zitat von: Kilian in 2012-05-16, 18:21:10
Dank einer Hüftverletzung sitze ich jetzt zu Hause ...

Na klar, so etwas liest man oft – ganz einwandfrei will es mir trotzdem immer noch nicht erscheinen, dazu hört man den Dank zu deutlich heraus. (Ich würde vermuten, wer das sagt, ist ganz zufrieden, daß er mit Hüftverletzung zu Hause bleiben darf, statt für etwas noch Unangenehmeres aushausen zu müssen.) Wozu gibt es denn das neutrale aufgrund? Aber wäre es nicht schön, auch noch eine rein negative Kausalpräposition analog zum positiven dank zu haben? Nur: Was ist das Gegenteil von Dank? Vielleicht Fluch? – Fluch einer Hüftverletzung sitze ich jetzt zu Hause. – Aber fleischt fällt Euch noch was Schöneres ein.

Kilian

fluch finde ich perfekt. Man sagt ja auch Dank sei dir und Fluch sei dir.

Das Niederländische kennt übrigens neben dank auch die Präposition ondanks, aber die bedeutet neutral trotz.

Wortklauber

Zitat von: Kilian in 2012-05-16, 18:21:10
Die ironische Verwendung von dank ala Dank einer Hüftverletzung sitze ich jetzt zu Hause ist ja sehr gängig und oft, wie in meinem Beispiel, gar nicht leicht von einer schlicht wertfreien Verwendung zu unterscheiden. Daher nimmt es nicht Wunder, dass letztere auch vorkommt. Über den SPON-Satz wäre ich wahrscheinlich gar nicht gestrlopen, mir kommt er relativ normal vor.

In ganz neutralen Zusammenhängen kommt mir das "dank" sehr komisch vor: "Es gibt drei Schalter, die jeweils für die Namen von A-H, I-R und S-Z zuständig sind. Dank Ihres mit K beginnenden Namens ist der zweite Schalter für Sie zuständig." Ginge bei mir höchstens durch, wenn an den anderen beiden Schaltern lange Schlangen stehen. Oder allenfalls noch im gegenteiligen Fall, ironisch.

Extrem gegen den Strich geht mir die Verwendung des "dank" aber in dem Fall, in dem konkurrierende Interessen mitspielen, bei denen der (an sich nachvollziehbare) Dank aus moralischen Gründen für jeden vernünftig denkenden Menschen hinter übergeordneten Aspekten zurücktreten muss. Also z.B.

"Bis 2001 hatten wir von diesem Fenster keine gute Aussicht. Dank des Terrorangriffs auf das World Trade Center haben wir nun freien Blick."

Um das auszusprechen, bräuchte man schon einen extrem schwarzen Humor. Bei mir wäre da die Grenze des Erträglichen überschritten. Oder:

"Dank der Judenvernichtungspolitik der Nazis wurde im Stadtkrankenhaus eine Oberarztstelle frei, auf die sich Herr Meyer bewerben konnte."

Ein bisschen ähnlich kam mir das Problem in dem zitierten Artikel vor: Die Forscher erkannten eine Forschungschance in einer Gruppe von Menschen, die mit großer Wahrscheinlichkeit in einem bestimmten Alter an Demenz erkranken. Dadurch können sie nun Medikamente testen, von denen sie hoffen, dass bei ihrer Anwendung die Erkrankungswahrscheinlichkeit sinkt. Das Ergebnis ist überprüfbar, weil die ursprüngliche Erkrankungswahrscheinlichkeit bekannt ist. So weit, so gut, und man kann den Ärzten nur die Daumen drücken, dass es ihnen gelingt. Und vielleicht kann man damit später auch vielen anderen Demenzpatienten helfen. Dann kann man den Forschern danken, und man kann gewissermaßen auch der Situation mit der von einem Gendefekt betroffenen Familie danken, durch die diese Forschung erst möglich wurde. Aber darf man deshalb sagen, dass die Familie "dank" eines Gendefektes von diesen schweren Erkrankungen betroffen ist?

amarillo

Ein Vorschlag:
Ereignis negativ, Konsequenz (zumindest subjektiv) positiv: zumittel (hätte natürl die gleiche Bedut wie aufgrund oder infolge, und somit wäre es auch verzichtbar).
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.