Homologisch und heterologisch

Begonnen von Kilian, 2006-05-09, 22:40:53

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Kilian

Zitat von: Agricola in 2006-06-03, 15:00:14Dann ist "Wort" aber auch kein Homologon, weil es nicht unabhängig von seiner Form sich selbst signifiziert: Für die Pluralform gilt es nämlich nicht.

Doch, auch Wörter ist ein Wort! ;D

Ich habe mich missverständlich ausgedrückt und versuche jetzt mich präziser zu fassen:

Das Wort Wort ist ambig, es kann bedeuten:
1. Lexem
2. Wortform

Außerdem müssen wir unterscheiden zwischen
A. Signifikant (Bezeichnendes)
B. Signifikat (Bezeichnetes)

Die Wortform Akkusativform [Akk.] ist Signifikat des Lexems Akkusativform.
Anders ausgedrückt: Das Lexem Akkusativform ist Signifikant der Wortform Akkusativform.

Da aber Lexem und Wortform zwei verschiedene Dinge sind, fallen Signifikant und Signifikat nicht zusammen -> das Kriterium für Homologie ist nicht erfüllt.

Demgegenüber ist das Lexem Wort Signifikant und Signifikat von sich selber.

Jetzt merke ich, dass ich mich gerade mit dem Beispiel kurz in die Ecke argumentiert habe - da ein Lexem abstrakt ist, kann man es streng genommen nicht als kurz bezeichnen.

Agricola

#31
Zitat von: Kilian in 2006-06-04, 00:50:49Doch, auch Wörter ist ein Wort! ;D

Aber "Wörter" sind keine "Wörter".

Es ist ja ein großer Unterschied, ob ein Wort wie "Wort" die Sache selber bezeichnet oder wie "dreisilbig" eine Eigenschaft derselben.

Und auch wenn ein Homologon die Sache selbst bezeichnet, kann es sein, dass es ein offensichtliches Beispiel für die Sache ist, die es bezeichnet (wie "Wort") oder ein mögliches Beispiel ("Daktylus") oder möglicherweise ein Beispiel, aber nicht in jeder Form ("Dies ist ein gesprochener Satz") usw.

Wie ist es eigentlich mit "Signifikat" und "Signifikant"?
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Kilian

#32
ZitatEs ist ja ein großer Unterschied, ob ein Wort wie "Wort" die Sache selber bezeichnet oder wie "dreisilbig" eine Eigenschaft derselben.

Der Unterschied ist nicht so gravant, finde ich: Ein Wort wie Wort trifft auf alles zu, was die Eigenschaft hat, ein Wort zu sein. Ein Wort wie dreisilbig trifft auf alles zu, was die Eigenschaft hat, dreisilbig zu sein. Kaum ein Unterschied.

ZitatUnd auch wenn ein Homologon die Sache selbst bezeichnet, kann es sein, dass es ein offensichtliches Beispiel für die Sache ist, die es bezeichnet (wie "Wort") oder ein mögliches Beispiel ("Daktylus") oder möglicherweise ein Beispiel, aber nicht in jeder Form ("Dies ist ein gesprochener Satz") usw.

Der Unterschied ist tatsächlich gravant. Bei Wort im Akkusativ, Daktylus usw. ist die Homologie sozusagen nur potenziell, im weitesten Sinne vom Kontext abhängig, eine Pseudohomologie, die sich nicht selbst genügt... das macht natürlich Kopfzerbrechen.

ZitatWie ist es eigentlich mit "Signifikat" und "Signifikant"?

Das Wort Signifikant bezeichnet etwas, ist also ein Signifikant, also homologisch. Wird auch das Wort Signifikat von irgendetwas bezinchen? Ich meine schon, z.B. von dem Ausdruck "das Wort Signifikat". Also beide homologisch.

Nebenbei: Dieser Satz enthält genau zweiundvierzig Buchstaben.

