Es warnt ...

Begonnen von gehabt gehabt, 2005-05-03, 07:25:17

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Kilian

"Es schläft sich dieses Bett kommod." ist wiederum ein ganz anderer Fall als die anderen Es-Sachen. Das es ist hier nur Platzhalter für das nach hinten verschobene Subjekt (unsere Linguisten kennten jetzt den Fachbegriff dafür). Das ist in dichterischer Sprache nicht ungewöhnlich: "Es wallt das Korn weit in die Runde."

Das Interessante an dem ersten Vers ist also nicht das es. Lässt man die Verschiebung weg, bleibt "Dieses Bett schläft sich kommod." übrig.

Zitat von: amarillo in 2005-05-03, 19:39:44wieso fährt sich ein Auto, aber ein armes Bett schläft sich nicht?

Weil man ein Auto fahren kann, aber ein Bett nicht schlafen. fahren gibt es auch transitiv, schlafen nur intransitiv.

Wäre das anders also
"ein Bett schlafen" = "in einem Bett schlafen",
dann wäre der Satz nach dem Schema konstruoren, das wir hier schon hatten:

Subjekt man fällt weg.
Akkusativ-Objekt wird zum Subjekt.
Akkusativ-Objekt sich tritt hinzu.

Eine gewisse Toleranz, statt dem Akkusativ-Objekt auch Präpositional-Objekte wie in diesem Bett zu nehmen, scheint da zu sein. Das Füllerbeispiel klingt gar nicht so falsch in meinen Ohren.

amarillo

Aber schreiben kann man einen Füller auch nicht.

Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

VerbOrg

natürlich kann man einen Füller schreiben.

Genauso wie man in einem Bett schläft, kann man doch auch mit einem Füller schreiben.

Und das Beispiel mit dem Bett hat Kilian doch gerade erkluren.

amarillo

Klar, aber ich wollte doch keine Präpositionen dabei, dann hätte ich mir das doch gleich sparen können.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Kilian

Nachtrag: Sooo falsch klingt das Bettbeispiel in meinen Ohren auch nicht.

Füller und Bett bewegen sich beide in einer Grauzone. Wie gesagt, eine gewisse Toleranz für Präpositionalobjekte ist da, von Mensch zu Mensch verschieden. :)

Beim Füllerbeispiel entsteht aber Verwirrung: Es ist ja schon ein Unterschied, ob man mit einem Füller leicht etwas zu Papier bringt - oder ob sich die Worte "dieser Füller" leicht zu Papier bringen lassen.

amarillo

Ich habe ein ganz anderes Problem:

Dieses Bier trinkt sich sehr süffig.

Geht nicht, weil süffig ja Adjektiv zum Bier ist. Süffiglich (also adverbial) geht auch nicht, weil weder ich, noch ein imaginäres "es" auf süffige Art und Weise trinken können - und gezz?
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

VerbOrg

Ich finde ja beide Beispiele, also das mit dem Füller und das mit dem Bett, merkwürdig.
Falsch eher weniger, da man solche Äußerungen mittlerweile recht gewöhnt gewohnt ist.

Aber nicht alles, woran sich das Ohr gewöhnt hat, muss man in den eigenen Sprachgebrauch übernehmen, wenn es einem nicht gefällt, gelle? Und so lange man noch versteht, dass man nicht "den Füller" schreiben soll, ist es doch in Ordnung.

VerbOrg

Zitat von: amarillo in 2005-05-03, 20:44:38
Dieses Bier trinkt sich sehr süffig.
Problematisch ist in diesem Zusammenhang auch, dass süffig von saufen abstammt. Somit hätten wir hier eine süffige Doppel-Mopplung.
Das Bier kann zwar süffig sein, sich aber nicht so trinken (lassen).

amarillo

#23
Das sug ich doch, aber welche Qualitäten lassen sich dann überhaupt hinzufügen?
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Kilian

Zitat von: VerbOrg in 2005-05-03, 20:49:02Das Bier kann zwar süffig sein, sich aber nicht so trinken (lassen).

Ich finde aber schon. Wenn etwas süffig ist und dabei etwas tut (sich trinken lässt), dann öre ich das Adverb mal akzept.

VerbOrg

Schwierig zu sagen. Kann man bei Bier überhaupt Qualitäten hinzufügen? ;D

Das Bier kann sich "schnell weg"trinken (lassen), wenn man riesigen Durst hat und nix Richtiges da ist.
Ansonsten trinkt sich Bier doch überhaupt nicht, oder?

