Lokuslyrik

Begonnen von amarillo, 2016-10-18, 11:40:08

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amarillo

Beim neulichen Besuch einer vor allem von Studenten frequentorenen Kneipe mußte ich feststellen, daß den mir so vertrauten und liebgewonnenen Wandbeschriftungen in den vergangenen 35 Jahren offenbar keine neuen Impulse abverrichen wurden. Das ist schadest, wurde einem doch früher in der Intimität der Kabine ein gewisses Unterhaltungsangebot unterbritten, das der Notwendike des Aufenthalts  ein wenig Kurzweil hinzufog. Ich möchte diese literarische Tradition wiederbeleben und beginne einmal damit, die Dinge zu bedichten, die man beim ersten romantischen Rendezvous garantoren nicht thematisöre: fäkal - sexual - sozial: alles egal!

Naschen aus Toilettenbecken,
Urinale auszuschlecken,
ist - und das sei hier betont -
nichts, was kulinarisch lohnt.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Wortklaux

Na, dann guten Appetit!

Wenn hier zum Vorschein kommt verschwommen,
was neulich auf den Tisch gekommen,
vermelden glasklar die Gerüche
den Durchschnitt unsrer Mensaküche.

amarillo

Einst sah ich der Franzosen Klo,
ich bin ja kein Nationalist!
Und doch bin ich von Herzen froh,
daß unser Klo ist, wie es ist.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Wortklaux

Ist es alles gut verlaufen,
oder zieht sich's in die Länge?
Oder türmt es sich zum Haufen?
Wie's auch sei: Du scheißt 'ne Menge!

amarillo

Nur sitzend hier das Wasser lassen,
ist nichts, was Mannesstolz entspricht;
er muss beherzt den Lindwurm fassen
und würgen – bis der sich erbricht!
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Wortklaux

Bisschen was Zeitgemäßes muss auch sein:

Steinzeitmenschen schrieben Sprüche
an die Tür und an die Wand,
heute wabern die Gerüche
um das Smartphone in der Hand.
Dieses, magisch, zieht flexibel
jeden Schmutz an, denn es ist mobil,
doch das scheint ein kleines Übel
dem, dem's in die Schüssel fiel.

Berthold

#6
Zitat von: amarillo in 2016-10-18, 16:43:59
Einst sah ich der Franzosen Klo,
ich bin ja kein Nationalist!
Und doch bin ich von Herzen froh,
daß unser Klo ist, wie es ist.

https://de.wikipedia.org/wiki/Hocktoilette
Du meinst, das Hockklo sei nicht nett -
nach welscher oder Japsensitte?
Doch seh ich ein begackstes Brett,
denk ich: 'Ein Stehklo, bitte, bitte ...'
Den Amselhahn von einem Manne
reinigt dort oft die Wasserkanne.

Wortklaux

Zitat von: Berthold in 2016-10-20, 16:48:49
Zitat von: amarillo in 2016-10-18, 16:43:59
Einst sah ich der Franzosen Klo,
ich bin ja kein Nationalist!
Und doch bin ich von Herzen froh,
daß unser Klo ist, wie es ist.

https://de.wikipedia.org/wiki/Hocktoilette
Du meinst, das Hockklo sei nicht nett -
nach welscher oder Japsensitte?
Doch seh ich ein begackstes Brett,
denk ich: 'Ein Stehklo, bitte, bitte ...'
Den Amselhahn von einem Manne
reinigt dort oft die Wasserkanne.
Mir fielen (bei der Sitzung auf dem guten deutschen Klo) da auch andere Reime ein:

Der Brillenträger

Einst sah ich der Franzosen Klo,
ich bin ja kein Nationalist!
Doch wenn die Brille trägt den Po,
bequemer es sich kackt und pisst.

Homer

Perfäktion

Erst mit der Stütze für den Po
vollendet sich das Klassik-Klo.
Dagegen ist das, wo man steht,
nur silberne Latrinität.

Homer

Klar, das geht auch lateinisch:

est hic, quo culum ponimus,
omnino locus classicus,
at contra illa, ubi stas,
argentea latrinitas.

amarillo

Herr Hollande bat mich, seine Klarstellung einzubringen:

Nos cabinets, n'oubliez pas,
sont dernier cri - je vous assure.
Mais en danger, j'admets cela,
sont les talons de vos chaussures.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.

Homer

Goalgetter

Nach hartem Training trifft beim Pinkeln
so mancher auch aus spitzen Winkeln –
was aber lange noch nicht heißt,
dass er nicht an den Pfosten scheißt.

Wortklaux

Magst du auch speisen wie ein König
und laben dich an edlem Wein,
an diesem Orte trennt uns wenig,
hier hast auch du ein Mensch zu sein.

Wortklaux

Der Klopoet im Kackdampf feile
nicht allzulang an Stil und Reim,
denn mancher, eh' die letzte Zeile
vollendet war, in Ohnmacht

amarillo

All dem, was Menschen so versenken,
Gilt nicht der Fokus der Kritik.
Doch möge bitte niemand denken,
Olfaktorisch sei das schick.
Das Leben strebt mit Urgewalt nach Entstehung und Musik.