Sätze, die ich so nie gebolden hätte

Begonnen von amarillo, 2013-01-01, 13:14:04

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Kilian

Zitat von: amarillo in 2013-01-02, 18:16:08
Ich fände es überaus passend, wenn sich jedes Regelwerk seine eigenen typographischen Kapitelzeichen beschüfe!

Gute Idee! Was nehmen wir denn da für den Groben Duben? Vielleicht eins von diesen? Ich mag ja das japanische Postzeichen.

amarillo

Eine sehr schöne Auswahl, da kekünne man ja glatt für jede hierarchische Ebene ein anderes Zeichen verwenden.

[Vielen Dank für die Reparatur, jetzt passt es wieder.]

Ich habe einen neuen Satz, der klemmt:

"Noch hält der Parteichef sich wacker, von dem morgen eine große Rede erwartet wird."  (ARD Tagesthemen, 5.1.13) Oder was sagt Ihr?
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Homer

Zitat von: amarillo in 2013-01-06, 17:32:31Ich habe einen neuen Satz, der klemmt:

"Noch hält der Parteichef sich wacker, von dem morgen eine große Rede erwartet wird."  (ARD Tagesthemen, 5.1.13) Oder was sagt Ihr?

Ja, finde ich auch, daß der klemmt. Und das liegt m.E. daran, daß der Relativsatz nicht einschränkend ist – also gesetzt wird, um zu erklären, wer mit "Parteichef" gemeint ist –, sondern nur eine weitere Information liefert (≈ "der Parteichef ..., von dem übrigens morgen ..."). Ich weiß nicht, ob das immer noch so ist, aber ich habe in der Schule gelornen, daß man im Englischen den ersten Typ nicht mit Kommata abtrennt, den zweiten schon. Im Deutschen scheint es jedenfalls so zu sein, daß Relativsätze von Typ 2 nahe beim Beziehungswort stehen müssen. Besser wäre wohl daher "Noch hält sich der Parteichef, von dem morgen eine große Rede erwartet wird, wacker."

Jetzt memüsse es also heißen: "Der FDP-Chef, der stark unter Druck stand, vermochte nicht zu überzeugen", und nicht: "Der FDP-Chef vermochte nicht zu überzeugen, der stark unter Druck stand".

amarillo

Zitat von: Homer in 2013-01-06, 22:19:05

Ich weiß nicht, ob das immer noch so ist, aber ich habe in der Schule gelornen, daß man im Englischen den ersten Typ nicht mit Kommata abtrennt, den zweiten schon. Im Deutschen scheint es jedenfalls so zu sein, daß Relativsätze von Typ 2 nahe beim Beziehungswort stehen müssen. Besser wäre wohl daher "Noch hält sich der Parteichef, von dem morgen eine große Rede erwartet wird, wacker."

Jau, das ist - theoretisch - immer noch Stand der Unterweisung. In der Praxis ist es kaum jemandem zu vermitteln, daß nicht notwendigerweise vor jedem relativen 'which' oder 'who' ein Komma zu stehen hat.

Das mit der geographischen Nähe zum Beziehungswort (wenn möglich direkt dahinter) habe ich auch mal so gelornen.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Stollentroll

Aus einem Brief des Rektors an die Schulpflegschaft :

Ich bitte um Ihr Verständnis dieser unumgänglichen Änderungen.
3 Dinge sagen immer die Wahrheit : Kinder, Besoffene und Leggings.

amarillo

Klarer Fall von Genitivitis, obwohl ich beim zwoten Lesen ein recht mulmiges Gefühl verspor, ob das nicht doch in Ordnung gehe.
Als nicht-Medizinmann verabriche ich einen guten Schuß Dativol oder ein paar Akkusaprompt-Dragees.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Wortklauber

Falls der Rektor darum bittet, die Schulpflegschaft möge die Änderungen nicht nur optisch zur Kenntnis nehmen, sondern auch intellektuell erfassen, ist gegen die Formulur nichts einzuwenden.

Homer

In Wendungen wie mein Verständnis dieses Textes oder sein Verständnis dieser Regelung bedeutet Verständnis soviel wie Auffassung, Interpretation. Der Rektor im obigen Satz bittet also die Schulpflegschaft, ihre Auslegung der unumgänglichen Änderungen zum besten zu geben (≈ "bitte tun Sie mir kund, wie Sie die unumgänglichen Änderungen verstehen").

Stollentroll

#23
Zitat von: Homer in 2013-01-08, 20:01:30
Der Rektor im obigen Satz bittet also die Schulpflegschaft, ihre Auslegung der unumgänglichen Änderungen zum besten zu geben.

Diese Erläuterung scheint mir die korrekte Interpretation. Gemienen war wohl eher :

Ich bitte um Ihr Verständnis für diese unumgänglichen Änderungen.
3 Dinge sagen immer die Wahrheit : Kinder, Besoffene und Leggings.

Wortklauber

Die frühere SPIEGEL-Journalistin Ursula Kosser schreibt in ihrem Buch "Hammelsprünge" über das politische Bonn in den achtziger und neunziger Jahren, das einem testosterongetränkten Exklusivclub zu gleichen schien, in dem manche Hintergrundkreise komplett frauenfrei und Anzüglichkeiten an der Tagesordnung waren.

Kilian

Hier bin ich vor allem über die argument cluster coordination zwischen [manche Hintergrundkreise] [komplett frauenfrei] und [Anzüglichkeiten] [an der Tagesordnung] gestrlopen. Sie wird durch die Heterogenität der Klaster verschorfen, wird doch im ersten das zweite Argument (Prädikat) von waren durch eine Adjektivphrase, im zweiten jedoch durch eine Präpositionalphrase gestollen. Zunächst dachte ich, nur komplett frauenfrei würde mit irgendetwas koordinoren – ein klassicher garden-path effect.

Wortklauber

Ich glaube, genau das war es auch gewesen, was mich beim ersten Lesen irritoren hatte. Beim aufgrund der Irritur zwangsweise eintretenden wiederholten Lesen kam dann verschärfend hinzu, das mich die Bezüge der beiden Relativsätze — im ersten Relativsatz kekünne sich "das" grammatisch gesehen auf "das Buch" oder "Bonn" beziehen, im zweiten Relativsatz "in dem" auf "Exklusivclub", "das Buch" oder "Bonn" — zunehmend in Verwurr storzen. Beim ersten Lesen hatte ich diese Bezüge entweder noch nicht voll realisoren (und damit den Sinn des Satzes wohl nur oberflalch verstanden) oder zufällig richtig aufgefassen.

Homer

In mehreren Presseartikeln über Plagiatsprävention wird der Pressesprecher der Universität Stuttgart so zitiert:

"Täuschungen kommen in so geringen Fällen vor, dass die Anschaffung in keiner Verhältnismäßigkeit stünde", sagte Pressesprecher Hans-Herwig Geyer.