Erzähl mir doch nix!

Begonnen von Ku, 2007-04-15, 21:31:56

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Ku

Und hier ist das neunte Märchen

Es war einmal ein Fischer und seine Frau, die wohnten zusammen in einer kleinen Fischerhütte, dicht an der See, und der Fischer ging alle Tage hin und angelte.
So saß er auch einmal mit seiner Angel und sah immer in das klare Wasser hinein.
Da ging die Angel auf den Grund, tief hinunter, und als er sie heraufholte, da holte er einen großen Butt heraus. Da sagte der Butt zu ihm: ,,Hör mal, Fischer, ich bitte dich, lass mich leben, ich bin gar kein richtiger Butt, ich bin ein verwünschter Prinz. Was hilft es dir, wenn du mich totmachst? Ich würde dir doch nicht recht schmecken; setz mich wieder ins Wasser und lass mich schwimmen!" ,,Nun", sagte der Mann, ,,du brauchst nicht so viele Worte zu machen; einen Butt, der sprechen kann, werde ich doch wohl schwimmen lassen." Damit setzte er ihn wieder in das klare Wasser; da ging der Butt auf den Grund und ließ einen langen Streifen Blut hinter sich. Da stand der Fischer auf und ging zu seiner Frau in die kleine Hütte.
,,Mann", sagte die Frau, ,,hast du heute nichts gefangen?" ,,Nein", sagte der Mann, ,,ich fing einen Butt, der sagte, er wäre ein verwunschener Prinz, da hab ich ihn wieder schwimmen lassen." ,,Wie, verwunschener Prinz?" sagte die Frau. ,,Von wem wurde er verwunschen?" "Das habe ich ihn nicht gefragt", sagte der Mann. "Lieber Gott!", rief die Frau, "so was will man doch wissen, wenn man gerade einen Verwunschenen geangelt hat! Geh noch mal hin und ruf ihn! Sag ihm, wir wollen wissen, von wem er verwunschen worden ist." ,,Ach", sagte der Mann, ,,was soll ich da noch mal hingehen?" ,,I", sagte die Frau, ,,du hattest ihn doch gefangen und hast ihn wieder schwimmen lassen, er erzählt es dir gewiss. Geh gleich hin!" Der Mann wollte noch nicht recht, wollte aber auch seiner Frau, die sehr zickig werden konnte, nicht zuwiderhandeln und ging hin an die See.
Als er dorthin kam, war die See ganz grün und gelb und gar nicht mehr so klar. So stellte er sich hin und sagte:

,,Manntje, Manntje, Timpe Te,
Buttje, Buttje in der See,
mine Fru, de Ilsebill,
will nich so, as ik wol will."

Da kam der Butt angeschwommen und sagte: ,,Na, was will sie denn?" ,,Ach", sagte der Mann, ,,ich hab dich doch gefangen gehabt. Nun sagt meine Frau, ich hätte dich doch fragen sollen, von wem du verwunschen worden bist. Sie will das wissen und wenn sie es nicht erfährt, kann sie sehr zickig werden."
,,Geh nur hin", sagte der Butt, ,,sie weiß es schon."
Da ging der Mann hin, und seine Frau nahm ihn bei der Hand und sagte zu ihm: ,,Komm nur herein, sieh, nun weiß ich doch, von wem der Butt verwunschen worden ist." ,,Ja", sagte der Mann, ,,so soll es bleiben; nun wollen wir recht vergnügt leben." ,,Das wollen wir uns bedenken", sagte die Frau. Dann aßen sie etwas und gingen zu Bett.

So ging das wohl nun acht oder vierzehn Tage; da sagte die Frau: ,,Höre, Mann, der Butt hätte uns auch wohl erzählen können, weshalb er verwunschen worden ist. Geh hin zum Butt, er soll uns erzählen, weshalb er verwunschen worden ist!" ,,Ach, das geht uns doch gar nichts an." ,,I was", sagte die Frau, ,,geh du nur hin, der Butt kann uns das schon erzählen!" ,,Nein, Frau", sagte der Mann, ,,der Butt hat uns erst erzählt, wer ihn verwunschen hat; ich mag nun nicht gleich wiederkommen, den Butt könnte das verdrießen." ,,Geh doch", sagte die Frau, ,,er kann das recht gut und tut es auch gern; geh du nur hin!"
Dem Mann war sein Herz so schwer, und er wollte nicht; er sagte zu sich selber: ,,Das ist nicht recht" - aber ging doch hin.
Als er an die See kam, war das Wasser ganz violett und dunkelblau und grau und dick und gar nicht mehr so grün und gelb; doch war es noch still. Da stellte er sich nun hin und sagte:

,,Manntje, Manntje, Timpe Te,
Buttje, Buttje in der See,
mine Fru, de Ilsebill,
will nich so, as ik wol will."

,,Na, was will sie denn?" sagte der Butt. ,,Ach", sagte der Mann halb bedrückt, ,,sie will jetzt wissen, weswegen du verwunschen worden bist."
,,Geh nur hin, sie weiß es schon", sagte der Butt.
Da ging der Mann hin und seine Frau saß mit leerem Blick vor der Türe auf einer Bank und ihr standen dauerhaft die Haare zu Berge. ,,Frau, was ist mit dir?", fragte der Fischer. Aber die Frau schüttelte nur, so gut es ging, den Kopf und sprach fürderhin nie mehr ein einziges Wort.
Da lebte der Fischer glücklich und zufrieden. Und immer, wenn er zum Angeln ging, kam der Butt heraufgeschwommen und sie plauderten ein wenig.

