"lassen" und Argumentstrukturen

Begonnen von Homer, 2015-07-05, 01:14:27

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Kilian

Zitat von: Wortklaux in 2015-07-08, 05:37:49
P.S.

Ist ,,Verblexem" ein Synonym für ,,Tuwort", oder handelt es sich im Gegensatz zu ,,Wort" um einen wissenschaftlich exakt definierten oder definierbaren Begriff?

Ja, ich meinte jetzt Lexem im Sinne von "Lexikoneintrag, Vokabel". Exakt und eindeutig definiert ist das auch nicht, eher hatte ich mich an einer Definition versucht... und war glaubich nicht allzu erfolgreich.

Homer

Zitat von: Kilian in 2015-07-08, 23:04:04
Zitat von: Wortklaux in 2015-07-08, 05:30:31

Der Unterschied leuchtet mir nicht vollkommen ein. ,,In der Rechenstunde bringt der Lehrer den Schülern in diesem Halbjahr das Rechnen mit Zahlen bis 100 bei." drückt ebensowenig einen abgeschlossenen Vorgang aus wie ,,Montags kocht Opa immer Spaghetti.", und der Beibringvorgang lässt sich ebenso mit verschiedenen Objekten wiederholen.

Hm, stimmt, so richtig Sinn macht das Konzept "perfektives Verb" bei längerem Nachdenken auch nicht. Eher ist eine bestimmte Verwendung perfektiv oder nicht.

Scheint also, als wären echt alle Übergänge fließend. Panta rhei. :D

Jetzt gibst Du aber vielleicht schneller auf als nötig. Perfektive Verben sind dadurch gekennzeichnet, dass sie eine Grenze der Handlung implizieren oder mindestens eine Zustandsveränderung. "Beibringen" wäre also ein perfektives Verb, da der Vorgang eine Änderung impliziert. Dass er, wie jeder andere Vorgang auch (etwa "verzehren"), wiederholbar ist, ist uninteressant, ebenso, dass er eine gewisse Zeit dauern kann. Ein imperfektives Verb wäre im Gegensatz dazu "laufen", das weder eine hintere Grenze hat noch eine Zustandsänderung ausdrückt. Es gibt nun offenbar eine gewisse Tendenz, dass transitive Verben besonders gern, aber nicht notwendigerweise perfektiv sind (eine Ausnahme wäre etwa "lieben") – immerhin.

Wortklaux

Aber ,,kochen" impliziert doch auch eine Änderung — etwas Rohes wird gar — ich sehe da den Unterschied nicht.

Homer

Eben, "kochen" im Sinne von "Essen zubereiten" ist klar perfektiv. Dagegen ist "kochen" in dem Satz Opa kocht vor Wut imperfektiv (kein Ende und keine Änderung impliziert). Es ergibt deshalb angesichts des tendenziell starken Zusammenhangs der Merkmale "perfektiv" und "transitiv" guten Sinn, das perfektive "kochen" nicht ebenso wie das imperfektive als "intransitiv" zu bezeichnen, nur weil die (vorhandene) Objektstelle unbesetzt bleibt. Wenn man sich nun scheut, dieses absolut gebrauchte "kochen" im eigentlichen Sinne "transitiv" zu nennen – wofür sich Gründe anführen lassen, wie ich mittlerweile auch sehe –, dann braucht man eine neue Bezeichnung, die aber klar machen sollte, dass eine große Nähe zu "etwas kochen" besteht, eine große Entfernung dagegen zu echt intransitivem "kochen". Deshalb mein Vorschlag "krypto-transitiv".

Wortklaux

Dein Beitrag geht an der Sache vorbei. Es ging nämlich in der aktuellen Diskussion um den Unterschied zwischen z.B. ,,Opa kocht heute Abend [Essen]" und ,,Opa bringt mir heute Abend [ein Lied] bei", also um die Frage, warum im ersten Fall die Objektstelle frei bleiben kann und im zweiten Fall nicht. Wenn kochen in diesem Fall genauso perfektiv ist wie beibringen, trägt der Begriff zur Klärung der Frage nichts bei, und das war der Grund, weshalb Kilian seine Idee zurückgezogen hat.

