Partizip Perfekt Aktiv

Begonnen von Kilian, 2008-02-12, 17:31:07

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Berthold

#30
Zitat von: Wortklaux in 2015-06-03, 04:48:01
Und auch substantiviert den Bedienten, der sogar noch im Präsens bedient. Aber wahrscheinlich ist das eine Abkürzung vom Bediensteten? Also dem, dem man einen Dienst aufgedrocken hat? Aber diese Wörter alle haben weniger mit der ursprünglichen Frage zu tun, wo es doch um die Verwechslung von Dativ- und Akkusativobjekten ging.

Ich glaube, daß der Bediente (auch) ein Wortwitz des großen Johann N. Nestroy gewesen ist. In seinen Personenlisten heißt es: "Johann, ein Bedienter". Witz: Er wird von einem üblen Schicksal "bedient". Ein Gemischtwarenhändler heißt bei Nestroy ugbrens "Vermischter Warenhändler". Und über "Marchandmode(-Madl)" etwas herzuschreiben, ließe uns vom Thema ab- und zu Nestroy hingleiten.     

Wortklaux

Zitat von: Homer in 2015-06-03, 10:01:23
Zitat von: Wortklaux in 2015-06-03, 04:48:01
Aber diese Wörter alle haben weniger mit der ursprünglichen Frage zu tun, wo es doch um die Verwechslung von Dativ- und Akkusativobjekten ging.

Dieser hier ist ja auch ein anderer Faden als der dort.  ;)

Oh ja  *blush*

Homer

Noch eins:

"Er ist ein erklärter Gegner der Vorratsdatenspeicherung", nämlich weil er das selbst erklärt hat.

Wortklaux

Da erkönne ich ein reflexives Moment... er hat sich selbst als Gegner erklärt (=offenbart), somit ist er auch durch sich selbst als Gegner erklärt worden...
Ähnlich der "mit allen Wassern Gewaschene", der sich doch auch selbst gewaschen hat. Oder "angezogene" Menschen, bei denen uns es nichts ausmacht, dass sie sich in 99 Prozent der Fälle selbst angezogen haben.

Homer

"Reflexives Moment" ist aber keine mögliche Erklärung. Ein Mensch, der sich erinnert hat, ist kein "erinnerter Mensch", einer, der sich geäußert hat, kein "geäußerter Mensch" usw. Ob also einer "sich" als Gegner "erklärt" hat, ist unmaßgeblich. Entscheidend für die Einstufung als Partizip Perfekt Aktiv ist, dass er sich erklärt hat.

Wortklaux

Die Sache ist komplizierter, als sie auf den ersten Blick aussieht. Es gibt offensichtlich verschiedene Arten der Reflexivität.
Ich glaube, jemand ist ein erklärter Gegner noch nicht dadurch, dass er seine oppositionelle Meinung erklärt hat und wir ihn dadurch als Gegner erkennen, sondern erst dadurch, dass er sich als Gegner explizit benannt hat. Somit ist die Funktion "Gegner" der erklärte Gegenstand, der ihn allerdings selbst bezeichnet. Dabei steht er selbst in Parallele zu "seinen erklärten Gegnern".
Beim Erinnern ist es ja anders. "Sich an etwas erinnern" ist keineswegs analog zu "jemanden an etwas erinnern", da der letztere Vorgang voraussetzt, dass der Erinnernde sich einer Sache bewusst ist, die der Erinnerte vermutlich vergessen hat. Wie soll man sich also selbst erinnern können? Bestenfalls vielleicht mithilfe einer Methode, die die Zeit vom Bewusstsein bis zum Vergessen überbrückt. Man kann sich also mit einem Zettel oder einem Handy-Alarm selbst an eine Sache erinnern, und in diesem Fall ist man auch im Augenblick des Erblickens des Zettels oder des Hörens des Handy-Alarms an die vergessene Sache erinnert. Ansonsten ist man aber, wenn man sich unwillkürlich an etwas erinnert, keineswegs das Objekt einer selbst vollzogenen Handlung.
Insofern ist ein "reflexives Moment" eine mögliche Erklärung, sofern man die verschiedenen Formen der Reflexivität unterscheidet: Einerseits eine Reflexivität, bei der der Handelnde "zufällig" (in der philosophischen Wortbedeutung) mit dem Objekt der Handlung identisch ist, und andererseits eine Reflexivität, die der Handlung "wesentlich" ist und deshalb kein vom Handelnden verschiedenes Objekt haben kann.
Vielleicht lassen sich die Formen dadurch unterscheiden, dass man im zufälligen Fall ein "selbst" (akkusativisch als Attribut zu "mich/dich/sich" aufgefasst) ergänzen kann, während das im wesentlichen Fall gar nicht passt: Sich selbst (mit einem Zettel) an etwas erinnern vs. sich (unwillkürlich) an etwas erinnern.

