Der Polizeibericht

Begonnen von Kilian, 2005-08-23, 20:41:30

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Kilian

Ku mole mir vor ein paar Tagen einen Text aus seiner Zeit als aktiver Jurist. Ich fand's köstlich, und da mir für eine neue Seite auf der GSV-Website die Muße fahl, tu ich's einfach ins Forum.

Ach ja, der Champagner! *schleudert eine Flasche vor den Bug der neuen Forum-Schublade* ;D

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Der Polizeibericht

Vor dem Unterzeichner erscheint der
Name: Claudius    Vorname: Matthias    Alter: 38
und erklärt:

1.   Der Erdtrabant sei soeben aus dem Erdschatten getreten, auch weitere Himmelskörper seien mühelos erkennbar. Der örtliche Baumbestand sei in Dunkel gehüllt und äußere sich nicht. Im übrigen sei es feucht, die Sichtverhältnisse würden zunehmend schlechter.
2.   In der weiteren Umgebung sei es ruhig. Außergewöhnliche Vorkommnisse seien nicht zu erkennen. Bei Einbruch der Dunkelheit habe der C. jedoch stets das Gefühl, er befinde sich in einer Ausnüchterungszelle.
3.   Zur Zeit könne man lediglich die beleuchtete Hälfte des Mondes sehen. Er selbst wisse zwar, dass auch die andere Hälfte existiere. Er befürchte jedoch, dass der Durchschnitts-bürger diese und andere optische Täuschungen nicht immer genau einzuordnen imstande seien.
4.   Zunehmend werde deutlich, wie notwendig ein Umschwung in der Bildungspolitik sei. Zum einen sei das Ergebnis der Pisa-Studie erschreckend. Zum anderen seien die ange-strebten und angebotenen Studienfächer nicht geeignet, dieses Ergebnis zu verbessern.
5.   Der Zufriedenheitsgrad der Bevölkerung könne seiner Meinung nach durch eine totale Abkehr vom staatlichen Bildungswesen gesteigert werden bei gleichzeitiger Hinwendung zu religiösen Ersatzhandlungen. Dabei bestehe allerdings die Gefahr infantiler Demenz.
6.   Diese werde jedoch ausgeglichen durch eine weitgehende Verlagerung der Todesursa-chenstatistik zugunsten eines gewaltfreien Hinscheidens. Als Anhänger der christlichen Heilslehre rechne er zudem damit, postbiotisch in den Genuss der besseren der beiden dort angebotenen Varianten zu kommen.
7.   Er habe seine männlichen Geschwister aufgefordert, wegen der zu dieser Tageszeit übli-chen Abkühlung das Bett aufzusuchen. Er hoffe auf einen ungestörten Schlafgenuss. Ins-besondere wünsche er seinem Nachbarn, einem gewissen Auch, eine ebenso gesegnete Nachtruhe.

Vorgelesen, genehmigt und unterschrieben.

Aktennotiz
Der Unterzeichner erinnert sich bei der Erwähnung des Namens des Nachbarn (Auch) an den bisher nicht völlig aufgeklärten Fall der Sonderkommission ,,Mut". Es geht hier um verbotene Wilderei. Der eigentliche Täter wurde (weil er sich mit ihr brüstete) direkt nach der Tat ge-fasst, verurteilt und begnadigt. Der Zeuge Schiller, F. beschreibt dort einen möglichen weite-ren Täter mit den Worten ,,Mut zeiget Auch, der Mameluck".
Die Feststellung, ob der genannte Auch mit dem Nachbarn des Claudius, M. identisch ist,  wurde veranlasst.

Unterzeichnet Ku (POM)

gehabt gehabt

1. "der Mond ist soeben aus seinem Erdschatten getreten" hiesse es laege das Ende einer Mondfinsternis vor. Der Mond ist aber aufgegangen, weil infolge der Erdrotation die Sichtlinie auf den Mond gerade frei gegeben wurde.

2. Ku bemerkt richtig, dass es sich um den Vollmond handelt. Dieser geht bei Sonnenuntergang auf. Deshalb ist der Himmel auch noch "hell und klar". Der Polizeibericht sollte, um vollstaendig zu sein, anmerken, dass sich das Ereignis kurz nach Sonnenuntergang noch waehrend der sogenannten "astronomsichen Daemmerung zutrug". (Man sieht bereits Sterne, es ist aber nicht voellig dunkel).

amarillo

Im Kreise astronomischer Laien auch "Happy Hour" genannt, denn, wie sagte unser Himmelsfachmann:

Zitat von: gehabt gehabt in 2005-08-29, 09:09:50
(Man sieht bereits Sterne, es ist aber nicht voellig dunkel).
;D
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Ku

Bei euch muss man ja höllisch aufpassen, was man sagt.

Also: ersetze
,,1.  Der Erdtrabant sei soeben aus dem Erdschatten getreten, ...."
Durch
,,1.  Infolge der Erdrotation sei die Sichtlinie auf den Mond gerade frei gegeben worden, ..."

Der Claudius, M. hat nicht von Vollmond, sondern von Halbmond gesprochen:
,,3. Seht ihr den Mond dort stehen
Er ist nur halb zu sehen"

Frage an gehabt gehabt: Wie lautet die mondmäßig korrekte Beschreibung dieses Phänomens?  

gehabt gehabt

Claudius hat vom Vollmond gesprochen: "er ist nur halb zu sehn"= man sieht nur die Vorderseite und niemals die Rueckseite, die er der Erde niemals zuwendet.  (der Terminus Technicus ist "gebundene Rotation")

caru

das wäre noch zu klären.

