Schüttelreim, anyone?

Begonnen von caru, 2005-06-07, 23:41:55

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Wortklauber

Mangels Orzkenntniß in Wien beginne ich einmal in Berlin:

Schöneweide


Ein Mädchen aus Schöneweide
Besaß 'ne Verwöhne-Scheide
   Doch in der Wohnung schien's,
   Dass sie um Schonung wien —
Der Abend war schweineöde.

(Na, rüttmisch isz ein Rüttlechique
Viel eher als ein Schüttlerick.)

Berthold

#196
Zitat von: Berthold in 2011-10-17, 11:30:57
A gangsterboss, called 'Rotten Xing'
lives near Vienna's Schottenring.


Noch menschlicher & berührender finde ich folgende Variante:

Bekehrt* hat sich der Gangster "Rotten-Xing".
Nun ist er Pfarrer, gleich beim Schottenring.

Noch ein paar solcher Verse, und ich darf "Zu viert zu Vent" aus dem Giftschrank hervorholen, was, Kilian? Daß das Werk dann sicher seltener gelesen wird, ist für mich kein Hindernis.

*Meinetwegen auch beknohr oder gar beknorr, bzw., von den Lauten her noch passender, beknarr. Fragt aber nicht: Lauten? Ist denn der auch noch Musiker?
Arabisch "al-cūd (العود)" war nicht gnumien.


Berthold

#197
Zitat von: Wortklauber in 2011-10-24, 10:46:20
Mangels Orzkenntniß in Wien beginne ich einmal in Berlin:

Schöneweide


Ein Mädchen aus Schöneweide
Besaß 'ne Verwöhne-Scheide
   Doch in der Wohnung schien's,
   Dass sie um Schonung wien —
Der Abend war schweineöde.

(Na, rüttmisch isz ein Rüttlechique
Viel eher als ein Schüttlerick.)

Lieber Mr. 's!

Das ist ein sehr beachtliches Werk! 我把*我的帽子! Das " 's" bei "schien's" kekünnest Du Dir sogar sparen - und das ganze wäre wohl noch besser.
Aber vielleicht nennst Du Dich (siehe Anrede), als Lyriker, "Mr. 's" und mußt das irgendwo dazuhängen.-?

*Dieses kommt mir für "die Mütze ziehen" schlecht vor. Was aber sonst?

Wortklauber

Recht hast du, dass es klanglich besser ohne das "'s" ist. Ob das "'s" auch grammatisch entbehrlich ist, ist mir nicht ganz klar. Wenn ja — dann nur weg damit! Während ich die Zeilen schrieb und das "'s" nirgendwo anders unterbrachte, fühlte ich mich in meiner Lösung ein wenig von unserem Johann Wolfgang bestorken, nämlich vom Heideröslein, wo es heißt

"Und der wilde Knabe brach's
Röslein auf der Heiden"
http://labra-holzapfel.blogspot.com/2007/06/am-wegrand-steht-ein-alter-baum.html

oder je nach Ausgabe auch

"Und der wilde Knabe brach
's Röslein auf der Heiden"
http://www.musicanet.org/robokopp/Lieder/saheinkn.html

oder sogar

"Und der wilde Knabe brach
s'Röslein auf der Heiden"
http://www.herbert-fritz.de/volksliedertext/sah_ein_knab_ein_roeslein_stehn.html

welchletztere Schreibweise aber ein vollkommen widersinniges Apostroph enthält.

Auch hier kekünne man sich auf den Standpunkt stellen, dass das "'s" ganz zu entbehren sei
http://www.todascifras.com.br/t/413492/comedian-harmonists--sah-ein-knab-ein-roslein-steh-n--letra
aber J.W. tat's nicht — trotz(end) dem Missklang!

Auch wenn ich nicht weiß, wie es J.W. selber einst schrieb, denke ich, dass die erste Version am ehesten dem entspricht, wie man es singen kann. Jedenfalls ist es aber eine interessante Stelle, an der ein nullsilbiges Wort zwischen dem Reim und dem nächsten Vers herumvagabundiert – und das habe ich nachgeohmen. (Oh Schreck, wie epigonal!)