Kilian

Zitat von: Homer in 2015-06-03, 17:05:55
Noch eins:

"Er ist ein erklärter Gegner der Vorratsdatenspeicherung", nämlich weil er das selbst erklärt hat.

Das könnte aber doch auch ganz normales akkusativisches Passiv sein? Er wurde von jemandem (zum Gegner) erklärt – vermutlich von sich selbst, aber das steht da nicht, behaupte ich mal.

Kilian

Zitat von: Wortklaux in 2015-06-03, 18:50:21
Da erkönne ich ein reflexives Moment... er hat sich selbst als Gegner erklärt (=offenbart), somit ist er auch durch sich selbst als Gegner erklärt worden...
Ähnlich der "mit allen Wassern Gewaschene", der sich doch auch selbst gewaschen hat. Oder "angezogene" Menschen, bei denen uns es nichts ausmacht, dass sie sich in 99 Prozent der Fälle selbst angezogen haben.

Ähnlich hier: Syntaktisch ist hier m.E. gar nichts bemerkenswert. Das ist ganz normales akkusativisches Passiv – das Subjekt können wir nur raten (hier vermutlich dieselben Menschen, die auch das Objekt sind).

Kilian

Zitat von: Homer in 2015-06-03, 20:40:22
Ein Mensch, der sich erinnert hat, ist kein "erinnerter Mensch", einer, der sich geäußert hat, kein "geäußerter Mensch" usw.

Weil ,,echte" reflexive Verben kein Passiv bilden.1

1 Jedenfalls keins, bei dem das reflexive Argument zum Subjekt wird: *Ich wurde (von mir) beeilt. Nicht falsch dagegen, höchstens etwas merkwürdig: ?Das wurde sich von ihm eingebildet.

Kilian

Zitat von: Wortklaux in 2015-06-03, 21:20:21
Es gibt offensichtlich verschiedene Arten der Reflexivität.

Ja, es gibt ,,echte" reflexive Verben, reflexive Verbvarianten und reflexiv verwendete Verben. Glaube aber, wie schon angediuten, nicht, dass Reflexivität viel mit dem Thema dieses Fadens zu tun hat.

Homer

#40
@Wortklaux: Ja, da hast Du wohl Recht, "sich erinnern" ist nicht in einer vergleichbaren Weise reflexiv.

Aber "erklärter Gegner" ist wohl doch noch etwas anders zu analysieren als "mit allen Wassern gewaschen" oder "angezogen". Denn diese Partizipien sind einfach passivisch verwendet, wobei man ohne Kontext nicht wissen kann, ob sie durch Transformation aus einem "Gewaschen-Werden" bzw. "Angezogen-Werden" durch sich selbst oder durch andere entstanden sind [wie Kilian schon bemork, während ich dies schrieb]. Der "erklärte Gegner" ist aber kein "Gegner, der erklärt wurde", sondern bestenfalls "jemand, der zum Gegner erklärt wurde", und dann auf jeden Fall von sich selbst und nicht von anderen. Insofern ist m.E. die beste Erklärung die, dass es jemand ist, "der über sich selbst die Erklärung abgegeben hat, dass er Gegner ist". Das ist kein ganz so klarer Fall von Partizip Perfekt Aktiv wie "studierter Historiker", kommt aber in die Nähe.

Wortklaux

Und was hältst du von den erklärten Widersachern des erklärten Gegners?

Mir fielen gerade noch die berittenen Polizisten ein, die ja eigentlich weder bereiten noch beritten werden. Wie ist dieses Partizip zu verstehen?

Homer

Zitat von: Wortklaux in 2015-06-03, 22:15:16
Mir fielen gerade noch die berittenen Polizisten ein, die ja eigentlich weder bereiten noch beritten werden. Wie ist dieses Partizip zu verstehen?

Sieht so aus, als sei dem Verb bereiten diejenige seiner Bedeutungen abhanden gekommen, die nun einzig noch im Partizip Perfekt fortlebt: Man findet netzens "mhd. berīten '(auf dem Pferd) reiten'". Wäre demnach richtig in diesem Faden.

Wortklaux

Wie steht es eigentlich um die Betrunkenen?

Wortklaux

und um diese nicht allein auf dem schwankendem Boden der Grammatik zu lassen: mit den gut Erholten?