"Er ist nur halb zu sehen
und ist doch rund und schön"

könnte auch über einen halbmond gesagt sein. in diesem fall wüßte der naive mondbetrachter, daß vom mond nicht wirklich die hälfte fehlt, wenn man ihn nur als halbkreis sieht.

ob er auch weiß, daß der mond eine kugel ist und immer die gleiche seite zur erde dreht, ist fraglich; schließlich ist er naiv. (nicht unbedingt claudius selber, sondern der naturbeschauer, als der er in dem gedicht posiert.)
(\___/)
(>´x´<)
('.')__('.')

Nijntje - de echte nederlandse konijn

gehabt gehabt

Der Halbmond geht um Mitternacht auf (er kann auch zu Mittag aufgehen, wenn Claudius dann aber Sterne sieht, stimmt was nicht). Dann ist aber nicht klar, warum der Himmel hell und klar ist, es gab ja damals kaum Stadtbeleuchtung. Oder ist mit "hell und klar" nicht der Himmel sondern die Sterne gemeint? Der Halbmond produziert nicht genug Licht, um den Himmel hell und klar zu machen. Vielleicht hat ers aber auch gegen Mittsommer noch etwas weiter noerdlich als in Altona beobachtet, dieses Phaenomen bezeichnet man als weisse Naechte oder Mitternachtsdaemmerung.

Ist Auch inzwischen einer christlichen Konfession beigetreten (Schiller kennt ihn noch als Mamelucken), oder nur zum Schein, oder glaubt Claudius dies nur?


Ku

Ich weiß auch nicht: Kann man eine Kugel voll sehen?
Meiner Meinung nach spricht Claudius vom Halbmond.

Claudius-Kenner an die Front!

gehabt gehabt

und ist doch rund und schoen meint, dass er eine Kugel ist und keine Scheibe

caru

"hell und klar" sind adverbien, nicht adjektive zum himmel: die sternlein prangen hell und klar.


ähm, und "mameluck" bezeichnet eine volkszugehörigkeit, keine konfession. ein mameluck könnte moslem sein, buddhist, schamanist, aber auch nestorianischer christ ;)
(\___/)
(>´x´<)
('.')__('.')

Nijntje - de echte nederlandse konijn

Ku

Jetzt kann man mal sehen, was so ein einfaches Gedicht für Fragen aufwerfen kann, wenn man versucht, es in spröder Prosa aufzusagen.  

caru

Zitat von: gehabt gehabt in 2005-08-29, 22:12:45
und ist doch rund und schoen meint, dass er eine Kugel ist und keine Scheibe

woher willst du das so genau wissen? eine kreisförmige scheibe ist ja auch rund. ???
(\___/)
(>´x´<)
('.')__('.')

Nijntje - de echte nederlandse konijn

VerbOrg

"Seht ihr den Mond dort stehen
Er ist nur halb zu sehen
Und ist doch rund und schön"

M.E. ist nicht ganz klar, wie Claudius das hier meint.
Er könnte so schlau sein, dass er weiß, dass der Mond eine "Kugel" ist, die uns immer nur die Seite mit dem Mondgesicht zudreht.

Aber noch eher würd' auch ich hier sagen, dass er eben keinen Vollmond sieht, sondern nur einen Teil, gleichzeitig aber weiß, dass der Mond, wenn er voll (nicht besoffen) ist, rund und schön am Himmel steht.

@ caru:
Zitateine kreisförmige scheibe ist ja auch rund.
Sehe ich auch so.

Was die zeitliche Komponente angeht, lieber gehabt gehabt: Das "halb" würde ich nicht so wörtlich nehmen. Es gibt ja schließlich viele Stufen zwischen Voll- und Neumond.
Für mich bedeutet dieses "halb" lediglich, dass ein Stückchen fehlt und deutlich mehr als nur eine schmale Sichel zu sehen ist.

Oh je, da habe ich in C.s Geburtsort studoren und wohne in seiner größten Wirkungsstätte, weiß aber nicht, wen ich fragen soll...

ZitatDer Halbmond produziert nicht genug Licht, um den Himmel hell und klar zu machen.
Das kann auch der Vollmond nicht. Auch der iert nur reflekt ;D

amarillo

#13
Ihr habt Sorgen!

Im Text des Projekt Gutenberg lautet in der 2. Strophe eine Zeile - ich glaube die dritte -: "so traulich und so holt"

ist wahrscheinlich nur ein Dreckfuhler, oder?

Jetzt werde ich mal versuchen einen Mediziner auftreiben, der vielleicht das Rätsel um den kranken Nachbarn lösen kann.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

gehabt gehabt

Zitat von: caru in 2005-08-29, 22:13:32
"hell und klar" sind adverbien, nicht adjektive zum himmel: die sternlein prangen hell und klar.


ähm, und "mameluck" bezeichnet eine volkszugehörigkeit, keine konfession. ein mameluck könnte moslem sein, buddhist, schamanist, aber auch nestorianischer christ ;)
Auch ist aber kein Christ. Bei Schiller heissts

Mut kennt auch der lahme Muck,
Gehorsam ist des Christen Pflicht   oder so aehnlich.