Ku

Wenn es auf meiner Terrasse heiß ist, trinkt sich ein Bier ganz von allein, doch schon

Arnymenos

Zitat von: Kilian in 2005-05-03, 20:02:42
Das es ist hier nur Platzhalter für das nach hinten verschobene Subjekt (unsere Linguisten kennten jetzt den Fachbegriff dafür).

Rechtsverschoben sind nur Extrapositionen, also Satzteile hinter der rechten Verbklammer. Wenn das Subjekt im Mittelfeld steht, dann ist es gar nicht verschoben.

Das Deutsche hat diese seltsame obligatorische Topikalisierung: Etwas muss am Anfang stehen. Noch seltsamer ist, dass das nicht immer der Fall ist, und am seltsamsten, dass genau dann ein leeres "Es" dort erscheint. Im Prinzip kann man jeden Satz so bilden:

Es wird viel geschrieben. Es liest jemand den ganzen Schrieb. Es sind dies alles Sätze mit leerem "es".

Kilian

Zitat von: Arnymenos in 2005-05-03, 23:36:02Rechtsverschoben sind nur Extrapositionen, also Satzteile hinter der rechten Verbklammer. Wenn das Subjekt im Mittelfeld steht, dann ist es gar nicht verschoben.

Nicht verschoben? Aber wie sagt man dann? Normalerweise steht es doch nicht da...?

Arnymenos

Es kommt daher. Das ist sein angestammter Platz.

Sätze haben "Köpfe", also wichtigste, kategoriegebende Elemente. Im Nebensatz ist das die Konjunktion. Die blockiert Verbumstellungen etc. Deswegen finden wir im Nebensatz ein sauberes Mittelfeld (das wir in sich umstellen können; die wesentliche Beobachtung ist, dass Pronomen am Anfang des MF sein wollen) und einen "Verbknödel" mit flektiertem Verb hinten.
Im Hauptsatz steht dieses woanders. Man betrachtet dies als den weniger normalen Fall, weil ja alle anderen Verben weiterhin hinten stehen. Wenn es um grammataische und semantische Abhängigkeiten geht, dann ist die Anwesenheit des Verbes vorne sogar äußerst problematisch. Der Syntaktiker arbeitet dann mit einer "Spur" des Verbes da, wo es eigentlich sein sollte, und der Semantiker interpretiert den Satz erst, nachdem er es dahin zurückgeschoben hat.

"Schieben" nennt man diese Veränderungen, wenn man die fertige Form aus einer unfertigen ableitet. Aber diese Vorstellung ist etwas merkwürdig. Ich persönlich bevorzuge ein statisches Modell: Der Kopf des Satzes hat in der Kopfposition des Satzes zu stehen. So einfach. Zweimal darf er auch nicht vorkommen, also ist er woanders, als er eigentlich ist. Sähe man die beiden Konstellationen hintereinander, öre man eine Bewegung Interpret. Kopf ist das flektierte Verb bzw. eine Konjunktion, die eine Verbalphrase einbettet. Eine Verbalphrase ist in vielen Sprachen schon ein fertiger Satz: Da steht das Verb mit allen seinen Argumenten. Im Deutschen ist das das Mittelfeld mit rechter Verbklammer. Hauptsatzkonjunktionen betten Sätze ein.

Leider ist nun ein Hauptsatz mit dem Kopf in Kopfposition noch immer nicht vollständig; es gibt noch einen Platz für das Satzthema. Das Topikalis georene Element (so gut wie immer genau eine Konstituente des Satzes; umgekehrt nutzt man Topikalis als Test für Konstituenten) erscheint vor dem Verb. Man mag auch hier wieder eine Bewegung sehen, wenn man will. In etwa der Hälfte aller Fälle trifft es das Subjekt, nicht weil es da bevorzugt wäre, sondern weil man den springenden Punkt des Satzes sowohl in das grammatische Gewand des Subjekts kleidet als es* auch Topikalis iert.

Wenn das Subjekt also nicht Topikalis georen ist, dann wurde es gar nicht bewegt. Jetzt haben wir es mit dem Fall zu tun, dass gar nichts in Topikalis steht. Dann erscheint dort der Platzhalter "es". Eventuell ist das der Fall, da man keine Konstituente bevorzugen will, oder dass man das Verb betonen will, was ja eigentlich nicht möglich ist, außer in der Umstandskonstruktion: Betonen tue ich das Verb.



* Wieso muss das "es" hier zwischen "als" und "auch"? Süge ich "das Subjekt", wäre es "als auch das Subjekt", wohingegen ich "als auch es" nicht sagen kann. Es erscheint mir als Instanz des Pronomen-nach-links-Wunsches.