werden werden werden

Begonnen von Conny U. Gazion, 2010-05-03, 20:20:41

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Conny U. Gazion

(1) werden kann Passiv ausdrücken: Bücher werden geschrieben.
(2) werden kann Futur ausdrücken: Menschen werden (auch in Zukunft) Bücher schreiben.
(3) werden kann eine Vermutung ausdrücken: Die Bücher werden (wohl) im Schrank sein.

Kombination von (1) und (2):
Bücher werden (auch in Zukunft) geschrieben werden.

Kombination von (1) und (3):
Bücher werden (wohl meistens) im Schaffensrausch geschrieben werden.

Kombination von (2) und (3):
Die Bücher werden (wohl im nächsten Jahr) im Schrank liegen werden.

Kombination von (1) und (2) und (3)
Bücher werden (wohl auch in Zukunft meistens) im Schaffensrausch geschrieben werden werden.

Der letzte Satz besagt, dass Bücher (wohl auch in Zukunft meistens) im Schaffensrausch geschrieben werden werden werden.

amarillo

Und nicht zu vergessen:
4. werden drückt eine Zustansänderung aus. Edith und Paul werden Eltern.

Ob sich das zu einer Vierfachkombination prägen läßt - ich weiß es nicht. Mir selbst fällt nix Gescheites ein. Wahrscheiln weil sich Zustandsänderungen mit Passiva nicht vertragen.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Kilian

Klasse! Komisch, dass (1)+(2) und (1)+(3) sich für mich deutsch anhören, (2)+(3) und (1)+(2)+(3) aber nicht. Das muss wohl daran liegen, dass das Futur-Hilfsverb werden und das Vermutungs-Modal(?)verb werden keinen Infinitiv haben, im Gegensatz zum Passiv-Hilfsverb werden und zum Perfekt-Hilfsverb haben. Man kann zum Beispiel sagen: "Er gab an, sich hingelegt zu haben." Und: "Er verlangte, hingelegt zu werden." Aber nicht: "Er kündigte an, sich hinlegen zu werden." Da weicht das Deutsche auf den Infinitiv Präsens aus: "Er kündigte an, sich hinzulegen." Oder auf Umschreibung mit wollen: "Er kündigte an, sich hinlegen zu wollen." Und auch nicht geht: "Er gab an, um 14 Uhr wohl noch im Meeting sein zu werden." Hm. Komisch. Ob diese Infinitiv-Lücken irgendwie erklärbar sind? Egal, im Neutschen sind sie dank Conny nun gestopfen! :D

Conny U. Gazion

In der Standardsprache mag es auch künftig nicht erlaubt werden werden. Im realen Sprachgebrauch kommt "machen zu werden", "bezahlen zu werden", "kommen zu werden" und eben auch "werden zu werden" durchaus vor.

Kilian

Oha, tatsächlich! Hätte ich nicht gedacht.

Homer

Diese Futurinfinitive, die es ja formal wohl wären, habe ich zwar alle schon mal gehoren, aber immer für falsch gehalten. Jedoch, Überraschung: Sogar die Duden-Grammatik (§ 328) vermerkt einen "Infinitiv Futur I Aktiv (loben/erwachen werden)" und einen "Infinitiv Futur II Aktiv (gelobt haben werden/erwacht sein werden)", schweigt sich aber über den molgen Gebrauch aus. Auch gibt es demnach offenbar das entsprechende Passiv nicht, aber bilden kekünne man es schon, und das gleich doppelt, da der Duden nach "Vorgangspassiv" und "Zustandspassiv" unterscheidet:

Fut. I Vorg.: "gelobt werden werden"
Fut. I Zust.: "gelobt sein werden"
Fut. II Vorg.: "gelobt worden sein werden"
Fut. II Zust.: "gelobt gewesen sein werden"

Ich hoffe, dereinst als Zukunftsforscher anerkannt worden sein zu werden.
Er drohte seinem Chef, die längste Zeit unterdrückt gewesen sein zu werden.

Übertreiber

Zitat von: Kilian in 2010-05-04, 00:01:05
Das muss wohl daran liegen, dass das Futur-Hilfsverb werden und das Vermutungs-Modal(?)verb werden keinen Infinitiv haben, im Gegensatz zum Passiv-Hilfsverb werden und zum Perfekt-Hilfsverb haben.

Vielleicht gehe ich die Sache zu einfach ran, aber die Infinitivlosik des Modals erkläre ich mir darmit, dass das Futur im Deutschen generell einen vermutenden Ton hat -- in etwa wie: Es kann sich später noch herausstellen, dass es den Tatsachen entspricht.

Zitat von: Kilian in 2010-05-04, 00:01:05
Man kann zum Beispiel sagen: "Er gab an, sich hingelegt zu haben." Und: "Er verlangte, hingelegt zu werden." Aber nicht: "Er kündigte an, sich hinlegen zu werden."

Hier kann ich nur vermuten -- eventüll beißt es sich darmit, dass "ankündigen" bereits in die Zukunft verweist und innerhalb dieses zukünftigen Zeitpunktest das Hinlegen durchaus schon präsent ist? Doch erläubt man dem Werden alles, was dem Haben gestotten ist, so ergeben sich völlig neue Mölke des temporalen Abwägens:
Paul ist sich am Hinlegen. Praktisch kippt er bereits.
Paul ist sich am hinlegen Werden. Er ist im Begriffe, sich hinzulegen. Gleich tut er's.
Er kondag an, sich hinzulegen. Er wird sich hinlegen. Wirklicht!
Er kondag an, sich hinlegen zu werden. Er wird später im Begriffe sein, sich hinzulegen. Von ähnlicher Qualität wie: ,,Wir haben den Entschluss gefasst, dass wir einen Entschluss fassen werden."
Er kondag an, sich hingelegt haben zu werden. Man wird ihn wenige Stunden später in der Horizontalen wiederfinden. Das Ergebnis des Hinlegens ist bereits vorweggenommen.

Kampf dem Schicksal!

Conny U. Gazion

Vielleicht kekünne man auch Infinitive des Konjunktivs bilden:

Der Lehrer tönte, den Schüler zu schlügen, wenn er nur dürfte.
Der Lehrer behauptete, den Schüler geschlagen zu hätten, wenn er gedurft hätte.
Der Lehrer kündigte an, den Schüler schlagen zu würden, falls er dies noch einmal tue.