Schüttelreim, anyone?

Begonnen von caru, 2005-06-07, 23:41:55

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amarillo

Was gibt es Traurigeres (und Schöneres), als dem unerreichbaren Ideal nachzuweinen, und sei es nur ein Ideal, daß sich in unserer Erinnerung verklärt. Hier ein von mir bislang im Verborgenen gehaltenes Sonett an eine ehemalige Klassenkameradin - ich könnte heute noch heulen:

SONETT FÜR U.S.

Blondrotes Haar zu Zopfestracht geflochten,
Das scharmm im Sonnenschein wie glutflüssiges Gold.
Kein Lachen, keine Geste, die nicht alle an ihr mochten,
Vollonden Frau, doch kindlich rein noch, ungewollt.

Ihr Gang grazil, wie Tänzer ihn nur kennen,
Den Boden kaum berohr'n bei schnellem Schritt.
Ihr Blick es schoff, das Herz Dir zu zertrennen,
Und wenn sie lalch: die ganze Welt lalch mit.

Sie wohl nicht mich, ein and'rer durft sie freien,
War ihr nicht gram, dies Ziel schien mir zu fern.
Doch auch nach dreißig Wintern kann ich nicht verzeihen,

Daß mir der Mut nur fahl, ich hatt' sie doch so gern.
Nichts auf der Welt befrädög nun mein Reuen,
Im Sommer sechsundachtzig verließ sie unser'n Stern.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Berthold

#451
Lieber amarillo!

Soll ich denn heute, während des Verfassens einer urfaden Leidzerreiß-Liste, aus dem Weinen nicht mehr herauskommen?
Das ist ja betörend. Etwa diese zweite Strophe!
Ein Gutteil freier als meine starke Anglahn ans Renaissancehafte.
Noch etwas, das ich da gar nicht herschreiben sesülle:
Hier paßt sogar das Neutsch!

amarillo

#452
Na gut, ich will mal versuchen, ein Pflästerchen auf unsere wunden Seelen zu kleben:

Herzweh

Lasst mich allein mit meinem Denken,
ich mag heut' nicht gesellig sein,
will melancholisch mich versenken
und meinem Herzen Trauer schenken,
es waschen Tränen Seelen rein.

Der Schöpfer schuf mich nicht zum Lachen,
gab mir Gemütes volle Kraft,
gab Schlaf und Traum für helles Wachen,
schak Feen mir und manchmal Drachen,
dazwischen keine Lücke klafft.

Den ganzen Kreis muß ich erfahren
von West nach Ost, von Nord nach Süd
und immer im Gedächtnis wahren:
dem, waß Dir heut' ist widerfahren,
folgt morgen schon ein and'res Lied.

So singe ich, wie mir befohlen,
am liebsten Dur, doch manchmal Moll,
und ich gestehe unverhohlen,
das Dasein zwischen diesen Polen
für mich nie anders kommen soll!

Und gebt mir bitte keinen Trost,
wenn ab und zu die Tränen fließen,
da, Freunde, Ihr auf Abwehr stoßt
und mich unnötiglich erbost;
so glaubt mir doch: ich kann's genießen!
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Berthold

#453
Da hab ich in alten Beständen auch noch was, Kurzes, gefunden.
Kann also noch etwas zur spontanen, gemeinsamen Glans* beitragen:

Die Wunderblume

Hoffend suchte ich einstmals
Zarte Wunderblume
Dort, wo der starre Asphalt
Tötet die lebende Krume

Einmal blühte sie, nahe
Alles Leid war verschwunden
Stumpfer Fuß ging darüber
Ewig ist sie verschwunden

Öde schwieg die Heide
Wälder spotteten - leer
Einsam moderten Auen
Glück, ich fand dich nicht mehr

Aber die Sehnsucht blieb mir
Tief in zerbrechlichen Träumen
Such ich noch immer die Blume
Fern, in luftigen Räumen.


