Schlafes Bruder

Begonnen von amarillo, 2008-10-19, 10:43:04

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amarillo

Liebe Gemeinde,

das Deutsche hält eine sehr schöne (weil poetische) genitivische Konstruktion bereit, wie sie sich im Titel dieses neuen Fadens darstellt. Leider klappt das nur für Maskulina oder Neutra im Singular, die Plüräle und Feminina in toto sind hiervon (bislang) ausgenommen. Das betrübt mich, würde ich doch gerne mal über sowas wie "Wutes Opfer" oder "Angstens Früchte" schreiben, geht naturl in der Form nicht.
Lange Rede - kurzer Sinn: fällt Euch eine gescheite (vor allem wohlklingende) Lösung zur Bug der weilben und plurälen Nomen ein?

Mr. Magoo, falls es Dich da draußen noch geben sollte, und falls Du gelegelnt doch noch hier liest: störb in Deinem Wissen leider längst verflossener Flektionen und schick was Schickes 'rüber!
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Agricola

Vermult ist die Voranstellung des Artikels die billigste Lösung, und vielleicht wird sie es auch bis an der Welt Ende bleiben.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Kilian

Meine erste Idee: -er. Wuter Opfer, Angster Früchte oder im Plural: Kreiser Störung. Das alles kommt mir leichter über die Lippen als durch die Ohren, aber vielleicht kann man sich ja dran gewöhnen. Auf dass die Beschränkungen des Deutschen einen nicht länger zu Adjektiver Einsatz zwingen, um den Genitiv zu markieren: heller Wut Opfer, runder Kreise Störung...

amarillo

Zitat von: Agricola in 2008-10-19, 11:33:33
Vermult ist die Voranstellung des Artikels die billigste Lösung, und vielleicht wird sie es auch bis an der Welt Ende bleiben.

Wenn ich billige Lösungen wewölle, mölde ich mich hier gleich ab, entstörke jedes Verb und läbe vom Flohmarkt. Vorschlag abgeschmortten!

@Kilian

das ist schon ganz hübsch, aber die And -er ist mir einfach zu viril konnotoren.

Wenn man nun aber bei den Lateinern klüe und sich die die genitivische -(Vokal)nis And ausbärge, käme sowas wie "Wuta(u)nis Opfer", "Angstanis Früchte" oder auch "Kirchinis Schäflein" heraus. Recht schräg, ich weiß. Die Plüräle ließen sich dann leicht über -(Vokal)nes regeln. Den Klammervokal entwönde ich frecherdings dem Stamm des Nomens, das spölge dann ein wenig Vokalharmonie wieder, die uns im Deutschen ja ansonsten abgeht.

Wie das mit der Betonung aussieht, weiß ich auch noch nicht (bleibt sie auf dem Stamm, kekünne man ja mit Sonderzeichen (Akzenten) operieren, auf die ich nun mal stehe), und für die Plüräle der männlichen und sächlichen Nomen habe ich auch noch keinen Schimmer. Allerdings kann man sich hier durchaus eine Anhang -er vorstellen. "Wörterer Ende"
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Übertreiber

Ich bin soeben noch einmal "Die Kraniche des Ibykus" von Schiller durchgegangen, die sind für mich das Musterbeispiel für den vorausgehenden Genitiv. Irgendwie machte Schiller sich um Feminina und Pluralia keine Gedanken und es dennoch gibt es keinerlei Verständnisprobleme:
Zitat[...]
Der Griechen Stämme froh vereint
[...]
Sie hat der Leier zarte Saiten,
[...]
Durch böser Buben Hand verderben,
[...]
Der Völker flutendem Gedränge,
[...]
Getroffen von der Rache Strahl.
Ist da wirklich eine neue Genitivform nötig? Auch so etwas mag bedacht sein, immerhin ist es alles andere als einfach, in dem fein abgestummenen Gefüge der Nomenrektion herumzumanipulieren ohne Missklänge zu erzeugen.
Kampf dem Schicksal!