So, liebe Kinder, ihr schlaft ja schon vor lauter Langeweile.
Aber nehmt euch künftig ein Beispiel an dem netten verwunschenen Butt, der Frauen jeden Wunsch erfüllt und Männern den Wunsch, dass die Frauen ihnen geschwätztechnisch nicht mehr auf den Keks gehen. Vielleicht werdet ihr ja auch einmal Gelegenheit haben, als Verwunschener anderen deren Wünsche zu erfüllen. Dann macht es wie der nette Butt und streut eure Erfüllungen etwas.
Und morgen erzähle ich euch das letzte langweilige Märchen.

Agricola

The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Ku

So, liebe Kinder, jetzt erzähle ich euch das letzte langweilige Märchen

Vor einem großen Walde wohnte ein armer Holzhacker mit seiner Frau und seinen zwei Kindern: das Bübchen hieß Hänsel und das Mädchen Gretel. Er hatte wenig zu beißen und zu brechen, und einmal, als große Teuerung ins Land kam, konnte er auch das tägliche Brot nicht mehr schaffen. Wie er sich nun abends im Bett Gedanken machte und sich vor Sorgen herumwälzte, seufzte er und sprach zu seiner Frau: "Was soll aus uns werden? Wie können wir unsere armen Kinder ernähren, da wir für uns selbst nichts mehr haben?" - "Weißt du was, Mann", antwortete die Frau, "wir wollen morgen in aller Frühe die Kinder hinaus in den Wald führen, wo er am dicksten ist, da machen wir ihnen ein Feuer an und geben jedem noch ein Stückchen Brot, dann gehen wir an unsere Arbeit und lassen sie allein. Sie finden den Weg nicht wieder nach Haus, und wir sind sie los." - "Nein, Frau", sagte der Mann, "das tue ich nicht; wie sollt' ich's übers Herz bringen, meine Kinder im Walde allein zu lassen? Die wilden Tiere würden bald kommen und sie zerreißen." - "Oh, du Narr"' sagte sie, "dann müssen wir alle vier Hungers sterben, du kannst nun gleich die Bretter für die Särge hobeln", und ließ ihm keine Ruhe, bis er einwilligte. "Aber die armen Kinder dauern mich doch", sagte der Mann.

Die zwei Kinder hatten vor Hunger auch nicht einschlafen können und hatten gehört, was die Stiefmutter zum Vater gesagt hatte. Gretel weinte bittere Tränen und sprach zu Hänsel, "Nun ist's um uns geschehen." - "Still, Gretel", sprach Hänsel, "gräme dich nicht, ich will uns schon helfen." Und als die Alten eingeschlafen waren, stand er auf, zog sein Röcklein an, machte die Untertür auf und schlich sich hinaus. Da schien der Mond ganz hell, und die weißen Kieselsteine, die vor dem Hause lagen, glänzten wie lauter Batzen. Hänsel bückte sich und steckte so viele in sein Rocktäschlein, als nur hinein wollten. Dann ging er wie der zurück, sprach zu Gretel: "Sei getrost, liebes Schwesterchen, und schlaf' nur ruhig ein, Gott wird uns nicht verlassen", und legte sich wieder in sein Bett.

Als der Tag anbrach, noch ehe die Sonne aufgegangen war, kam schon die Frau und weckte die beiden Kinder. "Steht auf, ihr Faulenzer, wir wollen in den Wald gehen und Holz holen!" Dann gab sie jedem ein Stückchen Brot und sprach: "Da habt ihr etwas für den Mittag, aber esst's nicht vorher auf, weiter kriegt ihr nichts." Gretel nahm das Brot unter die Schürze, weil Hänsel die Steine in der Tasche hatte. Danach machten sie sich alle zusammen auf den Weg nach dem Walde. Als sie ein Weilchen gegangen waren, stand Hänsel still und guckte nach dem Haus zurück und tat das wieder und immer wieder, Der Vater sprach: "Hänsel, was guckst du da und bleibst zurück? Hab' acht und vergiss deine Beine nicht."

"Ach, Vater", sagte Hänsel, "ich sehe nach meinem weißen Kätzchen, das sitzt oben auf dem Dache und will mir Ade sagen." Die Frau sprach: "Narr, das ist dein Kätzchen nicht, das ist die Morgensonne, die auf den Schornstein scheint." Hänsel aber hatte nicht nach dem Kätzchen gesehen, sondern immer einen von den blanken Kieselsteinen aus seiner Tasche auf den Weg geworfen.

Als sie mitten in den Wald gekommen waren, sprach der Vater: "Nun sammelt Holz, ihr Kinder, ich will ein Feuer anmachen, damit ihr nicht friert." Hänsel und Gretel trugen Reisig zusammen, einen kleinen Berg hoch. Das Reisig ward angezündet, und als die Flamme recht hoch brannte, sagte die Frau'. "Nun legt euch ans Feuer, Kinder, und ruht euch aus, wir gehen in den Wald und hauen Holz. Wenn wir fertig sind, kommen wir und holen euch ab."

Hänsel und Gretel saßen am Feuer, und als der Mittag kam, aß jedes sein Stücklein Brot. Und weil sie die Schläge der Holzaxt hörten, so glaubten sie, ihr Vater wäre in der Nähe. Es war aber nicht die Holzaxt, es war ein Ast, den er an einen dürren Baum gebunden hatte und den der Wind hin und her schlug. Und als sie so lange gesessen hatten, fielen ihnen die Augen vor Müdigkeit zu, und sie schliefen fest ein. Als sie endlich erwachten, war es schon finstere Nacht. Gretel fing an zu weinen und sprach: "Wie sollen wir nun aus dem Walde kommen?" Hänsel aber tröstete sie: "Wart' nur ein Weilchen, bis der Mond aufgegangen ist, dann wollen wir den Weg schon finden." Und als der volle Mond heraufgestiegen war, nahm Hänsel sein Schwesterchen an der Hand und ging den Kieselsteinen nach; die schimmerten wie neugeschlagene Batzen und zeigten ihnen den Weg.