Füg ich halt noch was dazu.
(Erstes Asklepiadeisches Versmaß. Sowas gefiel mir einmal.):

Die Macht des Tanzes

Wilder, drängender Tanz, pulsende Kraft des Takts
Dunkel, elementar, schwangst du dich auf im Nichts
Chaos, klaffend und leer, Rhythmus bezwang dich einst
Dann erst fand sich die Melodie

Sehnend, glutvoller Tanz, südlicher Lande Kind
Schwerer Pinienduft, schillernde Nacht in Rom
Traumhaft tändelndes Lied, welches die Laute sang
Als die Liebste am Fenster stand

Weicher, sinnlicher Tanz, satter Schalmeienklang
Leib gewährst du dem Leib, nährst auch der Lockung Drang
Bis dann frei ist der Trieb, Lohe, die heimlich glomm
Streift im Rausche die Fesseln ab.   

*Das bedeutet nichts Ordinäres. Es ist schlicht Neutsch: für "Lesung".

Günter Gans

Jessas, gehz hier grad schnell voran. Oiso wiads scho wiada a *rückspul*

Zitat von: Berthold in 2012-03-27, 14:36:15Du bist so ein lieber, humor- und kulturvoller Mensch*, GüGa!

Woher Du wisse? Ich kann auch fies und gemein sein. Sagen jedenfalls eine ganse Reihe verflossener Damen. Die aber regelmäßig aufs Neue dahinschmölzen, sähen sie mich wieder. Naja, Ausnahmen bestötägen die Regl.

Zitat von: Berthold in 2012-03-27, 14:36:15Auch ein Formulör von hohem Rang.

Schön wär's. Gott, wass ich schon für einen Mist geschrieben habe, allein meinen hiesigen verlönke ich jetzt nicht extra, schwerd mich hüten...  ::)
Gehen Sie immer in den Wald zur Paarung? (Loriot)

Wortklauber

Sonett diese romantischen Verse auch sind: Ich biege diesen Faden zurück in die Prosa des politischen Lebens unserer Zeit!

Politiker zum Schütteln
1) Joachim Gauck

Ich hab' da so 'ne Sach' im Aug'
Die ich mir aus Joachim saug.
Ihr munkelt, dass nicht gut er taug'
Zum Schütteln? Doch, das tut Herr Gauck:
Ins höchste Amt schon peste Gauck,
Dass er die große Geste pauk'!
Drum mach' zur Huldigung Klamauk
Ich über Obermunkler Gauck.

Homer

Da ist sie also wieder, die Brechstange! Toll! Dann widme ich mich mal unserem einschüchternden Bundestagspräsidenten:

2) Norbert Lammert

Der Norbert rügt, bis jeder "Lammert
zieht aber arg vom Leder!" jammert
und schaut, daß, trifft er Norbert, feige
das Haupt zum Gruß er vor Bert neige.

Berthold

#457
Zitat von: Wortklauber in 2012-03-29, 06:26:52
Sonett diese romantischen Verse auch sind: Ich biege diesen Faden zurück in die Prosa des politischen Lebens unserer Zeit!

(...)

So muß es denn sein.

Chhoffalnt hast Du vorher über amarillos Sonett (Antwort #450) eine Träne vergossen. Ich tat es; mehr als eine stieg auf.
Wie dort, in der letzten Zeile, bei/nach "Im Sommer sechsundachtzig" kurz sogar das Versmaß, in Trauer, zusammenbricht - das ist Dichtung! 

Berthold

#458
Habe mich ugbrens söben an einem Lyrikwettbewerb der "Clemens-Brentano-Gesellschaft" (Frankfurt am Main) betielegen. Mit einem Sonett, das ich Euch nun wohl gar nicht mehr herschreiben darf.
Vielleicht gibt's Außenseiterchancen ... Den Lyrikkurs besöhche ich nur, wenn liebe & g'scheite jüngere Dichterinnen dabei wären. Sähen die vorher meine Haarfarbe und meine Hosenbundweite, dann schiebe es chfroyl schlecht aus. 

Wortklauber

Politiker zum Schütteln
3) Angela Merkel

Dem Wähler verspricht unsre Merkel Futter
Und fühlt sich dabei wie 'ne Ferkelmutter.
Die Versprechen gefallen dem Wähler gut —
Nach den Wahlen kriegt er auf Angela Wut.