amarillo

Zitat von: Übertreiber in 2008-11-05, 08:50:36
Ich bin soeben noch einmal "Die Kraniche des Ibykus" von Schiller durchgegangen, die sind für mich das Musterbeispiel für den vorausgehenden Genitiv. Irgendwie machte Schiller sich um Feminina und Pluralia keine Gedanken und es dennoch gibt es keinerlei Verständnisprobleme:
Zitat[...]
Der Griechen Stämme froh vereint
[...]
Sie hat der Leier zarte Saiten,
[...]
Durch böser Buben Hand verderben,
[...]
Der Völker flutendem Gedränge,
[...]
Getroffen von der Rache Strahl.
Ist da wirklich eine neue Genitivform nötig? Auch so etwas mag bedacht sein, immerhin ist es alles andere als einfach, in dem fein abgestummenen Gefüge der Nomenrektion herumzumanipulieren ohne Missklänge zu erzeugen.

Also nötig ist schon mal garnichts; diese Kugel drähe sich sogar ohne ein einziges gestorkenes Verb weiter.

In deinen Beispielen schakst Du jeweils einen Artikel oder ein Adjektiv voraus, dann braucht man naturl keine zusaltze Geninitivform. Um Mißklanges Vermied körmme ich mich dann schon.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Ku

Zitat von: amarillo in 2008-10-19, 10:43:04
Liebe Gemeinde,
das Deutsche hält eine sehr schöne (weil poetische) genitivische Konstruktion bereit, wie sie sich im Titel dieses neuen Fadens darstellt. Leider klappt das nur für Maskulina oder Neutra im Singular, die Plüräle und Feminina in toto sind hiervon (bislang) ausgenommen. Das betrübt mich, würde ich doch gerne mal über sowas wie "Wutes Opfer" oder "Angstens Früchte" schreiben, geht naturl in der Form nicht.

Warum nicht? Ich fühle mich stark genug, auch zum Beispiel zu benutzen:

Flötes Ton
Nieres Versagen
Couches Tisch
Nases Flügel
Uhres Zeiger
Nachtes Ruhe
Türes Knauf
Angstes Verzerrung

Für Neutra Plural fällt mir gerade nichts ein außer

Kind, Kinder, Kinders Geschrei, oder Kinderer Geschrei
Weib, Weiber, Weibers Gewäsch, oder Weiberer Gewäsch

Aber wahrscheinlich gibt's ja was besseres.

Agricola

Ist ja auch dem allgemeinen Sprachgebrauch vertrooen:

Mutters Geburtstag
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

VerbOrg

#8
Zitat von: Ku in 2008-11-05, 21:00:59
Nachtes Ruhe
Warum eigalnt nicht? Schlielß heiß's ja auch "des Nachts" bzw. "des Nächtens", wie ich mal in pötischem Zusammenhang hor.

"Nachts Ruhe" klänge wie wewullen und nicht kekunnen. Oder wie ein Aufschrei eines nicht schlafen gelassenen Nachbarn. Da muss man schon ein Schwä-chen mit einbauen und  ein "e" dazwischenschieben.

Wie kommt es eigalnt zu einem Genitiv wie "des Nachts"? Erst kurlz storlp ich wieder darüber, als ich die Ornde in der Genitiv-Liste las. Ein Femininum mit salchem/malnnen Genitiv-Artikelmuss doch irgendwo urspringen.

Hat jemand, da weiterführende Kannte? Kilian? Magoo?

Berthold

#9
Weil ich zur Legenz, wenn auch nicht zur Admiranz von 'Schlafes Bruder' (des Romans) zähle, wo es halt der Autor schlimm fand, daß kein Vorarlberger je ein überzeugender Musiker gowentz ist, klack ich mich hier herein.
& merke: Da geht's um keine Vorarlberger und schon um gar keine Organisten, sondern um trockenste Genitive. Das ist doch Sickstoff!
Ich weiß zwar nicht, liebe VerbOrg, ob Du auch mit mir vorlieb nimmst, aber im guten alten 'Pfeifer' lese ich da ein bißchen was; zu 'des Nachts':
'Neben das Femininum treten früh unter Einfluß von Tag flektierte Formen wie des Nachts, eines Nachts (...) nachts Adv. 'während der Nacht', ahd. (8. Jh.), mhd. nahtes, adverbiell erstarrter Genitiv, gebildet in Analogie zu den unter tags (s. d.) behandelten Formen (Dort steht aber kaum noch Neues.)