Da begegneten ihnen der Wolf und der Bär, und Gretel fing an zu weinen und fürchtete, die wilden Tiere möchten sie zerreißen. Aber die bösen Tiere machten keine Anstalten dazu. Und Hänsel fragte den Wolf: "Warum zerreißt ihr uns nicht, sind wir euch nicht fett genug?" Da antwortete der Wolf: "Wir können nicht mehr. Wir sind viel zu satt, weil wir eben erst eure Eltern gefressen haben."
Und der Bär rülpste, dass die Erde erzitterte und sich die Kieselsteine in lauter Perlen und Edelsteine verwandelten.
Da holte Gretel tief Luft, um am Weinen zu fangen, aber Hänsel knallte ihr eine und sprach: "Jetzt reichts mit dem ewigen Geflenne. Sammel die Klunker auf, damit wir bis an unser Lebensende glücklich und zufrieden leben."
Und so geschah es.

So, liebe Kinder, ihr schlaft ja schon vor lauter Langeweile.
Aber nehmt euch künftig ein Beispiel an dem netten Wolf, der Kindern gegenüber immer offen die Wahrheit sagt, auch wenn er nach Lage der Dinge vermuten sollte, dass die Wahrheit von den Kindern womöglich nicht vollinhaltlich als positiv aufgenommen zu werden geeignet ist. Auch ihr könntet einmal in die Situation kommen, jemanden gefressen zu haben und anschließend dessen Kindern zu begegnen. Dann macht es wie der nette Wolf.
Oder, falls ihr nicht so feinfühlig seid, macht es wenigstens wie der nette Bär.   

Und jetzt habe ich euch das letzte langweilige Märchen erzählt.
Schlaft wohl.

Michael

oooch, es ist doch noch gar nicht spät.

Wie wärs mit Hase und Igel?

Stollentroll

Wenn Du nicht weiter erzählst, schick ich Dir Michael Myers und der nagelt Dich mit einem grossen Küchenmesser von Zwilling durchs rechte Auge an den linken Türrahmen ! Willst Du das ?
3 Dinge sagen immer die Wahrheit : Kinder, Besoffene und Leggings.

amarillo

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Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Ku

Aber nur weil ihr es seid: ich erzähle euch jetzt noch das Märchen vom Hasen und dem Igel

Es war an einem Sonntagmorgen im Herbst, gerade als der Buchweizen blühte; die Sonne war am Himmel aufgegangen, und der Wind strich warm über die Stoppeln, die Lerchen sangen hoch in der Luft, und die Bienen summten im Buchweizen. Die Leute gingen in ihrem Sonntagsstaat zur Kirche, und alle Geschöpfe waren vergnügt, auch der Igel.
Er stand vor seiner Tür, hatte die Arme verschränkt, er guckte in den Morgenwind hinaus und trällerte ein kleines Liedchen vor sich hin, so gut und so schlecht wie am Sonntagmorgen ein Igel eben zu singen pflegt. Während er nun so vor sich hinsang, fiel ihm plötzlich ein, er könnte doch, während seine Frau die Kinder wusch und ankleidete, ein bisschen im Feld spazieren gehen und nachsehen, wie die Steckrüben standen. Die Steckrüben waren ganz nah bei seinem Haus, und er pflegte sie mit seiner Familie zu essen, darum sah er sie auch als die seinigen an.

Gedacht, getan. Er schloss die Haustür hinter sich und schlug den Weg zum Feld ein. Er war noch nicht sehr weit und wollte gerade um den Schlehenbusch herum, der vor dem Feld stand, als er den Hasen erblickte, der in ähnlichen Geschäften ausgegangen war, nämlich um seinen Kohl zu besehen. Als der Igel den Hasen sah, wünschte er ihm freundlich einen guten Morgen. Der Hase aber, der auf seine Weise ein vornehmer Herr war und hochfahrend noch dazu, antwortete gar nicht auf des Igels Gruß, sondern sagte mit höhnischer Miene: »Wie kommt es, dass du hier schon so am frühen Morgen im Feld herumläufst?«
»Ich gehe spazieren«, sagte der Igel.
»Spazieren?« lachte der Hase. »Du könntest deine Beine schon zu besseren Dingen gebrauchen.«
Diese Antwort verdross den Igel sehr. Alles kann er vertragen, aber auf seine Beine lässt er nichts kommen, gerade weil sie von Natur aus krumm sind.
»Du bildest dir wohl ein, du könntest mit deinen Beinen mehr ausrichten?« sagte er.
»Das will ich meinen«, sagte der Hase.
»Nun, das kommt auf einen Versuch an«, meinte der Igel. »Ich wette, wenn wir um die Wette laufen, ich lauf schneller als du.«
»Du – mit deinen krummen Beinen?« sagte der Hase. »Das ist ja zum Lachen. Aber wenn du so große Lust hast – was gilt die Wette?«
»Einen Golddukaten und eine Flasche Branntwein«, sagte der Igel.
»Angenommen«, sagte der Hase, »schlag ein, und dann kann es gleich losgehen.«
»Nein, so große Eile hat es nicht«, meinte der Igel, »ich hab' noch gar nichts gegessen; erst will ich nach Hause gehen und ein bisschen was frühstücken. In einer Stunde bin ich wieder hier.«

Damit ging er, und der Hase war es zufrieden. Unterwegs aber dachte der Igel bei sich: »Der Hase verlässt sich auf seine langen Beine, aber ich will ihn schon kriegen. Er ist zwar ein vornehmer Herr, aber doch ein dummer Kerl, und das soll er bezahlen.«
Als er nun nach Hause kam, sagte er zu seiner Frau: »Frau, zieh dich rasch an, du musst mit mir ins Feld hinaus.«
»Was gibt es denn?« fragte die Frau.
»Ich habe mit dem Hasen um einen Golddukaten und eine Flasche Branntwein gewettet, dass ich mit ihm um die Wette laufen will. Und da sollst du dabei sein.«
»O mein Gott, Mann«, begann die Frau loszuschreien, »hast du denn ganz den Verstand verloren? Wie willst du mit dem Hasen um die Wette laufen?«
»Halt das Maul, Weib«, sagte der Igel, »das ist meine Sache. Misch dich nicht in Männer-geschäfte! Marsch, zieh dich an und komm mit!« Was sollte also die Frau des Igels tun? Sie musste gehorchen, ob sie wollte oder nicht.