Knupf: http://www.cetteadressecomportecinquantesignes.com

VerbOrg

Zitat von: Kilian in 2006-06-04, 11:54:27
Zitat von: Kilian in 2006-06-04, 00:50:49Es ist ja ein großer Unterschied, ob ein Wort wie "Wort" die Sache selber bezeichnet oder wie "dreisilbig" eine Eigenschaft derselben.

Der Unterschied ist nicht so gravant, finde ich: Ein Wort wie Wort trifft auf alles zu, was die Eigenschaft hat, ein Wort zu sein. Ein Wort wie dreisilbig trifft auf alles zu, was die Eigenschaft hat, dreisilbig zu sein. Kaum ein Unterschied.
Stammt die Zitur nicht von Agricolan?

Kilian

#34
Wie das nun passoren sein mag... ???

Edith: Es passur, als ich Agricolas Beitrag versehentlich editur, als ich ihn zitieren wollte. Ich habe ihn mittlerweile im Einvernehmen mit Agricola wieder reparoren.

Agricola

Zitat von: Kilian in 2006-06-04, 11:54:27
Das Wort Signifikant bezeichnet etwas, ist also ein Signifikant, also homologisch. Wird auch das Wort Signifikat von irgendetwas bezinchen? Ich meine schon, z.B. von dem Ausdruck "das Wort Signifikat". Also beide homologisch.
Mal nicht voreilig! Gehen wir zurück zu deinem Beitrag #30. Da steht die Behauptung im Raum, dass das Lexem Wort und die Wortform "Wort" etwas verschiedenes seien. Wort als Signifikant signifiziere sowohl die Wortform als auch das Lexem. Daraus, dass Akkusativform (Akk.) als Wortform nicht die Akkusativform als Wortform signifiziere (wird in demselben Beitrag behauptet, denn sonst wäre Akkusativform (Akk.) ein Homologon) ziehe ich den Schluss, dass "Wort" ebenfalls nur als Lexem (also nicht als Wortform) sowohl das Lexem als auch die Wortform "Wort" signifiziere. Da "Wort" aber trotzdem ein Homologon ist (wie du behauptest), tut es der Qualifikation als Homologon also keinen Abbruch, dass der Signifikant nur ein Lexem, das Signifikat aber sowohl ein Lexem als auch eine Wortform ist; es wird also nicht gefordert, dass das Signifikat und der Signifikant vollkommen identisch seien, sondern lediglich, dass der signifizierende Teil auch signifiziert sei.

Bei "Signifikant" scheint mir dies offensichtlich der Fall zu sein, denn das Wort "Signifikant" signifiziert etwas, ist also ein Signifikant und somit gleichzeitig als Lexem auch sein Signifikat. Bei "Signifikat" gilt das jedoch viel weniger offensichtlich. Ein Signifikat wird es erst dadurch, dass jemand kommt und es signifiziert. Genausowenig wie ich mich als "Mordopfer" bezeichnen würde, nur weil jemand kommen könnte, der mich gleich ermordet, möchte ich leichtfertig "Signifikat" als Signifikat bezeichnen.

Selbst wenn wir einmal (widerwillig) akzeptieren, dass es den Ausdruck "das Lexem 'Signifikat'", der das Lexem Signifikat signifiziert, sozusagen ständig gibt und somit "Signifikat" ständig ein Signifikat ist, kommen wir hier auf eine neue interessante Unterscheidung. "Signifikant" ist ein Homologon aus sich heraus, da es durch seine Eigenschaft, ein Wort zu sein (welche wiederum eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass man überhaupt von einem Homologon sprechen kann), etwas signifiziert und somit ein Signifikant ist. "Signifikat" ist aber ein Homologon nicht aus sich heraus oder durch das, was es signifiziert, sondern erst durch etwas drittes, das hilfsweise herangezogen werden muss.

Es wäre demnach zwischen "wesentlichen" und "akzidenziellen" Homologois zu unterscheiden.
The future lies in front of me,
but "lies" is all that I can see.

Kilian

#36
Zitat(...) tut es der Qualifikation als Homologon also keinen Abbruch, dass der Signifikant nur ein Lexem, das Signifikat aber sowohl ein Lexem als auch eine Wortform ist; es wird also nicht gefordert, dass das Signifikat und der Signifikant vollkommen identisch seien (...)

