Infinitivendung -en

Begonnen von Tschabrendeki, 2008-04-23, 10:37:54

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Tschabrendeki

Grüße!

Ich wäre ein Germanistiklehrer aus Ungarn, jemand der sich stark an Sprachgeschichte interessöre (hoffentlich richtig gebolden)...

Was mir einfiel: hab' ja gelornen, dass die Infinitivendungen früher sehr bunter waren (-on, -an, -en)
Wir kekünnen ja versuchen diese neu herzustellen, damit der Konjugation noch mehr Farbe zu gewinnen.
Und wenn überhaupt: wir kekünnen sogar alle -en Endugen (die der Pl. 1 und 3) weiter färben.
Habe noch daran nicht argebitten, aber bin gespannt (besser wäre bei diesen gemoschenen Verben das volle Storke: gespannen - oder sogar: gespannon?)

:)

Hab mich recht gut amiusort (??) (zu amüsieren...)

Liebe Grüße Tschabrendeki

amarillo

Hallo Tschabrendeki, und zunächst mal: herzlich willkommen!

Das mit der Färbung der Endungen finde ich toll, allerdings habe ich noch nicht verstanden, ob sich die -on oder -an-Endungen der 1.+3. Pl. nur auf die Perfekt-Partizipien beziehen oder auch auf Infinitive.

@amüsieren: ich or mich gut amüs / ich amüsor mich gut / ich habe mich gut amüs georen / ich habe mich gut amüsoren
... nur mal so für den Anfang, die Diphtongur des Stamm-üs geht natürlich noch extra.

Su gut wie Du das schon machst, läßt mich schließen, daß Du schon eine Weile hier liest. :D
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Tschabrendeki

Danke für die Komplimenta! Hab' gestern Nacht schon bisserl reingeschauen, und spicke zurweilen der kompletten Liste.

Ich mien, das alle Endungen sich färbon kekünnün, wie zum Beispiel:

Inf. machon, Präs: Pl1. machon Pl.3 machen - Prät: Pl. 1. miechon Pl. 3 miechen, Part. Prät. miechen
Perf: gemiechen

Regel: Verben mit tiefem Stammvokal bekommo die Endungen -on, -an, -un (nach einer kreativ ersonnanen Harmonie)
           Verben mit hohem Stammvokal die Endungen: -en, -in, -ün (z.B. springün)

Bei der Konjunktion bewahrun die Pl1 des Präsens und Präteritum die ursprüngliche Endung, während bei einer Ablaut die Pl.3 (Präsens und Präteritum) und die Partizipien eine neue Endung nach der Regel bekommon.

Die -en Abschwächung betraf das Mittelhochdeutsche zuerst undzwar nicht nur die Verben, sondern auch die Plurale der Substantive: deswegen die vielen gleichförmigen -en Endungen da.
Die oben eingeführten Regel kekünnünalso auch das Schönern der Pluralformen eine fruchtbare Wirkung ausübin.

amarillo

Donnerwetter, 'spicken' mit dem Genitiv, das hat Stil, ich ziehe den Hut!

Ich spock gerade Deiner Erläuterungen, kekünnest Du vielleicht mal ein Verb (Deiner Wahl) ganz im Sinne des für die neutsche Sprache revolutionären Gedankens einer Vokalharmonie durchkonjugieren? Das wäre fein!
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Tschabrendeki

#4
Liebend gerne!

Ich fand in eure Liste das schöne Verb "pissen" - schöner gesagt: pissün

Also:

Infinitiv: pissün

Präsens:
Ich peiß                      wir pissün
du peißt                      ihr pisst
er, sie, es peiß            sie pissün

Konjunktiv Präsens
ich peiße                     wir pissin
du peißest                      ihr pissit
er, sie, es peiße          sie pissin

Präteritum:
ich pusste                   wir pusstün
du pusstest                ihr pusstüt
er, sie, es pusste        er, sie, es pusstün

Konjunktiv Präteritum:
ich püsste                    wir püsstin
du püsstest                 ihr püsstit
er, sie, es püsste        er, sie, es püsstin

Partizip Präteritum: pusstün (der pusstüne Nierenstein)

Partizip Perfekt: gepusst

In einigen Fällen kekünne zum Vokal "e" auch tiefe Endungsvoklale gesellen, wenn "breit" gesprochen, wie im "treffen" - aber unbedingt hohe wenn lang, wie in "fehlen"
also: treffon; aber: fehlin


Agricola

Diese farbigen Endungen haben mir am Mittelhochdeutschen schon immer am besten gefallen. Herzlich willkommen, Tschabrendeki! Irgendwo hatte ich auch schon einmal vorgeschlagen, beim stärken nicht immer unbedingt von dem (unveränderten) Infinitiv auszugehen und die anderen Formen zu stärken, sondern auch neue Infinitive zu schaffen. Plazet!
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Tschabrendeki

Überfiullen des Dankes dem Wilkommensein!

Kilian

Ein tiefer Verbug auch von meiner Seite.

Und die neue pissen-Konjugation hat es ja in sich: Darf ich die mir bislang unbekannte Unterscheidung zwischen Partizip Präteritum und Partizip Perfekt als Versuch deuten, die Unterscheidung zwischen unvollendeter und vollendeter Vergangenheit ins Deutsche einzuführen? :D

Also: Das essöne Butterbrot (erst angefangen zu kauen) <-> das gegessone Butterbrot (schon ratzeputz weg)?

Klasse! Was machen wir nun mit der neu gewonnen Vokalharmonie und Endungsflexion? Stattun wir ausgewiohlüne, bereits herkolmm gestorkone Verben damit aus? Behalton wir sie neu zu stärkanden* Verben vor? Überziehin wir gar die ganze Große Liste mit ihr (au wei, das traue ich mich nicht, dann bekäme sie einen erschlaginden* Charakter)?

* Das Partizip Präsens Aktiv erwahnst du noch nicht - hier könnten wir auch eine hell/dunkle Disharmonie (oder kreativer: Vokalmelodie) einführen.

Tschabrendeki