Als sie miteinander unterwegs waren, sprach der Igel zu seiner Frau: »Nun pass auf, was ich dir sage. Dort auf dem langen Acker will ich unseren Wettlauf machen. Der Hase läuft in einer Furche, und ich in der anderen, und dort oben fangen wir an. Du hast nun weiter nichts zu tun, als dass du dich hier unten in die Furche stellst, und wenn der Hase in sei-ner Furche daherkommt, so rufst du ihm entgegen: »Ich bin schon da!«

Der Hase indessen war auf die gleiche Idee gekommen, weil er sich sagte: "Wer bin ich denn, dass ich mit einem Igel um die Wette laufe. Ich werde meine Frau anweisen, sich unten am Acker aufzustellen und wenn der Igel dann schließlich ankommt, soll sie sagen: 'Ich bin natürlich schon da'. So kann ich gemütlich eine Möhre rauchen, während der Igel sich beim Laufen abmüht." 

Igel und Hase trafen sich oben am Acker. »Kann es losgehen?« fragte der Hase.
»Jawohl«, erwiderte der Igel.
»Dann nur zu.« Damit stellte sich jeder in seine Furche. Der Hase zählte: »Eins, zwei, drei«, und los ging er wie ein Sturmwind den Acker hinunter. Aber nach drei Sätzen schlug er einen Haken, versteckte sich und rauchte seine Möhre. Der Igel lief ebenfalls nur drei Schritte, dann duckte er sich in die Furche hinein und blieb ruhig sitzen.

Unten am Acker aber warteten Frau Hase und Frau Igel. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann warten sie noch heute. 

Die Lehre aus dieser Geschichte aber ist, dass es gut ist, wenn einer heiratet, dass er sich eine Frau von seinem Stand nimmt, die geradeso aussieht wie er. Wer also ein Hase ist, der muss darauf achten, dass auch seine Frau ein Hase ist. Wer ein Igel ist, der muss darauf sehen, dass auch seine Frau ein Igel ist. Und wer ein Ferkel ... und so weiter.

So, liebe Kinder, ihr schlaft ja schon vor lauter Langeweile.
Aber nehmt euch künftig ein Beispiel an der netten Frau des Hasen, die den Anweisungen ihres Mannes folgt, ohne auch nur ein Wort zu sprechen. Auch ihr könntet einmal in die Situation kommen, dass euer Lebenspartner betrügerische Machenschaften vorhat. Schreit ihn dann nicht auch noch an, wie es die Frau des Igels getan hat, er braucht jetzt Ruhe.   

Und wenn ihr versprecht, euch regelmäßig Zähne und Schuhe zu putzen, erzähle ich euch vielleicht noch ein weiteres langweiliges Märchen.

Michael

Das hat ja wunderbar geklappt. Lag das jetzt an meinem kindlichen Quengeln, an Stollentrolls Drohung oder an Amarillos Fangeschrei?

Ku

Es lag natürlich an allem.
Wenn ihr euch freut, freut mich das auch.

Stollentroll

Zitat von: Ku in 2007-04-25, 21:52:07
Wenn ihr euch freut, freut mich das auch.

Das freut uns   ;D
3 Dinge sagen immer die Wahrheit : Kinder, Besoffene und Leggings.

Ku

Und, liebe Kinder, da habe ich noch ein Märchen gefunden:

Ein König hatte eine Tochter, die war über alle Maßen schön, aber dabei so stolz und übermütig, dass ihr kein Freier gut genug war. Sie wies einen nach dem andern ab und trieb noch dazu Spott mit ihnen. Einmal ließ der König ein großes Fest anstellen und lud dazu aus der Nähe und Ferne die heiratslustigen Männer ein. Sie wurden alle in eine Reihe nach Rang und Stand geordnet: erst kamen die Könige, dann die Herzöge, die Fürsten, Grafen und Freiherren, zuletzt die Edelleute. Nun wurde die Königstochter durch die Reihen geführt, aber an jedem hatte sie etwas auszusetzen. Der eine war ihr zu dick: "Das Weinfass!" sprach sie. Der andere zu lang: "Lang und schwank hat keinen Gang!" Der dritte zu kurz: "Kurz und dick hat kein Geschick!" Der vierte zu blass: "Der bleiche Tod!" Der fünfte zu rot: "Der Zinshahn!" Der sechste war nicht gerade genug: "Grünes Holz, hinterm Ofen getrocknet!" Und so hatte sie an einem jeden etwas auszusetzen, besonders aber machte sie sich über einen guten König lustig, der ganz oben stand und dem das Kinn ein wenig krumm gewachsen war. "Ei", rief sie und lachte, "der hat ein Kinn wie die Drossel einen Schnabel!" und seit der Zeit bekam er den Namen Drosselbart - Der alte König aber, als er sah, dass seine Tochter nichts tat als über die Leute spotten, und alle Freier, die da versammelt waren, verschmähte, ward er zornig und schwur, sie sollte den ersten besten Bettler zum Manne nehmen, der vor seine Türe käme.

