Unbestimmtes "es" als Subjekt im Passivsatz

Begonnen von Wortklauber, 2013-01-22, 18:20:35

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Wortklauber

Sie: (streichelt ihn verführerisch)
Er: Es geht jetzt nicht. Es ist gerade mir selbst besurgen worden!

Kilian

Ich bin nicht sicher, worauf du hinaus willst, aber ich finde, dass in diesem Satz das selbst stört. Logischerweise müsste es sich auf das logische Subjekt beziehen, oder? Weil es einen Kontrast zu dem anscheinend von "Ihr" vorgeschlagenen Prozedere anzeigt. Und das logische Subjekt tritt in dem Satz nicht auf. Man müsste es wieder hinzutreten lassen, um dem selbst etwas zu geben, auf das es sich beziehen kann: Es ist mir gerade von mir selbst besurgen worden!

Wortklauber

Um das selbst ging es mir eigentlich nicht, aber eigentlich sollte das grundsätzlich nicht stören:

Die Mütter backen die beim Schulfest verkauften Kuchen meistens selbst.
Die beim Schulfest verkauften Kuchen werden meistens selbst gebacken.


Da das selbst in selbst backen ebenso wie in sich es selbst besorgen eher zum Verb als zum Subjekt gehört, sollte es auch in der Passivkonstruktion noch funktionieren, unabhängig davon, ob die Bezugsperson anwesend ist. Aber meinetwegen kannst du den Urheber auch mit in den Satz nehmen. Es ist mir gerade von mir selbst besurgen worden! ist auch nicht weniger komisch.

Es ging mir um die Passivur von Sätzen, die im Aktiv ein unbestimmtes direktes Objekt haben, mit oder ohne sich und selbst. Also z.B.

,,Wie finden es die Gäste in der Ferienanlage?" ,,Sie halten es nicht mehr aus! Sie haben es satt!"
,,Wie wird es in der Ferienanlage gefunden?" ,,Es wird nicht mehr ausgehalten! Es wird satt gehabt!"

Im übrigen scheint sich "es" auch schlecht in den Dativ setzen zu lassen:

Es kotzt mich an.
Ich werde von ihm (?) angekotzt.

Homer

#3
Vermoschenes Hirn-Gestormenes dazu:

Die Gäste lassen es krachen. Es wird (von den Gästen) krachen gelassen.
Die Gäste lassen es sich gut gehen. Es wird (von den Gästen) sich gut gehen gelassen.


In Deinem ankotzen-Beispiel memüsse man wohl sagen: Ich werde davon angekotzt.

Das Problem mit der Passivur bei neutralen pronominalen Satzgliedern gibt es nicht nur bei es. Mit das als Subjekt:

Das ergibt Sinn. Sinn wird davon ergeben.

Und sogar nicht-pronominal:

Zwei plus zwei ergibt vier. Vier wird von zwei plus zwei ergeben.

Muß an der Semantik von ergeben liegen, aber so ganz genau weiß ich das auch nicht.

Noch lustiger wird es beim "Platzhalter-es" (das kein pronominales Satzglied – also Subjekt oder Objekt – mehr ist, sondern nur noch das Vorfeld des Satzes besetzt), wenn ein Inhalts-Akkusativ zum Verb tritt:

Es hagelt Proteste. Proteste werden gehagelt.
Es regnet Bindfäden. Bindfäden werden geregnet.


Oder bei es gibt:

Es gibt keine Hölle. Keine Hölle wird gegeben.


Wortklauber

Interessant, der Ersatz von "es" und "das" durch "da". "Esvon" und "dasvon" klänge da schon etwas neutscher. Sonst lässt sich in der Passivur "das kotzt mich an" von "es kotzt mich an" nicht unterscheiden, ist doch nicht dasselbe, aber echt!

Im übrigen würde ich eher "Vier werden von zwei und zwei ergeben" sagen.

In deinen letzten Beispielen ist das "es" aber, glaube ich, kein reines Platzhalter-es, weil sich letzteres bei der Besetzung des Platzes durch ein anderes Wort in Luft auflöst:

Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.
Leider ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.

Bei deinen Beispielen hingegen bleibt das es erhalten:

Es hagelt Proteste.
Manchmal hagelt es Proteste.

Also auf Neutsch:
Der Politiker wäre sich seines Fehlers gar nicht bewusst geworden, wenn nicht esvon Proteste gehagelt worden wären.

Und eine weitere Anwendung von "esvon" analog zu:
Ich finde es von ihm gemein, dass er protestiert.
auf Neutsch:
Ich finde es esvon gemein, dass es Proteste hagelt.

Wortklauber

P.S. Für "es gibt" würde ich vorschlagen:

Das kleine Gespenst wird zwar nicht esvon, aber von unserem Kindertheater gegeben.

Homer

Zitat von: Wortklauber in 2013-01-24, 19:12:55
Im übrigen würde ich eher "Vier werden von zwei und zwei ergeben" sagen.

Aber nur, wenn Du auch sügest: Vier sind zwei plus zwei.

Zitat von: Wortklauber in 2013-01-24, 19:12:55In deinen letzten Beispielen ist das "es" aber, glaube ich, kein reines Platzhalter-es, weil sich letzteres bei der Besetzung des Platzes durch ein anderes Wort in Luft auflöst:

Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.
Leider ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.

Bei deinen Beispielen hingegen bleibt das es erhalten:

Es hagelt Proteste.
Manchmal hagelt es Proteste.

Wo Du Recht hast, hast Du Recht.

Wortklauber

Zitat von: Homer in 2013-01-24, 19:38:31
Zitat von: Wortklauber in 2013-01-24, 19:12:55
Im übrigen würde ich eher "Vier werden von zwei und zwei ergeben" sagen.

