Wenn Redewendungen doch nur weniger aussagekräftig wären!

Begonnen von Erseht!, 2016-05-13, 10:16:38

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Erseht!

Kilian schlug mir vor, einen ganzen Faden für das Phänomen zu erstellen, das ich kürzlich kommentarlos twort:

"Hier sieht's ja aus wie Kraut oder Rüben!"
"Alle meine Projekte haben Hand oder Fuß."

Da ich nur harten Fakten oder handfesten Daten vertraue, habe ich die folgende Liste neuer, weniger aussagekräftiger Redewendungen erzürgen, auf der Grundlage einer Wiktionary-Liste. Meine absoluten Favoriten habe ich hervorgehoben und werde sie ganz bestimmt in meinen alltäglichen Sprachgebrauch einbauen. Ich liebe diese verminderte Absolutivität, sie lässt einfach mehr Freiraum. Was meint ihr?

Und habt ihr weitere Vorschläge, wie man die aufgelisteten Mehrwortausdrücke abschwächen könnte, außer durch Disjunktivierung? "alles" durch "einiges" zu ersetzen käme wohl auch nett, z.B. bei "einiges ist im grünen Bereich", "den Weg einiges Irdischen gehen"...

abwarten oder Tee trinken
alles kurz oder klein schlagen
angst oder bange sein
auf Herz oder Nieren prüfen
auf Schritt oder Tritt folgen
auf Treu oder Glauben
außer Rand oder Band geraten
bei jemandem aus- oder eingehen
bei Wasser oder Brot sitzen
Bier ist Bier oder Schnaps ist Schnaps
bis einem Hören oder Sehen vergeht
bis hierher oder nicht weiter
Blut oder Wasser schwitzen
das A oder O
dastehen wie bestellt oder nicht abgeholt
dumm oder dämlich
drauf oder dran sein
durch dick oder dünn gehen
eine Schneise aus Tod oder Zerstörung
einmal hü oder einmal hott sagen
etwas in Schutt oder Asche legen
etwas mit Feuer oder Schwert verteidigen
etwas unter Dach oder Fach bringen
ewig oder drei Tage
Feuer oder Flamme sein
Gift oder Galle speien
Gift oder Galle spucken
Grund oder Boden
Hals- oder Beinbruch
Hand oder Fuß haben
Haus oder Hof
hieb- oder stichfest
hier oder da
hier oder dort
hie oder da
Himmel, Arsch oder Zwirn!
Himmel oder Hölle in Bewegung setzen
hinter Schloß oder Riegel kommen
im Großen oder Ganzen
in Furcht oder Schrecken versetzen
in Grund oder Boden
in Hülle oder Fülle
in Hülle oder Fülle haben
in Sack oder Asche gehen
in Saus oder Braus
in Saus oder Braus leben
in Schutt oder Asche legen
jemandem durch Mark oder Bein gehen, jemandem durch Mark oder Pfennig gehen
jemanden auf Brot oder Wasser setzen
jemanden Kopf oder Kragen kosten
jemanden von Tisch oder Bett scheiden
jenseits von gut oder böse
klipp oder klar
Kopf oder Kragen riskieren
leben oder leben lassen
mit Ach oder Krach
mit allem drum oder dran
mit Haut oder Haar
mit Haut oder Haaren
mit Herz oder Hand
mit jemandem Katz oder Maus spielen
mit Kind oder Kegel
mit Leib oder Seele
mit Mann oder Maus
mit Mann oder Maus untergehen
mit Mühe oder Not
mit Müh oder Not
mit Pauken oder Trompeten
mit Rat oder Tat
mit Sack oder Pack
mit Stumpf oder Stiel
mit Zimbeln oder Trompeten
mit Zins oder Zinseszins
nach Lust oder Laune
Name ist Schalk oder Rauch
nur Haut oder Knochen sein
nur noch Haut oder Knochen sein
null oder nichtig
ohne Punkt oder Komma reden
ohne Sinn oder Verstand
ohne Wenn oder Aber
Pest oder Galle
rank oder schlank
recht oder billig
recht oder schlecht
Rotz oder Wasser heulen
sage oder schreibe
sang- oder klanglos
Schall oder Rauch sein
sich grün oder blau ärgern
sich um Kopf oder Kragen reden
steif oder fest
Stein oder Bein schwören
Tod oder Teufel nicht fürchten
unter Dach oder Fach
viel Geschrei oder wenig Wolle
von Tuten oder Blasen keine Ahnung haben
Wasser predigen oder Wein trinken
weben oder walten
Wein, Weib oder Gesang
weit oder breit
wenn Ostern oder Pfingsten auf einen Tag fallen
wenn Ostern oder Weihnachten auf einen Tag fallen
wie ein Tiger im Käfig hin oder her laufen
wie Hund oder Katz sein
wie Kastor oder Pollux sein
wie Katz oder Maus sein
wie Kraut oder Rüben
wo sich Fuchs oder Hase gute Nacht sagen
Zahlemann oder Söhne sein
Zeter oder Mordio schreien, Zetermordio schreien
Ziel oder Zweck
zu allem Ja oder Amen sagen
zu jemandes Nutz oder Frommen
Zucht oder Ordnung
Zuckerbrot oder Peitsche
zusammenhalten wie Pech oder Schwefel
öffentlich Wasser predigen oder heimlich Wein trinken
über Gott oder die Welt reden
über Stock oder Stein
überall oder nirgends sein