Ein paar Tage darauf hob ein Spielmann an, unter dem Fenster zu singen, um damit ein geringes Almosen zu verdienen. Als es der König hörte, sprach er: "Lasst ihn heraufkommen!" Da trat der Spielmann in seinen schmutzigen, zerlumpten Kleidern herein, sang vor dem König und seiner Tochter und bat, als er fertig war, um eine milde Gabe. Der König sprach: "Dein Gesang hat mir so wohl gefallen, dass ich dir meine Tochter da zur Frau geben will." Die Königstochter erschrak, aber der König sagte: "Ich habe den Eid getan, dich dem ersten besten Bettelmann zu geben; den will ich auch halten."

Da warf der Spielmann seinen zerlumpten Hut von sich und rief: "Und ich habe den Eid getan, Königstöchter und sonstige Naturalien sowie 500-Euro-Scheine nicht mehr zu akzeptieren. Und auch ich will meinen Eid halten."

Der König dachte bei sich: "Dieser Mensch ist ein Weiser" und machte ihn zu seinem Finanzminister. Die Königstochter aber musste einen Frosch heiraten, von dem man ihr erzählte, er sei ein verwunschener Prinz. Doch half alles Küssen nichts, er blieb ein Frosch.

So, liebe Kinder, ihr schlaft ja schon vor lauter Langeweile.
Aber nehmt euch künftig ein Beispiel an dem netten König Drosselbart. Auch ihr könntet in die Situation kommen, von der über alle Maßen schönen, aber stolzen und übermütigen Tochter eures Vorgesetzten veralbert zu werden, weil ihr so dämlich ausseht. Dann macht es wie der nette König Drosselbart und versucht wenigstens, nicht noch dämlicher auszusehen. Und vor allem: verkneift euch die Maulschellen.
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Ku

So, liebe Kinder, weil ihr in Opladen so brav gewesen seid, erzähle ich euch noch ein Märchen

Ein Vater hatte zwei Söhne, davon war der älteste klug und gescheit und wusste sich in alles wohl zu schicken. Der jüngste aber war dumm, konnte nichts begreifen und lernen, und wenn ihn die Leute sahen, sprachen sie: ,,Mit dem wird der Vater noch seine Last haben." Wenn nun etwas zu tun war, so musste es der älteste allzeit ausrichten; hieß ihn aber der Vater noch spät oder gar in der Nacht etwas holen, und der Weg ging dabei über den Kirchhof oder sonst einen schaurigen Ort, so antwortete er wohl: ,,Ach nein, Vater, ich gehe nicht dahin, es gruselt mir!" Denn er fürchtete sich. Oder wenn abends beim Feuer Geschichten erzählt wurden, wobei einem die Haut schaudert, so sprachen die Zuhörer manchmal: ,,Ach, es gruselt mir!" Der jüngste saß in einer Ecke und hörte das mit an und konnte nicht begreifen, was es heißen sollte. ,,Immer sagen sie ,Es gruselt mir! Es gruselt mir!' mir gruselt's nicht. Das wird wohl eine Kunst sein, von der ich auch nichts verstehe."

Nun geschah es, dass der Vater einmal zu ihm sprach: ,,Hör, du in der Ecke dort, du wirst groß und stark, du musst auch etwas lernen, womit du dein Brot verdienst. Siehst du, wie dein Bruder sich Mühe gibt, aber an dir ist Hopfen und Malz verloren." ,,Ei, Vater", antwortete er, ,,ich will gerne was lernen; ja, wenn's anginge, so möchte ich lernen, dass mir's gruselte; davon verstehe ich noch gar nichts." Der älteste lachte, als er das hörte, und dachte bei sich: Du lieber Gott, was ist mein Bruder ein Dummbart, aus dem wird sein Lebtag nichts. Was ein Häkchen werden will, muss sich beizeiten krümmen. Der Vater seufzte und antwortete ihm: ,,Das Gruseln, das sollst du schon lernen, aber dein Brot wirst du damit nicht verdienen."

Bald danach kam der Küster zu Besuch ins Haus. Da klagte ihm der Vater seine Not und erzählte, wie sein jüngster Sohn in allen Dingen so schlecht beschlagen wäre, er wüsste nichts und lernte nichts. ,,Denkt Euch, als ich ihn fragte, womit er sein Brot verdienen wollte, hat er gar verlangt, das Gruseln zu lernen." ,,Wenn's weiter nichts ist", antwortete der Küster, ,,das kann er bei mir lernen; tut ihn nur zu mir, ich werde ihn schon abhobeln." Der Vater war es zufrieden, weil er dachte: Der Junge wird doch ein wenig zugestutzt. Der Küster nahm ihn also ins Haus, und er musste die Glocken läuten. Nach ein paar Tagen weckte er ihn um Mitternacht, hieß ihn aufstehen, in den Kirchturm steigen und läuten. Du sollst schon lernen, was Gruseln ist, dachte er, ging heimlich voraus, und als der Junge oben war und sich umdrehte und das Glockenseil fassen wollte, so sah er auf der Treppe, dem Schalloch gegenüber, eine weiße Gestalt stehen. ,,Wer da?" rief er, aber die Gestalt gab keine Antwort, regte und bewegte sich nicht. ,,Gib Antwort", rief der Junge, ,,oder mache, dass du fort kommst, du hast hier in der Nacht nichts zu schaffen!" Der Küster aber blieb unbeweglich stehen, damit der Junge glauben sollte, es wäre ein Gespenst. Der Junge rief zum zweiten Male: ,,Was willst du hier? Sprich, wenn du ein ehrlicher Kerl bist, oder ich werfe dich die Treppe hinab." Der Küster dachte: Das wird so schlimm nicht gemeint sein, gab keinen Laut von sich und stand, als wenn er von Stein wäre. Da rief ihn der Junge zum dritten Male an, und als das auch vergeblich war, nahm er einen Anlauf und stieß das Gespenst die Treppe hinab, dass es zehn Stufen hinab fiel und in einer Ecke liegen blieb. Darauf läutete er die Glocke, ging heim, legte sich ohne ein Wort zu sagen ins Bett und schlief fort. Die Küsterfrau wartete lange Zeit auf ihren Mann, aber er wollte nicht wieder kommen. Da ward ihr endlich angst, sie weckte den Jungen und fragte: ,,Weißt du nicht, wo mein Mann geblieben ist? Er ist vor dir auf den Turm gestiegen." ,,Nein", antwortete der Junge, ,,aber da hat einer dem Schalloch gegenüber auf der Treppe gestanden, und weil er keine Antwort geben und auch nicht weggehen wollte, so habe ich ihn für einen Spitzbuben gehalten und hinunter gestoßen. Geht nur hin, so werdet Ihr sehen, ob er's gewesen ist, es sollte mir leid tun." Die Frau sprang fort und fand ihren Mann, der in einer Ecke lag und jammerte und ein Bein gebrochen hatte.

