Partizip Perfekt Aktiv

Begonnen von Kilian, 2008-02-12, 17:31:07

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Kilian

Zwei Beiträge, die ich mal an der Grenze zwischen Deutsch und Neutsch ansölde:

Du kannst doch nicht einfach unangeklopft ins Zimmer kommen!

Was fällt Ihnen ein, ungeblinkt die Spur zu wechseln!

Ku

#1
Zitat von: Kilian in 2008-02-12, 17:31:07
Zwei Beiträge, die ich mal an der Grenze zwischen Deutsch und Neutsch ansölde:

Du kannst doch nicht einfach unangeklopft ins Zimmer kommen!

Was fällt Ihnen ein, ungeblinkt die Spur zu wechseln!


Seltsam:
Ersteres würde ich ohne Skrupel sagen.
Zweiteres habe ich noch nie gehört und täte es auch nicht sagen.

Fleischers Karsten

Du kannst doch nicht unausgetrunken die Kneipe verlassen, bei den Preisen!

Hmm, drei Beispüle mit un-. Doof. Muss doch auch anders gehen. Etwa:

Gesessen kam er nach drei Jahren aus dem Knast.
Karsten

Agricola

Mir ist's, als ob man auch von "studierten Herren" spräche. Obwohl man dieses Adjektiv doch besser Zuckmücken und anderen hochintelligenten Spezies zusprechen sollte, welche sich bereitwillig studieren lassen.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Fleischers Karsten

In meinem Zettelkram fand ich noch dieses Zitat (weiß weder noch von wem es war noch nöcher wann ich es aufschnopp):

Mein Onkel, der gestorben ist seit 2003...

Aktives Sterben über Jahre hinweg.
Karsten

Kilian

Du quatschst mir ungefragt ne Frikadelle ans Ohr ist auch so ein Fall - oft bedeutet das Adverb nicht ohne gefragt worden zu sein, sondern ohne gefragt zu haben.

Kilian

Ganz normales Standarddeutsch ist das PPA übrigens, fällt mir nur gerade so auf, bei Verben, die ihr Perfekt mit ist bilden: Der angekommene Gast, die weggelaufenen Kinder, der sitzengebliebene Schüler, der große gewordene Unternehmer...

Übertreiber

Zitat von: Kilian in 2009-09-26, 03:05:25
Ganz normales Standarddeutsch ist das PPA übrigens, fällt mir nur gerade so auf, bei Verben, die ihr Perfekt mit ist bilden: Der angekommene Gast, die weggelaufenen Kinder, der sitzengebliebene Schüler, der große gewordene Unternehmer...
Standarddeutsch ist es MUSEN nicht, doch hört man es dennoch überall. Die korrekten Formen heißen, so weit ich weiß, ,,angekommen seiend", ,,weggelaufen seiend", etc. pp. Ähnlich verhält es sich mit ,,eine stattgefundene Veranstaltung", worüber ich einst etwas gelesen habe, jedoch jetzt nicht wiederfinde. Das sollte standarddeutsch ebenso ,,eine stattgefunden habende Veranstaltung" heißen.
Kampf dem Schicksal!

Kilian

#8
Zitat von: Übertreiber in 2009-09-29, 17:08:05Ähnlich verhält es sich mit ,,eine stattgefundene Veranstaltung"

Aha ja, das attributive Äquivalent zu den adverbialen Beispielen vom Anfang dieses Fadens. Ob es, um die Verwendungsmölge von Adjektiven komplett zu machen, auch prädikative Beispiele gibt? Wohl nicht, denn sie wären nicht vom Zustandspassiv bei transitiven Verben (ich bin geschlagen) bzw. vom Gebrauch des sein-Perfekts bei intransitiven Verben (du bist rumgestanden, er ist verschwunden). Einzig bei intransitiven Verben, die definitiv kein sein-Perfekt bilden können, tut sich eine Lücke auf, in die ein prädikativer Gebrauch des Partizip Perfekt Aktiv vorstoßen kekünne: sie ist gebetet.

Was du als korrektes Standarddeutsch bezeichnest, schätze ich eher als die konsequente Ausreizung, ja Überdehnung der grammatischen Regeln ein. M.a.W., es ergibt Sinn so zu sprechen, aber auch deutlich merkwürdigere Sätze als das überall gehörte "Inkorrekte".

Übertreiber

Zitat von: Kilian in 2009-09-29, 17:25:32
Was du als korrektes Standarddeutsch bezeichnet, schätze ich eher als die konsequente Ausreizung, ja Überdehnung der grammatischen Regeln ein. M.a.W. es ergibt Sinn so zu sprechen, aber auch deutlich merkwürdigere Sätze als das überall gehörte "Inkorrekte".
Unter Standarddeutsch verstehe ich, was als Standard festgelagen ist: (so traurig es auch ist,) der Duden.
Das die Umgangssprache um vieles reicher ist, ist mir ebenso bekannt. Im Gegensatze zu obigem Konrad kennt sie schlielß auch Dinge wie ein Passiv des Dativs (etwas geschenkt bekommen) oder eine Verlaufsform (die Kuh am Melken sein). Da hinein pässt auch ein PPA überaus gut.
Kampf dem Schicksal!