Ich zohl zu jenen Zivildienern, bin des Wachts & Schlachts nie ausmnarrschorr, hab auch nie zitternd gelontsch des Trachts der Gebrüll eines Unteraffzehrs. Habe an deren & derer statt, selbstächtens alter Menschen in einer Pflegestutz gawrannt. Mark damals, des Besitzes, des Pachts & Prachts kann auf Erden niemand recht froh werden. Selbst der Reiche, und beschäffe er jächtens das Meer oder sänge seiner Liebsten Arien, des Schmachtes voll, einmal hüllt auch ihn ein, der Tagen letzte, letzter der Nächter. Gut, daß wir Ärmere wägnstens das dritte Jahrtausend erriechen, halbwegs sicher, nicht des Hachts am Galgen zu urtverwerielen.

Wer sind diese seltsamen Amis, die da meinen, Neutsch wäre Deutsch?    

Ku

Kann mir das mal jemand übersetzen?
Sonst muss ich es ungelesen lassen, was aber wohl auch nicht schadet, jedenfalls mir nicht.

Agricola

Könnte es einem anderen schaden, wenn Du es ungelesen lässt?
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Berthold

#12
Zitat von: Ku in 2008-11-06, 22:37:09
Kann mir das mal jemand übersetzen?
Sonst muss ich es ungelesen lassen, was aber wohl auch nicht schadet, jedenfalls mir nicht.

Etwa 17 Mal habe ich das jetzt von Dir gelesen: Texte, die Dich nerven und die Du angeblich nicht verstehst, liest Du nicht.
Ich schon - gelegentlich.
In diesem Forum gestatte ich mir, nicht Deutsch, sondern Neutsch zu schreiben. Damit mir nicht fad wird, käue ich nicht Gewohntes 17 Mal wieder, sondern führe gern ein bißchen was Neues ein. In diesem Fall geht's um Zweierlei:
1) Da es doch eine Ambulanz gibt (vom lateinischen Partizip ambulans), kekünne es doch auch eine Legenz oder eine Admiranz geben, oder ...
2) Da es 'des Nachts' oder 'nächtens' heißt, kekünne das doch analog auch für Wacht, Schlacht, Tracht ... gelten.   

Zu übersetzen ist der Text ganz einfach:

Weil ich zur Leserschaft, nicht aber zu den Bewunderern des Romanes 'Schlafes Bruder' (http://de.wikipedia.org/wiki/Schlafes_Bruder) zähle, wo es halt der Autor schlimm fand, daß kein Vorarlberger je ein überzeugender Musiker gewesen ist, klickte ich mich hier herein.
Und merke: (...) ('Sickstoff' ist ein Wortspiel mit Stickstoff.)
Ich zählte zu den Zivildienern, bin nie zur Wache oder Schlacht ausmarschiert, habe nie zitternd einer Tracht Gebrülls eines Unteroffiziers gelauscht. Habe statt dessen, (auch) wegen meiner Selbstachtung, alter Menschen in einer Pflegestation gewartet. Merkte damals, des Besitzes, einer Pacht oder Pracht kann auf Erden niemand recht froh werden. Selbst der Reiche, und beschiffte er auch mit einer Jacht das Meer oder sänge seiner Liebsten schmachtende Arien, - einmal umhüllt auch ihn der Tage letzter oder die letzte Nacht. Gut, daß wir Ärmeren wenigstens das dritte Jahrtausend erreichten, halbwegs sicher, nicht zum Hangen am Galgen verurteilt zu werden.