Sie trug ihn herab und eilte mit lautem Geschrei zu dem Vater des Jungen. ,,Euer Junge", rief sie, ,,hat ein großes Unglück angerichtet, meinen Mann hat er die Treppe hinab geworfen, dass er ein Bein gebrochen hat. Schafft den Taugenichts aus unserm Hause!" Der Vater erschrak, kam herbeigelaufen und schalt den Jungen aus. ,,Was sind das für gottlose Streiche, die muss dir der Böse eingegeben haben." ,,Vater", antwortete er, ,,hört nur an, ich bin ganz unschuldig. Er stand da in der Nacht wie einer, der Böses im Sinne hat. Ich wusste nicht, wer's war, und habe ihn dreimal ermahnt zu reden oder wegzugehen." ,,Ach", sprach der Vater, ,,mit dir erleb' ich nur Unglück, geh mir aus den Augen, ich will dich nicht mehr ansehen." ,,Ja, Vater, recht gerne, wartet nur bis Tag ist, da will ich ausgehen und das Gruseln lernen, so versteh ich doch eine Kunst, die mich ernähren kann." ,,Lerne, was du willst", sprach der Vater, ,,mir ist alles einerlei. Da hast du fünfzig Taler, damit geh in die weite Welt und sage keinem Menschen, wo du her bist und wer dein Vater ist, denn ich muss mich deiner schämen." ,,Ja, Vater, wie Ihr's haben wollt, wenn Ihr nicht mehr verlangt, das kann ich leicht in acht behalten."

Als nun der Tag anbrach, steckte der Junge seine fünfzig Taler in die Tasche, ging hinaus auf die große Landstraße und sprach immer vor sich hin: ,,Wenn mir's nur gruselte! Wenn mir's nur gruselte!" Da kam ein Mann heran, der hörte das Gespräch, das der Junge mit sich selber führte, und als sie ein Stück weiter waren, sagte der Mann zu ihm: ,,Siehst du, dort ist ein Internetcafe, gehe hinein und rufe "www.soviseau.de/Verben" auf. Der Junge tat, wie ihm geheißen und schon nach wenigen Augenblicken hörte man einen grässlichen Schrei und der Junge rief: ,,Ach, was gruselt mir, was gruselt mir! Ja, nun weiß ich, was Gruseln ist."

So, liebe Kinder, ihr schlaft ja schon vor lauter Langeweile.
Aber nehmt euch künftig ein Beispiel an dem netten Mann, der dem Jungen den richtigen Tip gegeben hat. Auch ihr könntet einmal in die Situation kommen, dass euch jemand fragt, wie er sich am schnellsten gruseln könnte. Dann macht es wie der nette Mann.   

Ku

So, liebe Kinder, hier ist noch ein Märchen, das ich völlig vergessen hatte. Ich erzähle es euch eben jetzt noch:

An einem Sommermorgen saß ein Schneiderlein auf seinem Tisch am Fenster, war guter Dinge und nähte aus Leibeskräften. Da kam eine Bauersfrau die Straße herab und rief: »Gut Mus feil! Gut Mus feil!«
Das klang dem Schneiderlein lieblich in die Ohren, er steckte sein zartes Haupt zum Fenster hinaus und rief: »Hierherauf, liebe Frau, hier wird Sie Ihre Ware los.«
Die Frau stieg die drei Treppen mit ihrem schweren Korbe zu dem Schneider herauf und musste die Töpfe sämtlich vor ihm auspacken. Er besah sie alle, hob sie in die Höhe, hielt die Nase dran und sagte endlich: »Das Mus scheint mir gut, wieg Sie mir doch vier Lot ab, liebe Frau, wenn's auch ein Viertelpfund ist, kommt es mir nicht darauf an.«
Die Frau, welche gehofft hatte, einen guten Absatz zu finden, gab ihm, was er verlangte, ging aber ganz ärgerlich und brummig fort.

»Nun, das Mus soll mir Gott gesegnen«, rief das Schneiderlein, »und soll mir Kraft und Stärke geben«, holte das Brot aus dem Schrank, schnitt sich ein Stück über den ganzen Laib und strich das Mus darüber. »Das wird nicht bitter schmecken«, sprach er, »aber erst will ich den Wams fertigmachen, eh ich anbeiße.«
Er legte das Brot neben sich, nähte weiter und machte vor Freude immer größere Stiche. Indes stieg der Geruch von dem süßen Mus hinauf an die Wand, wo die Fliegen in großer Menge saßen, so dass sie herangelockt wurden und sich scharenweis darauf niederließen. »Ei, wer hat euch eingeladen?« sprach das Schneiderlein und jagte die ungebetenen Gäste fort. Die Fliegen aber, die kein Deutsch verstanden, ließen sich nicht abweisen, sondern kamen in immer größerer Gesellschaft wieder. Da lief dem Schneiderlein endlich, wie man sagt, die Laus über die Leber, es langte aus seiner Hölle nach einem Tuchlappen, und »Wart, ich will es euch geben!« schlug es unbarmherzig drauf. Als es abzog und zählte, so lagen nicht weniger als sieben vor ihm tot und streckten die Beine.