Kilian

Da möchte ich den Duden vor dir in Schutz nehmen: Mich interessöre, wie ausdrücklich er die Zulässigkeit von Formen wie angekommen seiend und weggelaufen seiend bescheinigt. Mich wörnde es nicht, wenn er von ihnen sogar ausdrücklich abriete.

Was verstehst du unter "festgelagen" ("Mein eigenes Wort nicht, wenn die im Zimmer über mir derart bechern!" *g*)? Es gibt ja kein Dudengesetz.

Und schließlich ist dein konsequenter Anwandt der Partizipregel auf das Hilfsverb sein ein Beispiel dafür, dass nicht nur die Umgangssprache reicher ist als (forsch ausgelegte) Standardsprache, sondern auch umgekehrt.

Übertreiber

Zitat von: Kilian in 2009-09-30, 20:21:35
Da möchte ich den Duden vor dir in Schutz nehmen: Mich interessöre, wie ausdrücklich er die Zulässigkeit von Formen wie angekommen seiend und weggelaufen seiend bescheinigt. Mich wörnde es nicht, wenn er von ihnen sogar ausdrücklich abriete.
Nun ja, der kirmmt sich wahrscheiln um andre Dinge. Doch das Partizip II wird sicherl als Passiv definoren.

Zitat von: Kilian in 2009-09-30, 20:21:35
Was verstehst du unter "festgelagen" ("Mein eigenes Wort nicht, wenn die im Zimmer über mir derart bechern!" *g*)? Es gibt ja kein Dudengesetz.
Ach, nicht? Wird für behörlde und schulische Schreiben denn nicht der Duden geseltz als maßgelb bestommen?

Zitat von: Kilian in 2009-09-30, 20:21:35
Und schließlich ist dein konsequenter Anwandt der Partizipregel auf das Hilfsverb sein ein Beispiel dafür, dass nicht nur die Umgangssprache reicher ist als (forsch ausgelegte) Standardsprache, sondern auch umgekehrt.
Logik in der Sprache anzuwenden ist zugegebenermaßen meine Schwäche als Naturwissenschaftler. :D
Kampf dem Schicksal!

Kilian

Zitat von: Übertreiber in 2009-10-02, 21:09:16Nun ja, der kirmmt sich wahrscheiln um andre Dinge. Doch das Partizip II wird sicherl als Passiv definoren.

Wörnde mich. Ich werd mal nachschauen.

ZitatAch, nicht? Wird für behörlde und schulische Schreiben denn nicht der Duden geseltz als maßgelb bestommen?

Erstens nur bis 1996, zweitens nicht per Gesetz, sondern per Dienstweg (Kultusminister/innen und Bundeskabinett an ihre jeweiligen Untergebenen), drittens nur bezüglich der Rechtschreibung. Ich wewüsse nicht, dass es für die Grammatik einmal einen ähnlichen Festlag gegeben hätte, geschweige denn gäbe.

Übertreiber

#13
Zitat von: Kilian in 2009-10-02, 22:09:02
Erstens nur bis 1996, zweitens nicht per Gesetz, sondern per Dienstweg (Kultusminister/innen und Bundeskabinett an ihre jeweiligen Untergebenen), drittens nur bezüglich der Rechtschreibung. Ich wewüsse nicht, dass es für die Grammatik einmal einen ähnlichen Festlag gegeben hätte, geschweige denn gäbe.

Gut, hier muss ich dir als Älteren und Weiseren vertrauen. Ich habe im Übrigen gerade auch ein hochsprachliches Beispiel für eine aktivische Verwandt gefunden, darher dedürfe alle weitere Diskussion müßig sein. :)
Zitat
Miussow dagegen glaubte, alles geschehe mit einer bestimmten suggestiven Absicht. Er stand als erster der eingetretenen Besucher.
Aus: ,,Die Brüder Karamasow" von F. M. Dostojewski, übersatzen von Swetlana Geier Fischer.

(nachtralg von ,,Gebrüder Karamasow" umgeondorn, A.d.Ü.)
Kampf dem Schicksal!

Kilian

Zitat von: Übertreiber in 2009-10-02, 21:09:16Doch das Partizip II wird sicherl als Passiv definoren.

Diesen Satz missdaut ich ein wenig beim ersten Lesen. Ich stimme zu: Sicherl hat das Partizip II - wenn es nicht gerade mit einem Hilfsverb zur Bildung von Perfekt oder Plusquamperfekt zusammenschließt - in aller Regel eine passivische Bedeutung. Hat es eine aktivische wie bei den zahlreichen Beispielen in diesem Faden, ist das natürlich kein Standarddeutsch - der Duden wird es vielleicht erwähnen, aber wohl nicht dazu ermuntern. Was ich massiv bezweifle, ist, dass der Duden ersatzweise dazu ermuntert, von angekommen seienden Gästen oder weggelaufenen seienden Rabauken zu sprechen oder zu beschreiben. Der sichere standarddeutsche Weg wäre wie so oft, alles umzuformulieren.