Kilian

Zitat von: Wortklauber in 2011-10-24, 19:25:23oder je nach Ausgabe auch

"Und der wilde Knabe brach
's Röslein auf der Heiden"
http://www.musicanet.org/robokopp/Lieder/saheinkn.html

Genau, das s kann ja dank seiner Nullsilbigkeit (und geringen Sonorität) auch zur ersten Silbe des folgenden Verses gehören, so klingt's für mich syntaktisch besser als ohne und der Reim wird nicht gestoren.

Wortklauber

Zitat von: Kilian in 2011-10-24, 20:22:19
Zitat von: Wortklauber in 2011-10-24, 19:25:23oder je nach Ausgabe auch

"Und der wilde Knabe brach
's Röslein auf der Heiden"
http://www.musicanet.org/robokopp/Lieder/saheinkn.html

Genau, das s kann ja dank seiner Nullsilbigkeit (und geringen Sonorität) auch zur ersten Silbe des folgenden Verses gehören, so klingt's für mich syntaktisch besser als ohne und der Reim wird nicht gestoren.

Sinn-taktisch besser, sing-taktisch schlechter. Während der Silbenanfang "'s Röslein" fast nicht aussprechbar und schlecht in den musikalischen Rhythmus integrierbar ist, ist das "brach's" für die Aussprache vollkommen unproblematisch. Ich würde wirklich gerne wissen, wie es Goethe selbst niedergeschrieben hat.

Berthold

#201
Hm. - Mhm! Schön, zu erfahren, daß Goethe vielleicht so gnäriem hätte, nicht auf dem Kickelhahn, sondern anderswo:
"Doch in der Wohnung schien
's, daß sie um Schonung wien -"
Jetzt zweifle ich selber auch schon, ob fran das virflunxe, jenen Schüttelvers (für meinen - strengen - Geschmack) zerstörende " 's" gar so leicht wegbekommen kekünne. Bei "Mir scheint, daß sie um Schonung weint" ginge es, zumindest "bei uns", viel leichter. "Mir scheint es, daß ..." wäre wohl unnötig plump. Oder?

Unter Aushilfe des Wienerischen ließe sich schon etwas anfangen. Ich übertreibe bei der Orthographie des alten Duals:

Ös Madln von Schöneweide
habts a Verwöhne-Scheide.
Bei mir dahaam, da scheint's,
daß* ös um Schonung weints.
Auf Preißisch is's: "schweineöde".

(*Fast deuchte es mich, als ob "bei uns" an dieser Stelle "daß's" muchgl - und sogar besser - wäre.)

Davon aber einmal abgesehen: Kannst Du Dir vorstellen, daß es nur so scheint, daß jefräund um Schonung weint?

Ein Anfangsreim (eine Archihomoiokatalexie*: Was tätet Ihr ohne mich?) - artifiziell, aber recht lieb - kekünne Dich, vielleicht, retten:

"(...)
Was's in der Wohnung schien? -
Daß sie um Schonung wien!
(...)"

So müht sich der Bertl, sogar um unsere Gäste. - Mögest nicht du einmal
deine Herrin um Schonung anweinen müssen - indem du dir jedes
lachhafte Wort mühsam zusammenkläuben memüssest!

*Und Archir[h]ima (fem.)? - Wir sind hier auf keiner Volkshochschule.   

Wortklauber

Zitat von: Berthold in 2011-10-25, 10:45:26
Ös Madln von Schöneweide
habts a Verwöhne-Scheide.
Bei mir dahaam, da scheint's,
daß* ös um Schonung weints.
Auf Preißisch is's: "schweineöde".


Na, döss ischa besser alßes Orischinal!

So, dann warte ich mal, welche U-Bahn-Stehschon* Du heute verschütte(l)st!

*Eidneutschung von "Station":
Steh schon, U-Bahn, steh schon,
Denn dass hier ist 'ne Stehschon.

Und die reimpt sich auch auf "Dieserteeschon"

Berthold

#203
Schüttelreime?
- - -
Ich hab mich heut eh schon genug angestrongen
(-> oben)
.