Natürlich nicht - das wäre dann ja schon Totalhomologie.

Mengentheoretisch formuloren: Jeder Signifikant hat eine Signifikatenmenge. Diese enthält genau die Elemente, die von dem Signifikanten signifiziert werden.

Homologie liegt vor, wenn der Signifikant Element seiner eigenen Signifikatenmenge ist.

Totalhomologie liegt vor, wenn der Signifikant das einzige Element seiner eigenen Signifikatenmenge ist.

ZitatWort als Signifikant signifiziere sowohl die Wortform als auch das Lexem.

Ich meinte eigentlich, dass das Lexem Wort je nach Verwendung verschiedene Signfikate hat, wollte also Lexeme und Wortformen nicht in ein und dieselbe Menge schmeißen. Aber vielleicht ist das eine unnötige Verkomplizur - so, wie du mich verstanden hast, funktioniert es auch. (Ist halt die Frage, wie man das Phänomen der Mehrdeutigkeit formalisieren will.)

Demnach enthält die Signifikatenmenge des Lexems Wort sowohl Lexeme (wie Wort, blau, Objekt...) als auch Wortformen (Wort, Wortes, Worte, Wörter, Worten, Wörtern, blau, blauen, blauer, blaue, blaues, Objekt, Objekte, Objekten, Objektes...). Die Wortform Wort wird also von dem Lexem Wort signifiziert. Das bedeutet weiter nichts. Dass aber auch das Lexem Wort von dem Lexem Wort signifiziert wird, macht dieses homologisch.

ZitatEs wäre demnach zwischen "wesentlichen" und "akzidenziellen" Homologois zu unterscheiden.

Einverstanden.

MrMagoo

Zitat von: Kilian in 2006-06-04, 00:50:49
Zitat von: Agricola in 2006-06-03, 15:00:14Dann ist "Wort" aber auch kein Homologon, weil es nicht unabhängig von seiner Form sich selbst signifiziert: Für die Pluralform gilt es nämlich nicht.

Doch, auch Wörter ist ein Wort! ;D

Ich habe mich missverständlich ausgedrückt und versuche jetzt mich präziser zu fassen:

Das Wort Wort ist ambig, es kann bedeuten:
1. Lexem
2. Wortform

Seitdem in einem Seminar vor etlicher Zeit auf die Frage des Dozenten, was denn das Grundmorphem von "Bergwerk" sei, die Antwort "Steinkohle" gegeben wurde, habe ich keine Fragen mehr diesbezüglich! :D
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

MrMagoo

Zitat von: Agricola in 2006-06-04, 01:24:35
Zitat von: Kilian in 2006-06-04, 00:50:49Doch, auch Wörter ist ein Wort! ;D

Aber "Wörter" sind keine "Wörter".

Dazu kommt bei "Wort" auch noch die semantische Unterscheidung, die sich ja deutlich erst im Plural "Wörter" (= unzusammenhängende) und "Worte" (= zusammenhängende) zeigt.
"Ich habe gestern 50 Wörter auswendig gelernt."
"Seine Worte waren ergreifend.".

Gruß
-MrMagoo
Wâ mag ich mich nu vinden? wâ mac ich mich nu suochen, wâ? nu bin ich hie und bin ouch dâ und enbin doch weder dâ noch hie. wer wart ouch sus verirret ie? wer wart ie sus zerteilet mê?
(Gottfried von Straßburg)

Wortklaux

Zitat von: Kilian in 2006-05-09, 22:40:53
Hausaufgabe für morgen: Ist das Wort heterologisch homologisch oder heterologisch? ;D
Ebenfalls interessant wäre die Frage, ob das Wort homologisch homologisch oder heterologisch sei.  ;D

Vorbeischauer

Nicht ganz dasselbe wie Homologa und Heterologa, aber die folgende abbildende Wortbuld ist auch sehr schön:

Langeweile - Kurzweil.