"... ihre Metzgerei trägt dazu bei!"

Begonnen von philemon, 2005-09-13, 13:32:17

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

philemon

Mir ist heute zum wiederholten Male der Text auf der Verpackungstüte der Metzgerei aufgefallen und will euch das nicht vorenthalten. Ich möchte hier nicht für Vegetarismus plädieren, sondern wundere mich einfach nur über die Argumentation. Also je öfter ich mir das durchlese ...

"Selbst in vorgeschichtlicher Zeit genoss der Mensch bei jeder sich bietenden Gelegenheit Fleisch.

Zwanghafter Fleischverzicht über längere Zeit hinweg führte stets zur Schwächung seiner Art gegenüber allen Unbilden, mit denen ihn im Laufe der Zeit die Natur konfrontierte.

Als vernunftbegabtes Wesen steht es ihm heute mehr denn je frei, sich seine Nahrung ausgewogen zusammenzustellen. Mischkost. Von allem etwas.

Wer keine Mangelerscheinungen riskieren will, bleibt dabei vernünftig: Fleisch und Wurst stehen nach wie vor mit an erster Stelle.

... Ihre Metzgerei trägt dazu bei! "

Z. B. würde es mich interessieren, welchem Vernunftbegriff der Autor nahe steht.

gehabt gehabt

Wunderst du dich ueber die Argumentation oder ueber die Grammatik, da es ja heissen muesste:

Als vernunftbegabtem Wesen ...     ?

philemon

Nein, doch eher über die Argumentationskette. Grammatikfehler mache ich auch.

1. Der Mensch isst schon immer Fleisch, sogar in vorgeschichtlicher Zeit. ( Es ist seine Natur?)

2. Wenn er dann zwanghaft (durch wen, wie, was) darauf verzichtete führte das stets zur Schwächung  gegenüber allen Unbilden. Welchen Unbilden? Versteh ich nicht. Mit welchen Unbilden wurden wir Menschen im Laufe der Zeit konfrontiert die in Verbindung mit mangelndem Fleischgenuss zur Schwächung führten. Krankheiten, Epidemien?

3. Weil er vernunftbegabt ist, steht es ihm heute frei?

4. Vernünftig wird nicht erklärt, was meinen die damit? Und die Mischkost steht doch im Gegensatz zu "Fleisch und Wurst stehen nach wie vor mit an erster Stelle"

Ich habe eher das Gefühl, dass man da versucht hat, bestimmte Wörter unterzubringen, die irgendwas auslösen sollen.

vorgeschichtlich    --- > schon immer, alles andere ist unnormal
seiner Art, Natur   --- > es ist unsere Natur, Fleisch zu essen
Vernunft                --- > es ist einfach vernünftig, Fleisch zu essen
Mangelerscheinungen --- > der Körper braucht es

Meiner Meinung nach wurde nur der Text um diese "Signal"wörter herum sehr eigenartig gestaltet. Sagt mir, wenn ich mich vielleicht hier in etwas reinsteigere.

Karin Klimkat

1. Der Mensch lebte schon immer auf Bäumen, auch als er noch ein Affe war. ::)
Deshalb bauen Kinder noch immer gern Baumhäuser...
Tolle Argumentation!

2. Versteh' ich auch nicht.

3. Jedes Tier - egal wie wenig vernunftbegabt es ist - frisst normalerweise doch instinktiv das, wonach sein Organismus verlangt.
Der vernunftbegabte Mensch dagegen hat verlernt, auf seine Instinkte zu hören. Darum muss er auch zur Wahl.

4. "Mit an erster Stelle" heißt doch, dass Fleisch und Wurst nicht allein da stehen. Andererseits: wenn nur von einer ersten Stelle die Rede ist, kommt's mir auch irgendwie komisch vor.

caru

die argumentation ist wohl die:

"heutzutage haben wir's als vernunftbegabte wesen so weit gebracht, daß (zumindest in unserem teil der welt) jede art von nahrungsmitteln in ausreichendem maß zur verfügung steht.
wir können uns also aussuchen, was wir essen, und sind nicht auf das angewiesen, was wir zufällig finden oder erjagen (auch nicht auf das, was hierzulande zufällig wächst - wir können jederzeit obst und gemüse aus anderen klima- und bodenbeschaffenheitszonen besorgen, aber ebenso z.b. fische aus tropengewässern).

da wir also die wahl haben, müssen wir unbedingt auch fleisch essen und dürfen keinesfalls vegetarier werden, weil
1) menschen schon immer und überall fleisch gegessen haben,
2) wir sonst mangelerscheinungen kriegen,
3) viele leute nach wie vor gerne fleisch und wurst essen.

also kaufen sie bitte bei mir ein. ihr metzger."



natürlich ist die argumentation falsch, und zwar aus folgenden gründen.

von den drei als grund angeführten umständen entspricht nur 3) den tatsachen: viele leute essen gern fleisch. das ist aber nun kein grund, daß ich's auch tun muß.

1) ist falsch, denn es gibt seit den anfängen der menschheit bis zum heutigen tag sammlerkulturen, die sich ausschließlich von eßbaren pflanzenteilen ernähren, ohne zu jagen oder gar tiere zu verzehrzwecken zu züchten - sie züchten gar keine, auch nicht der eier oder milch halber. allenfalls decken sie ihren proteinbedarf durch verzehr von insekten, z.b. termiten. wem das zu "primitiv" ist, der soll einen blick nach indien, china etc. werfen, wo sich aus religiösen gründen gerade die höchst"zivilisierten" leute über jahrhunderte vegetarisch ernährt haben.

2) ist das liebste argument der vegetarismusgegner und stimmt so wenig wie die behauptungen mancher vegetarier, der mensch habe einen pflanzenfresserdarm, dem fleisch geradezu schade, und alle schwächungen des immunsystems von heuschnupfen bis zu aids kämen vom übermäßigen fleisch- und milchprodukteverzehr.
in wirklichkeit ist der mensch ein ausgesprochener allesfresser und verträgt nahezu jegliche diät, von rohem fisch und robbenfleisch bis zur rein pflanzlichen urwald-sammelkost. gerade deswegen ist der mensch auf der welt so weit verbreitet und kann sich überall anpassen - er wählt sich seinen speisezettel letztlich beliebig, weniger wegen der vernunft als wegen seiner biologischen verdauungs-ausrüstung.

kurz: es werden drei gründe angeführt, warum man fleisch essen soll; davon sind zwei schlichte ammenmärchen, der dritte ist die aufforderung, zu tun, was die meisten andern auch tun.

wer nur einen augenblick nachdenkt, der merkt, daß das ganze doof ist. wie wir an uns selbst festgestellt haben. ::)
(\___/)
(>´x´<)
('.')__('.')

Nijntje - de echte nederlandse konijn

versucher

Tja, wenn Metzger argumenpflanzen, äh, -tieren!