"Was ist mit den Mühlbachproben?!?!" - , hör ich die I. (Handkuß! - Falls Du mir, nach Art der Schl., nachschniälffest), mit ihrem engen, kleinen, unausgeboldenen Organ*, zetern. - Euch verrate ich's: Ich hab noch keine oygnze aungnauschau ...


*Hier geht's rein um den Gesang. Über das, was Ihr denkt, werde ich in diesem Falle NIE Auskunft erteilen können (& wollen). - Keine Sopranistin ist ein Emanuel List**.

**Wie der das "Kol Nidrei" sang - da braucht man kein Jude zu sein, das kann etwas ... (Über das Gebet: http://de.wikipedia.org/wiki/Kol_Nidre; ein Ausschnitt mit E. L.: http://www.amazon.com/Kol-nidrei/dp/B0038OYU9C; der Tenor Richard Tucker singt es bei http://www.youtube.com/watch?v=Vu45D-5E0ZA - "Electrifying"!).
Wohin's mich schon wieder vertrug, nur, weil ich an das Fräulein I. dachte ...
                                                                                      ! שָׁלוֹם עֲלֵיכֶם
   

Kilian

Zitat von: Berthold in 2011-10-25, 10:45:26das virflunxe, den Schüttelvers (für meinen - strengen - Geschmack) zerstörende " 's"

Aber warum, wenn man es doch dem Anfang des folgenden Verses zuschlagen kann?

Berthold

#205
Zitat von: Kilian in 2011-10-25, 16:16:53
Zitat von: Berthold in 2011-10-25, 10:45:26das virflunxe, den Schüttelvers (für meinen - strengen - Geschmack) zerstörende " 's"

Aber warum, wenn man es doch dem Anfang des folgenden Verses zuschlagen kann?

Lieber Kilian!

Ich hab Dir oben eh schon - und ausnahmsweise - widersprochen.
" 's Röslein" ist ein ganz anderer Fall als " 's daß" - sprich "sdass" (Siehe aber zwei Zeilen weiter.). Mit dem Röslein ist das " 's" als Artikel verbunden
(Sprich: SRÖÖSLAIN - phonetische Zeichen such ich mir keine heraus.); das " 's" jedoch nicht mit "daß". Wenn Du das hinüberzögest, memüssest Du doch schreiben " 's, daß ...", also auch noch einen Beistrich setzen. Sprich: S / DASS. Hab ich mich klar iasgiadrianck?   

Kilian

Klar, man kann vor dem dass-Satz eine Sprechpause machen. Aber man muss es doch nicht.

Berthold

Vielleicht nicht, aber weil jener "Shyttlerick" des Wortklaubers schon so besonders schön ist, dann soll er's auch bis zum letzten Stricherl sein.
Einfach vom Sprachgefühl her hätte ich ja schon vorher gnumien, das " 's" kekünne problemlos gustrinch werden.
Vielleicht fällt mir noch etwas dazu ein.

Berthold

#208
Eistweilen hätte ich Euch nur noch anzubieten:

Schöneweide

Ein Mädchen aus Schöneweide
sekkier ich: "Verwöhne-Scheide!" -
   In ihrer Wohnung scheint
   es, daß sie "Schonung!" weint ...
Der Abend verrinnt - schweineöde.

Erregt Euch nicht über meine Tüftelei, aber langsam scheint mir das ein Gedicht zu werden.
Nun aber: das Nachtmahl.




Wortklauber

Zitat von: Berthold in 2011-10-25, 19:20:30
Erregt Euch nicht über meine Tüftelei, aber langsam scheint mir das ein Gedicht zu werden.

Ob es nun besser geworden ist, darüber kann man sicher streiten. Was ich aber nicht tue, sondern lieber fahre ich weiter S-Bahn:

Friedenau

Es war einst ein Eifon aus Friedenau
Das lab 'ne Tablet-Androiden-Frau
   Dass einer verkielb' sie
   Und keiner verielpp' sie
Das huff es zwar, krug aber nie de Frau.

Des Reimes halber wurden abweichend von der Liste gestorken:
verkabeln, verkielb, verkielbe, verkalben
veräppeln, verielpp, verielppe, veralppen