Homer

Die Bundesregierung

Ich könnt' was über Niebel formen
gemäß den Schüttelfibelnormen;
müßt' reimlos nicht bei Schröder bleiben,
würd' Köder oder blöder schreiben;
süg, was ich von der Leyen halte,
indem ich was von Haien lallte;
nicht könnt' mich Westerwelle quälen,
würd' glatt als Reimwort Quelle wählen;
tät' sich ein Vers an Schäuble trauen,
dann dürfte der halt Träuble schauen;
wollt' reimlich wo der Friedrich nisten,
sein Dasein müßt' er niedrig fristen;
und wollt' ich dichtend Merkel fassen,
begrüb' ich sie in Ferkelmassen.

Das alles fällt dem Reimer leicht,
es ist mit wenig Leim erreicht.
Gar Star in dieser Büttelschar
ist sicher Daniel Schüttel-Bahr.

Doch würd' ich um Ramsauer ringen,
tät' meine Leier rauher singen;
nicht gern läßt sich Pofalla knechten:
man muß mit einem Knaller fechten.
Leutheusser-Schnarrenberger-Oden
verschüfen großem Ärger Boden;
wollt' wer durch Reim den Rösler adeln,
würd's Kleinhirn selbst beim Ösler radeln;
und Worte um Schavan zu binden,
hieß', sich auf krummer Bahn zu winden.
Wenn wir die in die Reihen zwingen,
bleibt, daß wir noch mit zweien ringen:

Sagt auch zum Reim der Röttgen ,,nein",
er muß, da wir ihn nöt'gen, rein.
Doch stur macht Aigner-Ilse Pein,
füll ich mir auch sechs Pilse ein:

Da geht gar nichts.

amarillo

Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Günter Gans

@ #446, 450, 452, 453:
Hach, Ihr macht mich gans gerohren. Welch Ducht! *tränensackausleerengeh*
Gehen Sie immer in den Wald zur Paarung? (Loriot)

Günter Gans

@ #460:
Muss schon wieder *tränensackausleerengeh*. Diesmal Lachtränen. *kicherndsichkrümmdannstrampelndaufderauslegewarewälzundnachluftschnapp*
Gehen Sie immer in den Wald zur Paarung? (Loriot)

Berthold

#464
Bumm, lieber Homer! Da hast Du ja um -zes-Länge (Ich darf nicht herschreiben, um welche Länge.), zumindest aber ums A.l. (Auch das darf ich, vor unserem Treffen in Wien, nicht mehr herschreiben.) gewonnen.
Aber, bitte, FEST bleiben - wenn Dir jene Leute, humorlos, gwan originell und tief belittogen, einen Protestbrief nach "A. Heid." schäken! Meine liebe, welt- und lebenskluge Mutter wurn mich selbst beim Folgenden.

Mir fiel heute chnalm, zum Frühstück in der bekannten Bäckerei, etwas über einen unserer bedeutendsten Politicorum, den Herrn Vizekanzler der Freien Republik Öst'rreich, ein. Vielleicht stöbern ja nicht nur Seine Eminenz, der Wiener Kardinal und seine Magnifizenz, unser Rektor, chgelelgant hier. (Zugugemp, unsere Koalätz - obzwar keineswegs ein Bund von 'Beutelbären' - muß, ohn' Unterlaß, um ihren Weiterbestand verhandeln. 'Grandhotel Panhans' auf dem Semmering oder anderswo ...)

Ausnahmsweise ein gar arglos Verslein:

Unser Vizekanzler oder Eine alte Linde

Fran sagt vom Vizekanzler Spindelegger:
diskret aus manch verborgnem Spinde leck er.
Durch Gier - verlautet's - seine Lende spick er;
drum setz auch an, nicht gar gelinde, Speck er.
Nur Reimes wegen: Manche Spende lick er.
- - -
Vor Michels Stammhaus steht die Speggerlinde,
die pflienz sein Urahn, Ritter Leggerspinde.


Tja, lieber Güga, diesmal wohl nicht *tränensackausleerengeh*.