»Bist du so ein Kerl?« sprach er und musste selbst seine Tapferkeit bewundern. »Das soll die ganze Stadt erfahren.« Und in der Hast schnitt sich das Schneiderlein einen Gürtel, nähte ihn und stickte mit großen Buchstaben darauf »Siebene auf einen Streich!«
»Ei was, Stadt!« sprach er weiter, »die ganze Welt soll's erfahren!« Und sein Herz wackelte ihm vor Freude wie ein Lämmerschwänzchen. Der Schneider band sich den Gürtel um den Leib und wollte in die Welt hinaus, weil er meinte, die Werkstätte sei zu klein für seine Tapferkeit. Eh er abzog, suchte er im Haus herum, ob nichts da wäre, was er mitnehmen könnte. Er fand aber nichts als einen alten Käs, den steckte er ein. Vor dem Tore bemerkte er einen Vogel, der sich im Gesträuch gefangen hatte, der musste zu dem Käse in die Tasche.

Nun nahm er den Weg tapfer zwischen die Beine, und weil er leicht und behend war, fühlte er keine Müdigkeit. Der Weg führte ihn auf einen Berg, und als er den höchsten Gipfel erreicht hatte, so saß da ein gewaltiger Riese und schaute sich ganz gemächlich um. Das Schneiderlein ging beherzt auf ihn zu, redete ihn an und sprach: »Guten Tag, Kamerad, gelt, du sitzest da und besiehst dir die weitläufige Welt? Ich bin eben auf dem Weg dahin und will mich versuchen. Hast du Lust, mitzugehen?«
Der Riese sah den Schneider verächtlich an und sprach: »Du Lump! Du miserabler Kerl!«
»Das wäre!« antwortete das Schneiderlein, knöpfte den Rock auf und zeigte dem Riesen den Gürtel. »Da kannst du lesen, was ich für ein Mann bin.«
Der Riese las »Siebene auf einen Streich«, meinte, das wären Menschen gewesen, die der Schneider erschlagen hätte, und kriegte ein wenig Respekt vor dem kleinen Kerl.

Doch wollte er ihn erst prüfen, nahm einen Stein in die Hand und drückte ihn zusammen, dass das Wasser heraustropfte.
»Das mach mir nach«, sprach der Riese, »wenn du Stärke hast.«
»Ist's weiter nichts?« sagte das Schneiderlein. »Das ist bei unsereinem Spielwerk«, griff in die Tasche, holte den Vogel hervor und drückte ihn, dass der Saft herauslief. »Gelt«, sprach er, »das war ein wenig besser?«
Der Riese wusste nicht, was er sagen sollte, und konnte es von dem Männlein nicht glauben. Da hob der Riese einen Stein auf und warf ihn so hoch, dass man ihn mit Augen kaum noch sehen konnte.
»Nun, du Erpelmännchen, das tu mir nach.«
»Gut geworfen«, sagte der Schneider, »aber der Stein hat doch wieder zur Erde herabfallen müssen. Ich will dir einen werfen, der soll gar nicht wiederkommen«, griff in die Tasche und merkte, dass nur noch der weiche Käse darin war.

Da warf er den Käse auf das einzige Auge des Riesen und lief, so schnell er konnte, in seine Werkstätte zurück. Und weil er ein tapferes Schneiderlein war, aß er das Brot zusammen mit dem Mus und den Fliegen und dem Tuch auf einen Satz auf.
Und wenn er nicht gestorben ist, dann würgt er heute noch.   


So, liebe Kinder, ihr schlaft ja schon vor lauter Langeweile.
Aber nehmt euch künftig ein Beispiel an dem netten Riesen, der auch mit kleinwüchsigen Menschen lustige Spiele treibt. Auch euch kann es passieren, dass solche Menschen euch Gürtel zeigen, auf denen dummes Zeug geschrieben steht. Dann macht es wie der nette Riese.

Ku

So, liebe Kinder, ich habe mich, wie die Gebrüder Grimm, auch einmal bei einfachen Menschen umgehört, was diese ihren Kindern so an Märchen erzählen. Und denkt euch, viele einfache Menschen erzählen die Märchen, die ich euch erzählt habe, ganz anders.       
So höret:

Es war einmal eine schöne Königstochter, die dachte immer bei sich: "Wenn mich doch ein schöner Königssohn heiraten möchte". Aber in der Nachbarschaft war gerade kein passender Königssohn vorrätig.
Da erinnerte sich die schöne Königstochter an ihre Amme, welche ihr immer die wunderlichsten Geschichten erzählt hatte. Eine davon ging von einer Quelle im Wald, in der lauter verwunschene Frösche lebten und warteten, dass sie sollten von ihrer Verwünschung erlöst werden. Zwar war ihr vom Vater streng verboten worden, in den Wald zu gehen, weil er fürchtete, der Bär oder der Wolf möchte sie zerreißen, aber ihre Sehnsucht nach einem schönen Königssohn ließ alle Verbote und selbst die eigene Furcht hintan stehen.
Als sie bei der Quelle angekommen war, erblickte sie auch richtig einen Frosch, der im Wasser paddelte und seinen Kopf herausstreckte. "Grüß Gott, lieber Frosch", sprach sie zu dem Frosch, "komm herangeschwommen, dass ich dich erlöse." Der Frosch paddelte heran und sie nahm ihn in ihre Hand. Dann schloss sie die Augen, hielt sich die Nase zu und küsste den Frosch. Aber nichts geschah, der Frosch verwandelte sich nicht in den schönen Königssohn, den sie sich ersehnt hatte, sondern quakte und sprang wieder in das Wasser zurück.
Da wurde die schöne Königstochter sehr traurig und die Tränen rannen ihr über das Gesicht. Und wie sie so weinte, sprangen plötzlich zwei Männlein hinter einem Baum hervor und sprachen: "Wir sind zwei verwunschene Frösche. Man nennt uns die Gebrüder Grimm und wir erforschen die Bräuche der Menschen. Sag uns, warum du diesen Frosch geküsst hast und jetzt darob weinst. Hat er", so fragten sie, "deinen Kuss womöglich unschicklicherweise nicht erwidert?" Die schöne Königstochter erschrak, als sie die beiden Männlein sah, fasste sich jedoch gleich wieder. "Ich verstehe eure Frage nicht", antwortete sie, "aber diesen Frosch habe ich geküsst, weil die Amme erzählt hat, er wäre in Wirklichkeit einer von den verwunschenen Königssöhnen und ich könne ihn dadurch erlösen, dass ich ihn küsse." Die beiden Männchen lächelten und sagten: "Das ist wohl wahr, was die Amme erzählt hat, indessen musst du, um diesen Frosch zu erlösen, die vorgeschriebenen Schritte einhalten." Da flehte die schöne Königstochter die beiden Männchen an, sie möchten sie in dieser Kunst unterweisen. Und die beiden Männchen sprachen: "Zuerst musst du eine goldene Kugel in diese Quelle fallen lassen und weil sie dir wert und teuer ist, darüber traurig sein und weinen. Von deinen Tränen angelockt wird ein Frosch erscheinen und dich fragen, was dir ist. Du musst ihm von dem Verlust erzählen. Der Frosch wird dir anbieten, deine goldene Kugel wieder herauf zu holen, wenn du ihm dafür versprichst, was er verlangt. Das Versprechen musst du ihm geben. Er wird deine goldene Kugel herauf bringen und verlangen, dass du dein Versprechen einlöst. Erst wenn dies alles geschehen ist, wird dein Kuss den Frosch in einen schönen Königssohn verwandeln."
Da jauchzte die schöne Königstochter und rief: "Seid bedankt, ihr lieben Männchen, gleich werde ich mein goldenes Spielwerk herbeiholen." Und sie eilte auf ihr Schloss, nahm die goldene Kugel und kehrte zu der Quelle zurück. Die beiden Männchen aber waren verschwunden. Und der schönen Königstochter ward bang, ob sie auch alles richtig machen werde. Sie warf die goldene Kugel in das Wasser und begann sogleich zu weinen. Da erschien der nämliche Frosch, den sie vorher schon geküsst hatte, paddelte zu der schönen Königstochter hin und fragte: "Was ist dir? Warum vergießt du Tränen?" Und sie antwortete: "Ich weine über meine goldene Kugel, die mir in das Wasser hinabgefallen ist."  - ,,Sei still und weine nicht", antwortete der Frosch, ,,ich kann wohl Rat schaffen; aber was gibst du mir, wenn ich dein Spielwerk wieder heraufhole?" - ,,Was du haben willst, lieber Frosch", sagte sie. Und der Frosch erwiderte: "Wenn du mich lieb haben willst, und ich soll dein Geselle und Spielkamerad sein, an deinem Tischlein neben dir sitzen, von deinem goldenen Tellerlein essen, aus deinem Becherlein trinken, in deinem Bettlein schlafen - wenn du mir das versprichst, so will ich hinunterspringen und dir die goldene Kugel wieder heraufholen." - ,,Ach ja", sagte sie, ,,ich verspreche dir alles, was du willst, wenn du mir nur die Kugel wiederbringst."               
Der Frosch, als er die Zusage erhalten hatte, tauchte seinen Kopf unter, sank hinab, und über ein Weilchen kam er wieder heraufgerudert, hatte die Kugel im Maul und warf sie ins Gras. Die Königstochter war voll Freude, als sie ihr schönes Spielwerk wieder erblickte. Und der Frosch sprach: "Jetzt lös dein Versprechen ein."
Da nahm die schöne Königstochter den Frosch zum zweiten Mal in die Hand, schloss die Augen, hielt sich die Nase zu und küsste ihn.
Und es pfiff und knisterte ein wenig und als sie die Augen wieder öffnete, stand ein junger Mann vor ihr, wie er schöner nicht sein konnte. "Oh!" flüsterte die schöne Königstochter, "du bist der schönste junge Mann, den ich je gesehen habe. Komm mit mir auf mein Schloss, dort wollen wir Hochzeit halten."
"Nix Hochzeit" erwiderte der schöne junge Mann. "Davon war nie die Rede. Wie weiter oben im einzelnen und abschließend ausgeführt ist, gilt das Versprechen für lieb haben, Tischlein, Tellerlein, Becherlein und Bettlein. Und hier der aktuelle Tip: Grund zur Nahrungsaufnahme besteht zur Zeit nicht." Strophe sieben.
Der Königstochter aber war es recht und der Königin auch, denn sie wurde des jungen Mannes hinreichend oft leihweise teilhaftig. Nur der König runzelte die Stirn, aber was sollte er auch sonst runzeln.

VerbOrg

Vielen Dank, lieber Ku, dass Du uns wieder mal mit einem schönen Gute-Nacht-Märchen beglockst.
Schöner hätten's die beiden Männlein dem Volke auch nicht ablauschen können.