Aber nur, wenn Du auch sügest: Vier sind zwei plus zwei.

Ob die das sind oder nur davon ergeben werden, ist wohl eine philosophische Frage.

Homer

Ich frug nur, ob es nicht ülber ist, mathematische Gleichungen mit singularischem Prädikat zu formulieren.

Homer

#9
Mit esvon kekünne man also neutsch sagen:

Ich werde esvon gewornden, daß ...
Wunder werden esvon genommen, daß ...
Ich werde esvon gefroren/gefrolsten.
Ich werde esvon gefrohen, daß ...


Wortklauber

Zitat von: Homer in 2013-01-24, 19:59:08
Ich frug nur, ob es nicht ülber ist, mathematische Gleichungen mit singularischem Prädikat zu formulieren.

Wenn man sie mathematisch liest, heißt es "Zwei plus zwei gleich vier".

Die Rechnung "zwei plus zwei" ergibt vier.

Was aber nichts daran ändert, dass vier ein Plural ist.

Also werden von "zwei plus zwei" vier ergeben.

Und zwei und zwei sind vier.

Homer

#11
Für den von mir bei ergeben, machen usw. vorzbeogenen Singular kann ich gewaltige Autoritäten anführen:

Zwei mal drei macht vier. (Pippi Langstrumpf)
Zwei und zwei macht vier. (Duden-Grammatik)

Nach Duden ist der Singular bei mathematischen Rechnungen standardsprachlich, außer bei sein, wo beides geht, also auch: Zwei und zwei sind vier.

Es ist wohl so, daß Zahlen als mathematische Ausdrücke Singular sind, als Mengenangaben Plural:
Vier ist mehr als drei. Vier ist durch zwei teilbar.
Vier (Leute) sind mehr als drei.

Wortklauber

Zitat von: Homer in 2013-01-24, 20:44:44
Für den von mir bei ergeben, machen usw. vorzbeogenen Singular kann ich gewaltige Autoritäten anführen:

Zwei mal drei macht vier. (Pippi Langstrumpf)
Zwei und zwei macht vier. (Duden-Grammatik)

Nach Duden ist der Singular bei mathematischen Rechnungen standardsprachlich, außer bei sein, wo beides geht, also auch: Zwei und zwei sind vier.

Es ist wohl so, daß Zahlen als mathematische Ausdrücke Singular sind, als Mengenangaben Plural:
Vier ist mehr als drei. Vier ist durch zwei teilbar.
Vier (Leute) sind mehr als drei.


Allmählich bräuchten wir hierfür einen eigenen Faden, aber ...
ich bestreite ja all das, was du sagst, keineswegs. Nehmen wir einmal (Pippi Langstrumpf in Ehren) zwei mal drei macht sechs und analysieren ein wenig. Mir scheint der Satz jedenfalls eine Verkürzung von etwas Längerem zu sein, vielleicht etwa zwei mal drei (Dinge) genommen, das (= diese Handlung) macht (=bringt ... hervor) sechs (Dinge).
Das ist sicher nicht die einzige mögliche Auflösung der Verkürzung, aber die von mir gewählte zeigt jedenfalls, warum das Verb im Singular stehen kann, obwohl "zwei" und "drei" und "sechs" jeweils Pluräle sind. Sowohl "drei" als auch "sechs" stehen nämlich dabei im Akkusativ und können somit nicht Subjekt zum Prädikat sein, und "zwei" ist Teil eines adverbialen Ausdruckes. "Sechs" ist aber in jedem Fall direktes Objekt in dem Satz und wird somit im Passivsatz zum Subjekt. Daher muss im Passiv das Verb im Plural stehen, darum ging es mir. Weil der Ausgangssatz nach Satzumstellung auch so heißen kekünne:

Es macht zwei mal drei (genommen) sechs.

kekünne die Passivur dann auch lauten:

Zwei mal drei (genommen) werden (esvon) sechs gemachen.

Der Satz "zwei und drei macht fünf" ist ganz analog, nur dass hier "zwei" und "drei" beide im Akkusativ stehen. Der Satz "vier ist mehr als drei" kekünne vielleicht als "vier (zu haben) ist mehr als drei (zu haben)" aufgefassen werden.

Bei dem Wort "teilbar" scheint es mir etwas anders zu stehen, da es sich um einen Ausdruck aus der Zahlentheorie handelt. In der Zahlentheorie sind die Zahlen natürlich einzelne Gegenstände. Deshalb sagt man, glaube ich, auch eher "Die 4 ist durch (die) 2 teilbar", während "die 2 und die 2 macht die 4" schon sehr ungewöhnlich klänge.

Kilian

Zitat von: Wortklauber in 2013-01-24, 15:23:01
Um das selbst ging es mir eigentlich nicht, aber eigentlich sollte das grundsätzlich nicht stören:

Die Mütter backen die beim Schulfest verkauften Kuchen meistens selbst.
Die beim Schulfest verkauften Kuchen werden meistens selbst gebacken.


Da das selbst in selbst backen ebenso wie in sich es selbst besorgen eher zum Verb als zum Subjekt gehört, sollte es auch in der Passivkonstruktion noch funktionieren, unabhängig davon, ob die Bezugsperson anwesend ist.

Wo du Recht hast, hast du Recht.

Kilian

Zitat von: Wortklauber in 2013-01-25, 04:40:39Bei dem Wort "teilbar" scheint es mir etwas anders zu stehen, da es sich um einen Ausdruck aus der Zahlentheorie handelt. In der Zahlentheorie sind die Zahlen natürlich einzelne Gegenstände.

Und in der Algebra sind Terme Gegenstände. So erklüre ich, dass auch zwei plus zwei ergibt vier richtig ist (zwei und zwei ergeben vier klingt für mich nicht nach Mathematik, sondern nach Rechnen™).