Zitat von: Kilian in 2015-07-08, 23:04:04
Zitat von: Wortklaux in 2015-07-08, 05:30:31
Zitat von: Kilian in 2015-07-08, 04:21:49
Zitat von: Wortklaux in 2015-07-07, 15:23:34Es scheint mit aber durchaus sinnvoll, zwischen Verben zu unterscheiden, die wirklich ein obligatorisches Akkusativobjekt haben (z.B. ,,verschlingen", ,,beibringen", ,,zerstören", ,,ausdrücken", wenn ich mich nicht irre) und solchen, die (nach meiner Terminologie) auch intransitiv verwendet werden können (z.B. ,,kochen", ,,bauen", ,,singen"), bei denen also zwar immer ein Objekt vorhanden sein muss, aber die Sprache nicht verlangt, dieses auszudrücken. Das Objekt ist in diesem Fall also eben nicht obligatorisch.

Hier wittere ich eine mögliche Generalisierung: verschlingen, beibringen, zerstören und ausdrücken haben auch wieder perfektive Bedeutung, sie bezeichnen immer einen abgeschlossenen Vorgang mit einem bestimmten Objekt und können keine andauernde oder wiederholte Handlung mit möglicherweise verschiedenen Objekten ausdrücken wie kochen, bauen oder singen. Wahrscheinlich liegt es daran, dass das Objekt hier wirklich obligatorisch realisiert werden muss und nicht wie bei anderen transitiven Verben weggelassen werden kann.

Der Unterschied leuchtet mir nicht vollkommen ein. ,,In der Rechenstunde bringt der Lehrer den Schülern in diesem Halbjahr das Rechnen mit Zahlen bis 100 bei." drückt ebensowenig einen abgeschlossenen Vorgang aus wie ,,Montags kocht Opa immer Spaghetti.", und der Beibringvorgang lässt sich ebenso mit verschiedenen Objekten wiederholen.

Hm, stimmt, so richtig Sinn macht das Konzept "perfektives Verb" bei längerem Nachdenken auch nicht. Eher ist eine bestimmte Verwendung perfektiv oder nicht.

Scheint also, als wären echt alle Übergänge fließend. Panta rhei. :D

Homer

Ok, da würde ich aber vor einer Kapitulation erst einmal darüber nachdenken, ob die Valenzstruktur von "beibringen" mit zusätzlichem obligatorischem Dativobjekt die Dinge nicht grundsätzlich ändert. Nehmen wir das synonyme "lehren": Dann kann man sagen "Ich lehre Euch Hauswirtschaft" oder "Ich lehre". Und dann stellen wir die Frage nach der Perfektivität noch einmal. Ich würde sagen, sie ist im ersten Fall gegeben (Zustandsänderung).

Wortklaux

Der Dativ alleine kann es nicht sein... Sonst wäre ,,Am Wochenende kocht mir immer meine Oma." unmöglich. Also läge es tatsächlich an der Obligatorik (^^) des Dativobjektes und nicht am Dativobjekt selbst... Dass das Dativobjekt etwas mit dem Unterschied zu tun haben könnte, leuchtet mir schon ein, aber was dessen Obligatorik mit der Perfektivität zu tun hat, verstehe ich wieder nicht.

Wortklaux

Mir fällt gerade noch ein: ,,Du sollst den Armen [etwas] geben."
Hier sorgt das Dativobjekt sogar erst dafür, dass das Akkusativobjekt weggelassen werden kann, denn in dem Satz ,,Du sollst etwas geben." ist das Objekt nach meinem Sprachempfinden nicht entbehrlich.
Zwischen ,,Du sollst den Armen [etwas] geben." und ,,Du sollst den Kindern [etwas] beibringen." finde ich einzig in der Semantik und der Sprechgewohnheit einen Unterschied: Offensichtlich wird das ,,den Armen geben" als eine von dem Gegebenen unabhängig zu würdigende Handlung betrachtet, während es bei ,,den Kindern beibringen" nicht so ist. Es kommt mir aber so vor, dass das wirklich eine reine Gewohnheit ist und dass sich die sprachliche Möglichkeit einzig aufgrund einer Änderung des kulturellen Umfeldes ändern kekünne.