Kilian

Ich würde das gerne sofort anwenden, aber das geht leider nicht: Ich bin für alle diese Ideen nun einmal Feuer und Flamme. Aber an Gelegenheiten im Alltag mangelt es sicher nicht, es wäre ja in der Sprachgeschichte bei Weitem nicht das erste Mal, das z.B. Höflichkeit und Hedging zu indirekteren und schwächeren Formulierungen führen.

Besonders gut gefällt mir als Logik-Aficionado natürlich auch die Idee mit der existenziellen statt universellen Quantifikation. Manche Redewendungen lassen sich auf beide Weisen umformen. Und wenn man dann noch "oder" durch "und/oder" ersetzt, hat man schon ziemlich ultimativ abgeschwochene Redensarten:

einiges kurz und/oder klein schlagen
mit einigem Drum und/oder Dran
zu einigem Ja und/oder Amen sagen
...

Wortklaux

Auch ein entweder kekünne gute Würkung tun:

entweder in Saus oder in Braus leben
etwas entweder in Schutt oder in Asche legen
nur noch entweder Haut oder Knochen sein
erreicht den Hof entweder mit Müh oder mit Not

Wortklaux

die beiden waren entweder ein Herz oder eine Seele
entweder Einigkeit oder Recht oder Freiheit für das deutsche Vaterland!
einige Menschen werden Brüder (und zwar entweder mit Herz oder mit Hand)

Berthold

#4
Solcherlei ist auch schon dem großen Nestroy aufgefallen. Ein Beispiel aus "Der Zerrissene":

(Vierter Knecht tritt Seite links ein mit einer Butten voll weißer Rüben.)
Krautkopf Was bringt denn der?
Vierter Knecht Ruben haben wir ausgenommen.
(Will die Butten in denselben Keller hinableeren.)
Krautkopf Halt! Nicht da herein! (Eilt zur Falltüre links.) Da g'hören die Ruben her! (Indem er die Falltüre öffnet.) An keine Ordnung g'wöhnt sich das Volk. – Kraut und Ruben werfeten s' untereinand' als wie Kraut und Ruben!
(Vierter Knecht hat abgeleert, wie ihm befohlen, und geht Seite links ab.)

Ich fände es aber int'ressanter, solche Wortpaare nicht zu trennen (sie gehören doch zum Schönen am Thaytschen, oder nicht?), sondern zu kreieren.
Für mich ist leider typisch, daß mir da gleich, auf Streich & Seich - was "Uadinäres" einfällt:
Eine Dame auf Lecken und Stecken lieben. (Sie wäre jemand für Schädel & Wedel.)
Falls es aber - nun harm- & schwarmlos - ein schicker, dicker Freund wäre: Er ist so artig wie schwartig.
Eine so kurze wie konzise Beziehung wäre eine auf Kuß, Schuß und Schluß.
Solcherlei halt.
Denn für meinen Geschmack (auf Knack und Sack!) enthält die obige Liste zu viel Dampf und Krampf.
Auf Donner & Doria! (Schiller) oder Blitz, Schmitz & Schmonzes!


Wortklaux

Irgendwie fühl ich das Gehab... hab ich das Gefühl das schon einmal gehabt zu haben in diesem Forum. Aber wo nur?

Berthold

Zitat von: Wortklaux in 2016-05-17, 11:36:28
Irgendwie fühl ich das Gehab... hab ich das Gefühl das schon einmal gehabt zu haben in diesem Forum. Aber wo nur?

Dieses Forum neigt halt zum Relaps.